MKL1888:Athēn
[995] Athēn (hierzu Karte „Umgebung von Athen“), im Altertum die berühmte Hauptstadt Attikas, der hochgefeierte Mittelpunkt althellenischer Kultur, gegenwärtig die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Griechenland, liegt am Saronischen Golf (Busen von Ägina), der Ostküste des Peloponnes gegenüber, zwischen dem Zusammenfluß der kleinen, im Sommer fast vertrocknenden Flüsse Kephissos und Ilissos. Von der See, mit deren drei Buchten Piräeus, Munychia und Phaleron (von denen nur die erstere noch brauchbar ist) die Stadt einst durch feste Mauern verbunden war, ist sie etwa 4 km entfernt. Wenn man in den kleinen, doch sehr sichern Hafen des Piräeus einfährt, gewahrt das Auge eine von mäßigen
Plan des alten Athen. | |
Bergen begrenzte weite Ebene, deren Länge 23 und deren Breite 6–9 km betragen mag. Der Berg zur rechten Hand ist der wegen seines Honigs berühmte Hymettos. Das Tiefland wird von einem Olivenwald durchschnitten, der, schmal, aber lang, etwa 2 km vom Piräeus anfängt. Östlich von diesem Olivenwald und 2 km vom Fuß des Hymettos erhebt sich isoliert ein mäßiger Felsenhügel, den uns der die Spitze krönende Tempel der Athene als die Akropolis, die alte Burg von A., bezeichnet. Von ihr als dem eigentlichen Kern der Stadt gehen wir bei der topographischen Beschreibung des alten A. aus.
(Vgl. obenstehenden Plan von Alt-Athen.)
Die Akropolis soll von Kekrops gegründet worden sein und daher in der mythischen Geschichte den Namen Kekropia geführt haben. Auf einem steilen, bis 156,6 m ü. M. und etwa 90–100 m über die Stadt sich erhebenden Felsen ruhend, bildete sie eine natürliche Festung und war außerdem durch eine Mauer geschützt, welche, von Pelasgern auf der Nordseite angefangen, von Kimon (461 v. Chr.) um die Südseite herumgeführt wurde. Die Burg schloß eine Menge der ausgezeichnetsten Kunst- und Bauwerke ein. Den Eingang bildeten auf der Westseite die berühmten Propyläen, ein Prachtthor mit 9 m hohen Säulen, welches Perikles 436–431 mit einem Aufwand von 2012 Talenten (ca. 91/2 Mill. Mk.) von Mnesikles aus weißem Marmor errichten ließ. Von der Stadt aus führte zu denselben (an Stelle des alten schmalen, durch neun Thore verteidigten Burgweges, des sogen. Enneapylon) eine breite, gewundene, mit durch Querrillen für Pferde und Wagen gangbar gemachten Marmorplatten belegte Fahrstraße, auf welcher der panathenäische Festzug zum Tempel der Schutzgöttin der Stadt hinaufstieg. Das Thor hatte zur Seite vorspringende Flügelgebäude, rechts auf einer Bastion einen um 432 erbauten Tempel der Athene Nike, welcher, ein kleiner, zierlicher Marmorbau mit sechs ionischen Säulen, seit 1835 durch die Anstrengungen von Roß, Schaubert und Hansen sich wieder aus den Ruinen erhoben hat, und links eine Gemäldehalle (Pökile), von der noch Mauern erhalten sind. In den innern Burgraum eingetreten, gelangte man auf der rechten Seite zu der Hauptzierde der Akropolis, zu dem kolossalen Parthenon, einem Tempel der Athene Parthenos, welchen Perikles von Iktinos und Kallikrates an der Stelle eines ältern, von den Persern zerstörten Athenetempels um 444 v. Chr. erbauen ließ (s. Tafel „Baukunst IV“, Fig. 6). Der Tempel, aus pentelischem Marmor erbaut, ist 71,3 m lang, 30,8 m breit, 19,8 m hoch und mit der Vorderseite nach O. gekehrt. Er ruht auf einer hohen Plattform, hat ringsum eine einfache Säulenhalle (Peripteros), an der Fronte 8 Säulen, an jeder Langseite 17 Säulen dorischer Ordnung, jede 10,3 m hoch und von 1,78 m im Durchmesser. Der Tempel war mit den herrlichsten Bildwerken
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UMGEBUNG VON ATHEN. |
Maßstab 1 : 280 000. Höhen in Metern. |
[996] ausgeschmückt. Die Metopen enthielten die Kentauromachie, den Amazonenkampf und andre Helden- und Götterkämpfe. An dem Fries der Cella sah man den panathenäischen Festzug (eine Reitergruppe desselben s. Tafel „Bildhauerkunst II“, Fig. 3). Die Statuengruppen im Giebelfeld stellten im W. den Streit zwischen Athene und Poseidon um das Land, im O. die Geburt der Athene dar. Sie wurden 1811 durch Lord Elgin größtenteils nach England entführt, wo sie jetzt den wertvollsten Besitz des Britischen Museums ausmachen. Von den Metopen, ursprünglich 92, ist ein Teil erhalten, ein andrer durch die Careyschen Zeichnungen bekannt, welche vor der Zerstörung des Tempels (1687 durch eine venezianische Bombe) genommen worden sind. Aus der Säulenhalle der Ostseite kommt man in die Cella, den eigentlichen Tempel, dann in das Allerheiligste, den Opisthodomos, wo die Tempelkleinodien und der Staatsschatz aufbewahrt wurden. In der Cella stand das Meisterstück der alten Bildhauerkunst, die kolossale, aus Gold und Elfenbein zusammengesetzte Bildsäule der Athene von Phidias, welche die Göttin stehend und in voller Rüstung, auf der vorgestreckten Rechten eine kleine Nike tragend, darstellt. Alle Fleischteile der Statue waren von Elfenbein, ebenso das Unterkleid, während das Oberkleid, 44 Talente (über 2000 Pfd.) schwer, aus Gold gearbeitet war (vgl. Athene). Zwischen dem Parthenon und den Propyläen stand im Freien die kolossalste der Statuen des Phidias, das bronzene, ca. 25 m hohe Bild der Athene Promachos, der helfenden und abwehrenden Gottheit, mit Helm, Schild und Lanze. Die Schiffer, welche die Südspitze von Attika umsegelten, konnten Helm und Lanze sehen, so weit ragte das riesige Bild, von welchem das Piedestal noch zu erkennen ist, über Propyläen und Parthenon hinaus. Dem gegenüber, der nördlichen Mauer nahe, links beim Eintritt in den Burghof, befand sich das uralte kombinierte Heiligtum der Athene Polias und des Poseidon Erechtheus, an welches sich die ältesten Zeremonien, Mythen und Erinnerungen knüpften. Nachdem es im Perserkrieg zerstört worden, wurde es im ionischen Stil erneuert, und noch 401 n. Chr. ward daran gebaut. Hauptteile des Tempels waren die beiden mit der Rückseite aneinander stoßenden Cellen, die eine (westliche) das Erechtheion genannt, die andre (östlich daran stoßende) der Athene geweiht; von beiden getrennt war eine Kapelle gegen W., das Pandroseion. Nach der einen jener Cellen wird auch oft das Ganze Erechtheion benannt (s. Tafel „Baukunst IV“, Fig. 7). In der christlichen Zeit wurde es als Kirche, von den Türken als Kriegsmagazin benutzt; erst in der neuesten Zeit ist das Innere vollständig aufgeräumt und von allen modernen Zuthaten gesäubert worden. Das Hauptgebäude mißt 20,03 m in der Länge und 11,21 m in der Breite. Übrigens weicht es hinsichtlich seiner Konstruktion wesentlich von der bei den griechischen Tempeln üblichen ab. In der Nähe dieses Tempels stand auch der der Athene geheiligte Ölbaum.
Nordwestlich von der Burg, den Propyläen gegenüber, steigt ein Hügel 115 m empor, der Areopag („Areshügel“), so genannt nach einem dort befindlichen Arestempel. Eine in den Felsen gehauene Treppe führte wahrscheinlich zum Orte der Gerichtssitzung. Südwestlich vom Areopag liegt der Pnyx genannte Felshügel, wo sich das alte Heiligtum des „höchsten Zeus“ befand, der hier bilder- und tempellos verehrt wurde. Lange hielt man die Stelle für den Ort der Volksversammlungen (Pnyx), bis deutsche Forscher (Welcker, Curtius) die wahre Bestimmung der alten Reste richtig erkannten. Mächtige Felsblöcke bilden den Unterbau des großen, in den Fels gehauenen Halbzirkels, der an der Südwestseite durch eine hohe, lange, glatt gehauene und steil aufsteigende Felswand geschlossen wird. In der geradlinigen Felsenwand sind noch Spuren eingehauener Stufen zum Sitzen sichtbar, und in der Mitte der Wand springt ein Felswürfel hervor, zu welchem zwei Treppen hinaufführen, und worin man die Rednerbühne hat erkennen wollen, während dort gefundene Weihgeschenke mit Inschriften ihn unzweifelhaft als Altar darthun. An der steilen Felswand hatte Meton eine großartige natürliche Sonnenuhr angebracht, zu deren Sonnenzeiger der gegenüber nordöstlich von der Stadt liegende Berg Lykabettos diente. Westlich von diesem Heiligtum finden sich Spuren von in den Felsen gehauenen Häusern, Zisternen, Gräbern, Treppen etc., die Reste der ältesten Ansiedelungen im ganzen Stadtgebiet. Uralt müssen dieselben sein, weil Gräber und Häuser sich dicht nebeneinander befinden, was schon Solon aus gesundheitspolizeilichen Gründen verbot. Man hat gemeint, diese Wohnungen seien im Peloponnesischen Krieg entstanden, als sich die Bewohner Attikas zwischen den langen Mauern (s. unten) zusammendrängten; allein solcher provisorischen Anlage widerspricht schon die sorgfältige Bearbeitung der Fundamente. Am südöstlichen Ende dieser ältesten Stadt liegt der Felshügel Museion (147,4 m) mit dem noch erhaltenen Monument des Philopappos, eines Nachkommen des letzten Königs von Kommagene, gegen 114 n. Chr. unter Trajan erbaut. Der Hügel selbst wurde von Demetrios Poliorketes 299 v. Chr. vorübergehend zur Burgfeste umgewandelt. Im Thal zwischen den Höhen jenes Zeusheiligtums und des Museion lief eine Fahrstraße nach dem Melitischen Thor und dem Hafen Phaleron, nördlich von all diesen Hügeln aber die berühmte piräeische Fahrstraße, welche aus dem Piräeus in die Stadt führte. Der breite Fahrweg erreichte die Stadtmauer in dem Piräeischen Thor und führte nun geradeaus nach dem Mittelpunkt des Verkehrs von A. Auf beiden Seiten der Straße waren vom Thor bis zur Agora Säulenhallen und öffentliche Gebäude errichtet, darunter ein Tempel der Demeter und ein dem Hermes geweihtes Gymnasium. Zuletzt erreichte sie die Agora, einen länglich-viereckigen, von mehreren nicht zusammenhängenden Hallen begrenzten Platz im N. der Akropolis und des Areopags, von wo der innere Kerameikos, eine große, breite Straße, nordwestlich zum Thor Dipylon führte. Vor letzterm befand sich der äußere Kerameikos, eine Vorstadt, wo die gefallenen Krieger nach den Schlachtfeldern geordnet bestattet wurden. Dort wurde in neuerer Zeit bei der heutigen Kirche Hagia Triada ein großer Teil der an Architektur und Plastik reichen Gräberstraße frei gelegt.
Gleich nördlich vom Areopag an der Westseite der Agora stand, mit der Vorderseite gegen O., die Königshalle, wo der zweite Archon (Archon Basileus) seinen Amtssitz hatte, und an deren Wänden die Gesetze des Drakon und Solon angeschrieben waren. In der Nähe standen mehrere Bildsäulen, die des Konon, des Timotheos, des Evagoras und des Zeus Eleutherios. Hinter der letztern erhob sich die Halle des Zeus Eleutherios, der vorhergehenden [997] Halle wahrscheinlich gegenüber. Nördlich davon stand die Stoa des Attalos (Reste davon erhalten), südlich der Tempel des Apollon Patroos mit mehreren Bildsäulen dieses altionischen Stammgottes. Oberhalb der Königshalle, höher hinauf am Berg, wird uns ein Tempel des Hephästos angegeben und in der Nähe ein Tempel der Aphrodite Urania. Einen großen Teil von der Nordhälfte der Westseite des Marktes nahm die bunte Halle (Pökile) ein, deren drei Wände von Panänos, Polygnotos und Mikon mit großen Gemälden aus der Sage und Geschichte Griechenlands geschmückt waren (daher der Name); zur Zeit des Lukian war sie der Versammlungsort der stoischen Schule. Vor ihr stand eine Erzstatue des Solon, zu der später die des Seleukos Nikator kam; zwischen der Königshalle und der Pökile die eherne Statue des Hermes Agoräos sowie ein kleines, mit einem Siegeszeichen geschmücktes Thor, vielleicht das erste Vorbild der römischen Triumphbogen. Von hier lief eine doppelte Reihe Hermen, zum Teil mit Sinnsprüchen versehen, über die ganze Breite der Agora. Wahrscheinlich der königlichen Halle gegenüber lag das Heiligtum der Göttermutter Kybele, das Metroon, und das Buleuterion, wo der Rat der Fünfhundert seine Sitzungen hielt. Jetzt ist dieser Platz, wie überhaupt die ganze Agora, mit modernen Gebäuden bedeckt. Das Metroon enthielt die Statue der Göttin von Phidias und diente zur Aufbewahrung der Volksbeschlüsse, der Gesetze und gesetzlichen Dokumente. In der Nähe des Buleuterion war die Tholos, ein Rundgebäude mit Kuppel, zu Staatsopfern und Mahlzeiten bestimmt, zu denen sich die Prytanen täglich versammelten. Etwas höher nach der Akropolis zu war der Markt mit Bildsäulen geziert, namentlich mit denen der Stammheroen, der sogen. Eponymoi, von welchen die zehn attischen Phylen ihre Namen hatten. Auch die Statuen der Staatsmänner Lykurg und Kallias, des Demosthenes, des Pindar und der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton standen hier. Südlich davon, in der Einsattelung zwischen Akropolis und Areopag, lag der heilige Bezirk der Eumeniden mit des Ödipus Grab sowie wahrscheinlich der vom jüngern Pisistratos errichtete Altar der zwölf Götter, und südöstlich davon, am Abhang des Burgfelsens, war der Tempel der Aphrodite Pandemos. Die Agora diente übrigens nicht nur für Handel und Wandel, sondern auch zu politischen Versammlungen und als Spaziergang für die Bürger; auch die besuchtesten Läden der Gewerbtreibenden lagen an ihr oder doch in ihrer nächsten Nähe. Für den Handel waren besondere Abteilungen bestimmt, in denen Lebensmittel aller Art, mit Ausnahme des Fleisches, besonders Fische, Geräte, auch Kleidungsstücke etc. feilgeboten wurden. – Nordwestlich vom Markt erhebt sich ein wüster Hügel mit einem alten, gut erhaltenen Tempel, der noch unlängst als Kirche des heil. Georg diente, das berühmte Theseion, das die Gebeine des Theseus, welche Kimon von der Insel Skyros nach A. gebracht hatte, umschloß und seit 465 v. Chr. erbaut wurde. Der Tempel, mit 6 × 13 Säulen von 5,7 m Höhe, ist im reinsten dorischen Stil aus pentelischem Marmor gebaut und bis auf einen kleinen Teil des Portikus und das Dach der Cella wohlerhalten. Auch von den Skulpturen aus der Schule des Phidias, mit denen der Tempel geschmückt war, haben sich sehr wertvolle Überreste, namentlich einige von den Metopen, Thaten des Theseus und Herakles darstellend, nebst dem Fries der Schmalseiten der Cella erhalten. Der Umfang des Tempels beträgt nur 30,3 × 12,5 m, die Höhe 10,3 m. Das nächste bemerkenswerte Gebäude östlich der Agora war das Gymnasion des Ptolemäos (ungewisser Lage) mit den Bildsäulen des Ptolemäos, des Libyers Juba und des Stoikers Chrysippos. Es enthielt außer den Räumen für gymnastische Zwecke zahlreiche kleinere Gemächer für wissenschaftliche Unterhaltung und Unterricht sowie eine Bibliothek.
Auf der Nordseite der Akropolis stand ferner die ausgedehnte sogen. Stoa des Hadrian, deren Nordhälfte zum Teil erhalten ist; südlich davon ein Heiligtum der Athene Archegetis (Reste vorhanden) und südöstlich der wohlerhaltene Turm der Winde, welchen Andronikos aus Kyrrhos in Syrien als Horologium um 35 v. Chr. errichten ließ (s. Tafel „Baukunst IV“, Fig. 10). Seine acht Seiten sind den Hauptwinden zugekehrt und stellten diese in trefflichen Reliefs symbolisch dar. Auf der Spitze des Turms war ein Triton angebracht, dessen Stab sich nach dem Wind wendete und also die Stelle einer Windfahne vertrat. Außen am Turm befand sich eine Sonnenuhr, im Innern eine Wasseruhr, der eine Leitung das nötige Wasser aus der brackigen Quelle Klepsydra am Nordabhang der Akropolis zuführte. Auf der Nordseite der Burg lag auch das Prytaneion, wo die auswärtigen Gesandten und um den Staat wohlverdiente Männer auf öffentliche Kosten zu speisen pflegten. Hier stand der geweihte Staatsherd, auf welchem ein immerwährendes Feuer unterhalten wurde. Daneben die Bilder der Hestia und der Irene, an den Wänden zahlreiche Statuen von Männern, die sich als Feldherren und Staatsmänner oder als Sieger in Kampfspielen einen Namen erworben hatten. Nicht weit vom Prytaneion entfernt stand das erst in der Ptolemäerzeit errichtete Heiligtum des Serapis und mehr gegen N. hin das Diogeneion genannte Gymnasion. In der Gegend des Prytaneion scheint die Tripodenstraße ihren Anfang genommen zu haben, deren Richtung durch mehrere hier vorhandene kleine, wahrscheinlich an die Stelle der Tripodentempel getretene Kirchen sowie durch die choragischen Denkmäler des Lysikrates (s. Tafel „Baukunst IV“, Fig. 8) und Thrasyllos auf der südöstlichen Seite der Burg, bei welchen sie wahrscheinlich ihr Ende erreichte, kenntlich ist. Diese Straße war eine der prächtigsten in A., von ehrgeizigen und untereinander wetteifernden Choragen mit zahlreichen kleinen Rundtempelchen aus Marmor und herrlichen Kunstwerken aller Art aufs glänzendste ausgeschmückt. Am Ende der Tripodenstraße, unter dem südöstlichen Ende der Akropolis, befand sich der heilige Bezirk des Dionysos (Lenäon), welcher zwei Tempel des Gottes, die Gebäude für die dramatischen und musikalischen Aufführungen und Weihgeschenke choragischer Sieger umschloß. Von allen diesen Bauten läßt sich nur noch die Lage des Theaters des Dionysos, die Stätte, wo Äschylos, Sophokles und Euripides ihre Triumphe feierten, genau bestimmen. Es lag westlich von dem Ende der Tripodenstraße, am Südabhang der Akropolis und ist, durch die halbkreisförmige Anlage deutlich erkennbar, 1862–65 durch Ausgrabungen frei gelegt worden. Sein Bau wurde 496 v. Chr. zur Zeit des Äschylos begonnen, aber in den obern Teilen erst um 340 vollendet. Von den Grundmauern des Bühnengebäudes sind nur die unterirdischen [998] Teile, von den terrassenförmig sich erhebenden, in den natürlichen Felsen gehauenen Stufen, auf welchen die Sitze des schauenden Publikums waren, die untern erhalten. Im Zuschauerraum, der durch 14 aufsteigende Treppen (von ca. 0,70 m Breite) in 13 Keile zerlegt wird, fanden etwa 27,000 bis 30,000 Menschen Platz. Östlich in der Nähe des Theaters hat man das Odeion des Perikles, ein kleineres, für musische Wettkämpfe bestimmtes Gebäude, zu suchen. Die das Dionysion unmittelbar umgebenden Gebäude und Hallen boten für die zusammenströmende Menge und besonders für den Chor einen bequemen Aufenthalt dar, so namentlich die Stoa Eumenia, die Säulenhalle des Eumenes, der die Bogen an der westlichen Seite des Theaters angehören, und die sich von diesem bis zum Odeion des Herodes erstreckt. Letzteres, ein ansehnliches, besonders im Innern mit großartiger Pracht ausgestattetes Theatergebäude, wovon noch beträchtliche Überreste am südwestlichen Ende der Akropolis unweit der Propyläen sichtbar sind, wurde erst zwischen 160 und 170 n. Chr. von dem reichen und baulustigen Marathonier Herodes Atticus zur Erinnerung[WS 1] an seine Gemahlin gegründet. Oberhalb der Stoa Eumenia, unmittelbar am Fuß des Burgfelsens, lag der Tempel des Asklepios (seit 1876 durch die Archäologische Gesellschaft von A. aufgedeckt) mit Statuen des Gottes und seiner Söhne, Gemälden und einem Tempelbrunnen; ferner der Tempel der Themis und der Ge Kurotrophos, lauter Kultstätten, deren Stiftung in die ältesten Zeiten der Stadt hinaufreicht.
In dem Quartier Kydathenäon, einem der ältesten Athens, südlich der Burg, scheinen meist Privatgebäude gestanden zu haben; wenigstens ist uns kein öffentliches Gebäude bekannt, das mit einiger Sicherheit hier sich befunden haben könnte. Ein Thor führte dort im SO. zum Ilissos und der Quelle Kallirrhoë (Enneakrunos) hinaus. Dieselbe, aus dem felsigen rechten Ufer des Ilissos entspringend, war die einzige mit trinkbarem Wasser, trotzdem aber nicht mit von der Ringmauer umschlossen. Nördlich der Quelle Kallirrhoë, am rechten Ufer des Ilissos, erhob sich das Olympieion, der größte athenische und überhaupt griechische Tempelbau, der dem olympischen Zeus geweiht war. Heute steht von demselben auf einer aus Quadern aufgeführten, 668 m im Umfang haltenden Plattform noch eine Gruppe von 13 riesenhaften Säulen mit den Architraven und nicht weit westlich davon noch zwei einzelne. Eine dritte hat im Oktober 1852 ein furchtbarer Orkan, der auch am Erechtheion großen Schaden anrichtete, umgestürzt. Diese Säulen (gewöhnlich „Säulen des Hadrian“ genannt) sind korinthischen Stils, kanneliert und aus parischem Marmor gefertigt, über 20 m hoch und von fast 2 m Durchmesser, die größten in Europa. Aus ihrer Stellung hat man den Grundriß des Tempels entworfen. Es war ein über 110 m langer, 54 m breiter Dipteros dekastylos korinthischer Ordnung mit dreifachen Säulenreihen am Pronaos und Hinterhaus (im ganzen mit etwa 120 Säulen). Dieser Tempel gehörte zu den ältesten athenischen Denkmälern, denn seine Gründung reicht noch in die mythische Zeit zurück. Deukalion soll den Grund dazu gelegt haben; die Peisistratiden übertrugen den Ausbau vier Künstlern, Antistates, Kalaischros, Antimachides und Porinos, welche ihn nach einem großartigen Plan in dorischer Form anfingen, aber nicht vollendeten. Mehr als 300 Jahre später, um 165 v. Chr., nahm König Antiochos Epiphanes von Syrien den Plan der Pisistratiden wieder auf, ohne ihn jedoch zu Ende zu führen. Dieses gelang erst 131 n. Chr. dem Kaiser Hadrian, dem der Tempel auch eine kolossale Statue des Gottes verdankte. Die Ringmauer, mit Statuen angefüllt, maß 4 Stadien (740 m) und schloß außer einem Tempel des Kronos und der Rhea auch ein heiliges Feld der Ge Olympia in sich. Von hier gegen NO. lag Neu-A., der südöstliche Teil der Stadt, den Kaiser Hadrian, der die griechische Kunst wieder zu heben bemüht war, mit weitern Prachtgebäuden schmückte (daher auch Hadriansstadt genannt). Zu denselben gehörten ein Heräon, ein Pantheon, ein Tempel des Zeus Panhellenios, ferner die Stoa aus phrygischem und das Gymnasion mit Säulen aus numidischem Marmor. Das Hadriansthor im korinthischen Stil steht noch in der Richtung von SW. nach NO., am nordwestlichen Ende der Umfassungsmauer des Olympieion. Unweit des letztern weiter nach S. (nach neuester Annahme außerhalb der Stadtmauer, aber noch diesseit des Ilissos) lagen zwei Heiligtümer des Apollon, das Delphinion und das Pythion, beide getrennt durch eine Mauer, auf der sich der Altar des Zeus Astrapäos befand, von wo aus die Priester des Pythion die Blitze zu beobachten pflegten. Dies mußte immer im Anfang des Frühlings drei Monate und in jedem Monat drei Tage und drei Nächte lang geschehen, bevor die heilige Gesandtschaft nach Delphi vom Tempel abging; denn sie wurde erst dann unternommen, wenn man günstige Zeichen geschaut hatte. Das Pythion, eine Anlage der Pisistratiden, war ein bloßes Temenos (heiliger Bezirk) mit einer Bildsäule des Gottes; das Delphinion ein Tempel, in welchem ein Raum mit Schranken umschlossen war, um als Gerichtsstätte zu dienen über Mörder, deren That erwiesen, aber durch Umstände gerechtfertigt war, außer dem Areopag unter den vielen Gerichtsstätten, deren Namen uns überliefert sind, allein mit einiger Sicherheit topographisch zu bestimmen. Von der Kallirrhoë aus weiter stromaufwärts ist die Gegend zu setzen, welche „die Gärten“ hieß, und wo sich ein Heiligtum der Aphrodite Urania befand. Jenseit des Ilissos lag die Vorstadt Agrä mit den beiden Tempeln der Demeter und Kore und des Triptolemos, wo die kleinen Mysterien gefeiert wurden. Ferner lag dort, wahrscheinlich südwestlich vom Demetertempel, ein solcher der Artemis Eukleia, zur Erinnerung an die Perserkriege errichtet; nordöstlich aber das große Panathenäische Stadion, dessen Höhlung im Fuß des Hymettos noch deutlich erkennbar ist. Vom Redner Lykurgos erbaut, wurde es von Herodes Atticus, der dort ehrenhalber sein Grab fand, prächtig ausgeschmückt. Die Höhen nordöstlich davon trugen Tempel der Tyche und der Artemis Agrotera. – Gegen O. führte das Diocharesthor nach dem Gymnasion Lykeion, wo Aristoteles zu lehren pflegte; am Fuß des Lykabettos lag das Gymnasion Kynosarges, der Sammelplatz der Cyniker.
Die alte Stadtmauer Athens war 478 v. Chr. auf des Themistokles Rat von den Athenern in aller Eile aufgeführt worden. Sie maß 60 Stadien (11,100 m) im Umfang. Ihre Richtung läßt sich im W. noch in deutlichen Spuren auf dem Rücken des Museion und der Pnyx nebst ihren nördlichen Fortsetzungen bis zur jetzigen Kapelle der Hagia Triada, im S. vom Museion herab in ziemlich gerader östlicher Richtung bis zu den niedrigen Anhöhen oberhalb des rechten Ufers des Ilissos, welchem [999] sie dann in nordöstlicher Richtung parallel lief, erkennen. Neuerdings ist ihre Richtung auch im N. und NO., wo sich das heutige A. ausdehnt, mit ziemlicher Gewißheit festgestellt worden, und man kennt die Lage von sechs Thoren dort genau. Von Sulla wurde die Mauer zerstört und namentlich an der Westseite dem Boden gleich gemacht. Die Stadt wurde erst unter Kaiser Valerian wieder befestigt, als die Gallier mit einem Einfall drohten. Sie war aber unterdessen kleiner geworden, die Einwohnerzahl zusammengeschmolzen; daher ist es wahrscheinlich, daß die neue Mauer eine geringere Ausdehnung hatte als die des Themistokles. Unter Justinian, der die Mauern aller Städte des obern Griechenland erneuerte, wurde auch die athenische Mauer wieder in stand gesetzt. Die Ringmauer der Stadt und zwar ihr südöstlicher Teil auf dem Museion und der Pnyx war mit den Häfen durch drei Mauern in Verbindung gesetzt, von denen die phalerische 35 Stadien (6470 m), die beiden langen Mauern nach dem Piräeus je 40 Stadien (7400 m) maßen. Die phalerische und die nördliche lange Mauer wurden zuerst gebaut und zwar, nachdem die kolossale Befestigung des Piräeus beendigt war. Sie wurden 452 v. Chr. vollendet. Den Vorschlag zum Bau der mittlern Mauer machte Perikles; derselbe wurde aber erst nach 448 begonnen und ausgeführt von Kallikrates, dem Baumeister des Parthenon. Die beiden ersten Mauern hatten den Zweck, zu verhindern, daß die Stadt durch eine Belagerung vom Meer getrennt würde; die dritte Mauer wurde hinzugefügt, damit auch für den Fall, daß der Feind schon eine Mauer genommen hätte, die Verbindung mit den Häfen doch nicht unterbrochen wäre. Der Zwischenraum zwischen ihnen war während Athens Blütezeit ziemlich dicht bewohnt, diente aber in Kriegszeiten auch zum Zufluchtsort für die Landleute. So flüchteten beim Beginn des Peloponnesischen Kriegs die Bewohner des offenen Landes zwischen die Mauern und behalfen sich unter armseligen Hütten, die sie daselbst errichteten. Die phalerische Mauer scheint schon in der letzten Zeit des Peloponnesischen Kriegs verfallen zu sein; die beiden andern wurden zerstört, nachdem die Lakedämonier A. erobert hatten. Konon aber erneuerte nur die beiden langen Mauern, und es ist seitdem auch immer nur von zwei Mauern die Rede.
A. hatte, Piräeus und Munychia eingerechnet, mehr als 10,000 Häuser und in seiner Blüte 21,000 freie Bürger, was auf eine Einwohnerzahl von mehr als 200,000 schließen läßt. Der vorzüglichste Teil des Privathauses (s. den Plan eines altgriechischen Hauses im Art. „Griechenland“) war der Hofraum, welchen in größern Häusern die äußere Mauer von der Straße trennte; in der Regel führten aber die Hausthüren unmittelbar auf die Straße. Die obern Stockwerke hingen über und ruhten auf Säulenhallen. In der frühern Zeit waren die Privatwohnungen meist unansehnlich und ärmlich, aus Fachwerk oder, wie ein Teil der Stadtmauer, aus ungebrannten, an der Sonne gedörrten Lehmziegeln gebaut. Während aber die Privatleute bei dem Bau ihrer Wohnungen durchaus keinen Aufwand machten, führte der Staat die bewundernswürdigsten und kostspieligsten Tempel- und andre Bauten auf. Späterhin, zur Zeit des Demosthenes, trat der umgekehrte Fall ein. Ein umfangreiches System antiker unterirdischer Leitungen, welche der quellenlosen Stadt das Wasser zuführten, ist ganz neuerdings in seinen Resten nachgewiesen worden.
(Hierzu der „Stadtplan von Athen“.)
Unmittelbar nördlich vom Felsen der Akropolis liegt in einem Halbkreis, wovon jener das Zentrum bildet, das heutige A., seit 1835 die Hauptstadt des Königreichs
Wappen von Athen. | |
Griechenland. Die Wiederherstellung der Stadt ist unter König Otto nach einem Plan des bayrischen Baumeisters v. Klenze begonnen. Die Hauptstraßen sind die Hermes-, die Äolos- und die Athenestraße, dann die Piräeus-, Universitäts- und Stadionstraße. Die ostwestlich vom königlichen Schloß zum Bahnhof laufende Hermesstraße teilt die Stadt in zwei ungleiche Teile; die Äolosstraße durchkreuzt die Hermesstraße, erstreckt sich südlich bis zum Turm der Winde (s. oben) und findet ihre nördliche Fortsetzung in der Patissiastraße. Die schönste ist aber die Stadionstraße in dem neuen nordöstlichen Teil der Stadt. Ein großer Kanal geht mitten durch die Stadt, in welchen andre Kanäle, die auf Staatskosten wiederhergestellt sind, münden. Außer diesem großen Kanal ist noch ein andrer bemerkenswert, der von dem Platz Staropazaron (Kornmarkt) durch die Hadrianstraße geht, und endlich der Kanal der Palast- u. St. Markusstraße. Eine Dampfstraßenbahn führt durch die Stadt von den Gärten des Ilissos nach den Vorstädten. In A. befinden sich gegen 20 öffentliche Brunnen, und außerdem werden noch die öffentlichen und viele Privatgebäude von einer großen Leitung aus, welche am Fuß des Hymettos und Pentelikon Quellwasser sammelt und in die Stadt führt, mit Wasser versehen. Die bedeutendsten öffentlichen Gebäude sind: das Münzgebäude, zwei Kasernen, ein Zivil- und ein Militärhospital, das Universitätsgebäude (1837 von Hansen erbaut), das Polytechnikum und das noch unvollendete Zentralmuseum mit wichtigen Altertümersammlungen, die Sternwarte, die Arsakische Mädchenschule (das größte Institut seiner Art im Orient), das Hospital für Augenleidende, die Gebäude der Akademie und der Kammern und besonders das neue königliche Residenzschloß im O. der Stadt, 1834–38 nach den Plänen Gärtners erbaut. Unter den Kirchen, deren überwiegende Mehrzahl dem orientalischen Kultus angehört, sind die große und kleine Metropolis zu nennen, letztere vom Fürsten Otho de Laroche im 13. Jahrh. ganz aus antiken Stücken erbaut, erstere 1840–55 durch vier verschiedene Architekten aus dem Material von 70 kleinern Kirchen und Kapellen, welche niedergerissen wurden, errichtet.
Die Bevölkerung Athens bestand 1821 beim Beginn der griechischen Erhebung aus 10,000 Christen und 1500 Türken; 1832 lebten nur noch 1500 Christen und 300 Türken in A.; 1842 zählte die Stadt 21,698, 1853: 31,125, 1871: 44,510, 1884 schon 84,903 Einw. inkl. 6137 Soldaten. In dem ältern Stadtteil um den Markt wohnen die eingebornen Hellenen, pflegen ihres Gewerbes und ziehen reichlichen Gewinn aus Mietzins und Handel. Die Eingewanderten, der Hof, die Beamten, die fremden Minister verkehren mehr in den neuen Straßen im nordöstlichen Teil der Stadt. Hier ist alles europäisch, Kutschengerassel und Ballmusik ertönt, und elegant gekleidete Spaziergänger beiderlei Geschlechts unterhalten sich in allen Sprachen Europas. Überhaupt zeigt A. einen merkwürdigen
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[1000] Konflux der verschiedensten Kulturzustände und Nationalitäten. Vor allem sind in der Stadt die Rassen des Königreichs repräsentiert: Rumelioten, Mainoten, Wlachen, Albanesen, Fanarioten, unter denen sich Italiener, Briten, Franzosen, Deutsche, Afrikaner und Asiaten in den mannigfaltigsten Trachten bewegen. A. ist der Mittelpunkt des politischen, wissenschaftlichen und finanziellen Lebens des ganzen Landes, tritt jedoch in Industrie und Handel völlig hinter seine Hafenstadt Piräeus zurück. Von industriellen Etablissements bestehen in der Hauptstadt selbst nur vier Spiegelfabriken, je eine Fabrik für Wagen, Schokolade, Dampfnudeln und Eis, ferner eine Marmorschneiderei; die einzige Seidenfabrik ist eingegangen. Im Piräeus betrug der Wert der Einfuhr 1881: 46 Mill., der der Ausfuhr 2,2 Mill. alte Drachmen; daselbst liefen 1883: 10,732 Schiffe (davon 9275 griechische) von 2,430,520 Ton. ein, 10,849 Schiffe von 2,415,654 Ton. aus (näheres s. unter Piräeus). A. ist der Sitz eines deutschen Konsuls und von fünf größern Banken. Von wissenschaftlichen Anstalten besitzt A. eine Universität, das deutsche archäologische Institut, die École française d’Athènes, ein Gymnasium, eine Sternwarte (auf dem Nymphenhügel im SW.), einen botanischen Garten, ein anatomisch-pathologisches Museum, ein andres für Naturgeschichte, eine Nationalbibliothek mit ca. 150,000 Bänden, die Bibliothek der Kammer (6000 Bände), eine Münzsammlung, ein Schullehrerseminar, ein Polytechnikum mit der Sammlung mykenischer Altertümer und dem Museum der Archäologischen Gesellschaft, das Rhizarion (geistliches Seminar), einen Archäologischen Verein, dessen reiche Altertümersammlung sich im Gymnasion Varvakion befindet, und mehrere wissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften. Die Universität, 1837 eröffnet, besteht aus vier Fakultäten und ist nach dem Muster der Münchener eingerichtet. Es lehren an ihr 60 Professoren und 19 Privatdozenten; die Zahl der Studierenden beträgt etwa 1350. Ferner werden Schulen für Knaben und Mädchen, darunter mehrere Lancastersche, von dem Stadtrat unterhalten; auch besteht eine deutsche Elementarschule. Die Verwaltung Athens steht unter dem Präfekten (Nomarchos) von Attika, der unmittelbar dem Ministerium des Innern untergeordnet ist. Die städtischen Angelegenheiten leitet ein Bürgermeister (Demarchos) nebst mehreren ihm beigeordneten Beisitzern und einem Gemeinderat, welch letztere Behörden sämtlich von der Gemeinde (Demos) erwählt werden. Am 18. Febr. 1869 wurde die Eisenbahn von A. nach Piräeus (die erste in Griechenland) eröffnet und im Juli 1884 die Linie A.-Eleusis der Bahn Piräeus-Patras, an welche sich eine Linie von Korinth nach Nauplia anschließen soll. Eine Bahn von A. nach Laurion ist im Bau, geplant ist eine Linie von Piräeus über A. und Livadia nach Larissa.
Durch seine Lage auf der felsigen Halbinsel Attika, welche durch unwegsame Gebirge vom Festland getrennt ist, dem Strom der Völkerzüge entrückt, blieb A. lange ungestört ein Wohnsitz pelasgischer Bevölkerung; nur zur See empfing es Einwanderer und Ansiedler, zuerst Phöniker, dann kleinasiatische Stämme, Dardaner, Karer und Leleger. Sie brachten neue Götterdienste in das Land und begründeten die ersten Anfänge einer höhern Kultur. In ihrer Sage knüpften die Athener diese Zeit der Einwanderung und der Begründung eines Staatslebens an den Namen des Kekrops, der aus Sais eingewandert sein soll. Er soll die Burg von A., die Kekropia, erbaut haben. Auf ihr erwählt sich Zeus ein Heiligtum, Athene pflanzt den Ölbaum und erringt den Sieg über Poseidon als die eigentliche Polias, die Burg- und Landesgottheit. Erechtheus ist der erste König. Nach und nach siedelten sich auch Ionier in A. an, verschmolzen sich mit den Erechthiden und machten die Stadt zur mächtigsten in Attika, welche die übrigen elf Stadtgemeinden zur Unterwerfung bringt, ihre vornehmsten Geschlechter nach A. zieht und Attika zu Einem Staatswesen vereinigt. Als Urheber dieser Landesvereinigung (Synoikismos) wurde Theseus verehrt. Die Bevölkerung ward ansehnlich vermehrt, als infolge der dorischen Wanderung zahlreiche vornehme Geschlechter aus Böotien, Ägialeia, Messenien, Trözen und Ägina in A. Zuflucht suchten. Der Nelide Melanthos (aus dem messenischen Geschlecht Nestors) kam nach den Erechthiden auf den Thron von A. Das Volk war in drei Stände gegliedert: die Eupatriden (Adel), die Geomoren (Landbauer) und die Demiurgen (Gewerbsleute). Die erstern bilden den Staat; sie sind im Besitz der großen Landgüter, Priester und Krieger; sie sind zu Geschlechtern, von diesen je 30 wieder zu Phratrien vereinigt. Außerdem bestand die politische Einteilung des Volks in die vier alten ionischen Phylen: Geleonten, Hopleten, Ägikoreis und Argadeis. Das Königtum endete 1068 v. Chr. mit Melanthos’ Sohn Kodros, der sich bei einem Einfall der Dorier in Attika für sein Volk opferte; da der Sage nach sich nun niemand würdig fühlte, sein Nachfolger zu sein, wählte man fortan Archonten. Doch war die wirkliche Ursache dieser Änderung wohl die Eifersucht der jüngern Mitglieder des königlichen Geschlechts, welche an den königlichen Ehren teilhaben wollten. Der Archon herrschte lebenslänglich, und sein Amt vererbte nach dem Rechte der Erstgeburt, doch war er dem Geschlecht des Königs und dem Areopag verantwortlich. Im J. 753 ward die Lebenslänglichkeit des Archontats aufgehoben und die Amtsdauer auf zehn Jahre beschränkt, 714 die Erbfolge aufgehoben und die Wählbarkeit jedes Eupatriden festgesetzt. Im J. 683 endlich ward die Dauer des Amtes einjährig und seine Macht unter neun Archonten verteilt. Erst jetzt war die Verfassung eine aristokratische, eine Parteiherrschaft, welche den Eupatriden alle Rechte und Vorteile zuwies und den übrigen Ständen immer drückender wurde. Namentlich die rücksichtslose Handhabung des Schuldrechts erbitterte das Volk, besonders die Paraler, die Handel- und Gewerbtreibenden, und die Diakrier, die Bauern und Hirten im Bergland, während die großen Grundbesitzer Pedieer hießen. Der erste Versuch, diese Opposition zu dämpfen, war die Gesetzgebung Drakons (620), welche aber nur in einer Schärfung des Blut- und Schuldrechts bestand („die Gesetze mit Blut geschrieben“) und die Adelsherrschaft befestigte. Der Versuch des Eupatriden Kylon, eine Tyrannis zu errichten (612), mißlang; doch wurde durch die dabei vorgekommenen blutigen Szenen (die Anhänger Kylons wurden an den Altären getötet, daher „Kylonischer Frevel“) die Adelsherrschaft erschüttert, und namentlich mußte das mächtigste Geschlecht, das der Alkmäoniden, die Stadt räumen. Ein unglücklicher Krieg mit dem Tyrannen Theagenes von Megara steigerte die Aufregung; vor einer verderblichen Revolution wurde aber der Staat bewahrt durch Solon, [1001] einen der edelsten Männer der ganzen griechischen Geschichte.
Solon, schon 604 durch die Wiedergewinnung des an Megara verlornen Salamis populär geworden, gab dem Staat 594 als Archon eine neue Verfassung. Nachdem er die Geldverhältnisse durch die sogen. Seisachtheia („Entlastung“, Aufhebung der Schuldknechtschaft und Ermäßigung der Hypothekenschulden um 27 Proz.) geordnet, gab er seine Verfassung, welche Rechte und Pflichten nach dem Vermögen der Bürger in Grundbesitz festsetzte (Timokratie), so jedermann die Möglichkeit eröffnete, zu den höchsten Ämtern aufzusteigen, und doch den bestehenden Zustand, das Übergewicht des Adels, nicht mit einemmal beseitigte. Er teilte zu diesem Zweck das Volk in vier Klassen: die Pentakosiomedimnen, welche wenigstens 500 Scheffel (oder entsprechend viel Wein und Öl) jährlich bezogen; die Hippeis, 300–500; die Zeugiten, 300–150; die Theten. Die drei ersten Klassen leisteten den Kriegsdienst als Schwerbewaffnete und zahlten Steuern; die erste Klasse hatte als besondere Leistung die Kriegsschiffe zu bauen und auszurüsten; die vierte Klasse war steuerfrei und diente nur leichtbewaffnet, später als Schiffsbemannung. Das Archontat blieb der ersten Klasse vorbehalten, die andern Ämter waren auch der zweiten und dritten Klasse zugänglich. Neben den Archonten stand der Rat (Bule), der, aus 400 über 30 Jahre alten Bürgern der ersten drei Klassen bestehend, die Verwaltung, Finanzen, Gesetzgebung zu überwachen hatte; die Mitglieder jeder der vier Phylen bildeten als „Prytanen“ einen regierenden Ausschuß. Zur Volksversammlung (Ekklesia) hatten alle Bürger Zutritt; es fanden jährlich vier Versammlungen statt, der Geschäftskreis derselben umfaßte Wahl der Beamten, Rechenschaftsabnahme, die wichtigsten politischen Entscheidungen. Dem alten Blutgericht des Areopags gab Solon eine zensorische Aufsichtsgewalt über Staatswesen und Sitte. In den gewöhnlichen Streitsachen entschied die Heliäa, das aus 5000 jährlich durchs Los gewählten Mitgliedern bestehende Geschwornengericht. Neben den Bürgern waren noch da die Metöken (Beisassen), Fremde, welche gegen eine Kopfsteuer im Land wohnten, aber vor Gericht einen Vertreter (Prostates) brauchten, meist Gewerbsleute und Kaufleute, und endlich Sklaven (in der Blütezeit etwa 500,000 Seelen im ganzen).
Die Solonische Verfassung bildet den Ausgangspunkt für die gesetzliche Entwickelung des athenischen Staatswesens. Zunächst aber folgten noch Unruhen, welche besonders durch die Unzufriedenheit der sich verkürzt glaubenden Geschlechter hervorgerufen wurden. Dadurch erhielt der tapfere und listige Peisistratos Gelegenheit, mit Hilfe der Diakrier sich der Tyrannis zu bemächtigen, welche er nach zweimaliger Vertreibung 538–527 dauernd behauptete; jedoch war seine Regierung sehr wohlthätig. Zunächst schuf sie Ruhe und Ordnung, überhaupt aber herrschte er mit Milde und Mäßigung und hatte das gemeine Beste im Auge; besonders war er auch bemüht, geistige Bildung in A. zu verbreiten. Er achtete die rechtlichen Formen und erlaubte sich in dieser Beziehung keine Eingriffe in die Solonische Verfassung. In seinem Sinn herrschten nach seinem Tod (527) seine Söhne Hippias und Hipparchos gemeinschaftlich fort bis 514. In diesem Jahr wurde Hipparchos, der jüngere der beiden Brüder, von Harmodios und Aristogeiton aus Privatrache ermordet. Seitdem neigte sich Hippias zum Argwohn und zur Grausamkeit; er glaubte sich furchtbar machen zu müssen, um sicher zu sein. Daher verlor er bald jede feste Stütze in A. Die in Verbannung lebenden Alkmäoniden gewannen das delphische Orakel für sich, und dieses bewog die Spartaner zu einem Heereszug gegen A. So gelang es 510, Hippias zu vertreiben, welcher in Persien Aufnahme fand.
Der Alkmäonide Kleisthenes bildete nun die Solonische Verfassung im demokratischen Sinn um, indem er die vier alten Phylen auflöste und das Volk, welches er durch Aufnahme von Metöken vermehrte, in 10 neue Phylen einteilte, welche in 100, späterhin in 174 Demen zerfielen, die geographisch getrennt waren. So wurde nicht bloß der Zusammenhang der alten Geschlechter gelöst, sondern auch das niedere Volk dem Einfluß der großen Grundbesitzer entzogen. Der Rat bestand fortan aus 500 Mitgliedern, 50 aus jeder Phyle, und zerfiel demnach in 10 Abteilungen (Prytanien), die abwechselnd je den zehnten Teil des Jahrs die Staatsverwaltung leiteten. Demgemäß wurde die Zahl der jährlichen Volksversammlungen auf 10 erhöht. Auch wurde bestimmt, daß die Ämter durchs Los besetzt werden sollten, welches unter den vorhandenen Bewerbern zu entscheiden hatte; doch behielten in dieser Beziehung die drei ersten Klassen ihre Vorrechte. Endlich führte Kleisthenes das sogen. Scherbengericht (Ostrakismos, s. d.) ein, durch welches Bürger auf zehn Jahre verbannt werden konnten, die durch ihre Macht oder durch ihre politischen Bestrebungen dem Staatswohl gefährlich wurden. Als der Spartanerkönig Kleomenes erkannte, daß der Sturz der Tyrannis in A. die Einführung der Demokratie und eine große Machtentwickelung der Stadt zur Folge hatte, machte er einen Versuch, nach Vertreibung des Kleisthenes eine aristokratische Regierung unter Isagoras einzusetzen. Indes der Versuch mißlang, und ein Heereszug der Peloponnesier unter den Königen Demaratos und Kleomenes 507 scheiterte durch die Zwietracht seiner Führer und den Widerspruch der Korinther. Die gleichzeitig von Norden her in Attika eingefallenen Böotier und Chalkidier wurden von den Athenern zurückgeschlagen. Das Gebiet von Chalkis wurde von 4000 athenischen Kleruchen besetzt. Athens Macht stieg seitdem immer mehr, und in gleichem Verhältnis entwickelte sich in dem verjüngten Staate das Bewußtsein seiner Kraft.
Bald genug bekam A. Gelegenheit, seine Kraft zu gebrauchen und zu zeigen. Durch den Zusammenstoß der Griechen in Kleinasien mit der persischen Macht kam auch den europäischen Griechen die Gefahr nahe, von der asiatischen Großmacht angegriffen zu werden. Daher unterstützten die Athener die gegen Persien sich erhebenden Ionier (499) mit 20 Schiffen, zogen aber dadurch (nach der Niederschlagung des ionischen Aufstandes) die Perser nach Europa herüber. In der hierdurch hervorgerufenen großen Gefahr bewährten die Athener eine hingebende Vaterlandsliebe, eine Begeisterung und eine Tapferkeit und Tüchtigkeit, die sie den Spartanern ebenbürtig zur Seite stellten und sie ermutigten, nach dem höchsten Ziel, der Herrschaft über ganz Hellas, zu ringen. Den ersten Perserkrieg (490) bestand A. fast allein und errang unter Miltiades den glänzenden Sieg von Marathon. Nach Miltiades’ Tod traten Themistokles und Aristeides an die Spitze des Staates. Ersterer erbaute den neuen Hafen Piräeus und betrieb den Bau einer großen [1002] Flotte, um A. gegen einen neuen Angriff der Perser widerstandsfähig zu machen. Da die Umgestaltung Athens zu einer Seemacht das Anwachsen der handel- und gewerbtreibenden Bevölkerung zur Folge haben und den festen Grundbesitz in Macht und Ansehen schädigen mußte, widersetzte sich Aristeides dem Vorschlag des Themistokles und wurde daher 483 auf des Themistokles Betrieb durch eine Entscheidung des Scherbengerichts verbannt. Der Ertrag der Silbergruben des Bergs Laurion, der bisher zur Unterstützung ärmerer Bürger verwendet worden war, wurde jetzt auf Antrag des Themistokles für die Begründung und Unterhaltung der Kriegsflotte bestimmt. Diese Maßregel, welche den Grund zur Größe Athens als Seemacht legte, rettete zugleich die Freiheit Griechenlands und damit die selbständige Entwickelung der occidentalischen Welt im zweiten Perserkrieg (480), in welchem die Athener, nachdem sie ihre Stadt der Zerstörung durch die Perser preisgegeben, bei Salamis, Platää und Mykale das meiste zu den glänzenden Siegen über die Barbaren beitrugen. Auf Aristeides’ Antrag ward das athenische Volk für seine edle Hingebung dadurch belohnt, daß nun auch die vierte Klasse zu den öffentlichen Ämtern und Würden zugelassen wurde. Zwar suchten die eifersüchtigen Spartaner der Entwickelung Athens Hindernisse zu bereiten, aber nachdem die Gewandtheit des Themistokles trotz der spartanischen Intrigen der wieder aufgebauten Stadt eine Ringmauer verschafft und sie dadurch widerstandsfähig gemacht (478), nachdem auch der Übermut und Verrat des Pausanias die Spartaner um die Hegemonie in der Fortführung des Perserkriegs gebracht hatte (476), trat A. an die Spitze der aufstrebenden Griechenwelt und gründete unter Aristeides’ Leitung den Bund der Seestaaten (Symmachie), dessen Mitglieder zur Stellung von Schiffen und Truppen und zur Zahlung von Geldbeiträgen für den gemeinschaftlichen Krieg gegen die Perser sich verpflichteten. Mittelpunkt war Delos, wo die Bundeskasse sich befand. Doch ward der Charakter des Bundes bald wesentlich dadurch verändert, daß die kleinern Staaten die Stellung ihrer Quoten an Schiffen und Truppen A. überließen und bloß Geld zahlten, während mehrere größere Inseln, wie Naxos (466) und Thasos (463), einen Versuch, abzufallen, mit völliger Unterwerfung büßen mußten. Die Athener wurden so aus Bundesgenossen Herren und verfügten nach Gutdünken über die Geldmittel des Bundes, namentlich seit die Bundeskasse 460 nach A. verlegt worden war.
Den Perserkrieg führten die Athener eine Zeitlang mit Kraft und Erfolg fort; besonders war es Kimon, seit Aristeides’ Tod (468) Führer der konservativen Partei in A., welcher im Innern Erhaltung des Bestehenden, nach außen ein enges Bündnis mit Sparta anriet, um die ganze Kraft Griechenlands gegen die Perser wenden zu können. Er erfocht auch 466 einen großen Doppelsieg zu Wasser und zu Lande über die Perser am Eurymedon. Aber als die Spartaner im dritten Messenischen Krieg das ihnen auf Kimons Rat zugesandte athenische Hilfskorps zurückschickten und so das athenische Volk schwer beleidigten, wurde Kimon 461 verbannt, und ein völliger Umschwung in der Politik Athens trat ein. Der Mann, der jetzt den herrschenden Einfluß erlangte, Perikles, wollte im Innern durch Vollendung der Demokratie alle Kräfte des Volks entfesseln und zu den höchsten Leistungen befähigen, zugleich aber im Kampf mit Sparta die Hegemonie über Griechenland erringen. Das Bündnis mit Sparta wurde gelöst und ein neues mit dessen Todfeind Argos geschlossen. Auf Antrag des Ephialtes wurde 460 der Areopag seiner wichtigsten Rechte, der Oberaufsicht über die Staatsverwaltung, des sittenrichterlichen Amtes und der Rechtspflege, beraubt und auf den Blutbann beschränkt. Die oberste Aufsicht über die Staatsverwaltung erhielten sieben Nomophylakes (Gesetzeswächter), die Gerichte die Heliäa, und da deren Geschäfte erheblich vermehrt wurden, zahlte man den Geschwornen fortan Sold; diesem Heliastikon folgte bald das Theorikon (Theatergeld). Mit der Vernichtung der Macht des Areopags wurde der letzte aristokratische Rest der Verfassung beseitigt. Der Schwerpunkt des Staates lag jetzt in der Volksversammlung, die in ihren Beschlüssen durch nichts mehr beschränkt war und die fortan sehr oft zusammentrat. Indem Perikles durch die Macht seiner Beredsamkeit das Volk, den Demos, beherrschte und leitete, regierte er mit fast monarchischer Gewalt das Staatswesen, aber zum Heil desselben, da er nie den schlechten Neigungen und Leidenschaften des Volks schmeichelte oder nachgab, sondern es für die Größe des Vaterlandes, für ideale Ziele, für Künste und Wissenschaften begeisterte. Freilich dauerte diese segensreiche Wirkung auch nur so lange, als er lebte. Seitdem auch für den Kriegsdienst und für die Teilnahme an der Volksversammlung ein Sold (Ekklesiastikon) bezahlt wurde, machten die Athener aus den öffentlichen Angelegenheiten ein Geschäft, und Eigennutz, Streitsucht, Parteigeist nahmen immer mehr überhand und vergifteten das staatliche Leben.
Neben diesen innern Reformen, welche die Hebung der untern Stände und die Beteiligung aller am politischen Leben zum Zweck hatten, ging in jener Zeit eine lebhafte kriegerische Thätigkeit her. Im J. 460 ward von A. der Krieg gegen Persien wieder aufgenommen. Ägypten war unter Inaros, dem Satrapen des benachbarten Libyen, gegen Persien aufgestanden. A. schickte eine große, prächtige Flotte zur Unterstützung des Aufstandes. Einige Jahre fochten die Athener glücklich. Zuletzt aber wurden sie auf der Nilinsel Prosopitis von Megabyzos eingeschlossen und aufgerieben (455). Noch ehe dies geschah, hatte die mit Argos geschlossene Verbindung A. in einen Krieg mit den peloponnesischen Seestaaten Korinth, Epidauros und Ägina verwickelt. Im J. 458 fielen die Athener in den Peloponnes ein, wurden zwar bei Halieis geschlagen, siegten aber zweimal zur See und schlossen Ägina ein. Um dies zu entsetzen, rückten die Korinther in Megaris ein und bedrohten das von seiner streitbaren Mannschaft fast ganz entblößte Attika. Da zog Myronides an der Spitze der Greise und Jünglinge gegen sie und schlug sie zweimal bei Megara. Allerdings erlitten die Athener 457 wieder eine Niederlage, als sie sich den Spartanern bei Tanagra entgegenstellten, die von einem Feldzug zu gunsten von Doris gegen Phokis durch Böotien nach dem Peloponnes zurückkehren wollten. Allein die Spartaner zogen nach Hause, ohne den Sieg zu benutzen, und Myronides schlug (456) die Thebaner bei Önophyta, worauf Böotien, in dessen Städten die Aristokraten gestürmt und demokratische Regierungen eingesetzt wurden, Phokis und das opuntische Lokris sich dem Athenischen Bund anschlossen. In demselben Jahr wurden die langen Mauern nach dem Piräeus und Phaleron vollendet, durch welche A. eine sichere Verbindung mit der See erhielt, und Ägina unterworfen. 455 wurde durch die Ansiedelung der flüchtigen [1003] Messenier in Naupaktos am Korinthischen Meerbusen ein fester Punkt gewonnen und Achaia zum Anschluß an den Athenischen Bund bewogen, der nun schon einen beträchtlichen Teil des griechischen Festlandes umfaßte. Gleichzeitig ward der Friede im Innern hergestellt, indem Kimon, 457 zurückberufen, die öffentlichen Angelegenheiten in Gemeinschaft mit Perikles leitete. Um für den Untergang des athenischen Heers in Ägypten Rache nehmen zu können, brachte Kimon 450 einen fünfjährigen Waffenstillstand mit Sparta zu stande und unternahm 449 mit 200 Schiffen einen Zug nach Kypros, auf dem er vor Kition seinen Tod fand; noch nach seinem Tod errangen die Athener einen Seesieg über die Perser bei Salamis, und obwohl sie die Eroberung von Kypros aufgeben mußten, trat doch jetzt eine längere Waffenruhe zwischen Griechenland und Persien ein, welche die Freiheit der griechischen Städte in Asien und die Sicherheit von Handel und Verkehr verbürgte.
A. stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Perikles trat jetzt allein an die Spitze des Staates, welchen er 20 Jahre lang mit fast monarchischer Gewalt leitete. Allerdings erlitt A. durch den Wiederausbruch der Feindseligkeiten mit seinen Gegnern in Griechenland erhebliche Verluste. Durch die Niederlage des Tolmides bei Koroneia 447 ging die Hegemonie über Böotien verloren, 445 fielen Euböa und Megara vom athenischen Bündnis ab, ein gleichzeitiger Einfall der Spartaner in Attika brachte den Staat in höchste Gefahr. Indes Perikles wußte die Spartaner zu einem 30jährigen Frieden zu bewegen, indem A. auf die Hegemonie zu Lande verzichtete, und beobachtete fortan, besonders Sparta gegenüber, eine friedliche Politik. Auf das letzte Ziel der athenischen Wünsche und Hoffnungen, die Herrschaft über ganz Griechenland, verzichtete er keineswegs, und es war ihm klar, daß es um diesen Preis noch zu einem großen Entscheidungskampf kommen müsse; aber er wollte denselben nicht provozieren und in der Friedenszeit A. stark für die Entscheidung machen. Zu diesem Zweck mußte die Seeherrschaft Athens erweitert und verstärkt werden, daher der Abfall von Bundesgenossen, wie der von Euböa und 440 der von Samos und Byzantion, energisch bestraft wurde. Durch Anlegung von Kolonien (wie Thurii in Unteritalien, Amphipolis an der Mündung des Strymon) wurde diese Herrschaft noch erweitert, attische Bürger wurden als Kleruchen auf Naxos, Andros, in der Chersones, an den Küsten des Schwarzen Meers angesiedelt; das aus inschriftlichen Urkunden zu ersehende Verzeichnis der zinspflichtigen Orte enthält über 260 Gemeinden, deren es im ganzen über 300 sein mochten. Über alle diese kleinern Städte und Staaten gebot A. unbeschränkt. Ein besonderes Augenmerk richtete Perikles auf die Finanzen, auf Anlegung eines großen Staatsschatzes. Der jährliche Tribut bestand in 600 Talenten (2,700,000 Mk.), konnte aber noch höher, möglicherweise aufs Doppelte, gesteigert werden. Andre beträchtliche Summen gingen ein durch die Zölle und Hafengelder, durch die Kopfsteuer der Metöken, durch die Erträge der Gold- und Silberbergwerke, namentlich an der thrakischen Küste, durch Pachtgelder etc., so daß zu Perikles’ Zeit die Gesamteinnahme sich auf fast 5 Mill. Mk. belief, und daß trotz der kolossalen Ausgaben für Zwecke der Kunst und für die Besoldungen zu Anfang des Peloponnesischen Kriegs ein Staatsschatz von 6000 Talenten (ca. 30 Mill. Mk.) zur Verfügung stand. Eine Flotte von 300 Trieren war stets kriegsbereit; die Landmacht bestand aus 13,000 Hopliten, wozu 16,000 Hopliten Landwehr kamen. Und diese Macht war in den Händen einer Bürgerschaft, welche verhältnismäßig klein genannt werden kann. Ganz Attika zählte ca. 100,000 Seelen bürgerlicher Bevölkerung, wozu noch ca. 40,000 Metöken und ca. 400,000 Sklaven kamen.
Aber nicht bloß für politische und militärische Zwecke wurden Summen gesammelt und verwendet: was die Periode des Perikles so großartig, ja einzig in der Geschichte macht, ist der bewundernswürdige Aufschwung der Kunst in den verschiedensten Beziehungen. Vor allem ward die Burg Athens, die Akropolis, geschmückt mit den erhabensten Monumenten, dem Parthenon, dem Erechtheion, den Statuen der Athene, den Propyläen etc., wobei Künstler wie Pheidias, Iktinos, Kallikrates thätig waren. Aber auch sonst wurde die Stadt aufs reichste mit Kunstbauten ausgestattet, und daneben wurden Bauten zu Schutz und Sicherheit nicht versäumt. Die Verbindungsmauern zwischen Stadt und Hafen wurden um eine dritte vermehrt, die Befestigungen des Piräeus, Werften und Schiffshäuser erweitert. Kein Wunder, daß A. die erste Stadt der griechischen Welt, ein Sammelplatz und eine Bildungsschule von Hellas, in geistiger Beziehung seine Hauptstadt wurde. Die berühmtesten Philosophen und Künstler jener Zeit, wie Anaxagoras, Gorgias, Protagoras, Pheidias, Polygnotos u. a., hielten sich immer oder zeitweilig in A. auf; die Philosophie und Beredsamkeit entwickelten sich zur höchsten Blüte, namentlich aber fand die Poesie, zumal die dramatische, die edelsten Vertreter. Das Drama hatte von jeher in A. die sorgfältigste Pflege gefunden, aus anfänglich dürftigen Elementen wurde es durch Äschylos und noch mehr durch Perikles’ Zeitgenossen Sophokles und Euripides auf seinen Höhepunkt erhoben. Diese Blüte fand eine wesentliche Unterstützung durch das Theatergeld, welches auch dem ärmern Bürger den Besuch der Aufführungen möglich machte, und durch die Liberalität, womit von seiten des Staates die Umzüge und Vorstellungen unterstützt wurden, wie denn für musische Zwecke auch das von Perikles erbaute Odeion bestimmt war. Nimmt man dazu, daß auch in materieller Beziehung aufs beste gesorgt war, daß durch Handel und Seefahrt, Industrie und Teilnahme an den öffentlichen Arbeiten Wohlstand und Fülle mehr und mehr sich verbreiteten, so kann man wohl diese (freilich kurze Zeit) als die schönste Periode der ganzen griechischen Geschichte bezeichnen. Bildungseifer und Schönheitssinn waren dem Ionier von Natur eigen, und diesen Anlagen kam die Staatsverwaltung des Perikles aufs liberalste entgegen.
Aber freilich verbargen sich hinter diesen glänzenden Erscheinungen auch große Schäden und furchtbare Gefahren. Das von Natur zum Leichtsinn und Übermut geneigte Volk wurde durch seine Souveränität zu einer Selbstüberschätzung verleitet, welche sich den „Bundesgenossen“ gegenüber in despotischer Unterdrückung zeigte; durch die Leichtigkeit des Lebens, welche durch die Besoldungen u. dgl. bewirkt wurde, griff die Lust zum Müßiggang mehr und mehr um sich. Die nächste Gefahr aber lag darin, daß keine Gewähr dafür vorhanden war, ob nach dem Tode des Perikles ein Nachfolger seine Stelle ausfüllen werde. In der That war es Perikles nicht vergönnt, unter den vielen talentvollen Zeitgenossen einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden; daß aber das Volk nicht sittlich stark genug war, um auch [1004] ohne eine so sichere Lenkung auf dem rechten Weg zu bleiben, zeigte sich sofort während des Entscheidungskampfs mit Sparta, des Peloponnesischen Kriegs (s. d., 431–404), in den A. in einer Machtstellung eintrat, welche es wohl zur Hoffnung auf den Sieg und die Hegemonie über Hellas berechtigte. Der Ausbruch der Pest, welche den Kern der Bürgerschaft dahinraffte, und der Tod des Perikles (429), nach welchem der Demos von ehrgeizigen, gewissenlosen Demagogen, wie Kleon, sich leiten ließ, vereitelten diese Hoffnung. Es war deshalb ein weiser Schritt, daß Nikias 421 Frieden mit Sparta schloß, welcher, gewissenhaft gehalten, zwar wohl nicht überall die Ruhe hergestellt, aber A. doch einige Muße gewährt hätte, um frische Kräfte zu sammeln und den Kampf zu einer gelegenern Zeit mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen. Aber der verbrecherische Ehrgeiz des Alkibiades stürzte A. von neuem in kriegerische Verwickelungen und verleitete das leichtfertige, abenteuerlustige Volk zu der gewagten Unternehmung gegen Sizilien (415–413), deren Untergang Alkibiades selbst, als er durch die Ränke seiner Neider und Gegner verbannt war, hauptsächlich verschuldete, indem er aus Rachsucht den Spartanern die für die Athener verderblichsten Ratschläge gab. Die Vernichtung der Flotte und des Heers vor Syrakus knickte Athens Macht für immer: in dem zweiten Teil des Peloponnesischen Kriegs, der 413 mit der Besetzung von Dekeleia in Attika durch die Spartaner und der Errichtung einer spartanischen Flotte im Ägeischen Meer mit Hilfe der Perser, beides auf Alkibiades’ Rat, begann, kämpfte A. nicht mehr um die Herrschaft über Griechenland, sondern nur noch um seine Existenz und mit immer geringerer Aussicht auf Erfolg, da der Seebund durch den Abfall der meisten Städte und Inseln sich aufzulösen drohte und im Innern die geheimen Umtriebe der Hetärien (politischen Klubs) Unfrieden säeten, das Volk verwirrten und alle schlechten Leidenschaften entfesselten. Der Hermokopidenprozeß (s. d.) hielt A. mehrere Jahre lang in fieberhafter Aufregung. Den Ränken ehrgeiziger Parteihäupter, welche in der Errichtung einer oligarchischen Regierung Macht und Vorteil zu erlangen hofften, gelang es 411 sogar, die Solonische Verfassung auf kurze Zeit zu stürzen.
Die Zurückberufung des Alkibiades durch die Flotte, mit welcher er 410–408 im Hellespont und in der Propontis glänzende Siege über die Spartaner erfocht, und seine Ernennung zum alleinigen Oberfeldherrn schienen das Glück wieder zu gunsten Athens wenden zu wollen. Aber das Volk wurde so von gewissenlosen Demagogen beherrscht, daß es diesen hochbegabten Mann, der nun wirklich alles aufbot, um sein Vaterland zu retten, 407 von neuem von sich stieß und sogar 406 die Strategen, welche die Schlacht bei den Arginusischen Inseln gewonnen hatten, unter leeren Beschuldigungen zum Tod verurteilte. Die Parteileidenschaft und Selbstsucht hatten patriotische Hingebung und Vaterlandsliebe schon so in den Gemütern ertötet, daß Theramenes und andre oligarchische Parteiführer sich nicht scheuten, als A. nach Vernichtung seiner letzten Flotte 405–404 von den Spartanern zu Wasser und zu Lande belagert wurde, selbst einen heldenmütigen Widerstand durch hinhaltende Verhandlungen zu verhindern und A. endlich wehrlos dem Sieger zu überliefern. Daß A. nicht völlig zerstört und seine Einwohner nicht teils getötet, teils in die Sklaverei verkauft wurden, wie es die Athener 416 mit Melos gemacht hatten, und wie jetzt die Korinther und Thebaner verlangten, hatte es nur der Gnade Spartas zu danken, welches sich begnügte, durch die härtesten Bedingungen A. zu einem machtlosen Staat herabzudrücken. Die Festungsmauern des Piräeus und die Verbindungsmauern mußten geschleift, alle Kriegsschiffe bis auf zwölf ausgeliefert, der Seebund aufgelöst werden, und die Athener sollten des Aufgebots der Spartaner zu Wasser und zu Lande stets gewärtig sein. Zugleich wurde ein oligarchisches Regiment, um eine neue Verfassung einzurichten, eingesetzt, die sogen. Dreißig Tyrannen, an deren Spitze Kritias und Theramenes standen. Erst nachdem diese Gewaltherrscher die schwersten Leiden über die Stadt gebracht, wurden sie von den Flüchtlingen unter Thrasybulos 403 gestürzt und unter dem Archontat des Eukleides die demokratische Verfassung in etwas gemäßigter Form wiederhergestellt, wobei auch der Areopag sein früheres Aufsichtsrecht zurückerhielt. Denn da die Ausschreitungen der zügellosen Demokratie, die Geringschätzung und Verspottung der alten Religion und der staatlichen Ordnung, die Verachtung der alten strengen Sitte das Unglück hauptsächlich heraufbeschworen hatten, so glaubten die Wiederhersteller des athenischen Staates eine Wiedergeburt desselben am sichersten durch Rückkehr zu den alten Ordnungen, durch eine gründliche Reaktion, welcher auch Sokrates 399 zum Opfer fiel, erreichen zu können, ohne zu bedenken, daß der Geist der Eintracht und der Ehrfurcht, der die alten Ordnungen erfüllte, nicht durch Gesetze zurückgerufen werden konnte.
Die äußere Macht Athens war für immer vernichtet, es fehlte an allem, an Geld, an Schiffen, an Mannschaft; Attika hatte durch die beständigen Einfälle der Feinde entsetzlich gelitten, ein großer Teil der Bürgerschaft war verarmt, die äußern Hilfsquellen versiegt, ja die Bevölkerung durch die großen Menschenverluste eine andre geworden, das alte Selbstbewußtsein war nicht mehr vorhanden. Was das politische Leben betrifft, so sind es jetzt nicht mehr die großen Pläne und Ziele der frühern Zeit, welche das athenische Volk und seine Staatsmänner bewegen, es ist vielmehr ein Leben von einem Tag zum andern, und obwohl (auch abgesehen von Demosthenes) noch manch bedeutender Mann auftrat (wie es denn an tüchtigen Anführern zu Lande und zur See nicht fehlte), so war die Masse doch zu geneigt, sich von Demagogen zu einem bequemen Nichtsthun verführen zu lassen, wozu namentlich die Besoldungen und das stehend gewordene Theatergeld sowie die Verwendung von Söldnern für den Kriegsdienst beitrugen. Indessen kam A. der Zwist zu gute, in den Sparta durch sein Streben nach der Hegemonie mit seinen alten Bundesgenossen geriet, und verschaffte ihm Gelegenheit, von der spartanischen Herrschaft sich loszumachen. Im Korinthischen Krieg (395) schloß sich A. auf persischen Antrieb an Theben und Korinth gegen Sparta an, und es hatte den wichtigen Vorteil davon, daß Konon nach Vernichtung der spartanischen Flotte bei Knidos (394) mit persischem Gelde die Mauern Athens nebst den Befestigungen des Piräeus und den Verbindungsmauern wiederherstellen konnte. Auch im Antalkidischen Frieden (387) behielten die Athener wenigstens Lemnos, Imbros und Skyros. Die darauf folgenden Feindseligkeiten zwischen Theben und Sparta machten es den Athenern möglich, wieder eine bedeutendere Stellung zu erlangen. Indem sie sich, gereizt durch den Handstreich, wodurch der spartanische Feldherr Sphodrias den Piräeus [1005] einzunehmen versucht hatte (378), an Theben anschlossen, fanden sie freien Spielraum, um wieder eine, freilich im Vergleich mit der frühern Zeit beschränkte, Seeherrschaft zu begründen, welche ca. 70 Städte und Inseln umfaßte, die ihre Autonomie zugesichert erhielten. Als die Spartaner dies zu hindern suchten, wurden sie bei Naxos (376) von Chabrias geschlagen, und Timotheos, Konons Sohn, sowie Iphikrates dehnten diese Herrschaft auch im westlichen Meer aus. Als Thebens Macht zu groß wurde, Epameinondas und Pelopidas den Böotischen Bund erneuerten und diesem eine herrschende Stellung in Griechenland zu erringen strebten, schloß A. 371 mit Sparta Frieden und sah unthätig dem Kampf zu, der die Kräfte Thebens und Spartas aufrieb. Aber zur Erneuerung der frühern kühnen Politik, welche allein A. die Hegemonie hätte verschaffen können, zumal da in Makedonien ein neuer mächtiger Nebenbuhler auftrat, fehlten den Athenern selbstlose Vaterlandsliebe, Eintracht, Mäßigung, freier Blick und jener Schwung in den Gemütern, welcher sie in den Perserkriegen auszeichnete. Ihre ungerechte Gewaltthätigkeit gegen die Bundesgenossen bewirkte 357 den Abfall der mächtigsten, und in dem Bundesgenossenkrieg (357–355) rieb A. seine Kräfte auf, ohne einen Erfolg zu erreichen; die meisten Bundesgenossen mußten freigegeben werden, der Athenische Seebund beschränkte sich auf Euböa und einige kleine Inseln, von denen es an Beiträgen nur 45 Talente empfing.
A. war daher kaum mehr im stande, den Kampf mit Makedonien aufzunehmen, wozu Demosthenes mit patriotischem Eifer unermüdlich riet, und seine Schwäche hätte eine friedliche Übereinkunft mit König Philipp über die Verhältnisse Griechenlands wohl entschuldigt. Aber zu dieser Resignation mochten sich die Athener in Erinnerung an ihre stolze Vergangenheit nicht verstehen, und so schwankten sie jahrelang zwischen kühnen Anstrengungen, Philipp die Spitze zu bieten, und schwächlichen Friedensverträgen hin und her, während der schlaue Makedonier, einen offenen Bruch mit A. vermeidend, immer weiter vordrang und sich endlich in Mittelgriechenland mit solcher Macht festsetzte, daß er den entscheidenden Kampf wagen konnte. In diesem stritten die Athener im Bund mit den Thebanern bei Chäroneia 338 mit altem Heldenmut; ihre Niederlage war eine rühmlichere als am Ende des Peloponnesischen Kriegs. A. mußte sich zwar den von Philipp gegebenen Bedingungen fügen und den Makedonierkönig als Bundesfeldherrn von Griechenland anerkennen; doch verdankte es dem Ruhm und den Verdiensten seiner großen Männer eine milde und ehrenvolle Behandlung von seiten der Sieger, die von Bewunderung und Ehrfurcht für athenische Kunst und Wissenschaft erfüllt waren. Gleichwohl konnten die Athener den Verlust ihrer Freiheit und ihrer Hoffnungen auf Wiederherstellung der frühern Macht nicht sofort verschmerzen. Nach Philipps Ermordung (336) und auf die falsche Nachricht vom Tod Alexanders (335) stellten sie sich unter Demosthenes’ Führung nebst den Thebanern an die Spitze der Erhebung, welche das makedonische Joch abschütteln sollte. Sie scheiterte, aber auch Alexander schonte A. aus Achtung vor seiner Vergangenheit und ehrte es während seines Eroberungszugs in Persien wiederholt durch Briefe und Geschenke.
Noch einmal versuchte A. nach dem Tod Alexanders, die griechische Freiheit wiederherzustellen: angestachelt von Hypereides, geführt von Leosthenes, begann es gegen Antipatros den Lamischen Krieg (323–322), welcher aber nach der Schlacht bei Krannon mit der völligen Niederwerfung Athens endigte. Hypereides und Demosthenes starben als Märtyrer der griechischen Freiheit, A. aber erhielt eine makedonische Besatzung, verlor infolge einer neuen Zensuseinrichtung über die Hälfte seiner Bürger und wurde durch eine von Antipatros eingesetzte oligarchische Regierung beherrscht, an deren Spitze Demades und Phokion standen. Diese Oligarchie wurde gestürzt, als nach Antipatros’ Tod 318 Polysperchon und Olympias die Oberhand bekamen; Phokion wurde hingerichtet und eine Demokratie eingesetzt, welche aber bald wieder aufhörte, als Kassandros in A. erschien und Demetrios von Phaleron an die Spitze der Verwaltung stellte, der nun 317–307 A. zu einem beträchtlichen Wohlstand erhob. Trotzdem riefen die Athener, welche in Demetrios den aufgedrungenen Gebieter haßten, Demetrios Poliorketes gegen ihn zu Hilfe, der 307 die Stadt einnahm und die demokratische Verfassung wiederherstellte, wofür ihm das der Freiheit unwürdige Volk von A. die ausschweifendsten Ehren dekretierte. So schnell erlosch aber die Zuneigung der wankelmütigen Menge wieder, daß man dem durch die Schlacht bei Ipsos (301) seiner Macht beraubten „Oberfeldherrn des befreiten Griechenland“ die Thore verschloß. Derselbe eroberte 298 die Stadt, behandelte sie aber mit unverdienter Milde, indem er ihre Verfassung nicht antastete, sondern sich damit begnügte, in den Hafen von Munychia und in den Piräeus Besatzungen zu legen. Auch diese wurden 287 mit Hilfe des Epeirotenkönigs Pyrrhos vertrieben, wodurch die volle Unabhängigkeit wiedergewonnen ward, aber nur auf kurze Zeit, denn des Demetrios Sohn Antigonos Gonatas bemächtigte sich im Chremonideischen Krieg (266–262) der Stadt und unterwarf sie der makedonischen Herrschaft, von der sie erst frei wurde, als sie von Aratos, dem Feldherrn des Achäischen Bundes, durch Bestechung des Befehlshabers der makedonischen Besatzung erlöst und jenem Bund zugeführt wurde (229).
Allein eine Rolle von selbständiger Bedeutung hat A. nicht mehr gespielt. In den Verwickelungen zwischen Makedonien und Rom, zuerst 211–205, dann 200–197 und 171–167, war A. eifrig auf seiten der Römer und erhielt von diesen neben Befreiung vom makedonischen Joch auch auswärtige Besitzungen, wie Lemnos, Imbros, Paros, zum Geschenk; allein als 146 Griechenland von den Römern unterworfen wurde, kam auch A., obwohl es sich an dem letzten Krieg nicht beteiligt hatte, unter die Oberaufsicht des römischen Statthalters von Makedonien. Im Innern behielt es seine Ordnungen, nur daß die Römer die aristokratische Regierungsform begünstigten, dem Areopag einen größern Wirkungskreis gaben und den ersten Strategen mit einer Art Regentschaft ausstatteten. Die Hauptbedeutung der Stadt lag von jetzt an darin, daß es durch seine großartigen Bauwerke, durch seine Kunst- und Philosophenschulen, überhaupt als Erbin einer großen Vergangenheit ein Zentralpunkt für die Studien wurde; nicht bloß sendete A. seine Söhne und Schüler nach allen Ländern aus, sondern es wurde auch von den Gebildeten und Bildung Begehrenden, namentlich von den Römern, aufgesucht. Und so genoß die Stadt eines ehrenvollen Daseins, als sie durch eigne Unklugheit einen schweren Schlag erhielt. Aufgereizt von dem Demagogen und Philosophen Aristion, ergriff A. 88 die Partei des pontischen Königs Mithridates, [1006] worauf dessen Feldherr Archelaos die Stadt zum Mittelpunkt seiner Operationen machte. Allein Sulla eroberte nach längerer, schreckensvoller Belagerung 87 Stadt und Hafen, zerstörte alle Mauern und Befestigungen, Werften und Arsenale und vernichtete dadurch den Wohlstand Athens auf lange Zeit. In den Bürgerkriegen hatte übrigens A. seiner ruhmvollen Vorzeit eine schonende Behandlung zu verdanken: weder Cäsar strafte die Stadt für ihre Verbindung mit Pompejus, noch Antonius für die mit Brutus und Cassius, und Augustus begnügte sich nach dem Sturz des von den Athenern hochgefeierten Antonius damit, Eretria und Ägina von A. loszutrennen. So ging die politische Bedeutung Athens ganz verloren, und nur als hohe Schule der Beredsamkeit und Philosophie hatte die Stadt Ansehen und Erwerb. Eben weil die heidnische Philosophie dort ihren Mittelpunkt hatte, fand die Predigt des Apostels Paulus (52) wenig Beifall. Dagegen kam eine neue Glanzzeit (als matter Schatten der einstigen) durch den Kaiser Hadrian. Dieser nahm wiederholt einen längern Aufenthalt daselbst, gab den Athenern Cephalonia, schmückte die Stadt durch Bauten, vollendete den Tempel des olympischen Zeus und ließ den Bildungsanstalten jegliche Förderung angedeihen, wofür er von den Athenern wie ein Gott verehrt wurde. Auch die folgenden Kaiser waren der Stadt gewogen und wiesen z. B. den Lehrern Besoldungen aus der kaiserlichen Kasse an. Um die Zeit Hadrians lebte zu A. der Rhetor Herodes Atticus, welcher seinen Reichtum zur Verschönerung der Stadt verwendete und unter anderm das einst mit Zedernholz bedeckte Theater, das Odeion, baute, welches in neuester Zeit wieder ausgegraben worden ist. Im J. 267 n. Chr. wurde A. von den Goten eingenommen, welche von dem Athener Dexippos wieder vertrieben wurden. Als 395 die Stadt durch Kapitulation in Alarichs Hände fiel, benahm sich dieser schonend.
So genoß A. noch eine Zeitlang, zehrend am alten Ruhm und noch immer besucht, als Sitz der heidnischen Wissenschaft einer gewissen Bedeutung, bis der Kaiser Justinian I. 529 die Universität schloß und die für die Unterhaltung derselben bestimmten Gelder einzog. Von da an verschwindet die Stadt längere Zeit förmlich aus der Geschichte, was zu der Behauptung (Fallmerayers) geführt hat, ganz Attika sei ca. 400 Jahre lang eine menschenleere Wüste gewesen. Dies ist nun zwar durch neuere Untersuchungen widerlegt worden, aber jedenfalls entbehrte A. in dieser Zeit jeder Bedeutung; von slawischen, namentlich bulgarischen, Horden bedrängt, beschränkte sich auch die räumliche Ausdehnung mehr und mehr. Erst seit dem 13. Jahrh. tritt die Stadt wieder aus diesem Dunkel hervor. Nun wurde aus Anlaß der Gründung des sogen. lateinischen Kaisertums in Byzanz auch in A. ein lateinisches Fürstentum gestiftet. Nachdem der Versuch des Statthalters von Nauplia, Leon Sguros, aus Argos, Korinth, A. und andern Städten eine Herrschaft zu bilden, an dem tapfern Widerstand Athens gescheitert war, kam die Stadt unter die Herrschaft des burgundischen Ritters Otto de la Roche, welcher ein Lehnsmann des Königs von Thessalonich und des Kaisers blieb. Sein Haus regierte im ganzen wohlthätig bis 1311, worauf nach kurzer Regierung Walthers von Brienne und Rogers von Roussillon 1326 die Herrschaft an die sizilische Linie des aragonischen Königshauses fiel. Im J. 1386 aber wurde das Land von dem Florentiner Nerio Acciajuoli erobert, der bisher in Achaia geherrscht hatte und seit 1394 als Herzog von A. eine neue Dynastie begründete, unter welcher Attika und Böotien sich wohl befanden, anfangs unter venezianischer, dann unter türkischer Oberhoheit. Nach dem Tode des Herzogs Antonio Acciajuoli 1435 brachen, besonders durch die buhlerische Herzogin-Mutter hervorgerufen, innere Streitigkeiten aus, welche zuletzt den Eroberer von Konstantinopel, Mohammed II., veranlaßten, durch seinen Feldherrn Omar dem athenischen Herzogtum ein Ende zu machen. Der letzte Herzog, Franco Acciajuoli, wurde 1460 auf Befehl des Sultans ermordet. Aus den Kirchen wurden Moscheen, die Akropolis erhielt eine türkische Besatzung. Verhängnisvoll wurde für die Baudenkmäler Athens das Jahr 1687. In dem Krieg, welchen Venedig im Bund mit Rom, dem Kaiser und Polen gegen die Türken 1684–88 führte, belagerte der venezianische Feldherr Morosini mit General Königsmark die Stadt; 26. Sept. 1687 fiel eine Bombe in den Parthenon, wodurch die darin aufgehäufte Munition sich entzündete; die Explosion zerstörte zwei Drittel des Monuments. Der Tempel der Nike war schon vorher von den Türken abgebrochen worden, und die Ungeschicklichkeit der Venezianer, welche manche Stücke mitnehmen wollten, verdarb noch mehr; nur die marmornen Löwen wurden nach Venedig gebracht, sie stehen jetzt vor dem dortigen Arsenal. Die Venezianer konnten übrigens A. nur bis 4. April 1688 behaupten.
Bis zu der griechischen Revolution war aller größere Landbesitz in Attika in den Händen der vornehmen Türken, die gewöhnlich in der Stadt wohnten; die Mehrzahl der geringern Bürger besaß nur Gärten in den nächsten Dörfern und Olivenbäume. Ackerbau und Viehzucht waren die Haupterwerbszweige und lieferten die wenigen Artikel der geringen Ausfuhr, namentlich Öl, Wolle, Käse und Honig. Die Bauart der Stadt war nach und nach die türkische geworden. A. hatte meist zwei-, zum Teil dreistöckige Häuser mit vorspringenden Erkern, wenig Fenstern nach der Straße, aber bequem eingerichtetem und selbst mitunter luxuriös ausgestattetem Innern, offenen, oft von antiken Marmorsäulen getragenen Hallen und langen, vorn offenen Galerien im obern Geschoß. An den Häusern waren Gärten mit Cypressen, Weinlauben, Orangen- und Zitronenbäumen; überall gab es fließendes Wasser, häufig Springbrunnen. Dabei waren die Straßen freilich eng und krumm und wegen der hohen Häuser und der hohen Gartenmauern finster und unfreundlich. Nach außen war die Stadt mit einer Mauer umgeben, die 1772 gegen die damaligen Raubzüge der Albanesen in der größten Eile binnen wenigen Wochen und leider auf Kosten mehrerer bis dahin noch erhaltener Denkmäler des Altertums, z. B. der Wasserleitung des Hadrian und Antonin, des ionischen Tempels am Ilissos etc., aufgeführt worden war. Als Festung galt A. nur durch seine Akropolis, die, mit bedeutenden Überresten ihrer alten Mauern umgeben und von den Türken seit dem letzten venezianischen Krieg wiederholt durch neue Werke und Bastionen verstärkt, mit einigem Geschütz und einer schwachen türkischen Besatzung unter einem besondern Kommandanten armiert war. Diese Werke wurden zum großen Teil aus den Materialien antiker Bauwerke aufgeführt (der zierliche Tempel der Athene Nike mußte zur Anlage einer Bastion dienen), und auch sonst vernichtete rohe Zerstörungswut die alten Kunstdenkmäler. Der Parthenon erlitt bei dem Bombardement durch die Venezianer [1007] 1674 starke Beschädigungen, und 1801–1803 beraubte Lord Elgin denselben eines großen Teils seiner Skulpturen. Glücklicherweise sind uns Beschreibungen und Zeichnungen eines Teils der alten Denkmäler geblieben, seitdem aus dem wieder erwachten Interesse für griechische Kunst Europa Maler und Zeichner nach A. entsandte. Der französische Gesandte bei der Hohen Pforte, Marquis de Nointel, ließ 1674 durch den Maler Jacques Carrey Zeichnungen anfertigen; 1675 lieferten Jacques Spon und George Wheeler Beschreibungen von A., und von größtem Wert sind die 1751–54 ausgeführten Zeichnungen aller damals in A. vorhandenen Altertümer von Stuart und Revett (s. unten).
Nach so vielen unheilvollen Schlägen, welche A. infolge politischer Umgestaltungen betroffen, und nach einem mehr als 300jährigen Druck unter der Herrschaft der Türken war es zu verwundern, daß es beim Beginn der Freiheitskriege Griechenlands immer noch eine Stadt mit 10,000 Einw. und nicht unbedeutendem Wohlstand unter den Namen Atiniah, Atine, auch Setine war. Bereits 1821 versuchten die Griechen, die Akropolis zu erobern; erst 1822 gelang es. Vier Jahre lang blieb nun A. in den Händen der Griechen. Im J. 1826 begann Reschid Pascha eine neue Belagerung, und 5. Juni 1827 kapitulierte die griechische Besatzung nach hartnäckigen Kämpfen gegen die Bedingung freien Abzugs. Die Stadt war während der Belagerung bis auf wenige Häuser zerstört worden; die unglücklichen Einwohner hatten sich nach Salamis, Ägina, Paros und nach dem Peloponnes geflüchtet. Die türkische Besatzung richtete sich in den Ruinen der Stadt und der Burg so gut wie möglich ein und fällte ohne Erbarmen, wie sie schon während der Belagerung gethan hatte, die Bäume der Gärten und des Ölwaldes zu Brennmaterial. Inzwischen fingen seit dem Ende der Feindseligkeiten (1829) die Einwohner an, in ihre verödete Heimat zurückzukehren, in den Trümmerhaufen sich Hütten zu bauen und Felder und Gärten an den Ufern des Kephissos und Ilissos wieder zu bestellen. Nachdem das Protokoll der Londoner Konferenz 3. Febr. 1830 Griechenland zu einem unabhängigen Staat gemacht und den Türken den Verkauf ihrer dortigen Güter gestattet hatte, wurden jene Einwanderungen häufiger; auch fingen jetzt wohlhabende Fremde, teils Griechen, teils andre Europäer, an, in A. und Attika Bauplätze und andre Landbesitze zu erwerben. So bereitete sich nach und nach eine bessere Zukunft vor, vollends als der neue König Otto den Regierungssitz 25. Dez. 1833 von Nauplia nach A. verlegte und im Juli 1835 selbst die Regierung übernahm. Auch nach dessen Abdankung im Oktober 1862 und nach der Thronbesteigung des aus Dänemark geholten Königs Georg im Oktober 1863 blieb A. die Hauptstadt. Als solche ist es nun wieder zu einer wenigstens teilweisen Blüte und Erneuerung gelangt.
[Litteratur.] Vgl. Stuart und Revett, Antiquities of Athens (Lond. 1762–1816, 4 Bde.; deutsch hrsg. von Wagner, Darmst. 1830–33, 3 Bde.); Leake, Topographie von A. (2. Aufl., deutsch von Baiter und Sauppe, Zür. 1844); Roß’ Berichte im Stuttgarter Kunstblatt (1833–40); Forchhammer, Topographie von A. (Kiel 1841); Raoul-Rochette, Sur la topographie d’Athènes (Par. 1852); de Laborde, Athènes aux XV., XVI., XVII. siècles (das. 1855, 2 Bde.); Bréton, Athènes écrite et dessinée (2. Aufl., das. 1868); Dyer, Ancient Athens, its history, topography and remains (Lond. 1873); Wachsmuth, Die Stadt A. im Altertum (Leipz. 1874, Bd. 1); Burnouf, La ville et l’acropole d’Athènes aux diverses époques (Par. 1877); Milchhöfer, A. (in Baumeisters „Denkmälern des klassischen Altertums“, Münch. 1884); Curtius und Kaupert, Atlas von A. (Berl. 1878, 12 Blatt mit Text); Michaelis, Der Parthenon (Leipz. 1871); die Reisehandbücher von Meyer („Orient“, Bd. 2), Bädeker. – Über die Staatsverfassung im alten A. vgl. Leake, Die Demen von Attika (deutsch, Braunschw. 1840); Roß, Die Demen von A. (Halle 1846); Lugebil, Geschichte der Staatsverfassung Athens (Leipz. 1871); Böckh, Staatshaushaltung der Athener (2. Aufl., Berl. 1843); Schömann, Griechische Altertümer (3. Aufl., das. 1871–73, 2 Bde.); Gilbert, Handbuch der griechischen Staatsaltertümer (Leipz. 1881, Bd. 1).
[66] Athen, (1889) 107,746 Einw. Von öffentlichen Gebäuden sind noch hinzuzufügen das Ausstellungsgebäude, südlich vom Schloßgarten, zu Ausstellungen von Landesprodukten bestimmt und von Zappas gestiftet, und die noch unvollendete neue Bibliothek, nordwestlich neben der Universität, auf Kosten des Marseiller Vallianos errichtet, beide nach Plänen von Hansen. Auch der seit Jahren liegen gebliebene Bau des neuen Theaters, westlich von der Universität, soll jetzt auf Kosten des reichen Patrioten Singros wieder aufgenommen und zu Ende geführt werden. Die Eisenbahn Piräeus-A.-Korinth-Nauplia ist 1886 eröffnet worden, desgleichen die Linie A.-Laurion 1885. Die Universität wird gegenwärtig (Ende 1889) von mehr als 2000 Studenten besucht, welche sich zumeist dem Studium des Rechts und der Medizin widmen. Etwa ein Viertel davon stammt aus griechischen Orten des türkischen Reichs. Es lehren an ihr über 60 Professoren und 35 Privatdozenten. Das Polytechnikum, dessen im N. der Stadt befindliches Gebäude 1862 bis 1880 aus Schenkungen griechischer Patrioten errichtet wurde, zerfällt jetzt in zwei Abteilungen, deren erste die architektonische, die chorometrische und die mechanische Schule umfaßt, während zu der zweiten die Klassen für Malerei, Plastik, Holzschnitt, Kupferstich, Glyptik und Kalligraphie gehören. Die Zahl der Professoren beträgt 25, diejenige der Schüler 600. Das Gebäude birgt sowohl die Sammlung der von Schliemann aufgefundenen Altertümer von Mykenä, von Spata und Menidi als auch die hellenischen und die ägyptischen der Archäologischen Gesellschaft, die seit 1837 besteht und namentlich seit 1869 eine erfolgreiche Thätigkeit in Ausgrabungen (Dionysostheater, Asklepiosheiligtum, Gräberstraße vor dem Dipylon, Spata, Epidauros, Eleusis etc.) und Erhaltung der Altertümer entfaltet. A. besitzt ferner 10 Gymnasien, davon 6 staatliche und 4 private, 5 Progymnasien oder Mittelschulen und 10 Volksschulen, sodann 45 Buchdruckereien und 16 Buchhandlungen, 34 Zeitungen und 10 Wochenschriften. Den Schulen reihen sich 2 segensreich wirkende Bildungsanstalten an, das Nationalwaisenhaus für Mädchen oder Amaliion, zu Ehren der verstorbenen Königin Amalia benannt, und das Waisenhaus Hadschi Kosta. Von Bibliotheken sind zu nennen diejenige der Universität mit etwa 150,000, diejenige der Kammer mit 27,000 und diejenige des Rhizarion mit 45,000 Bänden. Von den Vereinen, welche ihren Sitz in A. haben, sind außer der Archäologischen Gesellschaft noch zu erwähnen: der Verein zur Verbreitung griechischer Bildung, welcher die Wahrnehmung der griechischen Interessen in den türkischen Provinzen zum Ziel hat. Dazu errichtet und unterhält er Schulen, sendet gute, erprobte Lehrer aus, verteilt Schul- und Lehrbücher etc. Die philologische Gesellschaft Parnassos, begründet 1865 und über 1000 Mitglieder zählend, unterhält sieben Schulen der „obdachlosen Kinder“, wo dieselben abends Unterricht und Lebensunterhalt finden. Neuerdings hat sich dieselbe durch die Errichtung neuer und die Verbesserung der alten Gefängnisse nach modernen Grundsätzen verdient gemacht. Für die Bildung des Volkes sorgt durch Veröffentlichungen die Gesellschaft der Volksfreunde; ganz jungen Ursprungs ist der Nationalverein, welchem viele Politiker und junge Studierende angehören. An industriellen Unternehmungen bestehen jetzt in A. 4 Spiegelfabriken, mehrere Wagen-, 2 Schokoladen-, eine Hut-, mehrere Wein- und Weingeist-, Sesselfabriken und Holzmühlen. Weiteres s. im Art. Ausgrabungen (Bd. 17, S. 70 f.). – Neuere Litteratur: Hertzberg, A., historisch-topographisch dargestellt (Halle 1885); Bötticher, Die Akropolis von A. (Berl. 1887); Töpffer, Attische Genealogie (das. 1889); Gregorovius, Geschichte der Stadt A. im Mittelalter (Stuttg. 1889, 2 Bde.).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Einnerung