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ADB:Baechtold, Jakob

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Artikel „Bächtold, Jacob“ von Theodor Vetter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 745–747, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baechtold,_Jakob&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:38 Uhr UTC)
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Band 47 (1903), S. 745–747 (Quelle).
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Bächtold *): Jacob B., Germanist und Litterarhistoriker, insbesondere der deutschen Schweiz, geboren am 27. Januar 1848 zu Schleitheim, Kanton Schaffhausen (Schweiz), als Sohn eines Arztes, † am 8. August 1897 als ordentlicher Professor der deutschen Litteratur an der Universität Zürich. – Der frühe Tod des Vaters und die Wiederverheirathung der Mutter brachten dem Knaben eine bewegte Jugendzeit; er empfing seinen Unterricht im thurgauischen Affeltrangen, in Aarburg, Muri, Frauenfeld, und schließlich eine solide Gymnasialbildung in Schaffhausen. Die Wanderungen hatten ihm nicht nur persönliche Bekanntschaft seiner weiteren Heimath, sondern auch warme Liebe zum Vaterlande eingetragen. Noth und innerer Trieb führten schon den Gymnasiasten zu litterarischer Arbeit: Zeitungsartikeln und novellistischen Versuchen. In Heidelberg begann B. Herbst 1867 seine germanistischen Studien unter Adolf Holtzmann; ein Jahr später siedelte er nach München über, wo Konrad Hofmann’s Einfluß nicht weniger stark war als der des verehrten Heidelberger Lehrers. Daneben trat er in Verkehr mit Hermann Lingg, Paul Heyse, Wilhelm Hertz, Moritz Carriere, Heinrich Leuthold, und war durch sie [746] wiederholt Theilnehmer der Sitzungen des „Krokodil“. Im Frühjahr 1870 war er genöthigt, seine Studien äußerlich abzuschließen und promovirte mit der Dissertation „Der Lanzelot des Ulrich von Zatzikhoven“, einer sehr sorgfältigen Untersuchung, die einleitend eine Art Lebensprogramm des Verfassers enthält (siehe Kl. Schriften S. 57). In den drei folgenden Sommern war er Hauslehrer bei einer Familie am Bodensee, im Spätherbst 1870 zog er als Zeitungsreporter nach Elsaß-Lothringen und lieferte etliche feine Kriegsbilder (s. Kl. Schriften S. 255–280); längere Zeit weilte er in Paris, wo er für Konrad Hofmann in der Nationalbibliothek arbeitete; ein kürzerer Aufenthalt in London zeitigte die Schrift: „Deutsche Handschriften aus dem Britischen Museum“ (Schaffhausen 1873). Im October 1872 wurde B. als Lehrer des Deutschen an das Gymnasium zu Solothurn berufen, wo er bis Ostern 1878 blieb. Neben der Lehrthätigkeit beschäftigten ihn Untersuchungen über den Antheil Solothurns an der deutschen Litteratur, die theilweise in dem Schulprogramm für 1874 „Der Minorit Georg König von Solothurn (1664–1736)“ niedergelegt sind. 1876 erschien „Hans Salat, ein schweizerischer Chronist und Dichter aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts“; und dann schritt er mit Ferd. Vetter zur Herausgabe der „Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz und ihres Grenzgebietes“, für welche er 1877 die Stretlinger Chronik, 1878 Niklaus Manuel bearbeitete.

Die Uebersiedlung nach Zürich als Lehrer des Deutschen und der Geschichte am Lehrerinnenseminar brachte den anregenden Verkehr mit Gottfried Keller und gleich zu Anfang die Aufgabe, die Gedichte des schwer erkrankten Heinrich Leuthold zu sichten und herauszugeben. Intensiver wurde nun auch sein Interesse an Eduard Mörike, doch ist leider das geplante „Mörike-Buch“ von B. nicht geschrieben worden, wol aber publicirte er eine Reihe von Vorarbeiten und in der A. D. B. den werthvollen Artikel über den schwäbischen Dichter. Von 1879 an besorgte er fünf Jahre lang die Redaction des Feuilletons der Neuen Zürcher Zeitung, wodurch er zu allerlei kleineren Aufsätzen angeregt wurde, die nachher nicht selten zu selbständigen Arbeiten sich auswuchsen. Aus der Schulthätigkeit ging sein treffliches „Deutsches Lesebuch“ hervor (Frauenfeld; Obere Stufe 1880, Untere und mittlere Stufe 1881).

1880 betrat B. die akademische Laufbahn, auf der ihm der schönste Erfolg bei seinen Zuhörern, aber kein rasches Fortschreiten beschieden sein sollte. 1887 wurde er Extraordinarius, ein Jahr darauf Ordinarius, so daß er die Last des Schulehaltens endlich ablegen durfte. Er las über das ganze Gebiet der deutschen Litteratur von den ersten Anfängen bis weit in die Gegenwart hinein und entfaltete mit den Jahren ein Wissen von erstaunlichem Umfange und größter Gründlichkeit. Mit ungeheurem Fleiße arbeitete er gleichzeitig an der längst projectirten „Geschichte der deutschen Litteratur in der Schweiz“, deren erste Lieferung 1887 erschien und die 1892 in einem Bande von nahezu 1000 Seiten mit Bodmer’s Tod ihren Abschluß fand. Es ist ein monumentales Werk, dem auf diesem Gebiete nichts an die Seite gestellt werden kann.

Mit Gottfried Keller’s Tode trat an seinen langjährigen Freund die Aufgabe, den litterarischen Nachlaß zu ordnen, das Bedeutende herauszugeben und ein biographisches Denkmal zu errichten. Auch diese Aufgabe löste B. meisterhaft. Erst wurden „Gottfried Keller’s nachgelassene Schriften und Dichtungen“ publicirt (Berlin 1892), dann folgte „Gottfr. Kellers Leben. Seine Briefe und Tagebücher“ (Bd. I u. II, 1894, Bd. III, 1897). Die drei Bände bieten nicht nur ein Bild des originellen Schweizerdichter und seiner Thätigkeit, sondern bilden auch einen wichtigen Ausschnitt aus der neueren deutschen Litteraturgeschichte [747] im allgemeinen. Eine „Gottfried Keller-Bibliographie“ (Berlin 1897) folgte als nothwendige Ergänzung und nach dem Tode des Verfassers eine „Kleine Ausgabe ohne die Briefe und Tagebücher des Dichters“ (Berlin 1898). Die letzten Jahre brachten die wohlverdiente Anerkennung der Gelehrtenwelt; die Berufung an die Universität Leipzig (Juni 1895) war ein Ausdruck der Werthschätzung, die man ihm in weiten Kreisen entgegenbrachte. Aber B. konnte sich vom heimischen Boden nicht losreißen; dazu fühlte er schon damals den Keim einer Krankheit in sich, die ihn zwei Jahre darauf rasch seinem Ende entgegenführte.

Neben den genannten Hauptwerken hat B. eine ganze Menge kleinerer Untersuchungen und Abhandlungen publicirt, das besonders Charakteristische ist zusammengefaßt in seinen „Kleinen Schriften“ (herausgegeben von Theodor Vetter, Frauenfeld 1899). Für die A. D. B. hat er wol an die dreißig Artikel geschrieben; mit seinen Schülern gab er drei Bände „Schweizerische Schauspiele des sechszehnten Jahrhunderts“ (Zürich 1890–1893) heraus, an der Weimarer Ausgabe von Goethe’s Werken arbeitete er eifrig mit. Einen Ueberblick über die umfangreiche Thätigkeit des unermüdlichen Gelehrten gewährt eine Bibliographie im Anhang zu seinen Kleinen Schriften S. 317–330.

B. vereinigte mit reichstem Wissen und größtem Forscherfleiße eine überaues anmuthige und liebenswürdige Art der Darstellung in Wort und Schrift, Eigenschaften, die dem akademischen Lehrer eine begeisterte Zuhörerschar und dem Schriftsteller dankbare Leser zuführten. Auf dem Gebiete der deutschen Litteratur in der Schweiz ist er bahnbrechend gewesen, und alle weiteren Forschungen werden von ihm auszugehen haben. – Seine Grabstätte auf dem Kirchhofe Fluntern am Zürichberge ist durch ein originelles Grabdenkmal nach dem Entwurfe von H. E. v. Berlepsch geschmückt.

W. von Arx in Bächtold’s Kl. Schriften S. 1–55. – Theod. Vetter im Biogr. Jahrbuch und Deutschen Nekrolog Bd. 2, 1897, S. 10–25; – Derselbe im 28. Jahresheft des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrer. – Erich Schmidt im Euphorion V, 838–845; – Derselbe, Aus Gottfried Keller’s Briefen an Jacob Bächtold, Deutsche Rundschau 1898. – Hedwig Waser in der „Schweiz“, 1897, S. 223–224. – Leipziger Illustr. Zeitung v. 26. Aug. 1897, S. 275–276, u. a. m.

[745] *) Zu Bd. XLVI, S. 174.