besser erinnern können, so hinterlasse ich ihnen mein herrliches Schwert und dieses Horn, auf welchem ein wunderbarer Zauber ruht. Mögen sie sich dieser Geschenke zu meinen Ehren einst mit Weisheit bedienen!“ Damit umarmte und küßte er die beiden Kinder und die Herzogin. Dieselbige sank in eine Ohnmacht, doch Lohengrin durfte nicht bleiben, bis sie wieder zu sich gekommen war.
Er eilte ans Wasser, wo ihn der Schwan mit dem Schifflein schon erwartete. Der Schwan zog das Schifflein jetzt die Schelde hinab und war bald aus den Augen der Zuschauer verschwunden. Niemals gelang es der Herzogin und ihren Kindern, von Lohengrin wieder eine Nachricht zu erhalten.
Lohengrin aber kam in das Land Lyzaboria und heiratete allda die schöne Belaye. Auch diese wußte nicht, wie er hieß und von wannen er kam. Sie liebte ihn aber ganz über die Maßen und hütete sich bis ans Ende ihn um das zu fragen, was er ihr zu fragen verboten hatte.
Wenn Lohengrin auf die Jagd ging, so war sie sehr traurig, sprach kein Wort, antwortete keiner ihrer Freundinnen und saß zu Hause, als ob nur ihr Leib dasäße und ihre Seele sie verlassen hätte.
Eine Kammerfrau, welche diesen traurigen Zustand ihrer Herrin oft mit angesehen hatte, riet ihr, ihrem Gemahle im Schlafe ein Stück Fleisch aus der Seite zu schneiden und dieses zu essen. Dadurch würde, wie sie sagte, Lohengrin so an sie gefesselt werden, daß er sie niemals mehr auch nur auf einen Augenblick verlassen könne.
Allein darüber ergrimmte Belaye und verwies die Kammerfrau aus ihrer Nähe. Diese aber beschloß sich sowohl an Belaye als an Lohengrin zu rächen.
Sie verklatschte Lohengrin im ganzen Lande, weil er fortwährend umherschweife und Belaye in großen Schmerzen zu Hause sitzen lasse. Es gäbe, sagte sie, zwar ein Mittel, um den Lohengrin zur ehelichen Treue zu zwingen. Seine Gemahlin brauche nur ein Stück Fleisch aus seiner Seite zu verzehren, aber das könne sie ihm nicht herausschneiden. Belaye aber wurde von den Rittern und vom Volke sehr geliebt. Deshalb kamen ihrer wohl tausende vor den Palast und wollten dem Lohengrin das Stück Fleisch aus der Seite schneiden, damit Belaye es essen könne.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/257&oldid=- (Version vom 1.8.2018)