Weinmarkt abgehalten wurde, knüpft sich die folgende Sage. In dem Hause, welches links an das Rathaus stößt, wohnte ein Mann Namens Minola. Er war unverheiratet und hatte eine mürrische alte Haushälterin. Diese konnte einst in der Nacht nicht schlafen. Da es gerade Neumond war, so meinte sie, es sei schon Tag, sie könne aufstehen und für sich und ihren Herrn ein Zwiebelsüpplein kochen. Es war aber zur Winterszeit und recht kalt. Sie wickelte sich fest in ihre Kleidungsstücke und wollte Feuer anschlagen. Allein die Finger waren ihr zu steif und sie bekam durchaus kein Feuer. Da öffnete sie den Fensterladen und wollte am Markt umherschauen, ob nicht in einem Hause schon Feuer wäre. Aber alle Häuser waren noch dunkel. Nur von dem „Bogen“ des Rathauses her fiel ein roter Feuerschein auf den Markt. Da nahm die Alte ihr „Feuerstoofchen“ und ging aus dem Hause dem Feuerscheine nach. Als sie vor dem Bogen stand, der noch von dem älteren Rathause herrührt, sah sie einen hohen Kohlenhaufen mitten unter dem Bogen. Ein großer schwarzer Mann saß dabei und neben ihm lag ein großer schwarzer Hund. Es wurde ihr zwar bei dem Anblicke etwas gruselich, sie dachte aber, es wäre einer von den wandernden Spenglern oder Löffelgießern, die aus der Eifel kommen. Wie auch der Hund knurrte, so bot sie doch dem Schwarzen einen guten Morgen und bat um ein paar Kohlen, damit sie Feuer anmachen könne. Der Schwarze winkte nur und blickte auf das Feuer. Da ergriff die Alte das Schüreisen, welches bei dem Feuer lag, legte einige Kohlen in das Feuerstoofchen, dankte und ging rasch davon. Zuhause schüttete sie die Kohlen auf den Herd, aber sie waren völlig erloschen. Die Alte fürchtete sich nun vor dem Hunde und vor dem groben Gesellen, aber dennoch ging sie zum zweiten male zum Feuer am Rathausbogen. Zwar entschuldigte sie sich damit, daß die Kohlen erloschen seien. Aber der Mann aus der Eifel sah sie gräulich an und der Hund knurrte noch lauter als das erste mal. Auch ergriff der vermeinte Spengler jetzt das Wort und drohte der Alten den Hals umzudrehen, wenn sie zum dritten male käme. „Dann behaltet auch jetzt Eure Kohlen und laßt sie Euch einpökeln!“ rief die Alte. Sie kannte ja keine Furcht und ihre verstellte Freundlichkeit hatte nur den Zweck gehabt, zu bewirken, daß sie in den Besitz der Kohlen käme. Nachdem diese Hoffnung gescheitert war, entsagte sie der Höflichkeit
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/116&oldid=- (Version vom 1.8.2018)