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ADB:Stölzel, Wilhelm Friedrich

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Artikel „Stölzel, Wilhelm Friedrich“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 430–432, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%B6lzel,_Wilhelm_Friedrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 11:43 Uhr UTC)
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Stölzel: Wilhelm Friedrich St., evangelischer Theolog, geboren am 21. Februar 1726 in Gotha, war der dritte von neun, später sechs Söhnen des herzoglichen Capellmeisters zum Friedenstein Gottfried Heinrich St. (s. o.) und der Christiane Dorothea, älteren Tochter des Hofdiakonus und nachherigen Archidiakonus M. Johann Knauer in Schleiz, mit der sich sein Vater 1719 während seines Aufenthaltes in Gera vermählt hatte. Bei der Taufe am 22. Februar empfing der Knabe die Namen seiner beiden vornehmen Pathen: des noch jugendlichen Prinzen Wilhelm, zweiten Sohnes Herzog Friedrich’s II. [431] zu Sachsen-Gotha, und des hochbetagten, noch im gleichen Jahre verstorbenen Geheimrathsdirectors und Kanzlers Johann Friedrich Freiherrn Bachoff v. Echt (s. A. D. B. I, 754). Anfangs im elterlichen Hause unterrichtet, dann fünf Jahre auf dem gothaischen Gymnasium unter Rector Joh. Heinrich Stuß gebildet, bezog St. 1743 die Hochschule in Jena und widmete sich dort theologischen und philosophischen Studien unter den Professoren J. G. Walch, F. A. Hallbauer, J. E. Schubert, Reusch und Darjes und dem Magister F. S. Zickler. 1746 kehrte er nach Gotha zurück, vertauschte aber schon 1750 die Stellung eines Candidaten mit derjenigen eines Pfarrsubstituten in Molsdorf, wo damals der bekannte Graf Gustav Adolf v. Gotter (s. A. D. B. IX, 451 ff.) und der württembergische Geheimrath und Erboberstallmeister Heinrich Reinhard Freiherr Röder v. Schwende als gemeinsame Besitzer des größeren Rittergutes das Patronatsrecht über die Kirche besaßen. Nach gehaltener Probepredigt am Sonntag Judica (15. März) begann er am 2. Pfingsttage (18. Mai) des genannten Jahres seine dortige Wirksamkeit; und obgleich ihn sein Senior, der Pfarrer Friedrich August Bachof, nicht eben wohlwollend aufnahm und aus Ersparnißgründen mit einer engen Wohnung und geringen Einkünften versah, waltete er doch seines Amtes mit freudiger Hingebung und zur Zufriedenheit der Dorfbewohner und erwies sich auch furchtlos und unerschrocken gegenüber seinem gräflichen Patrone, dessen unkirchliche Gesinnung und fortgesetzte Enthaltung vom Abendmahle ihn zu wiederholten Mahnungen veranlaßte. Um solche künftig abzuwehren, ließ Gotter den eifrigen Geistlichen einmal mitten in kalter Winternacht aus dem Schlafe wecken und zu sich auf das Schloß entbieten, „da er beichten und communiciren wolle“. Statt aber dem Boten zu folgen, sandte ihn St. mit dem Bescheide zurück: „Wie er Seiner gräflichen Gnaden empfohlen sein, jetzt aber lieber nicht kommen wolle, denn er sei ein noch recht junger Priester, der Herr Graf aber ein recht alter Sünder, so daß beide Theile erst einer längeren Vorbereitung zu dem heiligen Werke bedürften“. Gotter nahm diese Antwort nicht übel, wandte vielmehr dem kühnen Manne fortan seine besondere Gunst zu; ja, als 1753 bei einem seiner Besuche auf dem Friedenstein die Herzogin Luise Dorothea (s. A. D. B. XIX, 625 ff.) im Gespräche der Wiederbesetzung des schon acht Jahre erledigten Hofdiakonates gedachte, empfahl er jenen mit den Worten: „Ich kenne einen trefflichen Mann, der sich ganz vorzüglich zu diesem Amte schicken würde. Es ist mein Pfarrer in Molsdorf; nur hat er leider einen großen Fehler“. Auf die Frage, worin derselbe bestehe, erfolgte die Antwort: „Er ist kein – Ausländer“. Die sonderbare Empfehlung hatte die Wirkung, daß St. zum Hofdiakonus ernannt wurde. Am 9. September 1753 verabschiedete er sich von seiner bisherigen Gemeinde und siedelte am 24. nach Gotha über. Hier stieg er auf der Stufenleiter der geistlichen Würden allmählich bis zur höchsten Staffel empor: 1759 zum Hofprediger und zum Substituten des Landkircheninspectors befördert, trat er 1761 an dessen Stelle, folgte 1771 als Oberhofprediger dem verstorbenen Joh. Georg Brückner (s. A. D. B. III, 399) und 1775 als Generalsuperintendent und Oberpfarrer auf Joh. Adam Löw (s. A. D. B. XIX, 296 ff.), versah aber auch ferner noch die Obliegenheiten eines herzoglichen Beichtvaters; zudem gehörte er seit 1761 als Beisitzer und seit 1766 als Rath dem Oberconsistorium an. In dem letzteren Amte unterzog er mit zwei Collegen auf Befehl Herzog Ernst’s II. am 7. Januar 1778 die Einrichtungen des Gymnasiums einer genauen Prüfung. Sechs Jahre zuvor hatte nämlich der damalige Rector Joh. Gottfried Geißler (s. A. D. B. VIII, 528) statt der früheren Classen sogenannte Curse (Lectionsclassen) eingeführt, damit die in mehreren Unterrichtsfächern zurückgebliebenen Schüler solche Lehrstunden besuchen könnten, die ihrem Wissen und künftigen [432] Berufe am meisten entsprächen. Dagegen stellte nun die Abordnung der drei Oberconsistorialräthe die ehemaligen Classen Selecta bis Tertia wieder her, wies den unteren Classen von Quarta bis Septima den Rang einer bloßen Bürgerschule an, trennte die einzelnen Classen in zwei bis drei Ordnungen, vertheilte den Unterricht auf dieselben, hielt die Zöglinge an, die festgesetzten Stunden zu besuchen und nicht mehr nach eigenem Belieben das eine oder andere Fach auszuwählen, und befreite die Nichttheologen von der Erlernung des Hebräischen. Alle diese Aenderungen fanden am 5. Juni des gleichen Jahres die Genehmigung des Herzogs und bildeten fortan den dauernden Umriß der Schulverfassung. – In seinem geistlichen Berufe zeichnete sich St. durch durchdringenden Verstand, lebhafte Einbildungskraft und schwungvollen Vortrag aus. Seine schriftstellerische Thätigkeit äußerte sich in einer Anzahl einzeln und vereinigt gedruckter Predigten, darunter eine „Erste – Siebente Sammlung heiliger Reden“ (1755–77), in einer mit dem Stadtdiakonus Jakob Friedrich Schmidt (s. A. D. B. XXXVI, Nachtr.) herausgegebenen Wochenschrift „Der ehrliche Mann“ (1765) und in dichterischen Kundgebungen, namentlich auf dem Gebiete des Kirchenliedes. Eine „Ode auf den Sterbemorgen der hochseligen Herzogin (Luise Dorothea) zu Sachsen-Gotha und Altenburg“ (1767) ragt zwar an poetischem Gehalte nicht sonderlich hervor, verdient aber deshalb Erwähnung, weil sie mehrfach in Musik gesetzt wurde, u. a. von Georg Benda, der Einzelnes daraus in seine Opern „Walder“ (1777) und „Romeo und Julie“ (1778) aufgenommen hat. An der Herausgabe des vom Oberhofprediger Christian Wilhelm Bause besorgten „Verbesserten Gothaischen Gesangbuches (1778) betheiligte er sich mit Jakob Friedrich Schmidt „durch verschiedene glückliche Liederverbesserungen“ und durch mehrere selbständige Beiträge. Er verfaßte das Lied Nr. 24: „Gott ist getreu: sein Herz, sein Vaterherz | Ist voller Redlichkeit“ (7 neunzeilige Strophen), das K. G. Bretschneider mit einigen Aenderungen in sein „Neues Gothaisches Gesangbuch“ (1825) aufgenommen hat, und die Litanei Nr. 447: „Arm eilt alles Fleisch hinzu, | Zu dir, Gott der Armen“ (13 fünfzehnzeil. Str.). Ein anderes seiner geistlichen Lieder sollte nach der letztwilligen Bestimmung des etwas wunderlichen Oberhofmarschalls Hans Adam v. Studnitz an dessen Namenstage, zu Johanni, vor dem Grabdenkmal in seinem Garten gesungen, dabei letzterer erleuchtet und zudem Spenden an die Armen vertheilt werden. Studnitz veranstaltete schon zu seinen Lebzeiten eine Probe dieser Feier; doch ist dieselbe nach seinem Tode niemals wiederholt worden. St. selbst vetschied, noch nicht 58 Jahre alt, am 28. December 1783.

Lebensgeschichtliche Aufzeichnungen Stölzel’s (lateinisch) vom 23. Sept. 1753 in der Matrikel der Molsdorfer Kirche, von Hrn. Pfarrer W. Burbach mir gef. mitgetheilt. – Hirsching’s Histor.-litter. Handb., 13. Bd. 1. Abtl). (1809), S. 861. – Meusel, Lexikon XIII (1813), 418 f. – A. Beck, Ernst II., Herzog zu Sachsen-Gotha u. Altenburg, Gotha 1854, S. 145 f. – C. Kehr, Der christliche Religionsunterricht in der Volksschule, 2. Bd., 2. Aufl., Gotha 1870, S. 361. – Außerdem vgl.: (J. G. Brückner,) Kirchen- u. Schulenstaat im Herzogth. Gotha, I. Thl., 4. Stück, Gotha 1755, S. 78; 8. Stück (1757), S. 15; 11. Stück (1757), S. 10 f. – J. G. A. Galletti, Geschichte u. Beschreibung des Herzogth. Gotha, 2. Thl., Gotha 1779, S. 233. – J. H. Gelbke, Kirchen- und Schulen-Verfassung des Herzogth. Gotha, I. Thl., Gotha 1790, S. 106, 156 f. u. 162; II. Thl., 1. Bd. (1796), S. 18, 19, 20; 2. Bd. (1799), S. 110. – Chrn. Ferd. Schulze, Geschichte d. Gymnasiums zu Gotha, Gotha 1824, S. 270–72, 278–81. – A. Beck, Graf Gustav Adolf v. Gotter, Gotha 1867, S. 53 f. – H. A. O. Reichard’s Selbstbiographie, überarbeitet u. hrsg. von H. Uhde, Stuttg. 1877, S. 25, 34 f. u. 138.