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ADB:Stuß, Johann Heinrich

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Artikel „Stuß, Johann Heinrich“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 68–70, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stu%C3%9F,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:01 Uhr UTC)
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Stuß: Johann Heinrich St., gelehrter Schulmann, geboren am 9./19. Juni 1686 in Grohnde bei Göttingen, der einzige Sohn des dortigen Pfarrers Matthias Christoph St., besuchte vom 6. Jahre an die Stadtschule in Helmstedt, wo seine Familie daheim war, kehrte aber nach dem frühen Tode seiner Mutter (1696) zu seinem Vater zurück, der ihn theils selber in seiner Bildung förderte, theils von einem tüchtigen Candidaten in dem benachbarten Dorfe Elliehausen unterrichten ließ. Die bei dem letzteren eingesogene Neigung zu den alten Sprachen mehrte sich noch auf dem Gymnasium in Göttingen (1698–1704), da er hier in dem Rector Just von Dransfeld einen anregenden Lehrer fand, dem er stets ein treues Andenken bewahrt und noch 59 Jahre nachher in einem Programm („Schola γεροντοτρόϕος“, 1763) dankbar gehuldigt hat. Neben den Schulfächern machte er sich unter der Leitung eines Juristen noch mit der deutschen Dichtung bekannt, gewann für sie Theilnahme und Verständniß und ist ihr in seinem übrigen Leben immer befreundet geblieben. Seine akademischen Studien, die sich auf Theologie, Philosophie, Naturlehre und Geschichte der Wissenschaften erstreckten, begann er im Herbst 1704 in Helmstedt, mußte sie aber nach zwei Jahren wieder abbrechen, da sein alternder Vater der Unterstützung des Sohnes im Predigtamt dringend bedurfte. Nachdem er zwei fernere Jahre in Grohnde verweilt hatte, befiel ihn ein Augenleiden, für das er in Halle bei den bekannten Aerzten G. E. Stahl und Chr. Fr. Richter Heilung suchte und fand, sodaß er zugleich seine Studien wieder aufnehmen und namentlich die morgenländischen Sprachen unter J. H. Michaelis betreiben konnte. Nach einem abermaligen Aufenthalte im väterlichen Hause begab er sich im Frühling 1710 wieder nach Halle, um neben der Alterthumswissenschaft noch der französischen und italienischen Sprache obzuliegen. Damals beabsichtigte man in Hannover, wo St. den Winter von 1711/12 verlebte und unter anderen mit Leibniz verkehrte, ihm das Conrectorat in Ilfeld zu übertragen. Als sich aber die Entscheidung verzögerte und er inzwischen vernahm, daß er dort auch Mathematik lehren solle, kehrte er noch einmal nach Helmstedt zurück und widmete sich diesem Fache unter der Leitung J. B. Wiedeburg’s, des nachmaligen jenaischen Professors und Kirchenrathes. Am 29. December 1713 übernahm er endlich das ihm bestimmte Amt mit einer Rede „de faciliore docendae discendaeque matheseos ratione“ und verwaltete es bis 1724, worauf er, zum Prorector befördert, an Stelle des vom Schlage getroffenen Rectors G. N. Kriegk mit der Führung des Pädagogiums betraut wurde. In beiden Stellungen hat er sich um die Vermehrung der Schulbibliothek große Verdienste erworben. – Vier Jahre später berief ihn die gothaische Regierung zum Rector ihrer Landesschule. Er fand dieselbe in keiner gedeihlichen Lage vor; denn obwol sie in der früheren Zeit seines Vorgängers Gottfr. Vockerodt sich einer ungewöhnlichen [69] Blüthe erfreut hatte, so war doch in dessen letzten Lebensjahren ein jäher Verfall eingetreten und die Schülerzahl bedeutend herabgesunken. Wenn es St. während einer langen Amtsdauer nicht gelungen ist, die eingetretenen Uebelstände zu beseitigen, so trifft ihn freilich selber ein Theil der Schuld. An ausgebreiteter Gelehrsamkeit und pädagogischer Kenntniß hat es ihm nicht gefehlt, wol aber an der Fähigkeit, eine Schulanstalt mit fester Hand zu regieren, die damals verwilderte Jugend zu bändigen und die entzweiten und saumseligen Lehrer zur Eintracht und zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Immer neue Streitigkeiten mit seinen Collegen, stets wieder auftauchende Klagen über die rohen Sitten der Schuljugend führten zu wiederholten Untersuchungen und Gutachten von Seite des Oberconsistoriums, ohne daß man auf diese Weise die Mängel abzustellen vermochte. Zudem scheute sich Herzog Friedrich III., ein Gönner des Rectors, vor jeder eingreifenden Maßregel und entschloß sich erst dann dazu, als St., von zwei Schlaganfällen heimgesucht, dem leitenden Amte nicht mehr vorstehen konnte. Da ordnete man ihm zunächst (1765) einen Collegen als Stellvertreter bei und versetzte ihn dann (6. April 1768), nachdem Joh. Gottfried Geißler, bisher Conrector in Görlitz, einem Rufe nach Gotha gefolgt war, mit vollem Gehalte in ehrenvollen Ruhestand. Seitdem brachte er, noch immer wissenschaftlicher Thätigkeit hingegeben und dabei von seiner zweiten Gattin durch Vorlesen unterstützt, die noch übrige Lebenszeit fast immer im Bette zu und starb, beinahe 89jährig, am 6. Mai 1775. Von seinen sieben Kindern überlebte ihn nur der älteste Sohn, Just Christian (s. d. Art.) – Als Schriftsteller hat er sich in zahlreichen lateinischen Programmen versucht; theilweise sind diese, namentlich die litterargeschichtlichen, auch heute noch nicht veraltet. Folgende Abhandlungen mögen hervorgehoben werden: über den Generalsuperintendenten Georg Nitsch (1729), über den Professor Joh. Elias Reichard (1731), über den Vicekanzler Joh. Jacobs (1732), über den Helmstedter Professor der Theologie Theod. Berckelmann (1733), über die Kanzler Achatius Heher und Wolfg. Konrad v. Thumshirn (1749 u. 1750), über den ersten gothaischen Rector Basilius Monner (3 Schriften, 1757 u. 1758), über die Geschichte des Gymnasiums zu Gotha (5 Schriften, 1757, 59 u. 60), über die Lehrbücher des Amos Comenius (1761), über Veit Ludw. v. Seckendorf’s „Compendium historiae ecclesiasticae Gothanum“ (1762) u. s. w. Zur Förderung des Unterrichtes in der vaterländischen Litteratur gab er zwei größere Werke heraus: eine „Sammlung Teutscher Reden, zum Dienste der studirenden Jugend“ (1727, 2. Aufl. 1730) und eine „Sammlung auserlesener Gedichte, als Probe der neuen Teutschen Poesieen“ (1734). Vor allem aber soll ihm unvergessen bleiben, daß er zu jener Zeit schon die Bedeutung von Ulfilas’ gothischer Bibelübersetzung erkannte und auf eine neue Ausgabe drang („Consilium de thesauro Teutonico altero tertioque adornando et versione IV Evangeliorum Gothica denuo edenda“, 1733) und über deren Sprache eine Abhandlung schrieb („De antiquissima dialecto Teutonica“, 1751), sowie daß er endlich als der erste seiner gelehrten Standesgenossen die Messiade Klopstock’s freudig begrüßte, in einem Programm lobend besprach („Prolusio de novo genere poëseos Teutonicae rhythmis destitutae“, 1751), darin eine wohlgelungene Uebersetzungsprobe in lateinischen Hexametern gab und das Gedicht gegen die darauf erfolgenden heftigen Angriffe Gottsched’s in seinen drei „Commentationes de Epopoeia christiana“ (1752) tapfer und glücklich vertheidigte.

Just Chrn. Stuß, Lebensnachrichten von dem vieljährigen Rector der Herzogl. Landesschule zu Gotha, Hrn. Joh. Heinr. Stuß, Göttingen 1776; wieder abgedruckt in Hirsching’s Histor.-litterar. Handbuch, 13. Bd., 2. Abthl. (1809), S. 240–266. – Chrph. Sachse, Onomasticon literarium, Pars VII [70] (1788), S. 190–192. – Meusel, Lexikon. – Chrn. Ferd. Schulze, Geschichte des Gymnasiums zu Gotha, Gotha 1824, S. 227–253. – A. Beck, Ernst II., Herzog zu Sachsen-Gotha u. Altenburg, Gotha 1854, S. 146. – Vgl. auch: Göttingische gelehrte Anzeigen 1753, S. 679 u. 1776, S. 697. – J. H. Gelbke, Kirchen- u. Schulen-Verfassung des Herzogthums Gotha, 1. Thl., Gotha 1790, S. 93. – F. W. Döring, Commentationes, Orationes, Carmina (hrsg. von E. F. Wüstemann), Nürnberg 1839, S. 184 f. u. 263 bis 266. – Franz Muncker, Friedr. Gottlieb Klopstock, Stuttgart 1888, S. 159 f.