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MKL1888:Blütenbestäubung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Blütenbestäubung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 7376
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Blütenbestäubung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 73–76. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bl%C3%BCtenbest%C3%A4ubung (Version vom 02.11.2022)

[73] Blütenbestäubung, die Übertragung des Blütenstaubes (Pollen) auf die empfängnisfähige Narbe, führt bei vielen Pflanzen nur dann Befruchtung und Bildung keimfähiger Samen herbei, wenn der Blütenstaub einer Blüte auf die Narbe einer zweiten Blüte derselben Pflanzenart gelangt; mit dem Pollen der

Fig. 1.
Erste Periode.
Zweite Periode.
Geranuiumblüte als Beispiel einer protandrischen Blüte. a Narbe mit geschlossenen Schenkeln.

eignen Blüte bestäubte Pistille liefern in den meisten Fällen taube, keimungsunfähige Samen. Dies von Darwin zuerst durch genaue Versuche ermittelte Gesetz der „vermiedenen Selbstbestäubung“ liefert den Schlüssel zum Verständnis der außerordentlich mannigfaltigen Blütenbestäubungs-Einrichtungen, welche ohne eine solche Erklärung als unbegreifliche Formspielereien der Natur erscheinen müßten. Unter diesen Einrichtungen steht das ungleichzeitige Reifwerden von Staubgefäßen und Narbe in Zwitterblüten oder die Dichogamie oben an. Entweder lassen nämlich die Staubblätter den Blütenstaub eher hervortreten, als die Narben zum Festhalten desselben bereit sind (protandrische Blüten, Proterandrie), wie beim Rittersporn, dem Wiesenstorchschnabel (Fig. 1), dem körnigen Steinbrech, bei vielen Korbblütlern, Glockenblumen und Doldenblütlern, oder es blühen die Narben bei noch geschlossenen Staubbeuteln auf (protogynische Blüten, Protogynie), wie bei den Wolfsmilcharten, einigen Gräsern und Junkaceen (Fig. 2). Es würde in allen diesen Fällen eine B. unmöglich sein, wenn alle Exemplare derselben Pflanzenart in einer bestimmten Gegend gleichzeitig aufblühen würden und nicht vielmehr eine ungleichzeitige Entwickelung der verschiedenen Stöcke in Bezug auf das Aufblühen stattfände. Auch monözische Pflanzen können dichogame Blüten besitzen, wie der Igelskolben (Sparganium) zeigt, bei welchem die weiblichen Köpfchen vor den männlichen aufblühen und daher den Blütenstaub von andern, schon entwickeltern Stöcken empfangen müssen. Natürlich ist bei diözischen Pflanzen, wie den Weiden und Pappeln, Kreuzung getrennter Stöcke das einzig Mögliche. Eine zweite wichtige

Fig. 2.
Erstes Stadium. Zweites Stadium.
Blüte von Luzula als Beispiel einer protogynischen Blüte.

Einrichtung zur Verhinderung der Selbstbestäubung bildet die Heterostylie oder die ungleiche gegenseitige Stellung von Staubgefäßen und Narbe in den Blüten verschiedener Exemplare derselben Art. Bei Primula officinalis z. B. haben die Blüten einiger Exemplare (Fig. 3 b) kurze Griffel und hoch am Eingang

Fig. 3.
a Langgriffelige Form. b Kurzgriffelige Form.
Dimorphe Blüten von Primula.

der Blumenröhre eingefügte Staubgefäße (kurzgriffelige Form), während andre Exemplare (Fig. 3 a) doppelt so lange Griffel mit weit hervorragender Narbe und tief in der Röhre angeheftete Staubgefäße (langgriffelige Form) besitzen. Ähnliche zweigestaltige oder dimorphe Blüten kommen bei Pulmonaria, Hottonia, Linum-Arten und vielen andern Pflanzen vor. Durch zahlreiche Versuche wurde festgestellt, daß der Blütenstaub der einen Form jedesmal nur auf der Narbe der andern Form sich fruchtbar erweist, oder daß wenigstens eine Bestäubung der Narbe durch den Pollen der gleichen Form nur eine geringe Zahl von schwächlichen Samen liefert. Ein derartiger Dimorphismus der Blüten hat demnach fast dieselbe Wirkung wie Zweihäusigkeit. [74] Sogar dreigestaltige oder trimorphe Blüten kommen z. B. bei dem Weiderich (Lythrum Salicaria) vor, nämlich lang-, mittel- und kurzgriffelige Blüten.

Die Übertragung des Blütenstaubes von einer Blüte zu einer zweiten, mehr oder weniger entfernten kann auf mehrfache Weise bewirkt werden. Auf die Verbreitung des Pollens durch Luftströmungen sind alle sogen. Windblütler oder Anemophilen angewiesen. Dieselben zeichnen sich durch unscheinbare, winzige, meist blumenblattlose Blütenhüllen und massenhaften Pollen mit trocknen, leicht stäubenden Körnern aus, wie vor allen die Kätzchenbäume. Um vom Wind leicht bewegt zu werden, sind bei ihnen die Achsen der männlichen Blütenstände schlaff und dünn, wie bei den Pappeln, der Haselnuß (Fig. 4), der Birke u. a., oder die einzelnen Blüten selbst hängen an dünnen

Fig. 4.
Blüte des Haselstrauchs als Beispiel eines Windblütlers.

Stielen, wie bei den Rumex-Arten, oder wenn die Blüten schwerer beweglich sind, sitzen die Staubbeutel an langen, dünnen Fäden, wie bei den Thalictrumarten und manchen Gräsern. In seltenern Fällen wird der Blütenstaub durch besondere Vorrichtungen plötzlich hervorgeschleudert (Parietaria, Urtica). Um den in der Luft zerstreuten Pollen leichter aufzufangen, sind die Narben bei vielen Windblütlern mit langen Fanghaaren und Papillen in Form von Federn, z. B. bei vielen Gräsern, besetzt; nur wenn die Blüten zu dichten Ähren, Köpfchen u. dgl. angehäuft sind, bleiben die Narben klein. Auch die Stellung der Narben zu den Staubblättern ist bei diesen Pflanzen stets eine solche, daß erstere dem Pollen leicht zugänglich sind. Sehr viel seltener als durch den Wind wird die B. durch das Wasser vermittelt, und zwar geschieht sie entweder unter Wasser (Zostera, Cymodocea) oder an der Oberfläche desselben, z. B. bei Vallisneria, deren weibliche Blüten auf schraubenförmig gedrehten Stielen sich an die Wasseroberfläche erheben, während die antherentragenden Kelche der männlichen Blüten sich losreißen und zwischen den weiblichen Blüten umherschwimmen, um die B. zu bewirken.

Von Tieren treten in erster Linie und in ganz überraschender Wirksamkeit Insekten, in sehr untergeordneter Weise bei einigen aasduftenden Aroideen auch Schnecken und in den Tropen honigsaugende Vögel (Kolibris) als Vermittler der B. auf. Die insektenblütigen Pflanzen (Entomophilae) zeichnen sich vor den Windblütlern vor allem durch größere, mehr oder weniger lebhaft gefärbte Blüten, d. h. Blumen, aus; sind die einzelnen Blüten klein, so drängen sie sich zu großen, weithin sichtbaren Blumengesellschaften,

Fig. 5.
Vergrößerter Hummelkopf.
Blüte der Salbei (Salvia Aethiopis), von der Holzhummel besucht.

wie Köpfchen, Dolden, Rispen u. dgl., zusammen. Die Augenfälligkeit der Blumen kann bei fehlender Blumenkrone auch durch lebhafte Färbung der Staubfäden, wie bei manchen australischen Myrtaceen, oder durch auffallende Bildung und Färbung der Hochblätter hervorgerufen werden. Als vorzüglichstes Mittel zur Anlockung von Gästen dienen den Blumen Geruch, Nektarabsonderung und Darreichung von Blütenstaub. Wohlgeruch zur Dämmerungszeit ausströmende Blumen werden ausschließlich von Sphingiden und Noktuen, nach Aas riechende Blüten von Fleisch- und Kotfliegen besucht und gekreuzt. Die Nektar absondernden Stellen der Blüte (Safthalter, Nektarium) zeigen je nach der Natur ihres Trägers ein mannigfach wechselndes Aussehen (s. Nektarien). Oft weisen besonders auffallend gefärbte und nach einem Punkt hin konvergierende Zeichnungen auf den Blumenblättern (Saftmale), so beim Stiefmütterchen, den Nelken, den Ehrenpreisarten, den Honig suchenden Insekten den Weg zu der Nektarquelle, welche, zumal bei sonnigem Wetter, eine [75] wasserklare, süße Flüssigkeit ausscheidet und immer so zu den Staubgefäßen und zu der Narbe gestellt ist, daß der Blumenbesucher auf seinem Weg die beiden letztern berühren und dann die B. bewirken muß. Bei manchen Blüten wird der Nektar durch besondere Einrichtungen (Saftdecken), wie dichte Haarbüschel, Schlundklappen u. dgl., vor der Vermischung mit Regen oder vor schädlichen Besuchern, wie den Ameisen, geschützt. Nach der Zugänglichkeit, mit welcher der Honig den Insekten von den Blumen dargeboten wird, unterscheiden sich die offenen Honigblumen von den Blumen mit teilweiser oder gänzlicher Honigbergung; je vollkommener letztere ist, und ein je größerer Abstand zwischen dem Blüteneingang und dem Nektarium vorhanden ist, desto mehr nimmt für die betreffende Blüte die Zahl der langrüsseligen Blumenbesucher,

Fig. 6.
Blüte des Türkenbundes (Lilium Martagon), vom Taubenschwanz befruchtet.

besonders der Bienen und Falter, zu, die der kurzrüsseligen Fliegen und Käfer dagegen ab. Die tiefe Bergung des Honigs in langen Röhren steht mit der Rüssellänge der Besucher derart in Wechselbeziehung, daß einzelne Blumen ausschließlich nur noch von einem ganz engen Kreis von Insekten ausgebeutet und gekreuzt werden können; Beispiele dafür sind die Fliegenblumen, wie Cynanchum Vincetoxicum, die Bienen- und Hummelblumen (Salvia, Lamium, Echium, Linaria) und die Falterblumen, wie Lilium Martagon, Gymnadenia, Dianthus. Die Thätigkeit einer Hummel an einer Hummelblume sowie einer Sphingide an einer Falterblume veranschaulichen die Figuren 5 u. 6. Durch genaue Feststellung der verschiedenen Insektenarten, welche auf bestimmten Blumen als Besucher vorkommen, wurde ferner ermittelt, daß gewisse Blumenfarben von einzelnen Besucherklassen auffallend bevorzugt werden, z. B. blaue und rote Farben von Faltern, Bienen, Schwebfliegen, schmutzig grüne oder weiße, bunt gesprenkelte von aasliebenden Fliegen, weiße und gelbe von kurzrüsseligen Insekten verschiedener Klassen. Besonders merkwürdig erscheinen endlich die Einrichtungen, durch welche die Übertragung des Pollens bei den Insektenblumen bewirkt wird. Viele Blüten entwickeln einen eigenartigen mechanischen Apparat, durch welchen sie sich die Ausstreuung des Blütenstaubes auf bestimmte Körperstellen des Blumenbesuchers sichern. Dahin gehört die Schlagbaumvorrichtung der Blüten von Salvia (Fig. 7); eine an der Blüte anfliegende Biene

Fig. 7.
Blüte von Salvia.
I. Mit Andeutung der Lagenveränderung des Staubgefäßes s zum Griffel g. II. Im Moment eines Hummelbesuchs.

oder Hummel muß nämlich mit ihrem Rüssel gegen zwei Plättchen stoßen, welche an den schlagbaumartigen und drehbaren Staubgefäßen befestigt sind und den Zugang zum Honig verschließen; dadurch geraten die beiden längern Schenkel derselben nach abwärts in Bewegung (Fig. 7 I), und der Blütenstaub wird dem Rücken des Insekts angedrückt (Fig. 7 II), um dann bei Besuch einer Blüte eines andern, ältern Exemplars an den vorgestreckten u. gespreizten Narben desselben wieder abgestreift zu werden. Bei manchen Papilionaceen (Lotus, Ononis u. a.) wird durch eine die Blüte besuchende Biene Blumenstaub aus der Schnabelspitze des Schiffchens in Form einer Nudel hervorgepreßt und dadurch direkt auf die behaarte Bauchseite des Insekts übertragen, welche dann auf einer zweiten Blüte zunächst mit der Narbe in Berührung kommt; bei andern Papilionaceen, wie Sarothamnus, wird der Pollen dem Besucher durch eine Art von Explosionsvorrichtung gegen die Leibesunterseite geschleudert. In den Blüten der Asklepiadeen (Asclepias syriaca, Cynanchum, Vincetoxicum), bei denen der Pollen jedes Staubbeutelfaches zu einem kölbchenartigen Körper, dem Pollinarium, verklebt ist, werden je zwei benachbarte Pollinarien durch ein klammerartiges Gebilde, den Klemmkörper, derart verbunden, daß sich dieselben einem Besucher unfehlbar an Bein oder Rüssel anheften müssen. Bei vielen Orchideen (Fig. 8) sind die bei ihnen ebenfalls vorhandenen Pollinarien p mit einer klebrigen Spitze, der Klebscheibe k, versehen, die von einem zarthäutigen, mit Klebstoff gefüllten Beutelchen r umschlossen wird. Gegen letzteres muß das die Blüte besuchende Insekt stoßen, sobald es den Kopf in den Eingang des Blütensporns n steckt, um den in der Spornwandung (bei Orchis latifolia, maculata, morio) enthaltenen Saft aus dem Rüssel zu erbohren. Dadurch schnellen die beiden Pollinien des einzigen in der Blüte vorhandenen Staubblattes aus ihren taschenartigen Behältern a hervor und heften sich nun dem Insektenkopf mittels der Klebscheibe an; durch schnelles Einschrumpfen des Klebstoffs vollführen dann die anfangs aufrechten Pollinien eine Drehung (IV in Fig. 8) und biegen sich derart, daß sie beim Anfliegen des Insekts auf einer andern Blüte an die dicht über dem Sporneingang liegende klebrige [76] Narbenscheibe t stoßen müssen, an der sie festhaften und die Befruchtung bewirken. Man kann die Thätigkeit der blumenbesuchenden Insekten in diesem Fall durch einen einfachen Versuch nachahmen, indem man mit einer Bleistiftspitze (Fig. 8) gegen das Beutelchen

Fig. 8.
Blüte einer Orchis.
I Im Längsschnitt, II nach Entfernung der Blütenzipfel, um den Bestäubungs­apparat freizulegen, o Oberlippe, u Unterlippe, f Frucht­knoten, n Sporn, t Narbe, r Beutelchen, a Pollen­behälter, p Pollinarium, s Stiel desselben, k Kleb­scheibe; III stellt die an eine Bleistift­spitze gehefteten Pollinarien, IV die nach­trägliche Krümmung ihrer Stiele dar.

einer noch nicht besuchten Blüte stößt; dadurch werden die Pollinien sofort auf die Bleistiftspitze übertragen (III in Fig. 8), haften an derselben fest und führen auch die oben beschriebene Drehung (IV in Fig. 8) aus. Eine besonders merkwürdige Bestäubungseinrichtung, die als Kesselfalle bezeichnet wird, kommt bei den langröhrigen Blüten der Osterluzei (Aristolochia Clematitis) vor. Diese (Fig. 9) haben einen weiten Schlund s, einen dünnen,

Fig. 9.
Blüte der Osterluzei.
I Blütenstand, II im Längsschnitt vor der Bestäubung, III nach der Bestäubung, s Schlund, r Röhre, h Haare, k Kessel, n Narbe, a Staub­beutel, f Frucht­knoten.

innen mit einwärts gekehrten Haaren h ausgekleideten Hals r und unten einen weiten, kesselartigen Raum k, in welchem direkt unter der Narbe n sich sechs Staubbeutel a befinden. Die B. wird hier durch winzige Mückenarten bewerkstelligt, die in den Kessel hineinkriechen und auf der Narbe den von frühern Besuchen mitgebrachten Blütenstaub absetzen, da die Staubbeutel der Blüte anfangs noch geschlossen sind. Am Hinauskriechen werden sie durch die reusenartig gestellten Haare verhindert, welche erst nach Öffnung der Staubbeutel und gleichzeitiger Umdrehung der Blumenkrone (III in Fig. 9) einschrumpfen und auf diese Weise den zuerst gefangenen, mit Blütenstaub beladenen Blumengästen den Austritt wieder gestatten.

Neben der Fremdbestäubung, welcher die bisher beschriebenen Einrichtungen der Blumen dienen, spielt die Selbstbestäubung eine sehr untergeordnete Rolle. Es gibt jedoch eine Reihe von Pflanzen, bei denen außer den gewöhnlichen, für Fremdbestäubung eingerichteten, offenen Blüten noch andre, stets geschlossene und daher auf ausschließliche Selbstbestäubung angewiesene Blüten (kleistogame Blüten) vorkommen. Derartige durch Verkümmerung der Blumenkrone entstehende und daher unansehnliche Blüten, z. B. von Lamium amplexicaule, Oxalis Acetosella, Viola odorata, befruchten sich meist dadurch, daß die Pollenkörner direkt aus den Staubbeuteln ihre Schläuche nach der Narbe hin treiben, während die großen, mit Blumenblättern versehenen Blüten (chasmogame Blüten) derselben Art in der Regel unfruchtbar bleiben.

Vgl. Sprengel, Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und der Befruchtung der Blumen (Berl. 1793); Darwin, Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden; Derselbe, Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich und „Die verschiedenen Blütenformen bei Pflanzen der nämlichen Art“ (deutsche Ausgabe der „Werke“, Bd. 9 u. 10); Delpino, Ulteriori osservazioni sulla dicogamia nel regno vegetale (Mail. 1868–69); Hildebrand, Die Geschlechterverteilung bei den Pflanzen (Leipz. 1867); H. Müller, Die Befruchtung der Blumen durch Insekten (das. 1873); Derselbe, Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten etc. (das. 1881).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 145146
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[145] Blütenbestäubung (blütenbiologische Statistik). Eine der wichtigsten Fragen der Blütenbiologie, inwieweit nämlich die durch den morphologischen Aufbau einer Blüte wahrscheinlich gemachte Bestäubungsart derselben durch die thatsächliche Beobachtung bewiesen werden kann, hat auf Anregung von Darwin und Delpino zuerst Hermann Müller in größerm Umfang zu lösen versucht, indem er die auf den Blumenarten Westfalens und Thüringens sowie der Alpen von ihm angetroffenen Insektenspezies numerich feststellte. Wenn auf diese Weise auch kein absolut vollständiges Verzeichnis der Blumenbestäuber eines bestimmten Gebiets zu gewinnen ist, so konnte Müller doch, gestützt auf ein etwa 10,000 Einzelfälle umfassendes Material, eine Reihe von allgemeinen Sätzen aus seinen Beobachtungen ableiten, welche die thatsächliche Grundlage der von ihm aufgestellten Blumentheorie bilden. Er ordnet zunächst die Blumenarten in eine Reihe von Anpassungsstufen, nämlich: Windblüten, Pollenblumen, Blumen mit offenem, mit teilweise verstecktem und mit völlig geborgenem Honig, Blumengesellschaften, Fliegen-, Schlupfwespen-, Bienen-, Hummel- und Falterblumen, und untersucht nun, ob jede dieser Blumenklassen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch von solchen Insekten besucht und bestäubt wird, welche nach der Bildung ihrer Mundteile und ihren sonstigen körperlichen und biologischen Eigenschaften, bei Bienen z. B. auch des Sammelapparats u. dgl., der Ausbeutung der betreffenden Blumenkategorie vorzugsweise angepaßt erscheinen; es müssen demnach auf einer Bienenblume auch thatsächlich die Bienen, auf einer Falterblume die Schmetterlinge das Hauptkontingent der Bestäuber bilden. Fälle, in welchen ein Besucher die ihm mechanisch aufgezwungene Übertragung des Pollens von Blüte zu Blüte wegen ungeeigneten Körperbaues nur unregelmäßig oder überhaupt nicht ausführt, oder in welchen er, wie dies die Hummeln an manchen Blüten thun, auf gewaltsame Weise durch Einbeißen von Löchern in den Blütendecken sich Zugang zu den versteckten Honigquellen zu verschaffen sucht (Blumeneinbrüche) oder ganze Blütenteile verzehrt, sind selbstverständlich als besondere Gruppe zu behandeln. Da in der Länge des Saugorgans eines Blumenbesuchers und in der Tiefe, in welcher vom Blüteneingang aus eine Blume den Honig birgt, ein ganz bestimmter, direkt meßbarer Grenzwert in den Dimensionen beider gegeben ist, bei dessen Überschreitung entweder dem Insekt die Ausnutzung der Honigquelle versagt wird, oder für die Blume der Bestäubungserfolg des Infektenbesuchs in Frage kommt, so erscheint es von vornherein auch ohne direkte Zählung der Besuche wahrscheinlich, daß die langrüsseligen und auch im übrigen Körperbau auf Blumenbesuch eingerichteten Insekten, wie Hummeln und Schwärmer, vorzugsweise die ihrer Rüssellänge entsprechenden und ihnen auch in anderweitigen Spezialeinrichtungen entgegenkommenden Blumen mit tiefster Honigbergung aufsuchen werden, während die kurzrüsseligen Insekten, wie die Mehrzahl der Fliegen, Grab- und Faltenwespen u. a., besonders auf Blumen mit flach liegenden Honigdrüsen am bequemsten und reichlichsten Nahrung finden dürften. Die bisweilen ausgesprochene Ansicht, daß stets gewisse Insektenarten auf bestimmte Blumenarten angewiesen und als Bestäuber derselben thätig seien, wird durch die thatsächliche Beobachtung widerlegt; es können vielmehr (wenigstens in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle) bestimmte Insekten- und Blumenarten durch verwandte Formen selbst aus verschiedenen Gattungen und Familien ersetzt werden, ohne daß der Bestäubungserfolg Einbuße erleidet, so daß demnach von einer spezifischen, d. h. Art an Art bindenden, Anpassung keine Rede sein kann. Anderseits besuchen selbst hochorganisierte Blumenbesucher, wie die Hummeln, unter Umständen auch offene Honigblumen, wie auch umgekehrt kurzrüsselige Fliegen und Hymenopteren an Blumen mit tief geborgenem Honig in oft nutzloser Weise thätig sind. Die Auswahl der Blumen durch die Insekten sowie die Anlockung letzterer durch jene geschieht zwar im ganzen unter durchgreifender Gesetzmäßigkeit, aber trotzdem, wie bei allen derartigen biologischen Vorgängen, unter vollkommener Freiheit und Zwanglosigkeit im einzelnen. Dieses Verhältnis macht die Aufgabe der Blumen- und Insektenbesuchsstatistik zu einer ebenso anziehenden wie schwierigen. H. Müller [146] hat durch rastlosen Fleiß im Sammeln seiner statistischen Beobachtungen zunächst festzustellen vermocht, daß, je tiefer eine Blumenklasse den Honig birgt, desto mehr sie auch von langrüsseligen Besuchern ausgebeutet wird, während die offenern Honigblumen auch vorwiegend von kürzerrüsseligen Insekten aufgesucht werden. Umgekehrt führen die Blumenbesucher, je kurzrüsseliger sie sind, desto mehr Besuche an Blumen mit flach liegendem Honig aus, während die langrüsseligen Gäste die tief liegenden Honigquellen bevorzugen. Die einer bestimmten Blumenform einseitig angepaßten Insekten, wie Hummeln und Schwärmer, suchen die ihnen im Gesamtbau bequemste Blumenform auch in Wirklichkeit vorwiegend auf. Die kurzrüsseligen Besucher bevorzugen ferner die hellen (weißen und gelben) Blumenfarben, die langrüsseligen ziehen die uns dunkler erscheinenden Farbennüancen (Rot, Blau und Violett) vor, was in unsrer einheimischen Blumenwelt darin ein Gegenstück findet, daß die Mehrzahl der Bienen-, Hummel- und Falterblumen dunkle und die der Blumen mit flach geborgenem Honig helle Farben tragen.

Diese Hauptergebnisse der Untersuchungen Müllers müssen, da sie nur an einer beschränkten Anzahl der einheimischen Blumen- und Insektenarten und aus unvollständigen Beobachtungsreihen gewonnen sind, noch einer weitern Prüfung unterworfen werden, ehe sie Anspruch auf Allgemeingültigkeit machen dürfen. Die zunächst liegende Frage ist die, ob die Auswahl, welche unsre einheimischen Insektenarten an einer durchaus veränderten Blumenflora treffen, nach andern Regeln erfolgt, als sie Müller für die einheimischen Blumen festgestellt hat. Diese Frage wurde von E. Loew durch Feststellung der an Freilandpflanzen des Berliner botanischen Gartens beobachteten Insektenbesuche beantwortet, indem auch unter so veränderten Umständen, wobei den Insekten nordamerikanische, südeuropäische, sibirische und japanische Blumenarten dargeboten wurden, trotzdem die Auswahl im allgemeinen den von Müller aufgestellten Regeln entsprechend erfolgte. Mac Leod zeigte dann ferner, daß man durch eine etwas abgeänderte statistische Zählmethode zu noch einwandfreiern Ergebnissen gelangen kann, als dies Müller und Loew möglich war; auch ersann er eine graphische Darstellung der Zahlenresultate mittels Koordinaten und Funktionslinien, durch welche die betreffenden Zahlenverhältnisse leichter zu übersehen sind; er zeigte unter anderm auf diese Weise unter Benutzung des Beobachtungsmaterials von Müller und Loew, daß auch die Falterblumen vorwiegend von Schmetterlingen besucht werden, was aus den bisherigen Beobachtungen nicht unmittelbar zu ersehen war. Loew hat dann schließlich auch die von zahlreichen andern Beobachtern aufgezeichneten und in der Litteratur zerstreuten Notizen über Blumenbesuche von Insekten gesammelt und an denselben unter Benutzung der Zählmethode von Mac Leod gezeigt, daß diese in den verschiedensten Gegenden, z. B. auf dem Dovrefjeld in Norwegen von Lindmann, in Tirol von Dalla Torre etc., aufgezeichneten Beobachtungen bei richtiger Abgrenzung der Anpassungsklassen durchaus übereinstimmende und die Blumentheorie Müllers bestätigende Ergebnisse liefern; auch stellte er zahlreiche, neuerdings von ihm im norddeutschen Tiefland, in den deutschen und österreichischen Mittelgebirgen sowie in den Alpen aufgezeichnete Beobachtungen über Blumenbesuche zusammen, welche in drei voneinander unabhängigen Beobachtungsreihen durchaus übereinstimmende Resultate ergaben. Die gegenseitige Abgrenzung der Anpassungsgruppen hat Loew gegen Müller insofern geändert, als er sowohl unter den Blumen als ihren Bestäubern nur drei Hauptkategorien, nämlich die Gruppen der allotropen (ungleich angepaßten), hemitropen (halb einseitig angepaßten) und eutropen (ganz einseitig angepaßten) Formen unterscheidet, welche auf Grund ihrer morphologischen und biologischen Eigenschaften ohne Rücksicht auf etwanige Deszendenzbeziehungen abgegrenzt werden. Nach Feststellung der thatsächlichen Grundlage der Blumentheorie werden künftig auch mehrere Nebenfragen eine präzisere Beantwortung erfahren können als bisher, wenn auch die blütenbiologische Statistik nur einen einzelnen Zweig der Blütenbiologie darstellt und das immer liefer eindringende Studium der Blumeneinrichtungen selbst zur Voraussetzung hat (s. Blütenvariationen, Bd. 17). Vgl. E. Loew, Beobachtungen über den Blumenbesuch von Insekten an Freilandpflanzen des botanischen Gartens in Berlin (im „Jahrbuch des königl. botanischen Gartens“, Bd. 3 u. 4, 1884–85); Derselbe, Beiträge zur blütenbiologischen Statistik (in den „Abhandlungen des Botanischen Vereins für die Mark Brandenburg“, Bd. 31, 1889); Mac Leod, Statistische beschouwingen omtrent de bevruchting der bloemen door de insecten („Botan. Jaarbock“, Bd. 1, Gent 1889).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 124125
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[124] Blütenbestäubung. Die Thatsache, daß in den wärmern Ländern auch die Vögel sich nicht unerheblich an der Bestäubung der Blumen beteiligen, ist seit langem bekannt und durch Belt, Delpino etc. bearbeitet worden, indessen beruhten die Angaben vielfach auf unsichern Beobachtungen von Reisenden, die nicht eigentlich Botaniker waren. Die besten ältern Beobachtungen sind die von Belt, der in Nicaragua nicht nur verschiedene Vögel beobachtete, welche aus dem unter den Blumen hängenden Kranze von Honigbehältern von Marcgravia picta (Abbildung s. Bd. 11, S. 222) naschten und dabei mit dem Kopfe den Blütenstaub abstreiften, um ihn zu andern Blumen zu tragen, sondern auch sah, wie die über und über mit scharlachroten Blumen bedeckten und zur selben Zeit blattlosen Bäume einer Erythrina-Art von zwei langschnäbeligen Kolibris (Heliomaster pallidiceps und Phaethornis longirostris) besucht wurden, welche leicht im stande waren, die in den außerordentlich verlängerten Schmetterlingsblüten gefangenen kleinen Insekten herauszuholen und dabei den Pollen auf dem untern Teile des Kopfes ansammelten. Später ist man besonders auf die ebenfalls langen und hängenden Trichterblüten der Bignonien, Tecoma- und Fuchsia-Arten aufmerksam geworden, deren Honig nur von Vögeln und Insekten, die sich während des Saugens schwebend erhalten können, ausgebeutet zu werden vermag. Auf der östlichen Halbkugel vertreten die Rolle der gänzlich auf Amerika beschränkten Kolibris die namentlich in der australischen Region heimischen Honigsauger (Meliphagidae) und die Sonnenvogel (Nectariinidae) Afrikas, und es ist merkwürdig, daß die gleiche Ernährungsweise bei Kolibris und Sonnenvögeln dieselben Körperveränderungen hervorgebracht hat, obwohl die Kolibris sich den Seglern und die Sonnenvögel den Passeriden zunächst anschließen. Beide haben nicht nur den langen Schnabel, sondern auch die röhrenförmige Zunge, um damit Nektar zu saugen, erlangt. Wallace hat es wahrscheinlich gemacht, daß diese röhrenförmige Zusammenfügung der Zungenränder erst eine jüngere Anpassung ist, und daß die Kolibris ursprünglich nur den Insekten in den Blüten nachgegangen wären; er sah, daß junge, eben ausgekommene Kolibris begierig Insekten verschlangen, die er ihnen reichte, Honig aber nicht hinunterwürgen konnten. Über die ornithophilen, d. h. der Bestäubung durch Vögel angepaßten, Blumen Südafrikas hat Scott-Elliot kürzlich genauere Beobachtungen mitgeteilt. Er fand, daß in Natal Sonnenvögel die gewöhnlichsten Bestäuber der Bananen (Musa) seien, obwohl häufig auch Insekten (besonders Bienen) an den Blüten beschäftigt waren. Strelitzia regina wurde namentlich von Nectarinia Afra und Ravenalia madagascarensis, der sogen. Quellenbaum oder „Baum der Reisenden“ von Nectarinia sonimanga bestäubt. Oft werden die Blüten dieser Pflanze auch von Insekten besucht, die aber nur zufällig eine Bestäubung herbeiführen können, während der enge, krumme Schnabel der Sonnenvögel ausgezeichnet geeignet ist, zwischen den starren Rändern der die Blüten umgebenden Brakteen einzudringen und den Honig zu saugen. In Südamerika sah schon Darwin Kolibris an den Blüten der Bananen. Eine Menge verschiedenartiger Blumen fand Scott-Elliot im Kapland der Bestäubung durch Vögel angepaßt, nämlich Melianthus-, Schotia-, Erythrina-, Erica-, Tecoma-, Lycium-, Lobastemon-, Salvia-Arten und verschiedene Proteaceen. Außer den Sonnenvögeln beteiligten sich hier auch verschiedene Zosterops-Arten (Meliphagidae) am Blumenbesuch, und die Vögel zeigen gleich den blumenbesuchenden Insekten die für die Pflanzen nützliche Gewohnheit, meist von einer Blume zur andern derselben Art zu fliegen. Eine große Anzahl dieser Vogelblumen zeichnet sich, obwohl sie zu den verschiedensten Familien gehören, außer durch die lange, röhrenförmige Gestalt der Krone durch eine eigentümlich glänzende orange oder scharlachrote Färbung aus, wie man sie an Insektenblumen nur sehr ausnahmsweise findet, und es ist wahrscheinlich, daß diese Färbung den betreffenden Vögeln als Kennzeichen dient, daß diese Blumen ihnen ihren Honig vorzugsweise aufheben. Scott-Elliot glaubte nun auch zu bemerken, daß diese nämliche Scharlachfarbe ziemlich häufig auch auf der Brust der Sonnenvögel (z. B. [125] bei Nectarinia chalybea, afra, famosa, sonimanga und bicollaris) wiederkehrt, und sucht sich dies mit Grant Allen dadurch zu erklären, daß diese Vögel eine große Vorliebe für diese Blumenfarbe gewännen und sie durch geschlechtliche Zuchtwahl auf ihrem eignen Gefieder zur Geltung brächten. Wallace hat aber dagegen geltend gemacht, daß in sehr vielen Fällen keine Übereinstimmung zwischen der Farbe des Vogels und der von ihm besuchten Blumen besteht, und daß in andern Fällen, wo eine sehr große Gleichheit vorhanden ist, wie bei einem Sonnenvogel, der die purpurroten blattlosen Blütengipfel von Erythrina caffra besucht, die Übereinstimmung vielmehr eine Anpassung zum Zwecke der bessern Verbergung des Vogels sein dürfte, also nicht in die Klasse der geschlechtlichen, sondern der schützenden Färbungen fällt. Vgl. Scott-Elliot in den „Annals of Botany“, 1890, S. 259 u. 265; Wallace, Darwinism, S. 201 und 319 (Lond. 1889).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 110112
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[110] Blütenbestäubung. Von Interesse erscheint eine Reihe blütenbiologischer Arbeiten, welche teils eine neue Forschungsrichtung einschlagen, teils ältere, bisher unbeanstandet angenommene Ergebnisse einer vorsichtig prüfenden Kritik unterziehen. Zu Abhandlungen ersterer Art gehören die von Correns, da dieser Forscher zum erstenmal in größerm Umfange die Frage beantwortete, inwieweit gewisse biologische Einrichtungen der Blüten, z. B. der Kesselfallen von Aristolochia (s. den Artikel B. in Bd. 3, S. 76), der Hebelmechanismus [111] von Salvia u. a., sich mit anatomischen und physiologischen Thatsachen in Zusammenhang bringen und durch dieselben näher erläutern lassen. Allerdings wurden derartige Fragen auch schon früher, z. B. von Delpino, Hildebrand u. a., gestreift, jedoch hielt sich die Mehrzahl der Beobachter ausschließlich an die rein biologische Untersuchung, welche nur den gröbern, mit der Art der Bestäubung in Zusammenhang stehenden Aufbau einer Blüte, abgesehen von den histologischen und physikalischen Eigenschaften ihrer Gewebe, ins Auge faßt. Correns machte dagegen die Mechanik der bei den Bestäubungseinrichtungen in Funktion tretenden Zellen zur Hauptaufgabe seiner Studien. An Aristolochia Clematitis und andern Arten dieser Gattung untersuchte er besonders den Bau der schon von Hildebrand kurz beschriebenen Reusenhaare näher, deren Aufgabe darin besteht, den die Blume besuchenden Insekten zwar den Eintritt in dieselbe zu gewähren, darauf ihnen aber den Austritt zeitweilig bis nach erfolgter Belegung der Narbe mit Blütenstaub unmöglich zu machen. Es ließ sich in der That eine sehr sinnreiche, die Sperrung der Blütenröhre sichernde Arretiervorrichtung und ein hoher, nur während der Zeit des ersten Blütenstadiums andauernder Grad von Zellturgor an den Reusenhaaren nachweisen; letztere Eigenschaft ist notwendig, wenn im zweiten Blütenstadium ein Verschrumpfen der Haare eintreten und damit den gefangenen Insekten der Austritt ermöglicht werden soll. Eine etwaige Versteifung der Zellwände durch Verdickungen wäre in diesem Fall ganz ungeeignet, da sie in der zweiten Periode nicht wieder rückgängig zu machen wäre; dagegen ist der hohe Zellturgor, der innerhalb der Gelenkzellen der Haare etwa 20 Atmosphären (nach plasmolytischer Methode bestimmt), in den Gliederzellen 12–15 Atmosphären beträgt, mehr als ausreichend, um die Haare für die Sperrung der Blütenröhre genügend fest zu machen und ein Einknicken ihrer Wand auf der Druckseite zu verhindern. Im spätern Blütenstadium verlieren die Haarzellen allmählich ihren Turgor, indem sie vom Blüteneingang nach innen zu absterben, wobei der Eintritt der Bestäubung ganz ohne Einfluß ist. Die Einwürfe Burcks, der in der Blüte von Aristolochia nicht eine Einrichtung der Fremdbestäubung, sondern der Autogamie (Selbstbestäubung) verwirklicht glaubt, wurde von Correns aus triftigen Gründen widerlegt. Noch bedeutsamer erscheint die Arbeit des letztern über den Hebelmechanismus an den Staubgefäßen der Salvia-Arten, da dieser vielfach beschriebene Apparat noch niemals vom mechanisch-physiologischen Standpunkte aus untersucht worden ist. Das bei einer Reihe von Arten, z. B. S. pratensis, zwischen Staubfaden und Mittelband (Konnektiv) vorhandene, die Bewegung vermittelnde Gelenk ist als Torsionsgelenk zu bezeichnen, dessen anatomischer Bau in überraschender Weise mit seiner Funktion übereinstimmt, indem die mechanisch wirksamen Kollenchymelemente des Organs an dessen Peripherie sich zusammendrängen. Bei einigen Arten von Calceolaria (wie C. pinnata und C. scabiosaefolia), die ebenfalls eine Art von beweglichen Hebelmechanismen für den Zweck der Pollenausstreuung besitzen, sind letztere dagegen einfache Scharniergelenke ohne mechanische Zellen.

Eine zweite Richtung der Blütenbiologie, nämlich die vergleichende, welche nicht bei der Blüteneinrichtung der einzelnen Pflanzenart stehen bleibt, sondern jene an einer möglichst großen Zahl verwandter Arten und Gattungen verfolgt, wie dies vor allem durch Darwin, Delpino, Hildebrand und H. Müller in ausgedehnter Weise geschehen ist, wird durch die Arbeiten von Correns weiter ausgebaut. Die Gattung Aristolochia, von welcher er sieben Arten untersuchte, zerfällt nach ihm in zwei biologische Gruppen, je nachdem in den Blüten Reusenhaare auftreten oder nicht; innerhalb der Gattung Salvia (von der elf Arten untersucht wurden) stehen sich zwei Reihen gegenüber, von denen die eine den Hebelapparat in der Reduktion, die andre ihn auf der Höhe der Entwickelung aufweist; die letztere Reihe besteht aus zwei Untergruppen, je nach der Funktion der verbreiterten Konnektivplatten, die als Drehungsmechanismen und außerdem als Saftdecken wirken können. Innerhalb der Gattung Calceolaria endlich tritt bezüglich des Bewegungsapparats eine in bestimmter Richtung fortentwickelte, blütenbiologische Vervollkommnungsreihe auf, die zur Vergleichung mit den systematischen Verwandtschaftsbeziehungen der Arten förmlich auffordert.

Mehrere Arbeiten von Loew über den Blütenbau einiger Schmetterlingsblumen, wie Oxytropis und Apios, sowie über die Bestäubungseinrichtung von Impatiens Roylei suchen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der biologischen Funktion bestimmter Blütenteile und ihrem anatomischen Bau nachzuweisen. An der Blüte von Oxytropis sind die am meisten bei Auslösung des Bewegungsapparats in Anspruch genommenen Stellen auch diejenigen, welche am reichlichsten mit eigenartig gebauten, mechanisch wirksamen Oberhautzellen ausgestattet sind. Dagegen fehlen bei Apios, an deren Blüten der gewöhnliche Bewegungsmechanismus der Schmetterlingsblüten in Wegfall gekommen ist, derartige mechanische Zellelemente ganz und werden durch andre, dem Honigschutz dienende Bildungen ersetzt. Bei Impatiens Roylei finden sich an der Bauchseite der verwachsenden Staubgefäße eigentümliche Hautfortsätze, welche, ähnlich wie sonst die Narben, als Pollenfänger fungieren und dazu dienen, den von den Bestäubern herbeigeführten Blütenstaub über den eigentlichen, hier aber verwachsenen Narben festzuhalten. Auch wurde an derselben Pflanze eine ausschließlich autogame, offene Zwergblüte aufgefunden, die einen deutlichen Übergang zu kleistogamer, d. h. die Befruchtung in geschlossener Blüte vollziehender, Form darbot. Zur Kenntnis der bereits von Errera behandelten biologischen und systematischen Beziehungen der durch ihre Bestäubungseinrichtungen besonders merkwürdigen Gattungen Chelone und Penstemon hat Loew ebenfalls einige Beiträge veröffentlicht und gleichzeitig eine Reihe weiterer Blumeneinrichtungen aus verschiedenen systematischen Gruppen beschrieben.

Eine durch Beobachtungen auf Java gestützte Kritik an dem Knight-Darwinschen Gesetz der „vermiedenen Selbstbefruchtung“ hat Burck versucht. Bei der Ameisen beherbergenden Myrmecodia tuberosa (s. Ameisenpflanzen) fand er nämlich die kleinen, porzellanweißen, innen stark honighaltigen Blumen stets vollkommen geschlossen und trotzdem sehr fruchtbar, das erstbekannte Beispiel einer sich durch zahlreiche Generationen hindurch selbstbefruchtenden Pflanze mit geschlossenen und doch nicht im gewöhnlichen Sinn kleistogamen Blüten. Von letztern unterscheidet sich die Myrmecodia-Blüte durch normale, nur an der Spitze verwachsene Blumenblätter sowie reichliche Honigabsonderung und ausgesprochene Proterogynie. Dieser außerordentlich interessante Fall kann, sofern er nicht bloß an kultivierten Pflanzen [112] auftritt, nur durch die Annahme erklärt werden, daß die Blüte von Myrmecodia ursprünglich für Kreuzbestäubung eingerichtet war, aber im Laufe der Zeit unter veränderten Lebensumständen (Burck meint etwa durch den Einfluß der honiglüsternen Ameisen) sich der ausschließlichen Selbstbestäubung anbequemte. Ähnliche zugewachsene oder wenigstens durch die Art der Blumenblattdeckung vollkommen geschlossene, im übrigen aber normale Blüten finden sich auch bei mehreren Anonaceen, z. B. bei Arten von Unona, die sogar Duft entwickeln, bei Artabotrys, deren Blütenblätter so fest aneinander schließen, daß man sie nur mit Anwendung beträchtlicher Kraft auseinander zwängen kann, ferner bei Goniothalamus, Cyathocalyx u. a. Bei allen diesen Blüten muß fortgesetzte Selbstbestäubung eintreten, so daß sie auf der Vorstufe zu Kleistogamie stehen. Letztere hat sich nach Burck bei solchen Pflanzen entwickelt, deren ursprünglich normale, für Insektenbesuch eingerichtete Blüten infolge einer Änderung der Lebensweise oder der Art der Bestäuber allmählich rudimentär und für Selbstbestäubung eingerichtet wurden. Auch die große sexuelle Unfruchtbarkeit vieler, sonst hochorganisierter Orchideen, die sich jedoch zum Ersatz dafür auf vegetativem Weg reichlich vermehren, muß hiermit in Betracht gezogen werden; so bringt unter anderm ein von Baron Eggers auf St. Thomas beobachtetes Oncidium immer nur einige gänzlich unfruchtbare Luxusblüten hervor. Burck führt schließlich eine Reihe von Blumenformen auf, deren Einrichtung seiner Ansicht nach ausschließlich auf Selbstbestäubung abzielt, wie die von Coffea bengalensis, Aristolochia barbata und Arten von Cassia, Fälle, die jedoch einer gründlichen weitern Prüfung bedürfen. Im allgemeinen verdient der Satz von Burck, daß bei einer großen Zahl von Pflanzen „geregelte Selbstbestäubung in der Absicht der Natur liegt“, volle Beachtung.

Das Gebiet der biologischen Blumenstatistik (s. Blütenbestäubung in Bd. 17) wurde neuerdings durch Heinsius in den Niederlanden und durch Mac Leod in den Pyrenäen weiter ausgebaut, wobei sich ergab, daß die schon von Müller und Loew erhaltenen Resultate über Art und Zahl der Insektenbesuche an den verschiedenen Blumengruppen auch unter abweichenden Verhältnissen eine befriedigende Bestätigung finden. Speziell für die Pyrenäen, in welchen Mac Leod im August 1889 und im Juni 1890 besonders im Thal von Luz, in der Umgebung von Gèdre und Gavarnie, auf dem Canvieil, dem Pic d’Ayré bei Barèges u. a. O. Beobachtungen sammelte, ist im Vergleich mit den Alpen eine geringere Zahl von Falterbesuchen charakteristisch, welchen auch eine geringere Zahl von Falterblumen entspricht; das Umgekehrte findet bezüglich der kurzrüsseligen Insekten statt, denen daher eine größere Zahl von Blumen mit flachliegendem Honig, als in den Alpen, entgegenkommt. Außerdem untersuchte Mac Leod eine Reihe noch nicht näher bekannter Blumeneinrichtungen von pyrenäischen Pflanzenarten. Gleiches geschah durch Kirchner besonders für Alpenpflanzen in der Umgebung von Zermatt, durch Schulz für Gewächse Südtirols und Mitteldeutschlands, durch Knuth für die Orobancheen Schleswig-Holsteins, durch Warming für die Karyophylleen Dänemarks und Skandinaviens, durch Robertson für Nordamerika (Illinois), durch Scott-Elliot für das Kapland (s. Blütenbestäubung in Bd. 18) u. a. Mit der Zeit wird auf diese Weise ein Beobachtungsnetz über die ganze Erde gezogen werden, das der Blütenbiologie ausgezeichnete Dienste leisten kann, wenn es gelingen sollte, die einzelnen Beobachter ähnlich wie auf meteorologischem Gebiet zur Bearbeitung bestimmter, nur durch gemeinsame Thätigkeit lösbarer Fragen heranzuziehen. Vgl. Correns, Beiträge zur Biologie und Anatomie einiger Blüten (Berl. 1890); Loew, Über die Bestäubungseinrichtung etc. von Oxytropis pilosa („Flora“ 1891), Über die Bestäubungseinrichtung etc. von Apios tuberosa (das.), Der Blütenbau etc. von Impatiens Roylei (Englers Jahrbücher, Bd. 14), Blütenbiologische Beiträge (Pringsheims Jahrbücher, Bd. 22); Burck, Über Kleistogamie etc. und das Knight-Darwinsche Gesetz (Leid. 1890); Heinsius, Bijdrage tot de kennis de bestuiving van inlandsche bloemen door insecten (Groningen 1890); Mac Leod, De Pyreneën bloemen en hare bevruchting door insecten („Botanisch Jaarboek“, Bd. 3, Gent 1891); Kirchner, Beiträge zur Biologie der Blüten (Stuttg. 1890); Schulz, Beiträge zur Kenntnis der Bestäubungseinrichtungen und Geschlechtsverteilung bei den Pflanzen (Kassel 1890); Knuth, Die Bestäubungseinrichtungen der Orobancheen von Schleswig-Holstein („Botanisch Jaarboek“, Bd. 3, 1891); Warming, Om Caryophyllaceernes Blomster (Kopenh. 1890); Robertson, Flowers and Insects („Botanical Gazette“, Bd. 14 u. 15).