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ADB:Schubarth, Karl Ernst

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Artikel „Schubarth, Karl Ernst“ von Daniel Jacoby in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 606–612, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schubarth,_Karl_Ernst&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:23 Uhr UTC)
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Schubarth: Karl Ernst S., philosophischer und ästhetischer Schriftsteller, durch Goethe’s Theilnahme der Vergessenheit für immer entrissen, wurde geboren am 28. Februar 1796 zu Brinitze bei Konstadt in Oberschlesien von evangelischen [607] Eltern. Sein Vater, Pächter einer kgl. Domäne, war wohlhabend. Bis zum zwölften Jahre genoß das Kind des ländlichen Aufenthalts in einer gebirgsähnlichen Landschaft: heiter geselliger Verkehr mit den Bergstädten Tarnowitz und Beuthen fehlte nicht. Das slavische Volksthum, der katholische Cultus gaben mannichfaltige Eindrücke und festigten das Streben, sich im eigenen zu behaupten. Die Tagesereignisse verfolgte der Knabe eifrig; Bonaparte’s Siege über die Oesterreicher und Russen wurden nicht beklagt: man bildete sich in altpreußischer Zuversicht ein, so erzählt S. selbst, es werde Bonaparte nicht so gut gerathen, falls er mit uns anbinden sollte. Um so schmerzlicher die Niederlagen bei Jena und Auerstädt! „Uns traf das Schlimmste, was uns widerfahren konnte; wir wurden polnisch.“ Der Sturz des Vaterlandes fiel zusammen mit dem Ruine der Familie. Nach dem Tode des Vaters in Breslau 1809 blieb der Mutter die Sorge für zwei Söhne: der ältere Karl Ernst besuchte das Elisabeth-Gymnasium in Breslau bis zum Jahre 1815. Schummel und besonders Menzel, der Geschichte lehrte, fesselten ihn. S. war ein Vielleser, der seine Lectüre selbständig wählte. Wieland, Lessing, Herder las er gern, weniger Schiller, Klopstock, Jean Paul; die romantische Schule erschien ihm „fast unleidlich“: seine Abneigung gegen A. W. Schlegel tritt in seinen Schriften später hervor. Mit „wahrem Enthusiasmus“ ergriffen ihn dagegen Goethe und Shakespeare, „den Schummel bruchstückweise höchst trefflich vorlas“. Sein Lehrer Etzler staunte über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit seines Urtheils in so frühem Alter.

Die Ueberzeugung, für Schubarth’s Schriften später höchst kennzeichnend, wurde in dem Jüngling immer fester, „daß alles auf ursprüngliche Anlagen in der Welt und Menschheit ankomme; daß echte Bildung sich von innen heraus entwickele; daß alles Bedeutende, Vorzügliche eine gewisse Einzigkeit behaupte und ein gewisses souveränes Recht geltend mache“. In solcher Gesinnung bezog der Neunzehnjährige die Universität. Unter der Leitung von der Hagen’s und Büsching’s betrieb er die altdeutschen Studien, die damals in Breslau blühten: „das Herüberziehen in die Gegenwart“ verwarf er, weil keiner Zeit ihr Charakter von außen her verliehen werden könne. Passow’s und Schneider’s Vorlesungen folgte er fleißig, aber mit eigenem Sinn. Steffens’ „märchenhafte“ Naturphilosophie bestärkte ihn in dem „Vorurtheil“, die Philosophie sei nur ein Auskunftsmittel, mit der Welt auf eine bald mehr grämliche, bald lustigere Art fertig zu werden. F. A. Wolf’s Ansicht über Homer erschien ihm schon damals „als der größte Mißgriff und das täppischste Beginnen“.

Die Begeisterung für Goethe zeitigte die kleine Schrift: „Zur Beurtheilung Goethes“, Breslau 1818. Im Sommer 1817 hatte sie der Student in Breslau begonnen und Ende September abgeschlossen. In Leipzig, wo er vom October 1817 bis Anfang 1820 weilte, erweiterte er sie zu zwei Bänden, „Zur Beurtheilung Goethes, mit Beziehung auf verwandte Litteratur und Kunst“, Breslau 1820. Die ursprüngliche Schrift ist im ersten Bande enthalten, aber mit Zusätzen und Vermehrungen. Das fortschreitende Manuscript hatte der Jüngling an Goethe gesendet: „Hülfe und Auskunft“ suchte er „bei demjenigen, dem er so viel schon vertraut“. Goethe kam ihm liebevoll entgegen, und S. konnte im 2. Band S. 6 f. ein Schreiben des großen Dichters vom 8. Juli 1818 „statt Vorwortes“ veröffentlichen. Um diese Zeit lieferte er Aufsätze für das Weimarische Modejournal. Im Herbst 1820 besuchte er mit seinem Bruder Goethe in Jena; im Schreiben vom 14. September hatte dieser ein freundliches Willkommen in Aussicht gestellt. „Die Neigung“, so berichtet Goethe in den Tags- und Jahresheften, „womit S. meine Arbeiten umfaßt hatte, mußte ihn mir lieb und werth machen, seine sinnige Gegenwart lehrte mich ihn noch höher schätzen, und ob mir zwar die Eigenheit seines Characters einige Sorge für ihn [608] gab, wie er sich in das bürgerliche Wesen finden und fügen werde, so that sich doch eine Aussicht auf, in die er mit günstigem Geschick einzutreten hoffen durfte“.

Diese Hoffnungen Goethe’s für S. erfüllten sich nicht, trotz Bemühungen bei seinen Freunden Schultz, Zelter, selbst Hardenberg und Altenstein, seinem Schützling eine gesicherte Stellung in Berlin zu verschaffen. S. blieb dort vom Sommer 1821, mit kurzer Unterbrechung, noch drei Jahre. Der Angriff gegen F. A. Wolf, von dem unten die Rede sein wird, war ihm nicht förderlich. „Schubarth“, so erzählt Zelter in Goethe’s Haus am 1. December 1823 auf eine Frage Eckermann’s, „besucht mich wenigstens alle acht Tage. Er hat sich verheirathet, ist aber ohne Anstellung, weil er es in Berlin mit den Philologen verdorben“. Goethe schrieb ihm damals mehrere Briefe: am 7. November 1821 hatte er ihm zu seiner Verehelichung seinen „Segen“ gegeben mit bedeutsamen Worten über das Wesen der Ehe „innerhalb des Gesetzes“. Mit dem trefflichen Zelter war der eigenartige Jüngling nicht zufrieden. Sein Schreiben vom Ende Januar 1822 an Goethe zeigt, daß er dem Staatsrath Schultz näher trat als Zelter, der ihm „zu unruhig als Alter“ war und „sich zu sehr gehen“ ließ. Als auch die Hoffnung auf eine kleine Stelle an der kgl. Bibliothek keine Erfüllung fand, als eine von ihm begründete Zeitschrift „Palaeophron und Neoterpe“ nicht über das zweite Stück wegen mangelnder Theilnahme hinauskam, kehrte er 1824 nach Schlesien zurück und lebte zwei Jahre bei seinen Schwiegereltern in der Nähe von Liegnitz. Zelter schreibt von Berlin am 1. Juli 1824 an Goethe: „Dr. Schubarth ist von hier nach Schlesien zurückgegangen, weil seine Hoffnung auf eine Anstellung sich zu sehr ins Lange zieht. Er hat mich besorgt gemacht und sich und mir manche Stunde mit Klagen verkümmert.“

Zwei Briefe Goethe’s aus dem Jahre 1825 bezeugen, daß er S. die Mitarbeit an der neuen Ausgabe seiner Werke neben Eckermann und Riemer gern übertragen hätte, allein wegen der Ortsentfernung, die sie schied, mußte Goethe auf sie verzichten. Eine ernste Mißstimmung gegen den Dichter bemächtigte sich Schubarth’s: er sah sich genöthigt, 1826 einen Ruf als Erzieher bei mehreren Familien in Hirschberg anzunehmen. Und doch hatte Goethe ihn nicht vergessen, wie wir jetzt aus Briefen an Hegel wissen, die jüngst (1887) bekannt geworden sind. Am 9. Mai 1827 verwendet er sich bei Hegel „für den jungen Mann, der mir wirklich am Herzen liegt“; am 17. August desselben Jahres dankt er dem Philosophen für den Antheil, den er an Schubarth’s Schicksal nehme. „Haben Sie die Gefälligkeit, die für ihn eingeleitete geneigte Gesinnung auch fernerhin zu erhalten. Er ist einer von den jüngeren Männern, die ich noch gern in das bürgerliche Tagesleben eingeführt zu sehen wünsche“.

S. aber trat schon zwei Jahre später als Gegner Hegel’s vor die Oeffentlichkeit. Den Entwurf zu seinem Buche sendete er an Goethe. Dieser, der die Schrift, wie aus Gesprächen mit Eckermann hervorgeht, im Winter 1829 gelesen hatte, antwortete freundlich am 10. Mai, aber bekannte seine Abkehr von den „polemischen Richtungen“, ohne die Jugend zu tadeln, „wenn sie den Gegensatz, den sie in sich gegen anders Denkende empfindet, polemisch ausspricht, sich von dem Widerwärtigen trennt und sich in der Theilnahme Gleichgesinnter höchlich erfreut“. Die „Vorlesungen über Faust“ konnte S. mit der öffentlichen Widmung vom 16. März 1830 Goethe in „reiner, treuer, dankbarer Gesinnung“ senden. Der letzte Brief, den der Dichter an S. geschrieben hat, ist vom 14. Februar 1832 datirt, fünf Wochen vor seinem Tode. In diesem freut sich Goethe der Anstellung Schubarth’s; er hatte Ostern 1830 ein Lehramt am Gymnasium zu Hirschberg erhalten. „Inständig“ bittet der greise Dichter, genau zu beobachten, was für eine Höhe von Bildung sein Kreis eigentlich bedürfe und [609] verlange. „Alles Voreilige schadet, die Mittelstufen zu überspringen ist nicht heilsam“.

Daß S. als Lehrer trefflich wirkte, hat vor allen ein Mann wie Hermann Hettner bezeugt. „Als Lehrer“, sagt er, „ist Schubarth allen seinen Schülern unvergeßlich. Er war Lehrer der Geschichte und der deutschen Litteratur. Ich hatte das Glück sein Schüler zu sein. Ich verdanke ihm meine ganze Richtung.“ Nach Goethe’s Tode erschienen von S. noch vier Schriften. Einem Rufe als Professor der Geschichte an die Universität Breslau im J. 1841 folgte er zwar, aber seit Jahren kränkelnd, kehrte er bald in sein altes Amt nach Hirschberg zurück. Im Sommer 1860 trat er in den Ruhestand: ein Jahr darauf, am 10. Juli, ist er gestorben.

Was Goethe 1829 zu Eckermann gesagt hat: „Schubarth ist ein bedeutender Mensch“, bestätigen seine Schriften. Sie sind heute zum größten Theil vergessen, wiewohl einige „dem Besten“ seiner Zeit genug gethan. Kaum begegnet man einmal Schubarth’s Namen bei den Goetheerklärern, und doch fehlt es bei ihm nicht an trefflichen Gedanken, was Goethe betont hat. Mit der oben genannten Schrift über Goethe hatte er das Eigenste, was er lange mit sich herumgetragen, ausgesprochen. Bei der frühen Selbständigkeit seines Wesens hatte er sich von den Berühmtheiten der Philologie und Philosophie seiner Zeit abgewendet; Goethe’s Persönlichkeit dagegen mit ihrer vollendeten Harmonie zwischen Geist und Natur, mit ihrer Geschlossenheit und Ganzheit war sein Vorbild geworden. Der schöpferischen Kraft gab er den Vorzug vor aller Gelehrsamkeit und Kritik. Er wollte sich jedoch nicht auf das bloße Lob Goethe’s beschränken. Indem er den Zusammenhang in seinen Werken aufwies – und er wußte die Allnatur Goethe’s in der That, trotz Irrthümern im einzelnen und trotz einigen gewaltsamen Verallgemeinerungen, besser zu würdigen als viele hervorragende Zeitgenossen –, indem er besonders ein richtigeres Verständniß des „Faust“, vor allem der Gestalt Mephisto’s zu verbreiten suchte, ward Goethe ihm, nach seinen eigenen Worten, gleichsam Symbol des Wahren und Falschen, das er an der modernen Natur anerkennen oder ablehnen mußte. Daher sein Kampf gegen die Kritik seiner Zeit: in der Auffassung des Alterthums gegen F. A. Wolf, der neueren Dichtung besonders gegen A. W. Schlegel, dem er das Urtheil über Goethe’s Faust „rhapsodische Bruchstücke ohne Anfang und Schluß“ nicht verzeihen konnte. „Jede Scene im Faust hat ihre Exposition, ihre Verwickelung und Auflösung, und ist im Sinne des Ganzen durchgeführt.“ Die Romantiker befehdet er wegen ihrer Vermengung von Production und Kritik, Kunst und Wissen: Philosophie, Religion und Poesie seien nicht bloß nach ihren Urkräften und Thätigkeiten, sondern nach Gegenstand und Richtung sehr verschieden.

Alle späteren Schriften Schubarth’s sind im Keime schon in diesem Buche über Goethe vorhanden, ein Zeugniß für seine Frühreife, andererseits auch für die bis zur Starrheit sich steigernde Festigkeit seines Wesens. Auf die Dauer konnte ihm freilich, dem die schöpferische Kraft verwehrt war, das bloße Urtheilen keine Befriedigung gewähren: in der steten Opposition gegen die Hauptmächte der Zeit wurde sein manchmal allzu scharfes Schwert schartig. Weil S. in seinem ersten Buche ausschüttete, was ihn „seit Jahren“ beschäftigt hatte, bekam, nach seinem eigenen Zeugniß, das Ganze „eine embryonenartige Gestalt“, „einem Knäuel gleich, in dem unzählige Fäden sich verschlungen finden“. Goethe selbst stimmte im ganzen bei: „denn nicht allein“, schreibt er ihm am 9. Juli 1820, „coincidirt das Meiste mit meiner eigenen Vorstellung, sondern auch da, wo Sie an mir auszusetzen haben, wo Sie mir widersprechen, würde sich mit wenigen Worten eine Gleichförmigkeit herstellen. Wie viel Dank ich Ihrer Bemühung [610] schuldig bin, werden Sie selbst immer mehr errathen, je mehr Ihnen, bei Ihrer Zuneigung zu mir, nach und nach im letzten Detail deutlich wird, wie ich mein Leben aufgeben mußte, um zu sein, wie ich den Augenblick aufgeben mußte, um nach Jahren des Guten zu genießen, was der Mensch so gern täglich von Hand zu Mund nehmen möchte, der Zustimmung mein ich, des Beifalls“. Nach dem Erscheinen des zweiten Theils war Goethe besonders zufrieden mit der Ausführung über die „Zueignung“ und das „Vorspiel“. „Auch den Ausgang haben Sie richtig gefühlt. Mephistopheles darf seine Wette nur halb gewinnen, und wenn die halbe Schuld auf Faust ruhen bleibt, so tritt das Begnadigungsrecht des alten Herrn sogleich herein, zum heitersten Schluß des Ganzen“. (Brief vom 3. November 1820.)

Goethe’s Vertrauen zu S. zeigte sich auch darin, daß er ihm die Beurtheilung des Gedichts von August Hagen Olfried und Lisena übertrug. In Goethe’s Werken steht der Aufsatz mit einem Wort über seinen „jungen Freund“.

In der Schrift „Ideen über Homer und sein Zeitalter. Eine ethisch-historische Abhandlung“ 1821, machte S. nach seinen eigenen Worten ein einheitsvolles, ursprüngliches Wesen für die ältesten griechischen Zustände geltend. Gewiß hat Goethe bei der Darlegung gelächelt, Homer sei ein trojanischer Hofdichter, ein Zeitgenosse des Aeneas gewesen, aber darin traf S. mit ihm zusammen, daß eine dichterische Persönlichkeit die homerische Dichtung geschaffen habe. Am 14. October 1821 schreibt er Zelter, er lobe höchlich das Büchlein, „weil es uns in guten Humor versetzt. Die Zerreißenden werden nicht damit zufrieden sein, weil es versöhnt und einet“. Auch in den Tag- und Jahresheften lobt er die „geistreiche Behandlung“; durch Schubarth’s Schrift wurde Goethe veranlaßt den 1798 verfaßten Auszug der Ilias zu veröffentlichen. Er schrieb ihm am 19. November 1821: „Da ich die sondernde, verneinende Epoche überstanden habe, die dem Dichter durchaus verhaßt sein muß, so thut es sehr wohl zu erleben, daß Jüngere bemüht sind, ihn wieder zu Ehren zu bringen“.

Kurz muß ich über die späteren Schriften Schubarth’s berichten. Noch in Berlin gab er 1823–1824 die Zeitschrift „Paläophron und Neoterpe“ heraus. In seiner Heimath erschien darauf die Abhandlung: „Ueber das Streben der Menschheit zur Einheit, mit Beziehung auf religiöse Einigung unserer Tage“, Hirschberg 1829. Er bestimmt den Unterschied der Begriffe Einheit und Einerleiheit; aus der Verwechselung, zeigt er, entspringen schädliche Folgen besonders auf dem Gebiete der Kirche. Auch Schleiermacher greift er in der Schrift an, gegen dessen Theologie er sich schon in dem Buche über Goethe gerichtet hatte. Die in demselben Jahre in Berlin erschienenen „Erläuterungen und Zugaben“ zu der genannten Abhandlung bestehen in Anmerkungen zu einer Recension Michelet’s, die von neuem abgedruckt wird; unter den Zugaben interessirt ein Aufsatz über Calvin.

Als einer der ersten Gegner Hegel’s trat er mit der in Gemeinschaft mit K. A. Carganico verfaßten Schrift auf „Ueber Philosophie überhaupt, und Hegel’s Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften insbesondere“, Berlin 1829. Hegel’s Versuch, in der Philosophie eine Allwissenschaft zu Stande zu bringen, sei der umfassendste, aber vergeblich wie alle früheren. In der Ausführung, daß der Glaube dem Wissen nicht unterzuordnen sei, griff S. den Philosophen mit vielleicht unbewußter Bitterkeit an, so daß Hegel ihm in einer scharfen Recension „frommes Aufspreizen mit Christenthum“ vorwarf und „gehässige Insinuationen“. In Schubarth’s „Erklärung inbetreff der Recension“ u. s. w., Berlin 1830, heißt es: „Wir erwarteten einen großen Weltlehrer anzutreffen …, fanden aber dafür einen kleinlichen, engherzigen Weltschulmeister, der dem Geschäfte des Lehrens und Belehrens keineswegs gewachsen ist …“ Goethe lobte Eckermann [611] gegenüber Schubarth’s Standpunkt, daß Kunst und Wissenschaft unabhängig von der Philosophie, mittels freier Wirkung natürlicher menschlicher Kräfte immer am besten gediehen seien, dies sei durchaus Wasser auf seiner Mühle; aber darin tadelte er ihn, daß er nicht immer ganz ehrlich zu Werke gehe: so wie Hegel ziehe auch er die christliche Religion, die ein mächtiges Wesen für sich sei, in die Philosophie herein, die doch nichts darin zu thun habe.

In den „Vorlesungen über Goethe’s Faust“, Berlin 1830, kehrte S. zu den Bestrebungen seiner Frühzeit zurück, den Plan und die Ideen des großen Werkes nach seinem Zusammenhang zu entwickeln. Die dreizehnte Vorlesung „als Nachtrag“, aus dem Jahre 1830, findet sich in den „Gesammelten Schriften philosophischen, ästhetischen, historischen, biographischen Inhalts“, Hirschberg 1835. Darin ist ein werthvoller Aufsatz aus dem Jahre 1833 abgedruckt „über Goethe’s Faust, als Einleitung zu Vorträgen“, mit einer vorausgehenden Würdigung der dichterischen Wirksamkeit Goethe’s, die „eine harmonische Entfaltung des Menschen durch Poesie nach allen Seiten“ anstrebte. Das Umfassendste, was Goethe geleistet, habe er nicht im Drama niedergelegt, sondern im Roman. Werther, so führt er aus, ist das Buch des Unglaubens, des Unmuthes; Wilhelm Meister das des Glaubens, der erfüllten Hoffnung. In seinen Muthmaßungen über den Schluß des „Faust“ hat er den großen Sinn Goethe’s freilich verfehlt: nicht Flucht aus dem Leben ist für Goethe „der Weisheit letzter Schluß“. Sein sterbender Faust wünscht: Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn. Daher weicht S. auch darin von Goethe ab, daß er die Bedeutung des Staatslebens verkannte und die politischen Kämpfe der Neuzeit zu gering schätzte, wie besonders seine letzten Schriften bezeugen. So erhalten die Worte Goethe’s im letzten Briefe an ihn eine erhöhte Bedeutung: „Mein Faust ist abgeschlossen; erscheint er dereinst, so werden Sie selbst beurtheilen, inwiefern Sie sich meiner Gesinnung und Behandlungsweise genähert, oder inwiefern Sie sich davon fern gehalten haben“ (14. Februar 1832).

Schubarth’s Abhandlung „Die Hauptrichtungen des menschlichen Geistes“, die den ersten Theil der „Gesammelten Schriften“ bildet, ist ein Versuch, nach Lessing’s Vorbild, in kurzen Paragraphen eine Darstellung der Entwickelung des menschlichen Geistes in Religion, Poesie, Kunst, Wissenschaft und Staat zu geben. Auf sie bezieht sich die Schrift „Ueber geschichtliche Analysis und Synthesis“, Hirschberg 1837. Gegen Hegel richten sich auch die letzten: „Ueber die Unvereinbarkeit der Hegel’schen Staatslehre mit dem obersten Lebens- und Entwickelungsprincip des preußischen Staats“. Breslau 1839, und „Antiprolegomena zur Philosophie der Geschichte unserer Tage; nebst Grundzügen zu einer Einleitung über das Verhältniß der neueren Geschichte zum Mittelalter“, Hirschberg 1844.

Auch in diesen letzten Veröffentlichungen lehnt sich S. an Goethe, die echteste und gediegenste Persönlichkeit des deutschen Volkes in neuester Zeit, wie er in der Vorrede zu seinen „Gesammelten Schriften“ sagt, wo er den Vorwurf der Eitelkeit, der ihm deshalb gemacht wurde, zurückweist. Der äußere Erfolg hat seinem redlichen Streben gefehlt, aber im Stillen hat er auf weitere Kreise veredelnd und anregend gewirkt. Darum passen Goethe’s Worte in Dichtung und Wahrheit auf ihn: „insofern der Mensch wirkt und genießt und andere zu wirken und zu genießen anregt, bleibt er von Bedeutung“. Auf seinem Andenken ruht wie heller Sonnenschein die liebende Zuneigung und Theilnahme Goethe’s, und so wird der Name des einfachen Hirschberger Gymnasiallehrers die Jahrhunderte hindurch dauern, wenn Vergessenheit Größere als ihn umnachten wird.

[612] Briefw. zwischen Goethe und Zelter III. Band (1834). – Briefe von und an Hegel Leipzig 1887. II, 237. 248. – Schubarth’s eigene biographische Notizen bis 1834 in seinen gesamm. Schriften S. 235–267. – Theodor Paur, Goethe und Schubarth: Zur Litteratur- und Kulturgesch. Leipzig 1876 S. 120–147. – Hermann Hettner, Briefe Goethes an K. E. Schubarth: Deut. Rundschau Bd. V S. 23–40. Hettner hat 19 Briefe mitgetheilt mit Auszügen aus den Briefen Schubarth’s. Aus Goethe’s Briefen an Hegel geht hervor, daß Goethe auch 1827 einen Brief an S. geschrieben hat, der bei Hettner fehlt. – Hegel’s Werke Berlin 1835. 17, 149–226. – Gespräche mit Goethe von Eckermann Leipz. 1885. 6. Aufl. I, 45. 68. II, 39. – Goethe’s Werke (Hempel) 27, ¹266; 273, vgl. dazu 29, 557 und Goethe-Jahrbuch 1887. 8, 229 f.; 28, 322. 29, 450.