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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/438

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Species durch natürliche Zuchtwahl oder durch andere Mittel bis zu einem extremen Grade modificirt worden sein. Waren die Aenderungen stufenweise, so können die Nachahmer leicht denselben Weg geführt worden sein, bis sie in einem gleicherweise extremen Grade von ihrem ursprünglichen Zustande abwichen; sie können schliesslich ein Ansehen oder eine Färbung erreichen, welche der der andern Glieder der Gruppe, zu welcher sie gehören, völlig ungleich ist. Man muss sich auch daran erinnern, dass viele Species von Lepidoptern sehr gern beträchtlichen und plötzlichen Abänderungen in der Farbe unterliegen. Einige wenige Beispiele sind in diesem Capitel mitgetheilt worden; noch viel mehr sind in Mr. Bates’ und Mr. Wallace’s Abhandlungen zu finden.

Bei mehreren Species sind die Geschlechter einander gleich und ahmen die beiden Geschlechter einer andern Species nach. Mr. Trimen führt aber in dem bereits erwähnten Aufsatze drei Fälle an, wo die Geschlechter der nachgeahmten Form in der Färbung von einander abweichen und die Geschlechter der nachahmenden Art in gleicher Weise von einander verschieden sind. Es sind auch mehrere Fälle beschrieben worden, wo allein die Weibchen brillant gefärbte und geschützte Species nachahmen, während die Männchen „das normale Ansehen ihrer unmittelbaren Verwandten beibehalten“. Offenbar sind hier die auf einander folgenden Abänderungen, durch welche das Weibchen modificirt worden ist, auf dieses allein überliefert worden. Es ist indessen wahrscheinlich, dass einige der vielen auf einander folgenden Abänderungen auf die Männchen überliefert worden sein und sich in ihnen entwickelt haben würden, wären nicht derartige Männchen, weil sie den Weibchen weniger anziehend waren, eliminirt worden, so dass nur diejenigen Abänderungen erhalten wurden, welche vom Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren. Wir haben eine theilweise Erläuterung für diese Bemerkungen in einer Angabe des Mr. Belt,[1] dass die Männchen einiger Leptaliden, welche geschützte Species nachahmen, noch immer in einer versteckten Art und Weise einige ihrer ursprünglichen Charactere beibehalten. So ist bei den Männchen „die obere Hälfte des Unterflügels rein weiss, während der ganze Rest des Flügels mit Schwarz, Roth und Gelb gebändert und gefleckt ist, wie bei der


  1. The Naturalist in Nicaragua, 1874, p. 385.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/438&oldid=- (Version vom 31.7.2018)