BLKÖ:Oeser, Chr.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 21 (1870), ab Seite: 18. (Quelle) | |||
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[BN 1] (Schulmann und Schriftsteller, geb. zu Preßburg im Jahre 1791, gest. ebenda 2. Mai 1850). Sein wahrer Name ist zwar Tobias Gottfried Schröer, aber der Schriftstellername Chr. Oeser, ein Anagramm des Namens Schröer, ist [19] weitaus der bekannteste und unter allen Pseudonymen, welche er wählte, zu entschiedener Geltung gelangte, denn er schrieb auch unter dem Namen Theodoricus Schernberk der Jüngere, Pius Desiderius, Elias Tibiscanus, unter der bloßen Chiffre A. Z. und schließlich unter seinem vollen Namen Schröer. Von evangelischen Eltern, erhielt er seine erste Schulbildung in seiner Vaterstadt, später scheint er, wie es bei den Protestanten in Ungarn Sitte, nach Deutschland gezogen und an einer auswärtigen Universität den Grund zu seiner gediegenen Bildung gelegt zu haben. Er widmete sich dem Lehramte, wurde Professor am evangelischen Lyceum seiner Vaterstadt und zuletzt k. k. Schulrath, als der er im Alter von 59 Jahren zu Preßburg starb. Diese einfache Lebenslaufbahn ward aber von mancherlei Sorgen, mitunter schwerer Art, begleitet, in welche ihn seine schriftstellerischen Arbeiten, deren mehrere er der zu seiner Zeit waltenden strengen Censurverhältnisse wegen unter angenommenem Namen erscheinen ließ, stürzten. Mehrere seiner ersten Schriften, die er unter seinem wahren Namen Schröer in Ungarn hatte erscheinen lassen, waren von der Censur so arg verstümmelt worden, daß er sich entschloß, zu der durch die Censurverhältnisse gebotenen Autormaske zu greifen, deren er sich wie wohl mit einigem Glücke bediente, die aber seinen Schriftstellerruhm schmälerte, da er es nicht wagte, sich zur Autorschaft der mit entschiedenem Beifalle aufgenommenen Schriften zu bekennen. So erschien zuerst in dem Jahrgange 1828 des zu Hamburg von Lebrun herausgegebenen „Almanachs dramatischer Spiele“ sein Lustspiel „Reingefegt“; er hatte es zu einer Preisbewerbung eingesendet, war aber zu spät gekommen, Lebrun jedoch versicherte dem anonymen Autor brieflich unter Anschluß des Honorars in Gold, daß, wenn das Stück rechtzeitig eingetroffen wäre, es den Preis erhalten hätte. Das unter dem Namen Christian Oeser für den Jahrgang 1830 des Holtei’schen „Jahrbuchs deutscher Bühnenspiele“ eingeschickte Lustspiel: „Der Bär“, dem eine Anekdote aus dem Leben Czar Ivan IV. Wasiliewitsch zu Grunde liegt, fand Holtei’s entschiedenen Beifall, der in einem Briefe dieses ebenso gemüth- als geistvollen Schlesiers an Oeser ohne Rückhalt ausgesprochen ward. Durch die freundliche Aufnahme beider Stücke ermuthigt, setzte O. seine Arbeiten auf diesem Gebiete fort, aber mit welchem Erfolge? „Wie viele Stücke, schreibt sein Sohn, hat er noch geschrieben und herumgesendet ohne Erfolg! Seltsam. Was ihm gelang, drucken zu lassen, hatte Glück gemacht.“ Viel mochte ihm hinderlich sein, die Verwegenheit, mit der er in vielen Schriften sowohl der Hierarchie als auch dem Regime Metternich’s nahetrat. So schrieb er, angeregt durch die „Ritter“ des Aristophanes einen humoristischen Schwank: „Der alte Herr“, in welchem auf das Kühnste und mit unwiderstehlicher Komik Metternich als „Hausverwalter“ geschildert ward. Das Stück ist durch einen Wiener Kunsthändler, der es an Campe in Hamburg zu übermitteln übernahm, verloren gegangen. Einen anderen, in kirchlicher Hinsicht ebenso verwegenen Schwank: „Die Krebse“, wagte kein Buchhändler zu drucken. In unkennbar verstümmelter Gestalt ist es endlich unter dem Titel: „Krebse und derartiges Ungeziefer. Ein Fastnachtspiel“. Von Theodoricus Schernberk dem Jüngeren (Sudenburg-Magdeburg [20] 1845, Putz u. Comp. [Koch], gr. 8°.) erschienen, aber Niemand wußte, was er daraus machen sollte. Eine entschieden günstige, ja glänzende Aufnahme aber fand eine größere dramatische Arbeit Oeser’s, die ihm von Seite der Leser und der Kritik viel Freude, aber von Seite der die Gedanken und Geister verfolgenden geheimen Hermandad schwere Sorge bereitete, denn man war dem Autor, der schon durch zwei vorangegangene freimüthige Schriften die Aufmerksamkeit der spähenden Polizei geweckt, ja gereizt hatte, auf der Spur und er war mit nichts geringerem als mit Festungshaft in Munkacs bedroht. Die erste dieser Schriften führte den Titel: „Ueber Erziehung und Unterricht in Ungarn in Briefen an Grafen St. Szechenyi, von Pius Desiderius“ (Leipzig 1833, O. Wigand, 8°.); in dieser Schrift verurtheilte O. mit Entschiedenheit den Unterricht der katholischen Geistlichkeit. Von dem Preßburger Verleger K. Fr. Wigand verlangte man die Angabe des Verfassers, da das Buch bei Wigand’s Bruder Otto in Leipzig gedruckt war. Wigand aber nannte nicht nur nicht den Autor, sondern drohte, wenn man weiter in ihn dringen wollte, gleich seinem Bruder Otto auszuwandern. Das Buch hatte aber je nach dem Standpuncte der Personen, die es lasen, eine verschiedenartige Beurtheilung erfahren. Der Erzherzog-Palatin Joseph erkundigte sich vielfach nach dem Autor, als den man ihm den protestantischen Institutsdirector Johann von Blaskovics [Bd. I, S. 429] bezeichnete. Im Vertrauen auf diese Angabe berief er diesen übrigens ausgezeichneten Pädagogen zu sich und vertraute ihm den Unterricht seines Sohnes, des Erzherzogs Alexander, der aber bereits im Alter von eilf Jahren, 1837, gestorben. Es ist dieß gewiß eine bezeichnende Thatsache, daß der Lärm der Clericalen nicht überall das gewünschte Echo fand. Die zweite, nicht minder bedeutsame Schrift führt aber den Titel: „Die Religionsbeschwerden der Protestanten in Ungarn, wie sie auf dem Reichstage im Jahre 1833 verhandelt wurden. Herausgegeben von Elias Tibiscanus“ (Leipzig 1838, Einhorn, 8°.); auch diese machte in clerikalen, aristokratischen und protestantischen Kreisen großes Aufsehen, und um so nachhaltigeres, als der eigentlich intelligente Theil der ungarischen Nation dabei sehr nahe betheiligt war. Auf diese beiden Schriften, welche die Polizei längst in Athem gehalten und mit Argusblicken nach dem vermutheten Autor spähen ließ, folgte nun das oben bezeichnete dramatische Werk, welches den Titel führt: „Leben und Thaten Emerich Tököly’s und seiner Streitgenossen. Historisches Drama. Von A. Z.“ (Leipzig 1839, (Einhorn, 8°.). Nun dieses Stück machte in der Literatur und im Lande Ungarns großes Aufsehen. Die clericale Hofpartei war über das Buch, in welchem der Kampf Ungarns für den Protestantismus und die Ränke der clericalen Hofpartei mit den frischesten und zugleich wahresten Farben geschildert waren, in außerordentlicher Aufregung. Dabei sprachen sich Freunde und Kenner der Literatur nach der Lecture dieses Buches auch von ästhetischem Standpuncte ungemein günstig aus, man nannte es ein geschichtliches Bild von bewunderungswürdiger Frische, eine Arbeit voll frischen Hauchs und entschiedenen Charakters, mit Gruppen von hohem Reize und voller Wahrheit, mit einem Worte einen „ungarischen Götz von Berlichingen, denn nur mit diesem Drama ließ sich Tököly vergleichen“. Graf K. Zay sagte: „Der Verfasser [21] nenne sich, ich theile mit ihm, was ich habe“, aber nahestehende Freunde des Poeten warnten diesen vor Nennung seines Namens, denn vor der Macht der Geistlichkeit konnte die Macht eines Magneten erlahmen. So blieb Oeser unbehelligt, aber – auch unbekannt. Unmittelbar dem Toköly folgte eine Novelle: „Die heilige Dorothea. Dichtung und Wahrheit aus dem Kirchenleben in Ungarn“ (Leipzig 1839, Einhorn, 8°.), mit welchem ganz anonym erschienenen Büchlein der Censur dasselbe passirte, was mit Daumer’s „Geheimnisse christlichen Alterthums“, das mit einem Gebetbuchtitel unbehindert im Palaste des Reichen und in der Hütte des Armen seinen Einzug hielt. „Die heilige Dorothea“ ließ unter diesem heiligen Titel nichts Böses ahnen, wurde als unverfänglich passiren gelassen und viel verkauft. Nachdem es in allen Händen war, jetzt erst entstand Sturm, nun wurde es, nachdem es seine Wirkung gemacht, verboten und confiscirt. Die bisher angeführten Werke Oeser’s, die er, mit Ausnahme des Lustspieles: „Der Bär“, alle weder unter dem Namen Oeser, noch Schröer, sondern, wie bemerkt worden, theils ganz ohne Namen, theils unter einem beliebigen Pseudonym herausgegeben, sind es, die ein Licht auf die Zustände seines Vaterlandes und der geistigen Verhältnisse Oesterreichs vor 1848 werfen. Vieles andere hat Oeser unter seinem Namen Schröer und unter dem Namen Oeser herausgegeben, welcher letztere eben in der deutschen Literatur zu schöner Geltung gelangt ist. Die unter dem Pseudonym Oeser herausgegebenen Schriften als die geistig und ästhetisch bedeutenderen sind: „Weihgeschenk für Frauen und Jungfrauen. Briefe über die Hauptgegenstände der Aesthetik“ (Leipzig 1838, Scheld u. Comp., 8°.), mit nur etwas verändertem Titel noch oft, und zwar seit Oeser’s im Jahre 1850 erfolgten Tode von A. W. Grube vermehrt und verbessert und im Jahre 1869 in zehnter Auflage herausgegeben. – „Weltgeschichte für Töchterschulen. 3 Theile“ (Leipzig 1841–1843, Einhorn, 8°.), auch mit diesem Buche war der Censur das menschliche passirt, daß, weil vor dem Titel des zweiten – das Mittelalter behandelnden Bandes – die heilige Elisabeth abgebildet war, das Lehrbuch in einem katholischen Nonnenkloster eingeführt und längere Zeit gebraucht wurde, was nach der Lecture der Abschnitte über die Reformation billiges Erstaunen erregen muß; auch dieses treffliche Handbuch ist in wiederholten Auflagen und zuletzt in neuer Bearbeitung von Chr. Gotth. Neudecker erschienen; – „Kurzer Leitfaden der allgemeinen Weltgeschichte für Töchterschulen u. s. w.“ (Leipzig 1842, Einhorn, 8°.), auch in neuer Bearbeitung von Neudecker; – „Pallas Athen und die kleinen Griechen. Lesebuch für Knaben“ (ebd. 1842); – „Deutsches Lesebuch für die weibliche Jugend zum Schul- und Privatgebrauche“, 1. und 2. Cursus (ebd. 1844); – „Geschichte der deutschen Poesie in leicht fasslichen Umrissen für die reifere Jugend beiderlei Geschlechts“, 2 Theile (ebd. 1844); – „Der Vogelherd. Dramatisches Gemälde aus Luther’s häuslichem Leben. Ein Geschenk für Frau und Kinder“ (Halle 1845, Lippert u. Schmidt, 12°.); – „Kurzer Abriss der allgemeinen Weltgeschichte für Schulen und zum Privatunterrichte“ (2. vermehrte Auflage Leipzig 1846, Einhorn); – „Theestunden in Lindenhain. Eine Sammlung von Gedichten, Novellen, Schauspielen“, 2 Bände (Leipzig 1846, Einhorn, 8°.), – „Geschichte der Deutschen, dem Volke erzählt. Bearbeitet unter Mitwirkung von C. Nacke“, 6 Lieferungen [22] (Leipzig 1847, Brandstetter, 8°.); – „Weihgeschenk für Jünglinge. Eine Vorschule zur ästhetischen Bildung“ (Breslau 1849, Schulz, 16°.). Die unter seinem wahren Namen Gottfr. Schröer herausgegebenen Schriften – von denen, nebenbei bemerkt, kaum eine oder zwei in den deutschen Bücher-Lexicis verzeichnet stehen – sind aber: „Blumenlese aus den vorzüglichsten Werken deutscher Schriftsteller“ (Preßburg 1820, Joseph Landes, 8°.); – „Kurzgefasste deutsche Sprachlehre für Schulen u. s. w.“ (Preßburg 1821, Landes, 2. Aufl. 1825); – „Lectiones latinae in usum scholarum“ (Posonii 1826, Landes); – „Orationes selectae ex historicis latinis“ (ibid. 1827, 8°.); – „Syntaxis latina regulis perspicuis et concinnis cum exempl. german. lat. redd. et prosodia latina“ (Posonii 1829, Landes, 8°.); – „Kurze Geschichte der deutschen Poesie und Prosa. Ein Leitfaden zu Vorlesungen ...“ (Preßburg 1839, Landes); – „Compendium historiae antiquae Graecorum et Romanorum tironibus conscriptorum“ (Posonii 1836, 8°.), unter der Vorrede nennt sich Schröer Lycei evangelici A. C, Posoniensis Subrector; – „Abriss der Geschichte von Ungarn“ (Preßburg 1841, Landes, 8°.); – „Materiae et exempla dicendi“ (Posonii 1842, Typis Wigand, 8°.); – „Isagoge in eruditionem aestheticam ...“ (ibid. 1842, Typis Wigand, 8°.); – „Archaeologia Graecorum et Romanorum“ (ibid. 1843, 8°.); – „Institutiones paedagogicae sive de arte educandi liber synopticus“ (Magyar Ovarini 1848, sumptibus Czeh., 8°.); – „Tabulae synchronisticae“, sie erschienen ohne Namen, Ort und Jahr, vor dem Jahre 1836; – in Pröhle’s „Deutsches Leben“, Bd. I (Leipzig 1853, Mendelssohn, 8°.), ist nach Oeser’s Tode die „Hauschronik eines deutschen Schulmeisters in Ungarn“ von Schröer abgedruckt worden. Noch ist von Schröer eine Erdbeschreibung in deutscher Sprache, die mehrere Auflagen erlebte, im Drucke erschienen, nähere Angaben darüber vermag jedoch auch Schröer’s Sohn, dem man die ersten interessanten Mittheilungen über diesen bedeutenden deutschen Schulmann in Ungarn verdankt, nicht zu machen. Es ist eine reiche literarische und pädagogische Thätigkeit, die sich im Vorstehenden vor unseren Augen entrollt. Unter welchen betrübenden Verhältnissen aber dieselbe sich entfaltete, darüber geben etliche Zeilen des Einen seiner Schüler Aufschluß, der durch die „Enthüllungen über Oeser“, welche in der „Neuen freien Presse“ abgedruckt waren, angeregt, sich so vernehmen läßt: „Es liegt ein Stück bürgerlicher Tragödie in dem Leben des armen, so wenig gekannten und so viel geplagten Mannes. Wenn das triste lateinische Sprichwort: Quem Dii odere paedagogum fecere je auf Jemanden Anwendung gefunden, so war dieß bei Oeser der Fall. Ein Professor der deutschen Literatur, der deutschen Rhetorik und Poesie in Ungarn, in Preßburg in lang vormärzlicher Zeit! Jeder Csikos hatte eine beneidenswerthere Stellung gegen ihn.“ Nun wirft dieser Schüler Oeser’s einen Blick auf den damaligen Unterricht in Ungarn, der in lateinischer Sprache ertheilt wurde, und auf das Spionssystem, das man unterhielt, um die heimlich deutsch redenden Schüler zu denunciren. „Nachdem man uns arme Deutsche“, schreibt er dann weiter, „so durch ein paar Jahre zu Römern gepreßt, kam eines schönen Tages ein hohes königliches ungarisches Hofdecret, welches uns wieder – zu [23] Magyaren vor- und zubereiten sollte. Plötzlich mußten wir deutsche Römer Geschichte, höhere Mathematik und Physik wieder in ungarischer Sprache lernen! Das Deutsche wurde verhöhnt, das Lateinische war verpönt, wir mußten binnen einem Semester mit Leib und Seele Magyaren werden! Und in diesem närrischen Lande, unter dieser gedankenlos absoluten Regierung, in dieser indifferenten, farb- und willenlosen Stadt, in Preßburg, mußte Professor Oeser – dessen ganzes tiefinnerliches Wesen von deutscher Bildung und Gesinnung getragen war – Professor der deutschen Literatur und ein deutscher Schriftsteller sein, der seine literarische Beschäftigung verschlossen, heimlich, wie ein – Verbrechen übte. Wie die Juden unter der spanischen Inquisition ihre Andacht in Kellern und finsteren Spelunken verrichten mußten, so mußte sich der freisinnige, der wahre „arme Poet“ Oeser dem Dienste der Muße, dem Dienste der Freiheit tief im Verborgenen widmen. Es war ein echtes Martyrerthum, ein kranker Prometheus, gefesselt an den Felsen trauriger äußerer Verhältnisse. Oeser (Schröer) wurde von seinen Schülern außerordentlich geliebt. Seine Berufsgenossen, seine Mitbürger, seine Schüler hatten keine Ahnung von seiner Bedeutsamkeit und seinen Productionen. Sein bescheidenes, schüchternes, ja ängstliches Wesen ließ dergleichen gar nicht vermuthen.“ Noch eines ist hier zu bemerken, bei der Uebersicht der von Oeser anonym oder pseudonym herausgegebenen[WS 1] Schriften könnte man verleitet werden, anzunehmen, Oeser sei eine Natur gewesen, die sich etwa in subversitiven Tendenzen gefallen hätte. Nichts weniger als dieß. Ein Mann von geläuterter gediegener Bildung, schmachtete er, unter einem Volke lebend, das dem Satze huldigt: Extra Hungarium non est vita, et si est vita non est ita, und alles Fremdländische unduldsam behandelnd, mißachtet und von sich fern hält. In seinen poetischen Productionen und in seinen freimüthigen, durchaus aber nicht feindseligen, sondern vielmehr rathenden und die trefflichsten Winke zum Bessermachen enthaltenden Darstellungen, athmet kein feindlicher Geist, sondern der des gebildeten Deutschungarns, der seinem Adoptivvaterlande das Beste wünscht. Oeser war der Friede und die Liebe selbst, am liebsten aufbauend und an hohen Idealen sich erhebend, eine Künstlernatur, die immer nur vorübergehend und nur durch die unnatürlichen öffentlichen Verhältnisse in die Negation gedrängt werden konnte. – Oeser’s Gattin Therese (geb. 9. Mai 1805), eine geborne Langwieser, heirathete ihn im Jahre 1823 und lebt noch von einer kärglichen Pension in Preßburg. In dem deutschen Preßburg wußte man gar nicht, daß sie noch lebe. Die guten vortrefflichen Preßburger – bemerkt der obenerwähnte Schüler Oeser’s, dem die Charakteristik desselben entnommen wurde, die wie die Bourbons „nichts gelernt und nichts vergessen“ – haben freilich an ganz andere Celebritäten als an die Witwen renommirter[WS 2] deutscher Männer zu denken, so z. B. an die lange und stolze Ahnenreihe „berühmter Preßburger Mohnbeugelbäckerinen!“ Frau Oeser (Schröer) war aber nicht nur die geistreiche Frau eines bedeutenden Mannes, sondern an und für sich eine berühmte Schönheit ihrer Zeit. In neuester Zeit erst erschienen von ihr drei Schriften, welche die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt auf diese hochgebildete [24] edle Frau lenkten. Die Titel dieser Schriften sind: „Briefe und Blätter von Frau Therese. Herausgegeben von Karl von Holtei“ (Hamburg 1865, Richter), ein Buch, nur zum kleinsten Theile für den Zweck der Oeffentlichkeit geschrieben, aber eine wahre Fundgrube von Innigkeit und Empfindungstiefe, aus dem Drange eines bewegten weiblichen Gemüthes hervorgegangen, das die Welt und ihre Sittenrichterei über die Stärke ihres Herzenszuges völlig vergessen wollte; das genannte Buch erschien nur unter Angabe ihres Taufnamens; das folgende unter dem vollen Namen: „Für Euch, Ihr jungen Frauen und Mütter! Briefe an eine Freundin von Therese Oeser“ (ebd. 186.), von welchen Briefen Holtei schreibt: „Wenn diese nicht jede fühlende Mutter durchströmen wie Frühlingswärme und Blumenduft, dann weiß ich nicht, was ich von Müttern und Herzen, oder was von meinen fünf Sinnen halten soll“; jüngst erst aber erschien auch nur unter dem Taufnamen: Therese: „Im Brautkranz. Briefe an eine junge Verlobte mit einem Capitel über die Ehe, als Morgengabe für Bräute“ (ebd. 1870, 8°.), wie es treffend auf dem Titel bezeichnet ist, eine wahre „Morgengabe für Bräute“. Erst in neuester Zeit ist durch einen Beschluß der Schillerstiftung (vom 7. Februar 1869) ein voller Sonnenstrahl auf das Grab Oeser’s gefallen, des Mannes, der sein Leben lang der Oeffentlichkeit verborgen bleiben mußte, mit seinen Werken aber, die ein jedes in seiner Art ihre Wirkung gethan, zum Theile aber noch jetzt in ganz Deutschland verbreitet sind, allgemein anerkannte Mittel der Bildung der Eltern und Erzieher geboten hat. In dem an die vergessene, in Preßburg unbekannt lebende, ja für todt ausgegebene Witwe des deutschen Schulmannes gerichteten Schreiben der Schillerstiftung heißt es aber: es habe der Vorstand der Schillerstiftung zu seinem innigsten Bedauern erfahren, daß sich die Gattin eines der würdigsten deutschen Schriftsteller, eines Mannes, der mit Talent und Gemüth stets für nationalen Sinn einstand, keineswegs in Verhältnissen befindet, die ihrem Stande und den Verdiensten ihres Gatten entsprechen und so erfüllt er nur eine ihm durch den Geist seiner Statuten gebotene Pflicht, wenn er sich nach Möglichkeit bemüht, die Ungunst eines harten Geschickes in etwas auszugleichen u. s. w. Dieses Schreiben war mit der für die Betreffende völlig unerwartet gekommenen Sendung einer namhaften Ehrengabe begleitet.
Oeser, Chr.- Neue freie Presse (Wiener politisches Blatt) 1869, Nr. 1649, im Feuilleton: „Enthüllungen über Christian Oeser“; – dieselbe, Nr. 1651, unter den Tagesnotizen: „Ein kleiner Beitrag zu Oeser’s Zeit- und Leidensgeschichte“, von Dr. W, S. –
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ Als Nachtrag zu den Quellen der Biographie von Schröer’s Vater Chr. Oeser seien hier angeführt: Neue freie Presse 1869, Nr. 1724 u. 1750, im Feuilleton: „Aus dem Leben eines Deutschen in Ungarn. Enthüllungen über Chr. Oeser“. – Kurz (Heinrich), Geschichte der neuesten Literatur, wie oben, S. 504a. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) V. Suppl. Bd. S. 631. – Goedeke (Karl), Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1863, L. Ehlermann, 8°.) Bd. III, S. 860, Nr. 503. [Bd. 31, S. 351.]