einem Brustbild um die Schultern. Die Jungfern aber trugen Perlenkränze in den Haaren, so über eine Handbreit um den Kopf in die Höhe standen wie ein halber Mond. Die steifen Kragen legten sie nach anno 60 nieder, damit, wann eine Mannsperson ihnen etwas wollte in den Mund reden, der Kragen nicht verwirret würde: statt dessen nahmen sie die holsteinischen Flegen nach ihres Leibes Proportion und von allerlei Couleuren an, so daß kaum ihrer zwei gleich waren.
Item seit 1670 bis 80 wurde alles Frauenzimmer meist französisch und ging ohne Mäntel; sogar die Mägde sah man in langen polnischen und französischen Röcken einhergehn; und kamen bald alle Monat Briefe aus dem Franzosenland, wie die Modi changierten, damit die Schneider sich danach richten könnten. Nun war damals eine Dame am französischen Hofe, la Fontange, des Königs Liebkosende, die setzte einen Thurm auf den Kopf, einer halben, ja einer ganzen Ellen hoch und mehr; da wollte auch in Lübeck keine Weibsperson, selbst die Mädchen, unter die Leute gehn, sie mußte denn eine Fontange oder Fantasie auf dem Haupte haben samt einer alamodischen Tour. Die Jungfern sagten zwar, das sei eine nette, bequeme und propre Tracht: aber was hilfts? selbige hat ein unehrlich Weib erdacht. Und grade da Frankreich das gute Deutschland am meisten plagte, war solche Fantasterei am größten, und die Thürme am höchsten.
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/383&oldid=- (Version vom 1.8.2018)