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ADB:Hofmann, Konrad

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Artikel „Hofmann, Konrad“ von Wolfgang Golther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 436–438, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hofmann,_Konrad&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:24 Uhr UTC)
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Hofmann: Konrad H., Professor der altdeutschen und altromanischen Sprache an der Münchener Hochschule, gehört zu den Männern, die an die germanische und romanische Philologie in ihrer Frühzeit herantraten, ihren gewaltigen Aufschwung miterlebten und mit ihr groß wurden. Die Vereinigung altromanischer und altgermanischer Studien, insbesondere der Nachweis der Wechselbeziehungen zwischen Deutschen und Franzosen im Mittelalter war Hofmann’s Leitgedanken, für den er in Wort und Schrift eifrig wirkte. Insbesondere den Germanisten hielt er immer wieder die Nothwendigkeit vor Augen, die mittelhochdeutsche Dichtung im engsten Anschluß an die altfranzösische zu erforschen, alles Einzelne immer nur auf breitester Grundlage vergleichender Litteratur- und Culturgeschichte zu betrachten.

Alberich Konrad H. wurde geboren am 14. November 1819 in der oberfränkischen Benedictinerabtei Banz bei Bamberg, wo sein Vater herzoglicher Rentamtmann war. 1837 verließ er das Bamberger Lyceum mit dem Reifezeugniß, und bezog die Münchener Hochschule, um Medicin zu studiren. Im [437] vierten Studienjahr wandte er sich ganz zur Philologie und hörte Sanskrit, Zend und Neupersisch, bei Maßmann und Schmeller aber germanische Vorlesungen. Er besuchte die Universitäten Erlangen, Leipzig, Berlin, dann wieder München und Leipzig, wo er 1848 auf Grund einer ungedruckten Abhandlung über einen Upanischad promovirte. Bald aber wandte er sich ausschließlich dem Altdeutschen und Altfranzösischen zu. 1850 reiste er mit einem Stipendium nach Paris und lernte das französische Mittelalter unmittelbar aus den Quellen kennen. Mit rastlosem Fleiß schrieb er afz. Gedichte ab und erwarb so ausgebreitete Kenntnisse auf einem damals noch schwer zugänglichen Gebiet. Er kehrte nach München zurück und erfreute sich der eifrigen Förderung Schmeller’s, als dessen Nachfolger er 1853 ao. Professor an der Münchener Hochschule wurde. Zugleich war er Hülfsarbeiter an der kgl. Hof- und Staatsbibliothek. 1856 wurde er ordentlicher Professor, 1853 a.o., 1858 o. Mitglied der Münchener Akademie. 1857, 58, 59 machte er mit königlicher Unterstützung wissenschaftliche Reisen nach Paris, London, Oxford, St. Gallen und Bern, um germanische und romanische Handschriften zu vergleichen und abzuschreiben. In seinen Vorlesungen behandelte er bis 1864 neben Germanisch und Romanisch auch Sanskrit und Paläographie. 1869 wurde er auch amtlich neben dem altdeutschen mit dem romanischen Lehrstuhl in München betraut. Bis zum Sommer 1890 las er über Altdeutsch und Altfranzösisch, zum Schluß freilich nicht mehr regelmäßig und vielfach durch Krankheit unterbrochen. H. verheirathete sich zwei Mal, 1853 und nach sechsjähriger Wittwerschaft nochmals 1884. Am 30. September 1890 starb er unerwartet schnell in Waging bei Traunstein, wo er Landaufenthalt genommen hatte.

H. hat sehr viel geschrieben, Ausgaben und Abhandlungen, aber noch weit mehr geplant, als zur Ausführung kam. Sein beweglicher, unruhiger Geist hinderte ihn nur zu oft an der Vollendung bereits begonnener Arbeiten. Von romanischen Texten erwähne ich Amis et Amiles und Jourdain de Blaivies 1852, 2. Aufl. 1882; Girartz de Rossilho 1855; Primavera y flor de romances 1856 ((mit Ferd. Wolf zusammen); Joufrois 1880 (mit Muncker); Brut 1877 (mit Vollmoeller). Unvollendet blieben eine Ausgabe der Chanson de Roland und von Karl’s d. Gr. Pilgerfahrt. Von deutschen Texten erwähne ich das Hildebrandslied 1850 (mit Vollmer) und Lutwin’s Adam und Eva 1881 (mit Wilhelm Meyer). Zahlreiche textkritische und litterargeschichtliche Abhandlungen, so besonders über Gudrun und Nibelungenlied, veröffentlichte H. in den Schriften der Münchener Akademie und in Fachzeitschriften. Für Conjecturalkritik war H. ganz besonders befähigt, da besaß er eine Genialität des Räthselrathens, einen intuitiven Scharfsinn, der sich nicht lehren noch lernen läßt. Oft erlebte er die Bestätigung seiner Besserungsvorschläge durch neue Textfunde. Aber zu großen zusammenfassenden Arbeiten kam H. nicht. Wie in seinen Vorlesungen so blieb er auch in seinen Schriften mehr nur der geniale Anreger. Was er schrieb und sprach, trug alles den Stempel seiner ursprünglichen persönlichen Eigenart, die sich immer rückhaltlos und rücksichtslos gab. Seine geistige Anlage wahrte ihm volle Freiheit und Selbständigkeit, auf wissenschaftlichen Schulstreit sah er mit überlegenem Humor herunter. H. lehrte immer nur durchs Beispiel, anschaulich und drastisch; wohlgeordnete, systematische Darstellung liebte er nicht. Und doch schöpfte er immer aus dem Vollen und sah vieles, was den Andern entging. Ein solcher Mann machte natürlich nie Schule, aber er spendete aus dem reichen Schatz seines selbständigen Wissens gern und freudig allen, die zu ihm kamen. So hat er auf viele Germanisten und Romanisten belebend und anregend gewirkt und ein großer Kreis dankbarer Zuhörer und Schüler bewahrt noch immer diesem [438] höchst eigenartigen Gelehrten tief dankbares Andenken, vor allem auch dem Gedanken seines Lebens, der Vereinigung mittelhochdeutscher und altfranzösischer Studien, deren Vernachlässigung unser Urtheil beschränkt und einseitig machen müßte.

W. Golther, Zeitschr. f. deutsche Philologie 24, 63–67. – W. Hertz, Gedächtnißrede auf Konrad Hofmann. München 1892, Verlag der Akademie d. Wissenschaften. W. Hertz gibt ein vollständiges Verzeichniß der Schriften u. Ausgaben. Vgl. dieselbe Rede in d. Allg. Zeitung 1892, Beil. Nr. 81.