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ADB:Schulze, Ferdinand

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Artikel „Schulze, Ferdinand“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 765–768, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulze,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:27 Uhr UTC)
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Schulze: Christian Ferdinand S., Schulmann und Historiker, als Sohn eines Kaufmannes am 17. Januar 1774 in Leipzig geboren, verlor bereits im achten Lebensjahre den Vater und im zwölften die Mutter, worauf ihn der treue Freund seiner Eltern, der Rector Friedrich Wilhelm Döring in Naumburg, als Pflegesohn in sein Haus aufnahm. Er besuchte nun seit April 1786 die dortige Rathsschule, vertauschte sie aber schon im folgenden Juli mit dem Gymnasium in Gotha, als Döring nach Stroth’s Tode die Leitung dieser Anstalt übernahm. Von diesem und einer Reihe tüchtiger Lehrer, wie Jacobs, Schlichtegroll und Kaltwasser, vorgebildet, verweilte er daselbst bis zum Herbst 1792 und widmete sich dann in Leipzig theologischen und philologischen Studien, letzteren namentlich unter Daniel Beck, dessen philologischem Seminar er auch seit 1793 angehörte. Ohne sich am eigentlichen Studentenleben zu betheiligen, fand er volles Genügen in der Wissenschaft und im Umgange mit Freunden und Verwandten, erwarb sich am 10. Januar 1795 die Magisterwürde, bestand im April des nächsten Jahres in Dresden erfolgreich die Candidatenprüfung und kehrte hierauf nach Leipzig zurück, um sich durch fortgesetzte theologische und mehr noch philosophische [766] Studien für das akademische Lehrfach vorzubereiten. Nach Vertheidigung seiner Probeschrift „Prolegomena ad Senecae librum de vita beata“ (8. April 1797) fing er an philosophische, moralische und theologische Vorlesungen zu halten und setzte dieselben ein Jahr lang fort, übernahm aber 1798 eine Lehrstelle am Pädagogium in Halle, wo er am 3. Mai seine Wirksamkeit begann, eingeführt durch seinen Vorgesetzten Hermann August Niemeyer, dessen leuchtendes Vorbild auf den jungen Anfänger in hohem Grade fördernd und begeisternd einwirkte. Obwol ihm das neue Amt behagte, folgte er doch aus Dankbarkeit gegen Döring im März 1800 einem auf dessen Betrieb an ihn ergangenen Rufe als zweiter Collaborator und Inspector des Cönobiums an das Gymnasium in Gotha und lehrte fortan 48 Jahre an seiner früheren Bildungsstätte, zu deren Aufschwunge in den zwanziger und dreißiger Jahren er durch seine Thätigkeit wesentlich mit beigetragen hat. Obwol sofort durch den Professortitel ausgezeichnet, erhielt er doch anfangs eine ziemlich kärgliche Besoldung, die jedoch schon 1803 sich mehrte, als er einen ehrenvollen Antrag zur Uebernahme des Prorectorates in Frankfurt a. M. abgelehnt hatte. Damals verließ er, von der Beaufsichtigung des Schülerconvictes entbunden, seine beschränkte Wohnung im „Kloster“ (Schulgebäude) und gründete mit seiner ihm angetrauten Gattin Auguste Schmidt, der Tochter eines herzoglichen Mundkoches, in bequemeren Räumen seinen Hausstand. Im Laufe der Jahre wurden ihm fünf Söhne und vier Töchter geboren, von denen vier Söhne und zwei Töchter ihn überlebten, und in höherem Alter sah er sich von neunzehn Enkeln und Enkelinnen umgeben. Wie sein häusliches Leben, so war auch seine amtliche Thätigkeit eine erfreuliche und gesegnete. Von wissenschaftlichen Fächern lehrte er mit Vorliebe Religion und seit Galletti’s Rücktritt (1819) in allen Classen Geschichte, außerdem deutsche Sprache, vornehmlich Stilistik in Prima, und Lateinisch sowohl in den Elementen wie in der Erklärung von Horaz und Tacitus. Sein vorzügliches Lehrgeschick führte ihm überdies viele Privatschüler aus den angesehensten Familien zu, besonders im Confirmandenunterricht, den er über vierzig Jahre in jedem Winterhalbjahre zu ertheilen pflegte. Daneben fand er immer noch Muße für eine umfängliche schriftstellerische Thätigkeit. Seiner Erstlingsschrift über Seneca (s. o.) ließ er zunächst einige Schulbücher folgen: die unter Döring’s Namen gehende und wiederholt aufgelegte „Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische“ (1. Thl. 1800, 12. Aufl. 1846; 2. Thl. 1804, 5. Aufl. 1835), zu welcher er den der römischen Geschichte entnommenen deutschen Text lieferte, während Döring den nöthigen lateinischen Wortvorrath hinzufügte; ferner die „Vorübungen zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische“ (1802; 11. Aufl. 1846), ein auf die „Anleitung“ vorbereitendes Elementarbuch, das zum ersten Male deren zweiter Auflage vorgedruckt war, seit der zehnten Auflage jedoch (1829) von ihr getrennt und einzeln ausgegeben wurde; endlich die „Hauptlehren des Christenthums. Ein Leitfaden bei dem frühern Religionsunterrichte“ (1803; 4. Aufl. 1840). Nach drei weiteren, auf das römische Alterthum bezüglichen Schriften: „Geschichte der Römer von der Vertreibung des Tarquin bis zur Erwählung des ersten plebejischen Consuls. Oder Kampf der Demokratie und Aristokratie in Rom“ (1802; mit neuem Titel 1809); „Flavius Stilicho, ein Wallenstein der Vorwelt“ (1805; neue unveränderte Ausgabe 1809) und „Von den Volksversammlungen der Römer. Ein antiquarischer Versuch“ (1815) – erschien sein Hauptwerk: „Historischer Bildersaal oder Denkwürdigkeiten aus der neuern Geschichte. Ein Lehr- und Lesebuch für gebildete Stände“ (6 Bde. in 10 Thln., 1815–1837; mit 108 Kupfern nach Zeichnungen von Schubert, Heideloff und Wolf), eine Darstellung des Mittelalters und der neueren Zeit für Liebhaber [767] der Geschichte und insbesondere für die reifere Jugend, mit der Absicht, zur Förderung historischen Wissens und „zur Belebung edler Gesinnungen und Gefühle“ beizutragen. Auf die zusammenhängende Erzählung der betreffenden Ereignisse folgt allemal die Schilderung einzelner Handlungen und Charaktere aus der gleichen Zeit; „denn nur auf diese Art“, sagt der Verfasser, „konnte sich das Mannichfaltige zur Einheit gestalten, während auf jene Art eine endlose, mehr verwirrende als belehrende Sammlung historischer Aggregate entstehen mußte.“ Das Werk rührt durchgängig von S. her: K. Fr. Lossius, Diakonus in Erfurt, der auf den Titeln der beiden ersten Bände als Mitherausgeber genannt wird, hat sich in keiner Weise daran betheiligt. Die hier fehlende Geschichte des Alterthums war bereits in der von Lossius bearbeiteten „Moralischen Bilderbibel“ (5 Bde., 1805–13) behandelt worden. Letztere gestaltete nun S. in einer zweiten Auflage nach der Einrichtung des „Historischen Bildersaales“ bedeutend um (5 Bde., 1821–24; mit 74 Kupfern nach Schubert) und schuf so aus beiden Arbeiten ein einziges fortlaufendes Ganze. Neben und nach ihnen hat er dann noch von geschichtlichen Einzelschriften veröffentlicht: „Die Kreuzzüge oder Schilderungen der wichtigsten Begebenheiten und Charaktere aus den Zeiten derselben“, ein Sonderabdruck aus dem vierten Bande des „Historischen Bildersaales“ (1820); „Von der Entstehung und Einrichtung der evangelischen Brüdergemeinde“ (1822); „Geschichte der alten Welt oder Darstellung der wichtigsten Begebenheiten von den ältesten Zeiten bis zur Stiftung des Christenthums“ (1824); „Geschichte des Gymnasiums zu Gotha“ (1824); „Ueber die Entstehung der Augsburgischen Confession und die Fortdauer der evangelischen Kirche“ (1830); „Ueber die Entwickelungsepochen in der Geschichte der Menschheit“ (1831); „Elisabeth, Herzogin zu Sachsen und Landgräfin zu Thüringen. Ein Beitrag zur Geschichte der Sachsen-Coburg-Gothaischen Lande“ (1832); „Die Auswanderung der evangelisch gesinnten Salzburger, mit Bezug auf die Auswanderung der evangelisch gesinnten Zillerthaler“ (1838); „Erinnerungen an das Jahr 1789“ (1838); „Wechselwirkung zwischen der Buchdruckerkunst und der Fortbildung der Menschheit“ (1840); „Ueber die Benutzung der Geschichte. Ein Nachtrag zum historischen Bildersaale“ (1841); „Uebersicht der Geschichte des Großherzogthums Baden“ (1842) und „Ueber die verschiedenartige Auffassung historischer Charaktere und Begebenheiten“ (1846). Das von ihm zum Drucke vorbereitete „Leben des Herzogs von Sachsen-Gotha und Altenburg Friedrich II. Ein Beitrag zur Geschichte Gotha’s beim Wechsel des 17. und 18. Jahrhunderts“ (1851) gab sein Sohn Adolf Moritz S. nach dem Tode des Vaters heraus. Ferner bearbeitete. er alljährlich eine dem „Gothaischen Historien-Kalender“ beigegebene „Gothaische Chronik“, welche den Zeitraum vom 25. Nov. 1826 bis zum 31. Aug. 1850 umfaßt, besorgte fast neun Jahre lang (1803–11) die Redaction von R. Z. Becker’s „Nationalzeitung der Deutschen“ und veröffentlichte eine große Anzahl Grabreden (etwa 26), mehrere Fest- und Gedächtnißreden und viele geschichtliche, biographische und kirchengeschichtliche Aufsätze in Woltmann’s Zeitschrift „Geschichte und Politik“, in Löffler’s „Magazin für Prediger“, in Pölitz’, später Bülau’s „Jahrbüchern für Geschichte und Staatskunst“, im „Allgemeinen Anzeiger der Deutschen“, in Illgen’s „Zeitschrift für die historische Theologie“, in der „Allgemeinen Schul-Zeitung“ und in der „Zeitung des allgemeinen deutschen Lehrervereins“. Recensionen lieferte er in die „Gothaischen Gelehrten Zeitungen“ und in die „Jenaische Literatur-Zeitung“. – Aus seinen späteren Lebensjahren ist noch anzuführen, daß er nach dem Rücktritt seines Collegen Friedrich Kries (1840) zur ersten Professur aufstieg, 1841 den Hofrathstitel erhielt und 1848 nach fünfzigjähriger Lehrthätigkeit wegen seiner erschütterten Gesundheit in den Ruhestand trat, wobei ihm Herzog [768] Ernst II. durch die Gewährung des vollen Gehaltes und durch die Verleihung des Verdienstkreuzes Anerkennung und Dank zollte. Mit verminderter Körperkraft, aber in geistiger Frische und Klarheit verbrachte er die ihm noch beschiedene Ruhezeit, bis er am 2. December 1850 wiederholten Schlaganfällen erlag. In ihm schied ein Mann, der, wie Rost treffend sagte, „durch die glückliche und menschlich schöne Mischung von hohem Lebensernst und genialer Lebensheiterkeit, durch unwandelbare Gesinnungstreue und einen nie rastenden Thätigkeitstrieb“ vor Vielen sich ausgezeichnet hatte. Am 17. Januar des folgenden Jahres, seinem 77. Geburtstage, beging das Gymnasium sinnig seine Gedächtnißfeier. Hier zogen seine Collegen Wüstemann und Rost in lateinischer und deutscher Rede die Summe dessen, was der Verstorbene seinen Angehörigen und Freunden, der Schule und der Wissenschaft gewesen war.

Meusel, Gel. Teutschland. – Athenäum. Humanistische Zeitschrift, hg. von Friedr. Günther u. Wilh. Wachsmuth. 3. Bandes 2. Heft. Halle 1818. S. 276 f. – Programm des Gymnasii illustris zu Gotha, Gotha 1851, S. 27 f. – A. M. Schulze, Christian Ferd. Schulze, nach seinem Leben und Wirken geschildert, Gotha 1851. (Darin S. 50–56: Rost’s Rede bei der Gedächtnißfeier.) – E. F. Wüstemann, Chr. Ferdin. Schulzii laudatio, Gotha 1851. – Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 21. Jahrgang, 62. Bd., Leipzig 1851, 2. Heft, S. 202 f. und 4. Heft, S. 406 f. – Allg. Schul-Zeitung, 28. Jahrg., Darmstadt 1851, Nr. 48 vom 22. April, S. 409 bis 411. – Zeitung d. allgem. deutschen Lehrervereins, 3. Jahrg., Dresden 1851, Nr. 17 u. 18 vom 3. Mai, S. 70b–71a. – N. Nekr., 28. Jahrg., 1850, 2. Thl., Weimar 1852, S. 750–753. (Von A. M. Schulze.) – Ergänzungs-Conversationslexikon, herausg. von Friedr. Steger, 10. Bd. oder: Neue Folge, 3. Bd., Leipzig und Meißen (1855), S. 202–204. – J. B. Heindl, Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner u. s. w. aus der Gegenwart, 2. Bd., München 1859, S. 419, Anmerkung.