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Lohengrin (Pröhle)

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Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Lohengrin
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 240–245
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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[240]
Lohengrin.

In Brabant und in Limburg lebte vor vielen hundert Jahren ein Herzog, der hatte eine schöne Tochter, die hieß Elsa.

Der Herzog endete aber zu früh für seine Tochter und war auf seinem Sterbebette in Sorgen wegen ihrer Zukunft. Wie er nun so dalag in seiner Todesnot, da erinnerte er sich, daß er einen sehr tapferen Ritter in seinem Lande hatte, der hatte in Stockholm einen Drachen getötet. Er hieß Friedrich von Telramonde, und der Herzog von Limburg und Brabant empfahl sterbend seine Tochter in den Schutz dieses berühmten Helden, welcher sein Lehnsmann war.

Friedrich von Telramonde gelobte auch, der Jungfrau in allem hold und gewärtig zu sein und ihr zu dienen, wie er ihrem Vater gedient hatte; aber bald vergaß er seines Eides, wollte sich zum Herrn von Flandern und Brabant machen und verlangte die Hand der schönen Elsa.

Da ihm Elsa das Jawort nicht geben wollte, so verklagte er sie bei dem König Heinrich dem Vogelsteller, welcher damals in Deutschland und auch in Flandern und Brabant regierte. Dabei behauptete er, daß ihm Elsa anfänglich Hoffnungen gemacht und ihn auf die Zeit vertröstet habe, in welcher sie die Trauerkleidung um ihren Vater abgelegt haben würde. Alsdann habe sie versprochen, sich öffentlich für seine Braut zu erklären.

Allein dies bestritt die schöne Elsa mit Fug und Recht. König Heinrich [241] lautlos zugehört hatte, das stürmische Pochen seines Herzens nicht mehr bezwingen. Thränen auf Thränen rannen ihm in den Bart. Und das war ein Segen für ihn, den Gott ihm schickte. Tiefe Scham und Reue über seinen Übermut erfüllte sein Herz. Der Demut duft’ge Blume war darin aufgeblüht. Er fühlte tief, wie so falsch doch sein eitler Ruhm gewesen sei.

„Gerhard“, sprach der Kaiser, „du viel werter Mann, denke nicht, daß du dich versündigtest, als du mir dein Herz aufschlossest. Deine Rede hat mich himmelwärts gewiesen. Es war gut, daß du mir nichts verschwiegest. Ich will dir’s klagen: mein Herz krankte an falschem Ruhme. Das Gute wurde weit von Stolz und Selbstvermessenheit überragt. Daß ich dem Herrn ein Haus erbaute, ein großes Stift, das war’s, worauf ich pochte, es hatte mich ganz mit dem Gifte des Hochmuts erfüllt. Ich wähnte, mir damit ein Recht auf’s ew’ge Leben erworben zu haben.

Nun büße ich’s mit Thränen. Gott selbst war es, der mich zu dir wies, damit ich von Dir Demut lerne. Wie klein erscheinen mir meine Thaten nun gegen das, was Du gethan! Reichlich ist mir gelohnt, daß ich so weit zu Dir geritten bin. Erflehe Du nun dem Kaiser, dem eitlen Rühmer, bei Gott das ewige Heil!“ [242] „Ich werde für Euch kämpfen,“ sprach Lohengrin.

Da wurden alle Verwandten und Dienstleute der schönen Elsa nach Saarbrücken bestellt, und von da aus zogen sie zusammen nach Mainz, wo an dem vorher bestimmten Tage auch der König Heinrich sich einfand. Vor ihm, der mit der Krone und mit Scepter und Reichsapfel dasaß, beteuerte die schöne Elsa nochmals ihre Unschuld. Aber Friedrich von Telramonde beschwor, daß sie ihm anfänglich ein Eheversprechen geleistet hätte.

Da gebot König Heinrich der Vogelsteller, daß die beiden Ritter sogleich mit einander kämpfen sollten. Allein Lohengrin, den der heilige Gral ausgesandt hatte, blieb Sieger. Als Friedrich von Telramonde im Sande lag, gestand er, daß er falsch geschworen hatte, und auf Befehl des Kaisers wurde er nach der Sitte jener Zeiten durch Henkershand mit dem Beile vom Leben zum Tode gebracht.

Die schöne Elsa wurde die Gemahlin Lohengrins; dieser aber verlangte von ihr, daß sie ihn niemals fragen solle, woher er stamme. Lohengrin, der von dem heiligen Grale gekommen war, herrschte nun gar fromm und gerecht über Limburg und Brabant. Gern erfüllte die schöne Elsa sein Gebot, ihren Eheherrn in keiner Weise nach seinem Herkommen zu fragen.

Nach einer Reihe von Jahren aber geschah es, daß Lohengrin auf einem Turniere mit dem Herzoge von Cleve eine Lanze brach und ihm dabei den Arm verletzte. Da ergrimmte die Herzogin von Cleve und sagte, es sei kein Wunder, daß der Gemahl der schönen Elsa seinem Gegner im Turniere habe gefährlich werden müssen, wisse doch niemand woher der Herzog von Brabant und Limburg gekommen sei, als er zu der schönen Elsa ans Land geschwommen wäre.

Dadurch fühlte sich die schöne Elsa aufs tiefste gekränkt. Das verbarg sie nicht vor dem Herzoge, als sie allein waren. Da sprach Lohengrin: „Mein liebes Gemahl, worüber trauert Ihr?“ „Herr“, sprach sie, „weil Ihr den Herzog von Cleve beim Turnier verletzt habt, so hat mich die Herzogin beleidigt und Euch geschmäht.“

Da that Lohengrin, als hätte er ihre Rede nicht gehört, und begann, gar freundlich von anderen Dingen mit seiner Gemahlin zu reden.

[243] Allein am anderen Tage ließ ihn die schöne Elsa wieder ihren Kummer merken.

Da fragte der Herzog abermals: „Mein liebes Gemahl, worüber trauert Ihr?“

Da sprach sich die schöne Elsa schon deutlicher aus und sagte: „O mein lieber Herr, wie sollte ich nicht trauern? Hat doch die Herzogin von Cleve gesagt, es wisse niemand, woher Ihr kommen wäret, als Ihr von dem Schifflein stieget, das der Schwan hinter sich herzog.“

Allein Lohengrin that abermals, als hätte er ihre Worte nicht vernommen und redete freundlich von allerlei anderen Dingen, als suchte er seine Gemahlin von ihren Gedanken abzubringen.

Indessen das gelang ihm nicht, und als die schöne Elsa am dritten Tage mit ihm allein war, zeigte sie sich wieder so betrübt, daß Lohengrin fragen mußte: „Mein liebes Gemahl, worüber trauert Ihr?“

„Mein hoher Herr“, antwortete die schöne Elsa jetzt, „Ihr seid so mannhaft und stark! Den Ritter Friedrich von Telramonde, der den Drachen in Schweden erschlagen hat, habt Ihr vor den Augen des Kaisers überwunden! Als Ihr aus Eurem Schifflein ans Land stieget, da seid Ihr allen meinen Mannen sogleich wie ein geborener Fürst erschienen, und sie standen alle um Euch her, als wären sie zu Euren Dienern bestellt. So saget mir denn nun auch, von wannen Ihr kommen seid und wer Euer Vater ist, denn es kann kein Zweifel sein, daß Ihr von einem sehr hohen Geschlechte abstammet.“

Da wandte sich Lohengrin stillschweigend ab, denn sobald er ihr auf diese Fragen eine Antwort erteilt hatte, mußte er Frau und Kinder verlassen. Aber am andern Morgen stand er frühe auf, kleidete sich an, weckte auch seine beiden Kinder und sprach zu seiner Gemahlin: „O Du mein liebes Weib, mich hat Gott selbst zu Dir gesendet! Vom heiligen Grale bin ich zu Dir kommen und mein Vater ist Herr Parcival. Diese Antwort gebe ich Dir auf Deine Fragen, damit Du allen stolz unter die Augen treten kannst, die unser Glück beneidet und Dich in diese Unruhe versetzet haben. Ich ermahne auch meine beiden Kinder, daß sie nicht hoffärtig sein sollen weder in dem hohen Gedanken an Deine noch an meine Vorfahren. Aber damit sie sich der Hoheit und des Ansehens ihres Vaters einst desto [244] besser erinnern können, so hinterlasse ich ihnen mein herrliches Schwert und dieses Horn, auf welchem ein wunderbarer Zauber ruht. Mögen sie sich dieser Geschenke zu meinen Ehren einst mit Weisheit bedienen!“ Damit umarmte und küßte er die beiden Kinder und die Herzogin. Dieselbige sank in eine Ohnmacht, doch Lohengrin durfte nicht bleiben, bis sie wieder zu sich gekommen war.

Er eilte ans Wasser, wo ihn der Schwan mit dem Schifflein schon erwartete. Der Schwan zog das Schifflein jetzt die Schelde hinab und war bald aus den Augen der Zuschauer verschwunden. Niemals gelang es der Herzogin und ihren Kindern, von Lohengrin wieder eine Nachricht zu erhalten.

Lohengrin aber kam in das Land Lyzaboria und heiratete allda die schöne Belaye. Auch diese wußte nicht, wie er hieß und von wannen er kam. Sie liebte ihn aber ganz über die Maßen und hütete sich bis ans Ende ihn um das zu fragen, was er ihr zu fragen verboten hatte.

Wenn Lohengrin auf die Jagd ging, so war sie sehr traurig, sprach kein Wort, antwortete keiner ihrer Freundinnen und saß zu Hause, als ob nur ihr Leib dasäße und ihre Seele sie verlassen hätte.

Eine Kammerfrau, welche diesen traurigen Zustand ihrer Herrin oft mit angesehen hatte, riet ihr, ihrem Gemahle im Schlafe ein Stück Fleisch aus der Seite zu schneiden und dieses zu essen. Dadurch würde, wie sie sagte, Lohengrin so an sie gefesselt werden, daß er sie niemals mehr auch nur auf einen Augenblick verlassen könne.

Allein darüber ergrimmte Belaye und verwies die Kammerfrau aus ihrer Nähe. Diese aber beschloß sich sowohl an Belaye als an Lohengrin zu rächen.

Sie verklatschte Lohengrin im ganzen Lande, weil er fortwährend umherschweife und Belaye in großen Schmerzen zu Hause sitzen lasse. Es gäbe, sagte sie, zwar ein Mittel, um den Lohengrin zur ehelichen Treue zu zwingen. Seine Gemahlin brauche nur ein Stück Fleisch aus seiner Seite zu verzehren, aber das könne sie ihm nicht herausschneiden. Belaye aber wurde von den Rittern und vom Volke sehr geliebt. Deshalb kamen ihrer wohl tausende vor den Palast und wollten dem Lohengrin das Stück Fleisch aus der Seite schneiden, damit Belaye es essen könne.

[245] Da fuhr Lohengrin aus dem Schlafe auf, denn er hatte einen bösen Traum gehabt und blickte sie so furchtbar an, daß anfänglich niemand Hand an ihn zu legen wagte. Dann aber schlug er so mächtig auf sie ein, daß ihrer wohl hundert tot lagen.

Nun aber wurde auch das Volk zornig und brachte Lohengrin eine tödliche Wunde bei. Da starb Belaye sogleich vor Schrecken, weil ihr Gemahl fälschlich wegen Untreue verleumdet und dann vom Volke getötet war. Man begrub die beiden Liebenden in einem einzigen Sarge und baute ein Kloster über ihre Gruft.

Das Land Lyzaboria erhielt nach der Ansicht des Volkes zum Andenken an Lohengrin den Namen Lothringen.

[I]

Lohengrin.