MKL1888:Appretūr
[701] Appretūr, die Zurichtung einer Ware, besonders der Gewebe, des Papiers, des Leders etc., um derselben für den Gebrauch, die Bestimmung oder für den Markt gewisse Eigenschaften zu verleihen. Die Appreturarbeiten im weitern Sinn zerfallen in chemische und mechanische, da man zu ihnen auch die Färberei und Bleicherei rechnen muß. Im gewöhnlichen engern Sinn versteht man darunter nur diejenigen Arbeiten, welche ohne Bleiche und Färberei die Ware verschönern und vollenden. Die Arbeiten zur Verschönerung der Gewebe insbesondere bezwecken wesentlich eine Reinigung derselben und die Hervorbringung eines dem Auge angenehmen Ansehens oft in Begleitung einer großen Glätte und eines starken Glanzes. Die Vollendungsarbeiten dienen dazu, die Stoffe für bestimmte Zwecke mehr oder weniger in ihrem Wesen zu ändern. Die Reinigungsarbeiten bestehen im Noppen und Waschen. Durch das Noppen oder Belesen werden die Knoten, Fäden und sonstige nicht hingehörende Teile, Strohstücke, Holzsplitter u. dgl., in der Weise beseitigt, daß man sie mittels einer Metallspitze oder einer Federzange (Noppzange) an die Oberfläche zieht und dann eventuell abschneidet oder abkneipt. Die zu dieser Arbeit mehrfach erfundenen Noppmaschinen sind wenig in Aufnahme gekommen. Mit dem Waschen beabsichtigt man die Entfernung derjenigen Substanzen, die durch das Schlichten der Kette in das Gewebe gekommen sind (Stärke, Leim, Gummi, Dextrin, Glycerin etc.) oder von der Spinnerei herrühren (Fett in den Wollgeweben) oder während des Webens unabsichtlich die Gewebe verunreinigt haben (Schmieröl vom Webstuhl) etc. Es erfolgt mit seltenen Ausnahmen mittels der Waschmaschinen (s. d.) und ist begleitet von den Operationen zum Trocknen, die je nach der Verschiedenartigkeit des Stoffs auf verschiedene Weise, aber stets in zwei Stadien vorgenommen werden, nämlich erstens durch Auspressen entweder mittels Auswringens, oder Ausschleuderns auf der Zentrifuge (s. d.), oder Auspressens auf Walzenpressen und zweitens durch Verdampfen des Wassers mittels Wärme und Luftbewegung in Trockenräumen oder auf Trockenmaschinen (s. d.). Mit dem Trocknen wird gewöhnlich noch eine Operation verbunden, welche etwanige Falten und Runzeln durch scharfes Anspannen der Zeuge (das sogen. Aufrahmen, Rahmen) entfernt, indem man dieselben entweder wirklich in Rahmen einspannt, oder mittels bewegter Stiftenketten oder drehender Trommeln mit Stiften ununterbrochen auseinander zieht.
Da die unansehnliche, rauhe, wenig glänzende Oberfläche der Gewebe eine Folge der großen Ungleichförmigkeit ist, mit welcher die Härchen oder Faserenden dieselbe bedecken und überziehen, so kann sie zum Teil durch Entfernung, zum Teil durch Hervorbringung einer großen Regelmäßigkeit der Fasern beseitigt werden. Das erstere geschieht fast ausschließlich durch Abbrennen (Absengen, Sengen) auf Sengmaschinen (s. d.), das zweite durch Aufrichten (Rauhen) auf Rauhmaschinen (s. d.) und regelmäßiges Abschneiden (Scheren) der Fasern auf Schermaschinen (s. d.).
Durch diese Arbeiten kann aber nur die dem Webmaterial von Natur zukommende Glätte und sein natürlicher Glanz hervorgebracht werden. Wünscht man einen höhern Glanz, so ist ein Verstopfen der Gewebeporen durch das Füllen und ein Glätten der Oberfläche vermittelst eines Überzugs und starken Drucks erforderlich. In vielen Fällen vereinigt man beides, indem man das Gewebe mit einer Masse (Appreturmasse) imprägniert, welche zwar verschieden zusammengesetzt, aber in der Regel aus einem Füllstoff (feinem weißen Thon, Kaolin, Schwerspat, Talk, Gips, Kreide u. dgl.) mit einem Bindemittel (Stärkekleister, Leim, Dextrin, Seife, Wachs, Pflanzenschleim) besteht, und nach dem Trocknen oder Festwerden dieser Masse zwischen glatten Körpern scharf preßt. Zum Imprägnieren, auch Stärken genannt, bedient man sich eines Trogs zur Aufnahme der Appreturmasse, durch den man das Gewebe gewöhnlich vermittelst Walzen hindurchzieht, und einer Trockenmaschine in Verbindung mit diesem Trog. Zum Glätten benutzt man dann verschiedene Pressen, insbesondere die sogen. Mangen und die Kalander (s. d.), weshalb die Arbeit selbst auch Mangen und Kalandern (Cylindrieren) genannt wird.
Zu den Vollendungsarbeiten gehören hauptsächlich das Gaufrieren, Moirieren und das Filzen. Das Gaufrieren dient dazu, dem Gewebe Muster einzupressen (z. B. bei Buchbinderleinwand, Futterkattun etc.), und erfolgt zwischen Walzen, deren Oberflächen mit den entsprechenden Mustern versehen sind (Gaufrierwalzen). Durch das Moirieren oder Wässern erhält das Gewebe jenes als Moiree allbekannte flammenartige Ansehen, ebenfalls zwischen gravierten Walzen oder auch, indem man zwei aufeinander gelegte Stoffe durch die Walzen gehen läßt, wobei sich die Fäden ungleichmäßig zusammenquetschen und den gewünschten Lichtreflex hervorbringen. Das Filzen ist dasjenige Verfahren, durch welches Stoffe mit großer Dichtigkeit versehen werden. Es findet in hervorragender Weise in der Tuchfabrikation Anwendung und wird durch das Walken (s. d.) ausgeführt. Die Appreturarbeiten werden je nach der Art des Gewebes, dem Material, den Anforderungen etc. höchst verschieden, namentlich auch bezüglich der Reihenfolge, vorgenommen.
Über die A. einzelner Gewebe ist im allgemeinen folgendes zu bemerken.
Die Baumwollstoffe werden nach dem Waschen und Trocknen in der Regel erst gesengt, dann oft gerauht und geschoren, regelmäßig gestärkt und kalandriert und in bestimmten Fällen gaufriert, gerahmt und moiriert. – Leinenwaren werden im wesentlichen wie baumwollene Gewebe behandelt, nur fällt bei ihrer natürlichen Glätte das Sengen und Scheren fort. Nach dem Stärken werden sie auf der Mange oder auf Kalandern geglättet; man wendet aber auch, um eine nicht glänzende, dem Faden seine Rundung nicht bemerkbar raubende, sanft gewässerte A. zu erhalten, einen besondern Kalander, die sogen. Schlagmühle, Stampf- oder Stoßkalander, an, bei welcher auf eine Walze fest aufgewickelte, etwas feuchte Leinwand durch sehr glatte, senkrecht herabfallende Stampfen bearbeitet wird. – Beim Tuch bearbeitet man, nachdem der Loden gewaschen und genoppt ist, die Filzdecke, mit welcher er aus der Walke hervorgeht, aus freier Hand oder häufiger mittels Maschinen mit den eiförmigen, voll kleiner Widerhaken sitzenden Fruchtköpfen der Kardendistel, um die Härchen aus der Filzdecke stärker und gleichmäßiger herauszuziehen und nach einer Richtung hin niederzustreichen. Die Karden sind in 12 oder 16 Doppelreihen auf der hohlen Kardentrommel angebracht, welche sich mit großer Geschwindigkeit um ihre Achse dreht, während das ausgespannte nasse Tuch langsam an ihrem Umkreis vorübergeht und etwa ein Sechstel des letztern berührt. [702] Die teuern und vergänglichen Karden durch metallene Vorrichtungen zu ersetzen, ist nunmehr fast vollständig gelungen; doch hat man auch jenen durch Imprägnieren mit Kupfervitriol größere Dauerhaftigkeit verliehen. Die durch das Rauhen hervorgezogenen Härchen werden nun durch das Scheren in gleicher und geringer Länge abgeschnitten, um eine glatte und feine Oberfläche hervorzubringen. Man bürstet auf dem trocknen Tuch die Haare gegen den Strich auf und schneidet sie dann mit Schermaschinen (s. d.), selten noch mit großen Handscheren, auf gleiche Höhe ab. Man kann das Ziel des Rauhens und des Scherens nur durch einen stufenweisen Gang erreichen und muß daher beide Arbeiten mehrere Male abwechselnd miteinander vornehmen. Die beim Scheren entstehenden Abfälle (Scherwolle) sind fast staubartig fein, indes kann man aus ihnen und aus den Abfällen vom Rauhen etwa 20 Proz. Härchen abscheiden, welche gleich Lumpenwolle zu verwenden sind. Man mischt wohl die gesamten Abfälle mit der Walkflüssigkeit und verfilzt sie so mit der Oberfläche des Lodens, daß das Gewicht der Ware bedeutend vermehrt und unter geringerm Einlaufen des Tuches mit geringerm Zeitaufwand eine Decke erzeugt wird. Nach dem Scheren werden die Tuche noch einmal genoppt, dann zusammengelegt und gepreßt. Sehr häufig werden die Tuche noch vor Beendigung des Rauhens und Scherens dekatiert, d. h. man wickelt sie, straff angespannt, auf eine hohle, an beiden Seiten offene, in der Mantelfläche fein durchlöcherte Walze, bedeckt sie mit grober Leinwand, umwindet sie straff mit einem breiten hänfenen Gurt und setzt sie in einem Kasten der Einwirkung von Wasserdampf aus. Die Wolle erlangt dadurch einen schönen, sehr dauerhaften Glanz, und die Härchen bleiben auch beim Tragen beständig in gleicher Richtung liegen (das Tuch trägt sich nicht rauh). Ausgedehnten Gebrauch macht man auch von Bürstenmaschinen, deren Wirkung durch gleichzeitig gegen das Tuch ausströmenden Wasserdampf unterstützt wird. Beim Pressen legt man zwischen die einzelnen Lagen Glanzpappe und bedeckt den Stoß oben und unten mit heißen eisernen Platten. Nach 1–2 Tagen wird das Tuch umgelegt und nochmals gepreßt; es erlangt hierdurch einen sehr starken Glanz, welcher aber gegen Nässe höchst empfindlich und überdies nicht jedermann willkommen ist. Da außerdem das beim Trocknen auf Spannrahmen sehr ausgereckte Tuch durch Nässe stark einläuft, so krumpt man es vor der Verarbeitung, um den Preßglanz und die Spannung zu beseitigen. Man taucht es in Wasser und läßt es mäßig ausgespannt trocknen oder bearbeitet es mit Wasserdampf und preßt es ohne Glanzpappe (Dekatieren). – Kammwollene Zeuge werden je nach ihrer Beschaffenheit genoppt, gesengt, gewaschen, geschoren, mit Leimwasser gesteift, über Kohlenfeuer getrocknet, gemangelt oder kalandert, geglättet oder geglänzt und gepreßt. – Seidene Gewebe werden nur in gewissen Fällen appretiert, besonders überzieht man leichte Tafte und Atlasse auf der Rückseite mit Tragantschleim, trocknet sie schnell und erhöht ihren Glanz durch Kalandern mit geheizten Metallwalzen. Über A. des Papiers und des Leders s. d. Vgl. Meißner, Der praktische Appreteur etc. (Leipz. 1875); Derselbe, Die Maschinen für A. etc. (Berl. 1873); Grothe, Die Appreturmaschinen (das. 1879).
[39] Appretur. Einige der Appreturmaschinen geben Veranlassung zu Unglücksfällen und sind deshalb mit den nötigen Schutzvorrichtungen zu versehen. Die Quetschwalzen und Kalander sind insofern nicht ungefährlich, als die Arbeiter bei dem Einführen der Stoffe mit den Fingern den Walzen zu nahe kommen und dann in dieselben hineingeraten können. Eine Vorrichtung, welche den Arbeiter daran erinnern soll, noch rechtzeitig die Hand zurückzuziehen, besteht in einer vor der Einführungsseite der Walzen parallel zu diesen angebrachten, leicht beweglichen Schutzwalze. Sobald der Arbeiter mit seiner Hand diese Schutzwalze berührt, hebt sich dieselbe und macht ihn durch den hierbei ausgeübten geringen Druck auf die Gefahr aufmerksam. Noch zweckmäßiger ist eine Einrichtung, welche die augenblickliche Ausrückung der Maschine bewirkt, sobald der Arbeiter mit den Fingern in gefährliche Nähe der Walzen kommt. Die Figur zeigt eine schematische Darstellung solcher Vorrichtung.
Selbstthätige Ausrückung der Kalander. | |
Vor der Einführungsseite der Walzen ab befindet sich die kleine Walze c in einem Rahmen d, der zu beiden Seiten in den Walzenständern drehbar gelagert ist (bei e). Das Zeug tritt in der Richtung des Pfeils f ein. Gerät nun der Arbeiter bis unter die Walze c, so hebt sich diese, dreht den Rahmen d um die Zapfen e, so daß die am Rahmen befestigte Stange g die Sperrklinke h auslöst, worauf die Stange i durch die Kraft der Feder k nach links gezogen wird. Diese Bewegung von i wird unter Vermittelung eines geeigneten Mechanismus zur Umstellung der Riemengabel benutzt, derart, daß der Riemen auf die Losscheibe geschoben und somit die Maschine zum Stillstand gebracht wird. Bei den Schermaschinen sind zur Verhütung von Unfällen vor den Schercylindern Schutzgitter anzubringen in der Weise, daß die bequeme Bedienung der Maschine nicht behindert wird. Zweckmäßig sind dabei Einrichtungen, welche das Öffnen der Schutzgitter (z. B. behufs Schleifens der Messer und Cylinder) erst dann gestatten, wenn die Maschine ausgerückt und die infolge der innewohnenden lebendigen Kraft noch eine Weile sich weiterdrehenden Schercylinder zum Stillstand gelangt sind, und welche ferner verhindern, daß die Schermaschine wieder in Gang gesetzt wird, bevor die Schutzgitter geschlossen sind. Zur Litteratur: Polleyn, Die Appreturmittel (Wien 1886); Behnisch, Handbuch der A. (Grünberg 1879).