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Menagieren und Changieren

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Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Menagieren und Changieren
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 373–378
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[373]
203. Menagieren und Changieren.

1650 kamen zu Lübeck die beiden Wörter auf: menagieren und changieren.

Das Menagieren ward mit den Hochzeiten angefangen. Vordem hatte man die großen Treckkösten, da man mit großer Gesellschaft umherzog; auch die großen Nachhochzeiten, da man des andern Abends Jungfern und Gesellen nebst den nächsten Anverwandten in den Tanz bat; die geringsten Leute aber hielten die Pfeiferhochzeit, [374] da man mit Trommel und Pfeifen zur Kirche zog. Solches alles wurde um der Menage willen abgeschafft. Ja die Hochzeiten gingen ganz ein, und hießen nur ein „Abend-Gastgebott“, da denn keine Musik war, zumal die geringen Leute nur 20, und die von den Aemtern nur 30 Personen bitten durften. Dadurch aber fiel die lübsche Herrlichkeit in den Brunnen. Denn vor der Zeit durften unehrliche und berüchtigte Personen keine Musik oder Spiel auf ihren Hochzeiten haben, welches ein großer Schimpf und Spott für sie gewesen; nunmehr kehrte sich das Blatt um; die Leute sagten: wenn wir kein Volks bitten dürfen, warum sollen wir Spiel haben? Bald aber ging das Lamentieren los: da war keine Nahrung: da klagten Becker und Brauer, Schuster und Schneider, Kannengießer und Köche, die alle bei den Hochzeiten ihren Verdienst gehabt; am allermeisten aber mußten die Musikanten zu Grunde gehn, weil es ihr einziger Gewinnst für ihre Kirchendienste gewesen. Da man nun die Musik in den Kirchen nicht wollte fallen lassen, suchte man Mittel und Wege, und ward 1662 eine Commission gehalten: daß in Zukunft jeder Bräutigam, auch wenn er kein Spiel haben wollte, doch dem Spielgräven ein Gewisses geben müsse. Doch wollte das nicht zureichen: und so war des Klagens kein Ende, bis auf den heutigen Tag.

Item ward menagiert mit dem Weinkeller. Vor diesem hatte Ein Rath einen Hauptmann darein gesetzt [375] samt einem Kistensitzer; es waren auch drei Gesellen und drei Schlaven da, und Nachts wachten 3 große englische Doggen, weil kein Mensch darin blieb. Das alles ward durch die Bürgern abzuschaffen beliebet um der Menage willen; der Keller ward verpachtet; der Pächter hielt einen Gesellen und einen Schlaven; und einer nach dem andern mußte abdanken.

Item mit der Schafferei fing man auch an zu menagieren. Als nun 1650 Eines Raths Schaffer gestorben, ward sie zu der Stadt Besten für 100 Mark Lüb. an einen Bürger verpachtet; der Schaffer mußte sich mit einer geringen Verlehnung behelfen, bis 1680 der letzte starb. Da zog solchen Dienst der damalige Hausschließer, der allmächtige Hans, welcher auch Fürböter und Zehnpfennigsknecht war, an sich. Da auch vordem jener, der Marschalk nebst dem Schaffer, und die vier Hausdiener oder Rothröcke vor Einem Rath hergingen, wenn der auf das Haus zog, und da man 40 ja 50 Reitendiener gehabt: hat man solche bis auf 12 eingezogen, und wenn auch einige mehr möchten angenommen werden, sollten sie doch kein „Salarium“, sondern die „Expectanz“ haben. So fiel auch dieß Stück lübscher Herrlichkeit dahin.

Item wegen der Lachswehr ward auch menagiert, so vordem eine Fischer-Verlehnung war, itzo aber mit dem Recht, Rommeldeuß zu schenken, verehrt und für 3 bis 400 Mark verpachtet worden; weil jedoch der auf der Schafferei [376] dafür auch eine große Pension zahlen müssen, hatte keiner was.

Item ward menagiert mit Abkürzung der Soldatengage, da keine Gelder mehr für Lunten ausgegeben wurden, weil alle Flinten hatten u. s. w.

Aber der Schmied heißt Faber, und Tace heißt ein Hängleuchter, und Canis ein Hund: darum halt’ ich den Mund.

Zu changieren fing man auch an auf allerlei Art, allermeist aber in den Kleidern. Die Männer mußten sich nach französischer Modi tragen, und vor allem den Bart stutzen, daß endlich lauter Hans-Ahnbärte daraus wurden; und Hüte, Kleider, Schuhe, Halstücher, alles mußte nach französischer Art sein. Die Weiber aus dem Alterthum hatten dicke krause Kragen mit langen Hoiken voller Falten vom Haupt bis auf den Fuß; und wenn sie die vom Kopf abnahmen, hatten sie einen Gürtel voll kleiner Ringe um den Leib, womit sie den Mantel könnten zuschnüren, daß er an die Füße hängen blieb; auch trugen sie eine große güldne Kette über die Schultern. Die jungen Weiber legten holsteinische Flegen an, ein Orgelpfeifenkragen, worunter Wierdrat, damit er fein breit abstände, und unter demselben hingen güldne Buckeln: die Hauben oder Mützen waren überher mit güldenen Flittern verbrämt: dabei hatten sie Hoiken bis an die Knie auf dem Rücken hängen und eine güldne Kette mit [377] einem Brustbild um die Schultern. Die Jungfern aber trugen Perlenkränze in den Haaren, so über eine Handbreit um den Kopf in die Höhe standen wie ein halber Mond. Die steifen Kragen legten sie nach anno 60 nieder, damit, wann eine Mannsperson ihnen etwas wollte in den Mund reden, der Kragen nicht verwirret würde: statt dessen nahmen sie die holsteinischen Flegen nach ihres Leibes Proportion und von allerlei Couleuren an, so daß kaum ihrer zwei gleich waren.

Item seit 1670 bis 80 wurde alles Frauenzimmer meist französisch und ging ohne Mäntel; sogar die Mägde sah man in langen polnischen und französischen Röcken einhergehn; und kamen bald alle Monat Briefe aus dem Franzosenland, wie die Modi changierten, damit die Schneider sich danach richten könnten. Nun war damals eine Dame am französischen Hofe, la Fontange, des Königs Liebkosende, die setzte einen Thurm auf den Kopf, einer halben, ja einer ganzen Ellen hoch und mehr; da wollte auch in Lübeck keine Weibsperson, selbst die Mädchen, unter die Leute gehn, sie mußte denn eine Fontange oder Fantasie auf dem Haupte haben samt einer alamodischen Tour. Die Jungfern sagten zwar, das sei eine nette, bequeme und propre Tracht: aber was hilfts? selbige hat ein unehrlich Weib erdacht. Und grade da Frankreich das gute Deutschland am meisten plagte, war solche Fantasterei am größten, und die Thürme am höchsten.

[378] Item die Männer begunnten von 1650 an und so ferner, ohne die französische Kleidertracht, Parüken zu tragen. Da war nun auf allen Kanzeln viel Scheltens und Vermaledeiens über die teuflische Hoffahrt, und daß man nicht wissen könne, wer die Haare getragen und was daran hänge: aber nach 1670 und ferner legten die guten Prediger sich selber Parüken zu; da war es den alten eine Commodität und den jungen eine Zierde; wie noch heutiges Tages zu sehen.

Item kamen um diese Zeit die vielen Kutschen auf; denn vor 1650 war kein Kutschenfahren, weder zu Rathhause noch nach der Kirche, gesehn oder gehört. Itzo aber gehet keiner mehr zur Hochzeit oder Kindtauf, es muß denn gefahren sein.

Das heißt man nun changieren,
Das kömmt vom menagieren;
Und alles muß verlieren.

Bemerkungen

[399] (Drever.) S. 375 Rommeldeuß – ein zu Ratzeburg gebrautes und ehedem hier sehr beliebtes Bier.