BLKÖ:Bäuerle, Adolph
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 1 (1856), ab Seite: 118. (Quelle) | |||
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[BN 1][BN 2] Besuchte die Schulen in Wien und trat als Beamter bei der Regierung ein. Schon mit 16 Jahren schrieb er: „Sigmund der Stählerne, Ritterroman“ (Wien 1802, bei Ant. Doll). Dem Umstande, daß man sein Gesuch: eine Theaterzeitung herausgeben zu dürfen, für das seines Vaters hielt, verdankt er die Bewilligung zur Herausgabe, und mit 18 Jahren stand er als Redacteur der Zeitung da, die er noch heute redigirt. 19 Jahre alt, vermälte er sich mit Antonia Egger. Im Jahre 1809, einen Monat vor Einmarsch der Franzosen schrieb B. die Broschüre: „Spanien und Tyrol tragen keine fremden Fesseln“ (Wien, gedruckt bei Hirschfeld 1809). Die 25,000 Exemplare starke Auflage ging bis auf einen kleinen Rest ganz ab, der von den nach der Hand in Wien eingerückten Franzosen entdeckt worden und B.’s Leben gefährdete. Vom J. 1809–1828 war B., der früher schon sein Amt aufgegeben, [119] Secretär des Leopoldstädter Theaters. 1829 vermälte er sich zum zweiten Male mit Katharina Ennöckl (s. d. folg.). In den Jahren 1820–1847 war die Theaterzeitung das am meisten verbreitete Blatt der Monarchie. Im J. 1848 begründete Bäuerle die „Geißel“, deren Eigenthümer und Redacteur er war, während der auf dem Blatte genannte Redacteur damals nur den Namen dazu lieh. Als sich Bäuerle plötzlich um sein Blatt gebracht sah, das in den denkwürdigsten Monaten des Jahres 1848 eine einflußreiche Rolle gespielt, gründete er noch im December desselben Jahres den „Volksboten“, der später in den „Wiener Telegraphen“ umgewandelt wurde. In der ersten Zeit seiner schriftstellerischen Laufbahn bis 1841 war B. vorzugweise für die Bühne thätig und hat durch seine Staberliaden die Gestalten des „Kasperl“ und „Thäddädl“ von der Wiener Volksbühne verdrängt und die neue später von Raimund auf den Gipfelpunct gebrachte Richtung des Volksstückes angebahnt. Hier folgt zum ersten Male ein vollständiges chronologisches Verzeichniß der Stücke B.’s; die mit einem Sternlein (*) bezeichneten befinden sich in der unter dem Titel: „Komisches Theater“ 1820–1826 in Pesth erschienenen Sammlung seiner Volksstücke abgedruckt. 1806: „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“; – 1813: „Die modernen Bauern“; „*Der Untergang der Welt“; „Der letzte Krieg“; „Der Orang-Outang“; „*Die Bürger in Wien“; in diesem Stücke trat zuerst die später von so vielen Dichtern nachgeahmte, doch nur von Bäuerle mit Virtuosität behandelte Figur des Staberl, welche die Runde durch Europa machte, auf. – Im Jahre 1814: „Courier in Wien“; „Bürgerinnen in Wien“; „Die Eipeldauer Zeitung“; „Der Haupttreffer in der Güterlotterie“; „*Der Leopoldstag“, Parodie auf Kotzebue’s „Menschenhaß und Reue“; „Die Fremden in Wien“; „Ehrlich währt am längsten“; – 1815: „*Das Haus der Laune“; „Tankredi“; Parodie auf die Oper: „Tankred“; „Schmauswaberl“; „Das Thal der Gnomen“; „Hugo der Siebente“; „Die Brüssler Spitzen“; „Ein trübes Wölkchen am heitern Himmel“; „Staberls Hochzeit“; – 1816: „*Staberls Wiedergenesung“; „Das Jahr 1816“; – 1817: „Die Coursspeculanten“; „Fausts Mantel“; „Fiaker als Marquis“; „Der Brief aus Aachen“; – 1818: „Schatten von Fausts Weibe“; „*Die falsche Primadonna“; „*Der Freund in der Noth“, womit das Königstädter Theater in Berlin 1819 eröffnet wurde. „Der verwunschene Prinz“; „Der blöde Ritter“; „*Die moderne Wirthschaft“; – 1819: „Tischlein deck’ Dich“; „Der Sohn des Waldes“; – 1820: „*Der Tausendsasa“; „*Die Gespenster-Familie“; „*Aline“; – 1821: „*Die natürliche Zauberei“; „*Die schlimme Liesel“; „*Die Reise nach Paris“; – 1822: „Die Schneiderfamilie“; „*Wien, Paris, London und Constantinopel“; „Staberls Reiseabenteuer“, von Tyl ins Czechische übersetzt; „Das Riesenkind“; – 1823: „Lindane“; „Die Fee in Krähwinkel“ – 1824: „Die Zauberschminke“; – 1825: „Glück in Wien“; – 1827: „Die Giraffe in Wien“; „Walter Scott“; „Gisperl und Fisperl“; – 1828: „Cabale und Liebe“, Parodie auf Schillers Trauerspiel; – 1829: „Der Mann mit Millionen“; – 1840: „Rococco“, ein gelungener Versuch, die Localposse um eine Stufe höher zu stellen; „Das Grabenhaus“, und 1841 „Ein Sonderling in Wien“, mit welchem Stücke B. seine Thätigkeit als Volksdichter für die Bühne schloß. Viele der genannten Stücke wurden in andere Sprachen, namentlich in’s Czechische und Ungarische übersetzt, und machten die Runde über alle Bühnen der Monarchie und selbst des Auslandes. Bäuerle übernahm auch nach Gewey’s Tode die „Eipeldauer Briefe“. Diese wurden nämlich im J. 1785 von Richter gegründet, und von diesem bis 15. Juni 1813, [120] dem Todestage R.’s geführt, dann gab sie Gewey bis Oct. 1819 heraus, am 28. Oct. d. J. übernahm sie B., ergänzte die schuldig gebliebenen Hefte Juli, August, September und setzte sie bis 1821 fort. Mit des Buchhändlers König Tode hörte diese einst so beliebte Volksschrift auf. Auch gab er im J. 1808 einen halben Jahrgang der auch von ihm gegründeten „Zeitung für die gebildete Welt“ und im Jahre 1817 in Compagnie mit Schönholz einen Jahrgang „Wiener musikalische Zeitung“ heraus. – Nach einer längern Pause trat er anfänglich pseudonym als Fels u. Horn und erst, nachdem die Zahl der Leser sich täglich mehrte, mit seinem wahren Namen als Romanschriftsteller auf. Bäuerle schuf mit seinen bald beliebt gewordenen Romanen „Therese Krones“ und „Ferdinand Raimund“ den sogenannten „Localroman“, worin er eine Fülle seiner Erlebnisse und seines Verkehrs mit den Koryphäen jener Zeit, mit der Krones, mit Raimund, Schuster, Korntheuer u. A. bietet und sie in der ergötzlichsten Weise zu erzählen versteht. Dabei entwickelte B. eine bisher nicht dagewesene Fruchtbarkeit, denn seit 1852 erschienen von ihm folgende Romane, theils in Journalen, theils selbstständig: „Therese Krones“ (Wien, Hügel, 5 Bde.); – „Memoiren eines Advocaten“ (Ebd. 2 Bde.); – „Ferdinand Raimund“ (Ebd. 4 Bde.); – „Rothschild u. die Tischlerstochter“ (Wien, Hartleben, 2 Bde.); – „Die Dame mit dem Todtenkopfe“ (Ebend. 2 Bde.); – „Die Enkelin des Freimanns“ (Ebend. 3 Bde.); – „Zahlheim“, (Ebend. 5 Bde.); – In der Zeitung „Telegraph“: „Das Jahr 1848“ (3 Bde.); – „Conrad der Kattundrucker“ (1 Bd.); – „Munkacs“ (1 Bd.); – „Vier Vorstädte Wiens“ (2 Bde.); – In der „Vorstadt-Zeitung“: „Ein Doppelmord in Wien“ (4 Bde.); – „Die Prophezeiung vom J. 1756“ (4 Bde.); – In der „Theater-Zeitung“: „Das eingemauerte Mädchen“ (3 Bde.); – „Director Karl“ (5 Bde.); – „Die Greislerin von Hungelbrunn“ (2 Bde.). Gleichen Schritt mit der literarischen hält B.’s humanistische Thätigkeit. Schon 1826 ließ er anläßlich der Genesung des Kaisers Franz I. von schwerer Krankheit das „Denkmal der Unterthansliebe und Völkertreue“ erscheinen, wovon bald eine zweite Auflage veranstaltet worden. Die Hälfte von dem 20,000 fl. starken Erträgnisse dieses Buches widmete B. dem Ankaufe eines Institutshauses für erwachsene Blinde, die andere Hälfte zur Stiftung zweier seinen Namen tragenden Versorgungsplätze für erwachsene Blinde. Seine Aufrufe für die durch Feuersbrünste und andere verheerende Elementar-Ereignisse verunglückten Ortschaften in allen Kronländern der Monarchie brachten bis zum Jahre 1844, in welchem er für seine Verdienste am 24. Dec. mit der großen goldenen Civilverdienstmedaille belohnt wurde, die ämtlich erhobene Summe von Einer Million 200,000 fl. ein. Wien, Prag, Ofen, Pesth, Gratz und noch 15 Städte schickten ihm dafür das Ehrenbürgerrecht. Am 30. Jänner 1856 feierte B. das Jubelfest seines 50jährigen Wirkens als Redacteur des von ihm 1806 gegründeten Blattes, bei welcher Gelegenheit dem Jubilar ein silberner Festpocal überreicht wurde. Die Beschreibung des Festes enthält die „Theaterzeitung“ Nr. 28 d. J. 1856. Bäuerle, obgleich schon 70 Jahre alt, steht noch in der vollen Rüstigkeit männlichen Alters da. Seinen Humor charakterisirt Alvensleben am treffendsten, wenn er sagt: „Wer schon die Pistole geladen hat, um einen Spaziergang in eine andere Welt zu suchen, der versetze sich eine Stunde mit Bäuerle an einen wohlbesetzten Tisch und der Spaziergang wird zuverlässig aufgegeben. Wer täglich mit B. an einem Mittags- und Abendtische sitzen kann, muß nothwendig zehn Jahre länger leben [121] als andere Menschen.“ Bäuerle ist einer der wenigen noch Lebenden, in denen das alte Wien seine lebensfrische, immer grüne Tradition besitzt. Entsprechend dem herrlichen Epitaph, welches er der Kaiserstadt schrieb: „’s ist nur a Kaiserstadt, ’s ist nur a Wien“ u. welches als Volkslied die Runde durch die ganze Welt gemacht, ist er der wahrhafte Repräsentant des „letzten fidelen Wieners.“
Bäuerle, Adolph (Schriftsteller und Redacteur, geb. zu Wien 9. April 1786).- Illustrirte Zeitung (Leipzig, Weber, Fol.) 5. Jän. 1856, Nr. 653, mit Porträt im Holzsch. – Wanderer (Wiener Blatt) 4°., 1844, Nr. 311. – Sammler (Wiener Blatt) 4°., 1844, Nr. 207. – Argus, herausg. und redig. von E. M. Oettinger (Hamburg 4°.), 1837, Nr. 92. – Zeitung f. d. elegante Welt, Red. Dr. F. G. Kühne (Leipzig, 4°.), 1841, Nr. 254–255: „Das Leopoldstädter Volkstheater von H. Börnstein.“ – Frankfurter Conversationsblatt 1842, Nr. 7–9. – Oestr. National-Encyklopädie (v. Gräffer u. Czikann), (Wien 1835) I. Bd. S. 164. – Gräffer (Frz.), Kleine Wiener Memoiren (Wien, Fr. Beck, 1845) I. Bd. S. 17, III. Bd. S. 37. – Wiener Telegraph 1856, Nr. 25. – Wiener Theaterzeitung 50. Jahrgang (Wien 1856, 4°.), Nr. 28, u. die Beilage dazu: Wiener Geschichten Nr. 28, in beiden die „Bäuerle-Feier“.[BN 3][BN 4] – B.’s Porträte im „Leopoldstädter Theateralmanach“ 1822, von Teltscher, auch in Fol. – lith. von Kriehuber (Wien 1846, Haslinger, Fol.), – lith. von Dauthage, anläßlich der 50jährigen Jubelfeier als Redacteur (Wien 1856, Fol.).
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ Bäuerle, Adolph, Redacteur und Volksdichter (Bd. I, S. 118), gest. zu Basel 10. September 1859. [Band 9, S. 470]
- ↑ † E Bäuerle, Adolph, Redacteur und Schriftsteller [s. d. Bd. I, S. 118], gest. zu Basel in der Nacht vom 19./20. September 1859. Die Feier seines 50jährigen Wirkens als Redacteur, welche am 30. Jänner 1856 stattfand, war der letzte Freudentag des „letzten fidelen Wieners“. Die Zeit war längst eine andere geworden, alle seine Versuche, die „Theaterzeitung“ zu heben, scheiterten an der nicht zu besiegenden Concurrenz mit anderen billigeren Blättern, an dem zurückgedrängten Interesse für Theaterklatsch und Concertberichte und an dem Mangel der Geldmittel, um das zu leisten, was versprochen wurde. Ein letzter Versuch, die werkthätige Theilnahme des Wiener Publicums auf sich hinzulenken, waren „seine Memoiren“, von denen zu Anfang des Jahres 1858 der erste Band erschienen ist. Wenn derselbe im Allgemeinen auch nicht befriedigte, so trug man doch nach der Fortsetzung Verlangen; in den späteren Theilen mußte das von Bäuerle Erlebte, wenn auch die volle Wahrheit zu erfahren Niemand erwartete, an Interesse schon dadurch gewinnen, daß er ja mit den künstlerischen Persönlichkeiten jeder Gattung und aller Länder Europa’s seit 3–4 Decennien persönlich verkehrt und in der vormärzlichen Periode als Journalist eine ausnahmsweise Stellung eingenommen hatte, wovon in der Darstellung seines Lebens doch mancherlei und darunter höchst Interessantes vorkommen mußte. Es war ihm nicht beschieden, die Memoiren fortzusetzen. Seine, mit jedem Tage mehr sich trübenden Verhältnisse gestatteten ihm nicht die erforderliche Gemüthsruhe, und als gar seine persönliche Freiheit bedroht ward, flüchtete er am 17. Juni 1859 aus Wien nach der Schweiz, wo er in der Stadt Basel eine Zufluchtstätte fand. Nicht lange lebte er in der Fremde. Man sagte, ihm sei das Herz gebrochen über dem Gedanken, als Greis in fremdem Lande unter fremden Leuten wie ein Verbannter sterben zu müssen; da es denn doch anders hätte sein können, wenn er in die neue Zeit sich zu fügen verstanden hätte. Ein eigenthümliches Verhängniß: er der conservativste der Conservativen, der nach den Maitagen nur noch in den Erinnerungen an die Tage des absoluten Regime’s schwelgte, die ja die Tage seines Glanzes waren, mußte in der freien Schweiz sterben und liegt in der Erde des freiesten Landes Europa’s begraben. Ein literarischer Nachlaß hat sich nicht vorgefunden. Die Theater-Zeitung übernahm von Bäuerle’s Tochter Friederike ein Herr Morländer. Das Blatt fristete noch einige Monate sein Dasein, dann hörte es wegen Mangel an Theilnahme auf.
- Tritsch-Tratsch (ein Wiener Witz- und Spottblatt), I. Jahrg. (1858), Nr. 7, S. 52: „Wiener bekannte Persönlichkeiten. IV. Adolph Bäuerle“ [mit einem ziemlich ähnlichen Porträt in Holzschnitt]. – Presse (Wiener polit. Journal) 1859, Nr. 241: Nekrolog von F. Uhl. – Frankfurter Konversationsblatt 1859, Nr. 220. – Wiener Zeitung 1859, Nr. 241, S. 4107. – Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung 1859, Nr. 243 und 244: „Adolph Bäuerle und die Localposse“, von August Lewald. [Band 11, S. 364]
- ↑ E Bäuerle, Adolph [Bd. I, S. 118; Bd. XI, S. 364].
- Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig, Karl B. Lorck, 4°.) I. Serie (1860), Sp. 809. [Band 22, S. 469]
- ↑ E Bäuerle, Adolph [Bd. I, S. 118; Bd. IX, S. 470; Bd. XI, S. 364; Bd. XXII, S. 470].
- Goedeke (Karl), Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1863, L. Ehlermann, 8°.) Bd. III, S. 581, Nr. 56; S. 822, Nr. 428 [mit sehr belangreichen Ergänzungen]. [Band 26, S. 368]