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Sagen und Geschichten von Bacharach

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Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Sagen und Geschichten von Bacharach
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 104–107
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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[104]
Sagen und Geschichten von Bacharach.

Bacharach gehört zu den ältesten Städten am Rhein. Es war auch das ganze Mittelalter hindurch einer der berühmtesten Orte. Die Stadt scheint fast der bedeutendste Ort in dem alten Trach- oder Trachirgau, der sich lang und schmal am Rheine hinzog, gewesen zu sein. Die Dörfer Staag, geschützt durch die Burg Stalberg, Mauerbach sowie Ober- und[1] das zu ihm gehörige Rheindiebach bildeten mit Bacharach den kleinen Staat der „vier Thäler“, wobei denn auch Bacharach als „Thal“ mit eingerechnet wurde. Dieser Bereich war ein kleiner Staat für sich mit einer eigentümlich freien Verfassung, einer merkwürdigen Selbstregierung und einer mehr oder weniger vollständigen Abgeschlossenheit in sich. Die gesetzliche Regierung bildete der Vier-Thälerrat. Nach der Ordnung der Kurfürsten von der Pfalz von 1356 bestand er aus 24 Männern. Davon lieferte jedes Thal oder wie man es nannte jeder Thal drei und drei die Stadt Bacharach. Einer aus den Dreien, welche die Stadt Bacharach stellte, saß dem Vier-Thälerrate als Bürgermeister vor. Neben dem Rate bestand das Gericht aus 14 Schöffen, welchem der kurkölnische Saalschultheiß und der kurpfälzische Stadtschreiber beiwohnten. Der letztere sollte die Hoheitsrechte des Pfalzgrafen wahren und saß auf einem ihm besonders gesetzten Stuhle. Alle diese gerechnet, wird freilich die Zahl 24 überstiegen. Die eigentlichen Erwählten versahen ihr Amt bis ans Grab. Es galt in [105] dieser Beziehung die Ansicht: Es sind brave Männer und sie wissen einmal die Gänge.

Die Gänge, welche der Vierthälerrat zu machen hatte, bestanden nämlich darin, daß er auch die „Gabelung“ auf dem Weinmarkt vorzunehmen hatte. So begaben sich denn je vier Glieder des Vierthälerrates, begleitet von einigen Zechern, in den ihnen „zugewiesenen Thal“, um die Weine des Jahrganges zu probieren. Das geschah um Frühlingsanfang, wenn der Wein von den Hefen abgelassen war. Der bei der Gabelung festgestellte Weinpreis wurde den Käufern mitgeteilt. Der Weinmarkt zu Bacharach wurde bei gutem Wetter am Rheine auf dem freien Raume zwischen der Stadtmauer und dem Erdaufwurfe am Ufer des Stromes abgehalten. Die Verkäufer brachten noch einmal ihre Weinproben mit auf den Markt. Der Vierthälerrat stellte die silbernen Schalen zum Probieren für die Käufer. Unter dem gegabelten Preise durfte nicht verkauft werden, wohl aber darüber. Der Markt wurde ein- und ausgeläutet. Er war ein Volksfest, auf dem besonders die Winzer selbst sich gütlich thaten. Waren die Weine der vier Thäler verkauft, so kamen die „Franzischen“ und „Hunischen“ an die Reihe. Denn der Bacharacher Weinmarkt war durch Jahrhunderte der Stapelort und der Verkaufsort der sämmtlichen Weine des Rheingaues, bis die bevorzugten „Ebersbacher grauen Mönche“ ihr köstliches „Gräfen-“ und „Steinberger“ Produkt und das des berühmten „Marcobrunn“ von ihrem Stapelorte, dem „Reichharthäuser Hofe“, nach Köln selbst hinab zu verschiffen begannen und somit das uralte Herkommen durchbrochen wurde.

Zu den Weinmärkten in Bacharach kamen die Käufer bis von der Weichsel her. Die Bremenser „Weinherren“ hielten hier in jedem Jahre eine gute Auslese für ihren Ratskeller. Windtmann hat daher in seiner musikalischen Kurzweil von 1623 die Reime:

„Zu Klingenberg am Main,
Zu Würzburg an dem Stein,
Zu Bacharach am Rhein
Hab’ ich in meinen Tagen
Gar oftmals hören sagen,
Soll’n sein die besten Wein’.“

An das Rathaus, in dessen Bürgersaale bei schlechtem Wetter der [106] Weinmarkt abgehalten wurde, knüpft sich die folgende Sage. In dem Hause, welches links an das Rathaus stößt, wohnte ein Mann Namens Minola. Er war unverheiratet und hatte eine mürrische alte Haushälterin. Diese konnte einst in der Nacht nicht schlafen. Da es gerade Neumond war, so meinte sie, es sei schon Tag, sie könne aufstehen und für sich und ihren Herrn ein Zwiebelsüpplein kochen. Es war aber zur Winterszeit und recht kalt. Sie wickelte sich fest in ihre Kleidungsstücke und wollte Feuer anschlagen. Allein die Finger waren ihr zu steif und sie bekam durchaus kein Feuer. Da öffnete sie den Fensterladen und wollte am Markt umherschauen, ob nicht in einem Hause schon Feuer wäre. Aber alle Häuser waren noch dunkel. Nur von dem „Bogen“ des Rathauses her fiel ein roter Feuerschein auf den Markt. Da nahm die Alte ihr „Feuerstoofchen“ und ging aus dem Hause dem Feuerscheine nach. Als sie vor dem Bogen stand, der noch von dem älteren Rathause herrührt, sah sie einen hohen Kohlenhaufen mitten unter dem Bogen. Ein großer schwarzer Mann saß dabei und neben ihm lag ein großer schwarzer Hund. Es wurde ihr zwar bei dem Anblicke etwas gruselich, sie dachte aber, es wäre einer von den wandernden Spenglern oder Löffelgießern, die aus der Eifel kommen. Wie auch der Hund knurrte, so bot sie doch dem Schwarzen einen guten Morgen und bat um ein paar Kohlen, damit sie Feuer anmachen könne. Der Schwarze winkte nur und blickte auf das Feuer. Da ergriff die Alte das Schüreisen, welches bei dem Feuer lag, legte einige Kohlen in das Feuerstoofchen, dankte und ging rasch davon. Zuhause schüttete sie die Kohlen auf den Herd, aber sie waren völlig erloschen. Die Alte fürchtete sich nun vor dem Hunde und vor dem groben Gesellen, aber dennoch ging sie zum zweiten male zum Feuer am Rathausbogen. Zwar entschuldigte sie sich damit, daß die Kohlen erloschen seien. Aber der Mann aus der Eifel sah sie gräulich an und der Hund knurrte noch lauter als das erste mal. Auch ergriff der vermeinte Spengler jetzt das Wort und drohte der Alten den Hals umzudrehen, wenn sie zum dritten male käme. „Dann behaltet auch jetzt Eure Kohlen und laßt sie Euch einpökeln!“ rief die Alte. Sie kannte ja keine Furcht und ihre verstellte Freundlichkeit hatte nur den Zweck gehabt, zu bewirken, daß sie in den Besitz der Kohlen käme. Nachdem diese Hoffnung gescheitert war, entsagte sie der Höflichkeit [107] und ging mit einem derben Schimpfwort davon. Da fuhr der Hund auf sie los, und auch der Schwarze geberdete sich noch grimmiger als zuvor. Die Alte aber sprang mit einer Lebendigkeit, welche man nicht mehr von ihr hätte erwarten sollen, davon. Sie war froh, als sie die Thür ihres Hauses hinter sich verschlossen hatte. Eben schlug es Eins vom Turme, und da die Stunde von Zwölf bis Eins bei Vielen für die Geisterstunde gilt, so merkte sie, daß sie fast dem Satan in die Krallen und beinahe dem Höllenhunde in den Rachen gelaufen sei. Nun schauderte sie denn doch zusammen, als sie wieder unter ihrer Bettdecke lag; auch vermochte sie nicht wieder einzuschlafen. So hörte sie jeden Glockenschlag von 2–6. Um sechs stand sie auf. Es war noch ganz dunkel, aber mit Leichtigkeit konnte sie jetzt Feuer anschlagen. Sie zündete die Ampel an und leuchtete auf den Herd. Da hatten sich die Kohlen in Gold verwandelt. Sie beriet sich mit Herrn Minola, dieser aber zog einen Geistlichen zu, und so wurde von dem Teufelsgolde das Hospital zum heiligen Geiste gestiftet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: und und