Juedischer Krieg/Buch I 28-33
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552 (1.) Antipater besaß jetzt allerdings die unbestrittene Thronfolge, aber es war auch der Hass von Seite des jüdischen Volkes gegen ihn zu einer Höhe gestiegen, die jeden Augenblick einen Ausbruch befürchten ließ, da es allgemein bekannt war, dass er alle Intriguen gegen die Brüder angesponnen hatte. Allmählig überkam ihn auch keine geringe Besorgnis bei der Wahrnehmung, wie die Kinder der Gerichteten immer mehr emporblühten. Alexander hatte nämlich von der Glaphyra zwei Söhne, Tigranes und Alexander, Aristobulus aber von der Berenice, der Tochter Salomes, die Söhne Herodes, Agrippa und Aristobulus, ferner die Töchter Herodias und Mariamne erhalten. 553 Was Glaphyra angeht, so hatte sie der König Herodes nach der Hinrichtung ihres Gatten Alexander unter Zurückgabe ihrer Aussteuer wieder nach Kappadocien heimgeschickt. Berenice, die Gattin des Aristobulus, gab er nunmehr dem Oheim des Antipater von mütterlicher Seite zur Ehe und zwar auf Betreiben des Antipater, welcher durch diese Verbindung die mit ihm zerfallene Salome wieder gewinnen wollte. 554 Auch den Pheroras umschmeichelte Antipater mit Geschenken und anderen Liebenswürdigkeiten, nicht minder die Günstlinge des Kaisers, denen er nicht unbedeutende Geldsendungen nach Rom übermittelte. Aber erst gar Saturninus und seine Beamten in Syrien – diese schwammen alle förmlich in Geschenken, die sie von Antipater erhielten! Aber gerade seine Spenden waren es, die ihn noch mehr verhasst machten, weil man merkte, dass es nicht eine aus Edelmuth kommende Freigebigkeit, sondern eine von der Furcht dictierte Ausgabe war. 555 So musste es ganz natürlich geschehen, dass die Beschenkten darum um [106] nichts wohlwollender gegen ihn, die von ihm nicht Bedachten aber nur noch schlimmere Feinde wurden. Noch splendider aber öffnete er mit jedem Tage seine Hände, als er die Wahrnehmung machte, wie der König sich mit einer Liebe der Waisen annahm, die seine eigenen Aussichten beeinträchtigen musste, und wie er sogar seine Reue über die Hinrichtung der Prinzen in den Mitleidsbezeugungen durchschimmern ließ, die er deren Kindern entgegenbrachte.
556 (2.) So ließ Herodes einst seine Verwandten und Freunde zusammenkommen, führte ihnen die Enkelkinder vor und sprach mit thränenumflorten Augen: „Mir hat ein schwarzer Dämon die Väter dieser Kinder geraubt, und so legt mir, abgesehen von der natürlichen Blutsverwandtschaft, schon das Erbarmen, das man mit Waisen haben muss, die Sorge für dieselben ans Herz. Wenngleich ich auch als Vater so entsetzlich unglücklich gewesen bin, so will ich doch den Versuch machen, wenigstens als Großvater mit besserem Erfolge meine Billigkeit zu zeigen und für den Fall meines Todes den Enkeln solche Beschützer zu geben, die mir selbst am theuersten waren. 557 So verlobe ich demnach deine Tochter, o Pheroras, mit einem Sohne Alexanders und zwar mit dem ältesten aus ihnen, damit du schon der Verwandtschaft halber ihm deinen Schutz angedeihen lassest. Deinem Sohne aber, mein Antipater, gebe ich die eine Tochter des Aristobulus, da es mein Wunsch ist, dass du auf diese Art an der Waise Vaterstelle vertretest, während ihre Schwester mein Herodes nehmen wird, der Enkel eines Hohenpriesters von mütterlicher Seite. 558 Diese meine Willensmeinung soll nun jeder, der mir in Liebe ergeben ist, zu der seinigen machen und keiner wage es, dieselbe zu hintertreiben, wenn ihm an meiner Person noch etwas gelegen ist. Ich aber will meine Hände zu Gott erheben, dass er diese Ehen zum Heile meines Reiches und meiner Enkel auch im Himmel schließen und auf diese Kinder da mit huldvollerem Blicke, als auf ihre Väter, herabschauen möge.“
559 (3.) Thränen begleiteten seine letzten Worte, worauf er den Verlobten die Hände zusammengab, jedes Kind einzeln in herzlicher Weise umarmte und die Versammlung aufhob. Antipater gerieth über diese Veranstaltung auf der Stelle in eine solche Betrübnis, dass ihm alle seine schmerzliche Bestürzung vom Gesichte ablesen konnten. Denn er setzte voraus, dass diese Ehrung der Waisen auch im Sinne seines Vaters nur gleichbedeutend sein könne mit der eigenen Absetzung, und dass er aufs neue die Krone riskieren würde, wenn die Söhne des Alexander außer Archelaus auch noch den Pheroras, der ja selbst ein Vierfürst war, zum Bundesgenossen bekämen. 560 Er musste dann [107] weiter den Hass des Volkes gegen seine Person und andererseits das Mitleid in Rechnung ziehen, das von dieser Seite den Waisen entgegengebracht wurde, wie auch die große Beliebtheit, deren sich die seinetwegen hingemordeten Brüder Zeit ihres Lebens bei den Juden zu erfreuen hatten, und die tiefgehende Erinnerung, die man ihnen nach ihrem Tode noch bewahrte. Unter solchen Umständen kam er zum Entschlusse, die eingegangenen Verlöbnisse um jeden Preis zu zertrennen.
561 (4.) Antipater hatte aber zuviel Furcht vor seinem Vater, um auch diesmal in schlauer Weise nur Verstecken zu spielen, da Herodes im Punkte der Verlöbnisse besonders schwierig und außerdem nur zu sehr geneigt war, auf der Stelle Verdacht zu schöpfen. So unternahm er es denn im Gegentheil kühn vor den König hinzutreten und ihm ohne Umschweife die flehentliche Bitte vorzutragen, er möchte ihm doch die bereits gnädiglich zuerkannte Auszeichnung nicht wieder entziehen, noch ihn zu einem bloßen Scheinkönig machen, dessen wirkliche Macht andere besäßen. Denn ganz gewiss, meinte Antipater, werde er niemals ans Ruder gelangen können, wenn der Sohn des Alexander zu seinem Großvater Archelaus auch noch einen Schwiegervater vom Einfluss eines Pheroras bekommen sollte. 562 Um das zu verhüten, bitte er den König fußfällig, die geplanten Verbindungen ändern zu wollen, was umso leichter gienge, weil ja die königliche Familie noch über viele andere Sprösslinge verfüge. In der That hatte der König neun Frauen und von sieben darunter auch Kinder: Unser Antipater war ein Sohn der Doris, Herodes ein Sohn der Mariamne, der Tochter des Hohenpriesters, Antipas und Archelaus waren Kinder der Samariterin Malthace, die auch eine Tochter, namens Olympias, hatte, die spätere Gattin des Joseph, eines Brudersohnes des Königs. Von der Kleopatra aus Jerusalem stammten dann Herodes und Philippus, von der Pallas endlich Phasaël. 563 Töchter hatte übrigens der König auch noch andere, nämlich Roxane und Salome, die eine von der Phädra, die andere von der Elpis. Von zwei Frauen bekam er gar keine Kinder, die eine war zu ihm Geschwisterkind, die andere seines Bruders Tochter. Außer den genannten hatte Herodes noch zwei Töchter, Schwestern von Alexander und Aristobulus, Kinder der Mariamne. Unter Hinweis auf diese vielköpfige Nachkommenschaft nun bat Antipater um eine neue Anordnung der Verlöbnisse.
564 (5.) Da der König seine wahren Absichten auf die Waisen durchschaut hatte, so brauste er heftig auf, und es kam ihm unwillkürlich der Gedanke, dass es schließlich Antipater auch mit seinen früheren [108] Anklagen nur auf die Beseitigung der Brüder abgesehen gehabt hätte. 565 Er sagte ihm daher für diesmal unter vielen Zornesausbrüchen seine Meinung und jagte ihn zur Thüre hinaus. Doch bekam ihn später Antipater mit seinen Schmeichelkünsten dermaßen in seine Gewalt, dass er wirklich wieder umsattelte, und ihm selbst die Tochter des Aristobulus, seinem Sohne aber die Tochter des Pheroras zur Ehe gab.
566 (6.) Wie gewaltig der Einfluss sein musste, den Antipater bei dieser Gelegenheit durch seine Schmeicheleien ausübte, dürfte man besonders daraus abnehmen, dass selbst Salome mit ganz ähnlichen Bitten entschieden Unglück hatte. Denn obwohl diese des Königs leibliche Schwester war und ihren Bruder selbst unter Vermittlung der Kaiserin Julia mit ihrem Flehen förmlich bestürmte, ihr die Heirat mit dem Araber Sylläus zu gestatten, versicherte er ihr unter einem Schwure, dass er sie wie seine Todfeindin behandeln werde, wenn sie ihren Wunsch nicht aufgäbe. Endlich vermählte er sie sogar gegen ihren Willen mit einem seiner Freunde, namens Alexas, dessen Sohne er auch eine ihrer Töchter zur Frau gab, während er die zweite Tochter an den Onkel des Antipater von mütterlicher Seite verheiratete. Von den Töchtern der Mariamne hatte die eine den Antipater, den Schwestersohn des Herodes, die andere den Phasaël, den Brudersohn des Königs zum Gatten.
567 (1.) Als Antipater auf diese Art die Hoffnungen der Waisen vernichtet und die Heiratspläne seinem Vortheile dienstbar gemacht hatte, glaubte er seine Zukunft gesichert und war endlich im schützenden Port. Aber gerade diese Sicherheit, in der sich jetzt seine Bosheit wiegte, machte ihn unausstehlich. Da er sich nämlich den allgemeinen Hass nicht vom Halse schaffen konnte, so wollte er sich wenigstens gefürchtet machen und auf diesem Wege für seine Sicherheit sorgen. Zu ihm hielt auch Pheroras, der ihn ganz so behandelte, als wäre er schon ausgemachter König. 568 Dazu kam noch ein Weibercomplot, das sich am Hofe bildete, und das neue Wirren hervorrief. Die Frau des Pheroras im Bunde mit ihrer Mutter und Schwester, zu denen sich auch die Mutter Antipaters gesellte, erlaubte sich nämlich am Hofe viele Frechheiten und wagte es sogar, zwei Töchter des Königs zu [109] verhöhnen. Die Folge war, dass sie beim König in die größte Ungnade fiel. Aber trotz dieses Hasses von seiner Seite regierten die Frauen doch den ganzen Hof. 569 Die einzige Salome stellte sich dem Complote entgegen und beschuldigte beim König diese Zusammenkünfte unlauterer Bestrebungen gegen seine Regierung. Sobald die Frauen von dieser Anzeige und von der Aufregung des Königs erfahren hatten, stellten sie ihre offenen Zusammenkünfte und die sonstigen Aeußerungen ihrer Freundschaft ein, ja sie zeigten im Gegentheil, wenn es der König hören konnte, verstellter Weise sogar gegenseitige Feindschaft, wobei ihnen Antipater secundierte, indem er vor der Oeffentlichkeit mit Pheroras manchmal hart zusammengerieth. 570 Dafür kamen sie jetzt ganz heimlich zusammen und hielten nächtliche Gelage, so dass also gerade ihre genauere Ueberwachung nur dazu diente, ihr Zusammenhalten noch mehr zu verstärken. Indes kam Salome auch hinter diese Schliche und erstattete bei Herodes die Anzeige.
571 (2.) Dieser gerieth darüber in den glühendsten Zorn, am allermeisten gegen die Frau des Pheroras, welche Salome mehr als die anderen Frauen eingetunkt hatte. Herodes ließ nun einen Familienrath aus seinen Freunden und Verwandten zusammentreten, vor dem er das Frauenzimmer außer vielen anderen Vergehen auch der Beschimpfung seiner eigenen Töchter anklagte. Weiter sollte sie auch den Pharisäern Gelder zur Untergrabung der herodianischen Herrschaft zugewendet und seinen Bruder durch magische Tränke verzaubert und zum Feinde des Königs gemacht haben. 572 Am Schlusse der Rede wandte er sich an Pheroras und stellte ihn vor die Alternative, sich entweder für den Bruder oder das Weib zu erklären. Dieser aber gab zur Antwort, dass er eher das Leben als das Weib verlieren wolle, worauf der König in seiner Verlegenheit nichts anderes mehr thun konnte, als dass er sich von ihm weg zu Antipater wandte und ihm strenge den Verkehr sowohl mit der Frau des Pheroras, als auch mit ihm selbst und überhaupt mit der ganzen Weibersippe untersagte. Antipater hielt sich auch vor der Oeffentlichkeit genau an diesen Befehl, aber im Geheimen brachte er ganze Nächte bei ihnen durch. 573 Weil er aber doch das Späherauge der Salome fürchtete, so verschaffte er sich mit Hilfe seiner Freunde in Italien schlauer Weise eine Gelegenheit zu einer Romreise. Es kamen nämlich Briefe von ihnen an, des Inhaltes, dass Antipater innerhalb einer gewissen Zeit zum Kaiser gesendet werden möge. Darauf ordnete ihn Herodes ohne Verzug mit einem prächtigen Gefolge und vielen Schätzen an den Kaiserhof ab, mit der besonderen Bestimmung, das Testament des Königs zu überreichen, in welchem Antipater zum König, Herodes [110] aber, der Sohn der Hohenpriesterstochter Mariamne, zu seinem Thronerben designiert war.
574 (3.) Zu gleicher Zeit musste auch der Araber Sylläus nach Rom fahren, weil er sich über die vom Kaiser erflossenen Bescheide hinweggesetzt hatte und sich jetzt in denselben Stücken gegen die Anklagen des Antipater vertheidigen sollte, derentwegen er schon früher von Nikolaus belangt worden war. Er hatte aber außerdem noch keinen geringen Strauß mit seinem eigenen König Aretas auszufechten, da er demselben nebst anderen Freunden auch einen gewissen Soämus, der in Petra allmächtig war, durch Meuchelmord entrissen hatte. 575 Ferner hatte er um hohes Geld den kaiserlichen Verwalter Fabatus auf seine Seite gebracht, um sich seiner Hilfe besonders gegen Herodes zu bedienen. Herodes aber bot ihm noch mehr und so gelang es ihm, den Fabatus gegen Sylläus einzunehmen, um durch seine Vermittlung die dem Sylläus vom Kaiser abverlangten Summen endlich hereinzubringen. Der aber gab nichts heraus, sondern verklagte noch dazu den Fabatus beim Kaiser, dass er nicht so sehr den Säckel des Kaisers, als vielmehr den des Herodes verwalte. 576 Darüber erbost, machte Fabatus, zumal er bei Herodes jetzt sehr gut angeschrieben war, auch an den Geheimnissen des Sylläus den Verräther, indem er dem König erzählte, dass Sylläus seinen Leibwächter Korinthus um Geld gewonnen habe, und ihm rieth, den Mann gefänglich einziehen zu lassen. Der König schenkte dem Rathe umso eher geneigtes Gehör, als Korinthus, obschon im Palaste aufgewachsen, in der That seiner Abstammung nach ein Araber war. 577 Er ließ sofort nicht bloß ihn, sondern noch zwei andere Araber verhaften, die man bei ihm antraf, von denen der eine ein Vertrauter des Sylläus, der andere aber ein Scheikh der Araber war. Auf der Folter bekannten nun die letzteren, dass sie den Korinthus durch die Zusage großer Geldgeschenke vermocht hätten, ein Attentat auf Herodes zu unternehmen, und sie wurden demzufolge nach einer neuerlichen Untersuchung vor dem damaligen Statthalter von Syrien, Saturninus, nach Rom geschickt.
578 (4.) Mittlerweile ließ Herodes nicht nach, in Pheroras zu dringen, dass er sich von seiner Frau trennen möchte. Er fand auch sonst keine Mittel und Wege, wie er etwa das Weib zur Strafe ziehen könnte, soviele Ursachen er auch zu seinem Hasse haben mochte, bis er endlich in der höchsten Aufwallung sie sammt seinem Bruder verjagte. 579 Pheroras ertrug aber lieber diese schimpfliche Behandlung, als dass er sich gefügt hätte, und begab sich auf sein Vierfürstenthum zurück, schwur jedoch, nie mehr seinen Verbannungsort verlassen zu wollen, bis Herodes todt wäre und ihn, solange er lebe, niemals zu besuchen. [111] In der That kam er zu seinem Bruder nicht einmal dann auf Besuch, als er schwer krank wurde, so inständig auch Herodes nach ihm verlangte, weil er in der sicheren Erwartung des Todes ihm noch einige Weisungen hinterlassen wollte. 580 Wider alles Erwarten aber genas er wieder und bewies sich, als nicht lange darauf Pheroras erkrankte, edelmüthiger als sein Bruder, indem er ihn heimsuchte und theilnahmsvoll pflegte. Pheroras überstand jedoch das Uebel nicht, sondern starb nach einigen Tagen, 581 und es ward sogar das Gerücht ausgesprengt, dass Herodes ihn durch Gift aus dem Wege geräumt habe, obwohl ihm der König bis zum letzten Augenblicke seine Liebe bewiesen hatte. Die Leiche ließ er übrigens nach Jerusalem zurückbringen, ordnete für die ganze Nation die tiefste Trauer an und feierte ihm ein überaus prächtiges Leichenbegängnis. So hatte nun wenigstens einer aus den Mördern des Alexander und Aristobulus sein Ende gefunden.
582 (1.) Nach Pheroras kam die Vergeltung auch über den Hauptschuldigen, Antipater, und zwar nahm sie ihren Ausgang gerade von Pheroras Tode. Es erschienen nämlich einige Freigelassene des letzteren in tiefster Niedergeschlagenheit bei dem König und hinterbrachten ihm, dass sein Bruder eigentlich an Gift gestorben sei. Seine Frau, erklärten sie, hätte ihm ein ganz seltsames Gericht vorgesetzt, nach dessen Genuss er alsbald in die Krankheit verfallen sei, 583 und erst vor zwei Tagen habe ihre Mutter im Verein mit ihrer Schwester ein altes Weib aus Arabien, das sich auf Zaubertränke verstand, zu dem Zwecke kommen lassen, um für Pheroras einen Liebestrank herzustellen; das Weib hätte ihm aber auf Veranstaltung des Sylläus, mit dem sie in Verbindung stand, dafür einen vergifteten Trank eingegeben.
584 (2.) Zufolge dieser Eröffnungen ward der König von immer ärgeren Vermuthungen bestürmt und ließ darum einige Sclavinen, sowie einige aus den Frauen, die Freie waren, der Folter unterwerfen. Eine davon begann nun in ihren Peinen laut aufzuschreien: „O, dass doch Gott, der Erde und Himmel regiert, mit seinem strafenden Arm endlich einmal jene erreichen möchte, die da schuld ist an unseren Qualen, die Mutter des Antipater!“ Damit war der König auf eine Spur gerathen, von der aus er noch weiter den Thatbestand verfolgte, um der Sache auf den Grund zu kommen. 585 Die Frau enthüllte ihm denn auch den Bund zwischen der Mutter des Antipater einerseits und Pheroras mit seinen Frauen andererseits, wie auch ihre geheimen [112] Conventikel, zu denen sich auch Pheroras und Antipater, so oft sie beim König gewesen, eingefunden hätten, um in Gesellschaft der Frauen ganze Nächte beim Wein zu verbringen, ohne auch nur einen einzigen Diener oder eine Dienerin um sich zu dulden. Die das angab, war, wohlgemerkt, eine aus der Zahl der Freien.
586 (3.) Die Sclavinen verhörte Herodes jede für sich auf der Folter. Gleichwohl waren die Aussagen bei allen gleichlautend mit der frühern Enthüllung, und sie verriethen außerdem noch, dass die Reise des Antipater nach Rom und die Entfernung des Pherorus nach Peräa eigentlich eine abgemachte Sache gewesen sei. Denn oft sei bei ihrem Meinungsaustausch das Wort gefallen, dass nach der Hinrichtung des Alexander und Aristobulus durch Herodes jetzt die Reihe an sie und ihre Frauen kommen werde, da nach dem Morde an Mariamne und deren Kindern kein anderer mehr auf seine Schonung rechnen dürfe. Es wäre also das klügste, sich soweit als möglich von der Bestie zurückzuziehen. 587 Auch seiner Mutter gegenüber hätte sich Antipater öfter bitter beklagt, dass er schon graue Haare bekomme, während sein Vater täglich jünger werde; ja er werde vielleicht den Antritt der eigentlichen Regierung überhaupt nicht mehr erleben. Wenn es aber auch mit dem Vater einmal zu Ende gehen werde, – wer wüsste indes, wann das geschehen dürfte! – so könnte der Genuss, den er von der Nachfolge habe, auf alle Fälle nur ein sehr kurzer sein. 588 Unterdessen wüchsen auch die Köpfe der Hydra, die Kinder des Aristobulus und Alexander, allmählig heran. Außerdem sei ihm auch vom Vater die Hoffnung auf Leibeserben in der Regierung entzogen worden, da ihm Herodes für den Fall seines Todes nicht einen von seinen Söhnen, sondern den Herodes, den Sohn der Mariamne, zum Nachfolger testamentarisch gegeben habe. Uebrigens zeige sich gerade in diesem Punkte an Herodes schon eine greisenhafte Wunderlichkeit, wenn er sich nämlich dem Glauben hingebe, dass wenigstens sein gegenwärtiges Testament Bestand haben werde. Denn der König werde selbst noch dafür sorgen, dass er keinen einzigen Sprössling seines Stammes übriglasse, 589 da unter allen Vätern, die je gelebt, noch keiner seine eigenen Kinder so sehr gehasst habe, wie Herodes. Indes sei sein Hass gegen die Geschwister noch bei weitem größer. Habe er ihm doch unlängst, so sollte Antipater sich weiter geäußert haben, hundert Talente unter der Bedingung geschenkt, dass er mit dem Pheroras nichts mehr rede. Auf die Erwiderung des Pheroras: Was haben wir ihm denn angethan? hätte Antipater bemerkt: „Seien wir froh, dass der König, nachdem er uns zuerst ganz und gar ausgezogen, uns wenigstens noch die Haut lässt. Aber es wird unmöglich sein, einer so blut- [113] rünstigen Bestie zu entrinnen, bei der man nicht einmal einige Freunde offen sein nennen darf. Wir können uns ja bisher nur heimlich zusammenfinden! Doch wird es von der Stunde an auch offen möglich sein, in der wir einmal Herz und Hand von Männern bekommen!“
590 (4.) So lauteten die Angaben der gefolterten Frauen, die auch erzählten, wie Pheroras auf das hin den Entschluss gefasst hätte, mit ihnen nach Peräa zu fliehen. Aus der Erwähnung der hundert Talente schloss Herodes auf die Glaubwürdigkeit aller übrigen Aussagen, da er darüber nur mit Antipater gesprochen hatte. Er ließ nun vor allen seinen Zorn an der Doris, der Mutter des Antipater, aus, indem er ihr alle Schmucksachen, die er ihr geschenkt hatte, und die einen Wert von vielen Talenten repräsentierten, wieder wegnahm und sie zum zweitenmale verjagte. 591 Den früher genannten Frauen des Pheroras dagegen verzieh er und ließ ihnen nach der Folterung eine sorgfältige Pflege angedeihen. Er selbst zitterte jetzt vor Angst und war beim leisesten Lüftchen eines Verdachtes gleich Feuer und Flamme, so dass er viele Schuldlose auf die Folterbank warf, aus lauter Furcht, einen Schuldigen auszulassen.
592 (5.) Im Verlaufe der Untersuchung kam die Reihe auch an den Samariter Antipater, welcher die Güter des Prinzen Antipater zu verwalten hatte. Bei dem peinlichen Verhöre mit diesem Manne erfuhr nun der König, es habe sich Antipater durch einen seiner Freunde, namens Antiphilus, aus Aegypten ein tödtliches Gift für Herodes besorgt, das dann Theudio, der Oheim des Antipater, von dem letzteren übernommen und an Pheroras weitergegeben hätte. Letzterem habe nämlich Antipater die Weisung ertheilt, während seiner Abwesenheit in Rom, die seine Person über jeden Verdacht erheben musste, den Herodes aus dem Wege zu räumen; Pheroras aber hätte seinerseits wieder das Gift bei seiner Frau aufgehoben gehabt. 593 Nun ließ der König die Frau holen und befahl ihr, auf der Stelle ihm das anvertraute Gift zu bringen. Sie gieng auch hinaus, als wenn sie das Verlangte bringen wollte, stürzte sich aber dann über das Dach hinab, um einer Entdeckung und der Rache des Königs zuvorzukommen. Sie fiel indes, offenbar infolge einer Fügung Gottes, der schon hinter Antipater her war, nicht auf das Haupt, sondern auf die entgegengesetzte Seite und blieb unbeschädigt. 594 Als man sie wieder heraufgebracht, und der König sie von ihrer Betäubung, die sie sich durch den Sturz geholt, ins Bewusstsein zurückgerufen hatte, fragte er sie, warum sie sich denn hinabgestürzt habe. Wenn sie ihm die Wahrheit sage, so werde er ihr, schwur er, die ganze Strafe schenken, sollte sie aber damit zurückhalten wollen, so werde er ihren Leib auf der Folter [114] gliedweise zermartern und nicht einmal eine ordentliche Leiche zum Begräbnis übrig lassen.
595 (6.) Auf das hin blieb die Frau für einige Augenblicke in stummer Ueberlegung. Dann aber sprach sie: „Was für einen Zweck hätte es denn jetzt mehr, da Pheroras todt ist, noch ferner das Geheimnis zu hüten, als höchstens den, einen Menschen zu retten, der uns alle ins Verderben gestürzt hat, den Antipater? Du sollst es darum hören, o König, und mit dir auch Gott der Herr, den ich zum Zeugen meiner Wahrhaftigkeit anrufe, und der nicht betrogen werden kann. 596 Damals, als du thränenbedeckt am Sterbebette des Pheroras zu sitzen pflegtest, ließ er mich einmal rufen und sprach zu mir: »Meine Frau, ich habe fürwahr die Gesinnung meines Bruders gegen mich arg misskannt und einen Bruder gehasst, der mich so zärtlich liebte, ja sogar seinen Mord geplant, der sich doch meinetwegen schon jetzt, da ich noch nicht todt bin, so sehr abhärmt. Ich habe übrigens bereits den Lohn für diese meine Verruchtheit. Du aber bringe mit jetzt das dir anvertraute und von Antipater uns zurückgelassene Gift, das für Herodes bestimmt war, und vertilge es geschwind vor meinen Augen, damit ich nicht auch noch in der Unterwelt unter der rächenden Hand Gottes zu leiden habe.« 597 Ich brachte es nach seinem Befehle und schüttete das meiste vor seinen Augen ins Feuer, doch habe ich für mich selbst ein kleinwenig gegen etwaige Ueberraschungen und aus Angst vor dir zurückbehalten.“
598 (7.) Nach diesem Geständnis brachte sie die Büchse herbei, in der nur noch ganz weniges vom Gifte enthalten war. Hierauf schritt der König zum peinlichen Verhör der Mutter und des Bruders von Antiphilus, die denn auch bekannten, sowohl, dass Antiphilus in der That die Büchse von Aegypten heraufgebracht, als auch, dass er sie dort von einem Bruder, der Arzt in Alexandrien war, bekommen habe. 599 Es war, als ob die Gespenster des Alexander und Aristobulus im ganzen Palaste herumschwirrten, um die feinsten Fäden des Verbrechens aufzuspüren und an die Sonne zu bringen, so dass sie selbst solche, die jedem Verdacht entrückt schienen, zur Verantwortung und Strafe zogen. Man kam nämlich unter anderem auch darauf, dass sogar Mariamne, die Tochter des Hohenpriesters, um den Anschlag gewusst habe, wie es ihre eigenen Brüder auf der Folter verriethen. 600 Der König ließ für die Verwegenheit der Mutter auch das Kind büßen, indem er ihren Sohn Herodes, der dem Antipater auf dem Throne hätte folgen sollen, aus dem Testamente strich.
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601 (1.) Daran schloss sich alsbald ein neues Glied und zwar das letzte in der Kette von Beweisen, die für die Pläne des Antipater sprachen. Es war Bathyllus, einer seiner Freigelassenen. Dieser brachte nämlich ein anderes todbringendes Mittel, bestehend aus dem Gifte der Schildotter und den Säften anderer Schlangen, herbei, das für Pheroras und seine Gattin eine neue Waffe gegen den König hätte abgeben sollen, falls sich das erste Gift als zu schwach erwiesen hätte. 602 Er brachte auch den Beweis für eine neue Intrigue, die neben dem am Vater versuchten Verbrechen einherlief, in der Gestalt von Briefen, die von Antipater zum Verderben seiner Brüder auf eine raffinierte Weise hergestellt worden waren. Diese Brüder waren Archelaus und Philippus, die Söhne des Königs, die in Rom damals eben ihre Ausbildung empfiengen, Jünglinge in der Blüte ihrer Körperkraft und voll jugendlicher Begeisterung. 603 Da dieselben ein Hemmnis für Antipaters Hoffnungen bildeten, so trachtete er auch sie sich vom Halse zu schaffen und fabricierte zu diesem Zwecke selbst mehrere für sie sehr abträgliche Briefe, die angeblich von ihren Freunden in Rom geschrieben worden sein sollten, während er auch einige dieser Freunde wirklich durch Bestechung dahin brachte, solche Briefe zu schreiben, in welchen sie erzählten, wie die beiden Brüder ihren Vater mit Lästerungen überhäuften, ganz ungeniert über Alexander und Aristobulus jammerten und über ihre Abberufung nach Hause höchst unwillig wären. Herodes war nämlich gerade daran, sie heimholen zu lassen, und das war es eben, was Antipater am allermeisten Kummer machte.
604 (2.) Er hatte übrigens bereits vor seiner Abreise nach Rom, da er noch in Judäa weilte, solche Briefe gegen die genannten Brüder durch gedungene Leute von Rom aus schreiben lassen, und war dann zu seinem Vater, der damals noch keinen Argwohn gegen ihn hegte, hingegangen, um sich seiner Brüder scheinbar anzunehmen, indem er ihre in diesen Briefen mitgetheilten Vergehen theils als erlogen, zum Theil als Ausfluss jugendlichen Leichtsinnes hinstellte. 605 Als er jetzt endlich selbst in Rom war, da ließ er erst recht sein Gold bei den gegen die Brüder gewordenen Briefschreibern spielen und suchte die Spuren, die zu einer Entdeckung führen konnten, damit zu verwischen, dass er kostspielige Kleider und buntgewirkte Lagerdecken, Pokale aus Silber und Gold und viele andere Wertsachen aufkaufte, um so durch den großen Aufwand in diesen Luxusartikeln die auf der anderen Seite hinausgeworfenen Bestechungssummen zu verschleiern. Auf diese [116] Weise hatte er eine Ausgabe von 200 Talenten gemacht, für die er hauptsächlich den Process mit Sylläus verantwortlich zu machen suchte. 606 Obschon aber jetzt alle seine Schlechtigkeiten und zwar die kleineren gerade durch die größeren vollständig bloßgelegt worden waren, indem alle peinlichen Verhöre die schreiendsten Beweise für den Vatermord, die Briefe aber solche für einen zweiten Brudermord ergeben hatten, so meldete ihm doch kein einziger von denen, die nach Rom kamen, den schlimmen Stand seiner Sachen in Judäa, trotzdem zwischen den Enthüllungen und seiner Rückkehr sieben Monate vergiengen. So groß war der allgemeine Hass gegen ihn, 607 und denen, die mit der Absicht kamen, davon Mittheilung zu machen, schienen die Geister der gemordeten Brüder die Kehle zuzuschnüren. So meldete nun Antipater in froher Stimmung brieflich seine bevorstehende Rückkehr aus Rom an und vergass nicht hervorzuheben, wie schmeichelhaft für ihn die Abschiedsaudienz bei dem Kaiser gewesen sei.
608 (3.) Da der König den Meuchler sobald als möglich in seine Hand bekommen wollte und die Besorgnis hatte, er möchte etwa zuvor Wind bekommen und sich vorsehen, so schickte er ihm auch seinerseits einen heuchlerischen Brief, in welchem er ihn außer anderen Freundlichkeiten, die er ihm sagte, um Beschleunigung der Rückkehr mit der Begründung ersuchte, dass er, der König, unter anderem dann desto eher die Differenzen mit Antipaters Mutter begleichen könnte. 609 Dem Antipater war nämlich die Ausweisung seiner Mutter nicht unbekannt geblieben. Noch vor diesem Briefe des Herodes hatte er einen anderen Brief in Tarent erhalten, welcher ihm das Ende des Pheroras meldete. Antipater hatte darüber große Trauer gezeigt, die einige auf den Verlust des Oheims bezogen und an ihm nicht genug bewundern konnten: es war aber allem Anscheine nach nur eine Folge der Bestürzung über das Misslingen des Anschlages, so dass er also in Pheroras nicht so sehr seinen Oheim, als vielmehr seinen Mordgesellen betrauerte. Auch überkam ihn damals selbst schon ein gewisses Grauen vor dem, was er angerichtet hatte, falls doch etwa das Gift entdeckt worden wäre. 610 Als er aber dann in Cilicien den besagten Brief seines Vaters bekam, beschleunigte er sofort seine Reise. Bei seiner Landung in Celenderis erfasste ihn jedoch neuerdings eine gewisse Unruhe beim Gedanken an den Sturz seiner Mutter, und eine geheime Ahnung seiner Seele schien ihm bereits sein Los vorauszusagen. 611 Die Bedächtigeren unter seinen Freunden riethen ihm denn auch, sich nicht früher in die Gewalt seines Vaters zu begeben, bis er unzweideutigen Aufschluss erhalten hätte, aus welchen Gründen der König seine Mutter verstoßen hätte; denn es wäre zu fürchten, dass Antipater ein neues Opfer jener Beschuldigungen [117] werden könnte, die schon seine Mutter gestürzt hatten. 612 Die Unüberlegteren dagegen und jene, die sich mehr vom Wunsche leiten ließen, endlich wieder einmal die Heimat zu sehen, als von der Sorge für das Wohl des Antipater, munterten ihn zur Eile auf und meinten, er dürfe durch sein Zaudern bei seinem Vater keinen schlimmen Verdacht aufkommen lassen und den Feinden keinen Anhaltspunkt für ihre Verdächtigungen bieten. Denn auch das, was eben jetzt vielleicht gegen ihn in Bewegung gesetzt worden, sei nur die Folge seiner Abwesenheit, und hätte man bei seiner Anwesenheit so etwas wohl gar nicht gewagt. Es wäre aber auch ungeschickt, sich wegen eines unsicheren Verdachtes sichere Güter entreißen zu lassen, statt so schnell als möglich dem Vater seine Gegenwart zu schenken und mit ihm die Krone zu theilen, die ihm allein schon zu schwer werde. 613 Diesen letzteren folgte Antipater, oder vielmehr es jagte ihn bereits der Geist der Rache. Er fuhr von Cilicien hinüber nach Palästina und lief in Sebastus, dem Hafen von Cäsarea, ein.
614 (4.) Zu seiner Ueberraschung fand er auch nicht eine Menschenseele zu seinem Empfange vor, vielmehr wichen ihm alle scheu aus, und keiner getraute sich, in seine Nähe zu kommen. Der Grund dafür lag nicht minder in dem Hasse, den man gegen ihn hegte, und der sich jetzt einmal ungescheut bethätigen durfte, wie in der Furcht vor dem König, die ebenfalls viele von ihm fernhielt, nachdem die Schurkereien des Antipater schon überall das allgemeine Stadtgespräch bildeten, und nur er allein über den Stand seiner Sachen im Unklaren war. Kurz gesagt, wie Niemand noch ein prächtigeres Abschiedsgeleite bekommen, als Antipater vor seiner Abfahrt nach Rom, so hat auch wohl Niemand je einen schmählicheren Empfang gehabt. 615 Er begann denn auch schon Unrath am Hofe zu wittern, hielt aber aus schlauer Berechnung noch mit seinem Verdachte zurück, und obschon ihm in der Brust sterbensangst wurde, zwang er sich doch zu einer eisernen Stirne. 616 Zur Flucht wäre es übrigens auch schon zu spät gewesen, und kein Entrinnen gab es mehr aus dieser Umklammerung. Wie in Rom, wurde ihm auch hier im eigenen Lande nicht der geringste Wink über die Ereignisse am Hofe infolge der strengen Weisungen von Seite des Königs gegeben. Nur ein freudigerer Hoffnungsschimmer war ihm geblieben, dass am Ende doch noch nichts aufgekommen sei, oder wenn auch etwas entdeckt worden wäre, dass es ihm vielleicht gelingen könnte, durch ein unverschämtes und listiges Auftreten die drohenden Wolken zu zerstreuen. Das waren unter diesen Umständen noch die einzigen Waffen, die ihn retten konnten.
617 (5.) Mit diesen gewappnet, schritt er nun den königlichen Gemächern zu und zwar ohne seine Freunde, da diese schon im äußersten Thor- [118] gang des Palastes schimpflich zurückgewiesen worden waren. Drinnen aber beim König war eben Varus, der Statthalter von Syrien. Antipater gieng nun zu seinem Vater hinein und mit einem Muthe, den nur die höchste Frechheit sich selbst einflößen kann, näherte er sich ihm, um ihn zu umfangen. 618 Herodes aber wehrt ihn mit beiden Händen ab, wirft das Haupt zurück und schreit laut auf: „Ha, das gienge gerade dem Vatermörder ab, dass er, obschon mit so entsetzlichen Anschuldigungen belastet, mich auch noch umhalsen möchte. Herunter sollst du mir, allerverruchtestes Haupt, wenn du dich unterstehest, mich anzurühren, ehe du dich von deinem schwarzen Verdachte gereinigt hast. Ich bewillige dir noch ein ordentliches Gericht und einen Richter, der nicht gelegener hätte kommen können, den Statthalter Varus da. Geh' und studiere dir deine Vertheidigung bis morgen zusammen; soviel Spielraum will ich deinem Lügengenie noch geben!“ 619 Auf das fand Antipater vor Bestürzung kein einziges Wort der Erwiderung und zog sich in seine Gemächer zurück. Hier trafen ihn endlich seine Mutter und seine Gattin und erzählten ihm alle Entdeckungen, die man gemacht hatte. Jetzt kam er wieder zu einer nüchternen Auffassung seiner Lage und machte sich an den Entwurf seiner Vertheidigungsrede.
620 (1.) Am nächsten Tage versammelte der König seine Verwandten und Freunde zu einer Gerichtssitzung, zu der übrigens auch die Freunde des Antipater von ihm berufen wurden. Herodes nahm dabei mit Varus den Vorsitz ein und ließ zunächst sämmtliche Belastungszeugen hereinführen. Unter diesen wurden auch einige Diener der Mutter des Antipater vorgeführt, die kurz zuvor gerade in dem Momente betreten worden waren, wie sie eben einen Brief von ihr an den Sohn besorgen wollten, der folgenden Inhalt hatte: „Dein Vater hat alles – du weißt wohl, was – heraus. Komm daher ja nicht früher an den Hof, bevor du dich nicht einer militärischen Unterstützung von Seite des Kaisers versichert hast.“ 621 Als diese Diener mit den übrigen Zeugen eingeführt worden waren, kam auch Antipater, warf sich vor den Füßen seines Vaters mit dem Angesicht zur Erde und rief: „Ich bitte dich inständigst, Vater, dass du mich in keinem Punkte schon im Vorhinein verurtheilen, sondern mir nur ein billiges Gehör für meine [119] Vertheidigung gewähren mögest. Denn ich hoffe, meine Unschuld darthun zu können, wenn anders dein Wille das nicht verhindert.“
622 (2.) Herodes aber schrie ihm zu, dass er schweigen solle, und begann hierauf, zu Varus gewendet: „Ich bin mir fürwahr ganz sicher, dass du, o Varus, wie auch jeder andere pflichtbewusste Richter in diesem Antipater da einen grundverdorbenen Menschen finden wird: was ich aber fürchte, das ist, es könnte dir mein Unglück nur eine tiefe Verachtung gegen mich einflößen und dich glauben machen, ich müsse wohl selbst schuld an meinem ganzen Elende sein, da ich solche Ungeheuer von Söhnen gezeugt habe. Aber ich dürfte, glaube ich, gerade aus diesem Grunde eher Mitleid verdienen, weil ich gegen solche Schandbuben noch eine so überaus zärtliche Vaterliebe gehegt habe. 623 Denn schon an meinen früheren Söhnen, die ich trotz ihrer Jugend auf den Thron gehoben und außer der Erziehung, die ich ihnen zu Rom geben ließ, noch zu Freunden des Kaisers und für andere Prinzen beneidenswert gemacht habe, habe ich nur Meuchler gefunden und sie auch als solche sterben lassen, ganz besonders aus Besorgnis für diesen Antipater da, dem ich, da er noch jung und zu meinem Nachfolger bestimmt war, durch ihren Tod die nöthige Sicherheit gewähren wollte. 624 Was hat aber dafür diese greuliche Bestie gethan? Ueber und über gemästet von den Erweisen meiner Geduld, hat sie ihren satten Rachen auch gegen mich aufgesperrt. Ich schien ihm nämlich viel zu lange zu leben, und die paar Tage meines Greisenalters fand er schon unerträglich. So wollte er denn durchaus über die Leiche seines gemordeten Vaters hinweg zum Throne schreiten und damit hätte er mir nicht so unrecht gethan! Warum musste ich auch den verjagten Sohn eigens vom Lande hereinbringen und, nachdem ich seinetwegen die Söhne meiner Gemahlin aus königlichem Geblüte beiseite geschoben, auch noch zum Thronfolger ernennen! 625 Ich muss dir, o Varus, schon aufrichtig gestehen, wie hirnverbrannt ich gewesen bin! Ich selbst habe leider jene Kinder gegen mich erbittert, indem ich um Antipaters willen ihnen ihre nur allzu billigen Hoffnungen abgeschnitten habe. Und wo habe ich ihnen je soviel Gutes gethan, wie diesem einen da? Fehlte doch nur wenig, dass ich ihm noch zu meinen Lebzeiten auch die Herrschaft abgetreten hätte! Was ich aber that, das war, dass ich ihn ganz offen als meinen Thronfolger ins Testament gesetzt, dass ich ihm ein besonderes Einkommen von jährlich fünfzig Talenten zugetheilt, meine eigene Casse für ihn fast geplündert, unter anderem erst jüngst noch auf seine Romfahrt 300 Talente ihm mitgegeben und ihn dem Kaiser als den einzigen Hort seines Vaters aus meiner ganzen Verwandtschaft em- [120] pfohlen habe. 626 Und was sind denn dann die Frevel, die jene anderen Söhne begangen haben, im Vergleich mit denen des Antipater? Oder was ist das Beweismaterial, das man gegen sie vorgebracht hat, verglichen mit dem, das diesen da als Meuchler entlarvt hat? 627 Doch, es hat sich soeben der Vatermörder etwas zu krächzen unterstanden, und er macht sich Hoffnung, mit seinen Kniffen abermals die Wahrheit verschleiern zu können. Nimm dich in Acht, Varus! Ich kenne die Bestie und weiß schon zum Voraus, wie sie alles im schönsten Lichte darstellen und Krokodilszähren weinen wird. Das ist ja der nämliche Antipater, der mich einst, da Alexander noch lebte, so rührend gewarnt hat, mich vor ihm in Acht zu nehmen und Leib und Leben doch nicht allen zu vertrauen. Der ist es ja, welcher wie ein Kämmerer mich zu Bette geleitet und sorglich Umschau gehalten hat, ob kein Mörder sich irgendwo versteckt halte. Das ist derselbe, der mich in den Schlaf gelullt und sorgenfreie Stunden mir verschafft hat, der mir so schön zusprach in meiner Trauer um die Hingerichteten, wie er so trefflich auch die Wohlgesinnung der Brüder, da sie noch lebten, zu sondieren verstand, er, mein schützender Schild und mein Leibwächter! 628 So oft ich, Varus, an seine Schlauheit in allem und jedem und an seine Heuchelei denke, so greife ich mir an den Kopf, ob ich denn richtig noch lebe, und wundere mich, wie ich einer so unergründlichen Verrätherseele habe entgehen können. Aber da schon einmal ein böser Geist daran ist, mein Haus vollständig wüste zu machen, und gerade jene, die mir am theuersten sind, stets gegen mich aufreizt, so kann ich dagegen nichts anderes thun, als weinen über mein unverdientes Verhängnis und in der Stille meines Herzens seufzen über meine Vereinsamung. Nie werde ich indes zugeben, dass mir auch nur ein einziger entrinne, den es je nach meinem Blute gelüstet hat, und sollte ich selbst alle meine Kinder auf die Anklagebank bringen müssen.“
629 (3.) Bei diesen Worten versagte ihm vor innerer Bewegung die Sprache, und er wollte jetzt einen seiner Freunde, namens Nikolaus, die Beweise einzeln vornehmen lassen. Unterdessen aber erhob Antipater, der sich, wie gesagt, vor die Füße des Vaters hingeworfen hatte und in dieser Haltung verblieben war, wieder sein Haupt und rief: 630 „Du selbst, o Vater, hast jetzt an meiner statt meine Vertheidigungsrede gehalten. Denn wie sollte ich ein Vatermörder sein, da du mich nach deinem eigenen Geständnisse die ganze Zeit über als Wächter an deiner Seite gehabt hast? Bloße Gaukelei und Heuchelei nennst du ferner meine Liebe zum Vater. Wie also? sollte ich, der ich in allen anderen Stücken als ein so geriebener Kopf gelte, auf einmal so dumm geworden sein, um nicht zu merken, dass die Vorbereitung [121] eines so grauenhaften Verbrechens selbst vor den Augen der Menschen nicht leicht geheim gehalten werden kann, am allerwenigsten aber vor dem himmlischen Richter, der alles sieht und überall zugegen ist? 631 Oder wusste ich vielleicht nichts von dem traurigen Ende meiner Brüder, die Gott gerade wegen ihrer schlimmen Absichten auf dich so furchtbar gestraft hat? Was hätte mich dann auch gegen dich aufreizen können? Etwa die Hoffnung auf den Thron? Aber ich war doch schon so gut wie König! Oder der Verdacht, bei dir nicht wohl gelitten zu sein? Aber ward ich denn nicht geradezu zärtlich geliebt? Vielleicht irgend ein fremder Einfluss, den ich bei dir zu fürchten hatte? Aber es war doch umgekehrt mein Einfluss, wenn ich nur dich respectierte, von den anderen zu fürchten! Oder hatte ich zu wenig Geld? Ja, wer konnte denn einen freieren Gebrauch davon machen? 632 Gesetzt aber, ich wäre wirklich der allerverkommenste Mensch geworden und würde eher die Seele einer wilden Bestie besitzen, hätte ich denn nicht wenigstens durch deine Wohlthaten, o Vater, nothwendig kirre gemacht werden müssen, ich, den du nach deiner eigenen Aussage eigens zu dir zurück geholt hast, um mich dann vor sovielen Kindern zu bevorzugen, mich zu deinen Lebzeiten noch zum König zu ernennen und durch die unerschöpfliche Fülle aller anderen Gutthaten mich zu einem vielbeneideten Glückskind zu machen? 633 O, ich Unglücklicher, dass ich denn diese bittere Reise unternehmen musste! Wieviel Zeit habe ich doch dem Neide und welch’ einen weiten Vorsprung meinen hinterlistigen Feinden gelassen! Und doch weilte ich nur in deinem Interesse, o Vater, und zur glücklichen Beendigung deines alten Kampfes mit Sylläus in der Ferne, damit dieser Mensch nicht etwa dein graues Haupt noch mit Schmach bedecke. Ganz Rom ist Zeuge meiner Pietät und der Lenker des Erdkreises, der Kaiser, der mich oftmals Philopator, d. h. einen braven Sohn, geheißen hat. Nimm da, Vater, den Brief von ihm, der verdient mehr Glauben, als die Hofcabale da: das soll meine einzige Vertheidigungsschrift sein, das sind die besten Zeugnisse für meine kindliche Liebe gegen dich, auf die ich mich stützen kann. 634 Denke zurück, wie hart ich von hier fortgefahren bin, weil ich nur zu gut um die Feindseligkeit wusste, die gegen mich im ganzen Königreiche herrschte, wenn sie sich auch bis dahin noch nicht aus ihren Schlupfwinkeln gewagt hatte. Gerade du also, o Vater, hast mir, ohne es zu beabsichtigen, die Grube gegraben, da du mich zwangst, dem Neide zu seinen Verleumdungen Zeit zu lassen. Jetzt endlich bin ich wieder da, bin da, um den gegnerischen Zeugen kühn ins Auge zu schauen, ja ich, der Vatermörder, dem nirgends, weder zu Land noch zur See, auch nur [122] ein Haar gekrümmt worden ist. 635 Doch ich sehe, dass meine bisherige Beweisführung noch gar keinen Eindruck erzielt hat: ich bin ja vor Gott und vor dir, Vater, schon im vorhinein dem Tode geweiht. Aber als ein dem Tode verfallener Mensch habe ich nur die eine Bitte: glaube nicht den peinlichen Aussagen anderer, sondern gegen mich sollst du die Flammen zucken lassen, durch meine Eingeweide deine Marterwerkzeuge bohren, und schonungslos möge der elende Leib zerrissen werden. Denn bin ich ein Vatermörder, dann soll und will ich auch nicht ungemartert sterben.“ 636 Diese unter Stöhnen und Schluchzen herausgepressten Worte bewegten alle, selbst den Varus, zum Mitleid: nur dem Herodes ließ der Zorn keine Thräne entquellen, weil er nur zu sehr von der Wahrheit der Beweise überzeugt war.
637 (4.) In diesem Augenblick trat, wie es der König schon früher befohlen, Nikolaus hervor, um zunächst eine lange Schilderung von der Verschmitztheit des Antipater vorauszuschicken und so die mitleidige Stimmung, die dessen Rede hervorgerufen, wieder zu verscheuchen. Hierauf ließ er eine sehr bittere Anklagerede wider ihn los, in welcher er ihm alle großen Verbrechen im Reiche aufbürdete, so namentlich die Hinrichtung der Brüder, die, wie er nachwies, nur seinen Verleumdungen zum Opfer gefallen wären. Er kam dann auch auf die Nachstellungen zu sprechen, die Antipater selbst den überlebenden Brüdern noch fortwährend bereitet hatte, weil sie es nach seiner Meinung auf die Thronfolge abgesehen hätten. „Und wie sollte wohl auch,“ folgerte der Redner, „ein Mensch, der seinem eigenen Vater den Giftbecher gemischt, vor seinen Brüdern Halt machen?“ 638 Endlich schritt Nikolaus zum Beweise für den geplanten Giftmord selbst, indem er die Zeugenaussagen der Reihe nach vorführte, nicht ohne bei Erwähnung des Pheroras seinem tiefsten Unwillen Ausdruck zu geben, dass selbst aus einem solchen Manne Antipater einen Brudermörder gemacht und durch die Verführung gerade von solchen Persönlichkeiten, die dem König am meisten ans Herz gewachsen waren, das ganze Haus mit Greueln angefüllt habe. Außerdem brachte der Redner noch viele andere Beschuldigungen vor, die er sämmtlich mit Beweisen erhärtete, und schloss dann seine Anklage.
639 (5.) Als nun Varus den Antipater zu seiner Vertheidigung aufforderte, konnte dieser nichts anderes sagen, als: „Gott ist mein Zeuge, dass ich an allem schuldlos bin“, und blieb dann stumm am Boden liegen. Jetzt verlangt Varus das Gift und lässt es einem der zum Tode verurtheilten Gefangenen zum Trinken reichen. 640 Er brach auf der Stelle sterbend zusammen. Nachdem dann Varus noch eine längere geheime Unterredung mit Herodes gehabt und den Verlauf [123] der Gerichtssitzung in einem Schreiben an den Kaiser aufgesetzt hatte, reiste er am nächsten Tage wieder ab. Den Antipater ließ der König in Ketten legen und schickte auch seinerseits an den Kaiser Gesandte ab, die ihm von dem traurigen Falle Meldung erstatten sollten.
641 (6.) Nach diesen Vorgängen kam auch noch ein Anschlag des Antipater auf Salome zur Enthüllung. Es traf nämlich ein Diener des Antiphilus mit Briefen aus Rom ein, welche von einer Zofe der Kaiserin Julia, namens Akme, gesendet wurden. Von dieser wurde dem König die schriftliche Eröffnung gemacht, dass sie die Briefe, welche Salome an die Kaiserin Julia geschrieben, unter der Correspondenz ihrer Herrin aufgefunden habe und hiemit dem König aus Verehrung heimlich übermitteln wolle. 642 Diese Briefe aber, die die verletzendsten Schmähungen und schwerwiegendsten Anklagen gegen den König enthielten, hatte Antipater zusammengestoppelt und durch die Akme, die er dafür mit Geld gewonnen hatte, dem Herodes zuschicken lassen. 643 Indes wurde ein anderes Schreiben, das die saubere Person an Antipater selbst bei dieser Gelegenheit gerichtet hatte, an ihr zum Verräther. Es hatte folgenden Wortlaut: „Ich habe in deinem Sinne an deinen Vater geschrieben und die bewussten Briefe dem Schreiben beigelegt, in der bestimmten Erwartung, dass der König nach Durchlesung derselben gegen seine Schwester keine Schonung mehr kennen werde. Du aber wirst, wenn alles geglückt ist, die Güte haben, dich auch an deine Versprechungen mir gegenüber zu erinnern.“
644 (7.) Als man hinter dieses Schreiben, wie auch hinter die Fälschung der gegen Salome fabricierten Briefe gekommen, drängte sich dem König sofort der Argwohn auf, es möchten am Ende auch gegen Alexander solche Briefe hergestellt worden sein. Der Gedanke, dass er um ein Haar wegen des Antipater auch noch seine eigene Schwester getödtet hätte, erfüllte seine Seele mit dem tiefsten Gram, so dass er ohne jeden weiteren Verzug der Rache gegen Antipater vollen Lauf zu lassen beschloss. 645 Er war eben im Begriffe, seine Hinrichtung zu verfügen, als sein Entschluss durch eine schwere Krankheit eine Unterbrechung erlitt. Doch unterließ er es nicht, wegen der Akme und des ganzen Complotes gegen Salome dem Kaiser zu schreiben. 646 Er forderte auch sein Testament, um es abzuändern, und ernannte mit Beiseitesetzung der ältesten Söhne Archelaus und Philippus, die von Antipater ebenfalls eingetunkt worden waren, den Antipas zum König. Dem Kaiser vermachte er außer anderen Geschenken an Realien noch die Barsumme von 1000 Talenten; der Kaiserin und den Kindern, wie auch den Freunden und Freigelassenen des Kaisers bei 500 Talente. Ebenso vertheilte er an alle anderen Bekannten nicht unbeträchtliche [124] Besitzungen und Gelder und ehrte vor allen seine Schwester Salome mit den prachtvollsten Spenden. Das waren die Verbesserungen, die er nunmehr an seinem Testamente vornahm.
647 (1.) Die Krankheit des Königs machte immer bedenklichere Fortschritte, was umso begreiflicher ist, als ihre Anfälle ihn gerade im Greisenalter und im Zustande der größten seelischen Abspannung getroffen hatten. Er war nämlich schon fast siebzig Jahre alt und geistig so tiefgebeugt durch die Unglücksschläge an seinen Kindern, dass er nicht einmal in seinen gesunden Tagen vom Leben etwas Gutes mehr hatte. Seine Krankheit verschärfte noch der Gedanke an Antipater, der immer noch lebte, weil seine Hinrichtung nach dem Wunsche des Königs nicht so nebenbei, sondern in seinem Beisein, wenn er sich wieder wohler befände, stattfinden sollte.
648 (2.) In diesen Tagen seines Leidens brach endlich auch noch ein Volksaufstand aus, veranlasst durch zwei Schriftgelehrte, die in der Hauptstadt lebten und im Rufe von besonders genauen Erklärern der väterlichen Gesetze standen, weshalb sie auch beim ganzen Volke das höchste Ansehen genossen. Judas, der Sohn des Sepphoräus, war der eine, Matthias, der Sohn des Margalus, der andere. 649 Zu ihren Gesetzeserklärungen strömten nicht wenige junge Leute herbei, so dass sie Tag für Tag eine ganze Heerschar von kraftvollen Jünglingen zusammenbrachten. Als ihnen nun damals zu Ohren kam, wie der König in seinem geistigen und körperlichen Elende immermehr dahinsieche, da ließen sie in ihrem Bekanntenkreise die Bemerkung fallen, dass eben jetzt der passendste Zeitpunkt gekommen wäre, die Ehre Gottes zu rächen und die gegen das Verbot der väterlichen Vorschriften angebrachten Kunstwerke herabzureißen. 650 Denn es sei ganz gegen Recht und Gesetz, wenn sich im Tempel Bilder oder Büsten oder sonst welche Monumente fänden, die irgend ein lebendes Wesen zur Anschauung bringen sollten. Die Schriftgelehrten meinten damit den goldenen Adler, welchen Herodes über der großen Tempelpforte hatte anbringen lassen, und wollten nun zu dessen Zerstörung die jungen Leute aneifern, indem sie darauf hinwiesen, dass, wenn auch die Sache nicht ganz ungefährlich verlaufen sollte, es doch andererseits [125] auch so schön wäre, um des väterlichen Gesetzes willen sein Leben hinzugeben. Denn die Seelen derer, die einen solchen Tod nähmen, seien wahrhaft unsterblich, und von ewiger Dauer sei auch ihr seliges Empfinden, während die gemeinen Seelen und alle jene, welche da unbekannt mit der Weisheit der Schriftgelehrten zum unwissenden Haufen gehörten, feige am Leben hiengen und den Tod im Bette dem Tode der Wackeren vorzögen.
651 (3.) Während sie noch so redeten, verbreitete sich das Gerücht, dass der König schon mit dem Tode ringe, was natürlich die jungen Leute noch mehr zur Uebernahme des Wagnisses ermuthigte. Am hellen Mittag nun, also zu einer Zeit, wo viele Leute im Heiligthum sich aufhielten, ließen sie sich an dicken Seilen vom Dache hinunter und schlugen den erwähnten goldenen Adler mit Aexten herab. 652 Sofort ward dem Befehlshaber des Königs Meldung erstattet, der denn auch gleich mit einer nicht unbeträchtlichen Schar zum Tempelhause hinaufstürmte, bei vierzig Jünglinge ergreifen und zum König hinabführen ließ. 653 Auf dessen erste Frage, ob sie es wirklich gewagt hätten, den goldenen Adler herunterzuschlagen, sagten sie ganz offen: „Ja.“ Auf die zweite Frage, wer es ihnen denn befohlen hätte, entgegneten sie: „Das väterliche Gesetz.“ Als der König dann noch weiter fragte, wie sie denn noch so fröhlich sein könnten im Angesichte eines sicheren Todes, erklärten sie: „Weil wir es nach unserem Tode weit besser haben werden!“
654 (4.) Auf das hin wurde der König über die Maßen zornig, so dass er sogar die Herrschaft über den siechen Leib wieder gewann und in die Volksversammlung sich begeben konnte, wo er in einer langen Anklagerede die Männer als Tempelräuber und als Leute hinstellte, die unter dem Deckmantel der Gesetzestreue eine noch viel ernstere Bewegung im Schilde geführt hätten, und mit der Forderung schloss, dass man sie als Gottesräuber bestrafen solle. 655 Da das Volk die Besorgnis hegte, es möchten wohl noch viele andere als Schuldige betroffen werden, so bat es den König, in erster Linie nur diejenigen zu züchtigen, welche zur That gerathen hätten, in zweiter Linie dann jene, die auf frischer That ergriffen worden wären, allen übrigen jedoch die Strafe nachzusehen. Nur schwer konnte sich der König dazu verstehen. Er befahl darauf, jene, die sich vom Dache hinuntergelassen hatten, sammt den Gesetzeslehrern lebendig zu verbrennen, während er die übrigen an Ort und Stelle festgenommenen Jünglinge einfach seinen Trabanten zur Hinrichtung übergab.
656 (5.) Von da an verbreitete sich die Krankheit über den ganzen Leib und äußerte sich in den verschiedensten qualvollen Erscheinungen. Bei nur mäßigem Fieber stellte sich auf der ganzen Hautoberfläche [126] ein unausstehliches Jucken ein, wie auch ein beständiges kolikartiges Grimmen im Darm. Rings an den Füßen bildeten sich Wülste, wie bei einem Wassersüchtigen. Der Unterleib war entzündlich aufgeschwollen, und ein fauliges Geschwür, in dem schon Würmer wuchsen, durchfraß seine Schamtheile. Dazu gesellten sich bei liegender Stellung Erstickungsanfälle und in jeder anderen Lage wenigstens Athembeschwerden und endlich Krämpfe an allen Gliedern. Kein Wunder, wenn prophetische Männer diese furchtbaren Krankheitszustände als eine Strafe Gottes für die Hinrichtung der Gesetzeslehrer bezeichneten. 657 Obgleich nun Herodes mit so entsetzlichen Schmerzen zu kämpfen hatte, so hielt er dennoch zähe am Leben, hoffte immer noch auf Hilfe und suchte Heilung. So ließ er sich zu diesem Zwecke auch über den Jordan bringen, um die heißen Quellen von Kallirrhoë zu gebrauchen, die in den Asphaltsee abfließen und, weil Süßwasserquellen, auch trinkbar sind. Hier hielten es die Aerzte für gerathen, mit einem heißen Oelbad seine ganzen Lebensgeister wieder aufzuwärmen: kaum war er aber in die volle Badwanne mit Oel hineingelassen worden, als er plötzlich in Ohnmacht fiel und die Augen wie ein Sterbender zu verdrehen begann. 658 Unter der Dienerschaft entstand eine große Verwirrung, und bei ihrem Geschrei kam er wieder zu sich. Jetzt ließ Herodes selbst alle weitere Hoffnung auf Rettung fahren und gab Befehl, jedem Soldaten fünfzig Drachmen, den Officieren und Freunden aber noch viel beträchtlichere Spenden an Geld zu verabreichen.
659 (6.) Der König kehrte jetzt wieder nach Jericho zurück. Dort angekommen, verstieg er sich in seiner schwarzgalligen Stimmung, in der er fast dem Tode selber, ich weiß nicht, mit was noch, drohen wollte, zu dem Gedanken an eine ganz entsetzliche Unthat. Er ließ nämlich aus ganz Judäa bis zum letzten Dorfe herab die angesehensten Männer nach Jericho bringen und in das sogenannte Hippodrom oder die Rennbahn einsperren. 660 Er beschied dann seine Schwester Salome und ihren Gatten Alexas zu sich und sprach: „Ich weiß, dass die Juden meinen Todestag wie einen Feiertag begehen werden. Doch steht es noch in meiner Macht, durch den Tod anderer mir eine Leichenklage und eine gar solenne Trauerfeier zu verschaffen, vorausgesetzt, dass ihr meinen Befehlen zu Diensten sein wollt. Ihr sollt nämlich, sobald ich den Geist ausgehaucht habe, diese eingesperrten Männer sofort von den Soldaten umzingeln und auf der Stelle niederhauen lassen, damit in ganz Judäa jedes Haus über mich wenigstens unfreiwillige Thränen vergießen muss.“
661 (7.) Nach dieser entsetzlichen Anordnung trafen von seinen Gesandten in Rom Briefe ein, in denen die auf Befehl des Kaisers erfolgte [127] Hinrichtung der Akme und die Bestätigung des Todesurtheiles über Antipater berichtet wurde. Sie enthielten aber auch die Bemerkung, dass der Kaiser gar nichts dagegen habe, wenn er, seinem Vaterherzen folgend, den Schuldigen bloß in die Verbannung schicken würde. 662 Auf die freudige Bewegung hierüber erholte sich der König für kurze Zeit, um dann neuerdings, durch mangelhafte Nahrungsaufnahme und krampfhaftes Husten entkräftet, seinen Schmerzen zu unterliegen. Er wollte jetzt dem Verhängnis zuvorkommen. Er nahm einen Apfel und verlangte dazu auch ein Messer, weil er gewohnt war, beim Essen immer einzelne Stücke mit dem Messer abzuschneiden. Er sah sich dann um, ob ihn Niemand zurückhalten könnte, und holte mit der Rechten zum Stoße aus, um sich zu durchbohren. Rasch war aber Achiabus, sein Better, zur Stelle, fiel ihm in den Arm und vereitelte seine Absicht. 663 Sofort erscholl durch den ganzen Palast ein ungeheures Jammergeschrei, als wenn der König schon verschieden wäre. Alsbald war es auch zu des Antipaters Ohren gedrungen. Er athmete wieder auf und bat in freudiger Erregung die Wachen, ihm gegen reichliche Entlohnung die Ketten abzunehmen und ihn herauszulassen. Der Wachcommandant aber verbot es nicht bloß, sondern eilte zum König und meldete ihm, was Antipater vorhätte. 664 Da schrie der König mit einer bei dieser Schwäche ganz unglaublichen Kraft: „Auf der Stelle soll meine Leibwache hinuntergehen und ihn kalt machen!“ Diese gieng hin und hieb Antipater nieder. Seine Leiche gebot Herodes in Hyrkanium zu begraben. Dann schrieb er noch einmal sein Testament um und machte darin seinen ältesten Sohn Archelaus, den Bruder des Antipas, zum Thronfolger, den Antipas aber zum bloßen Tetrarchen.
665 (8.) Herodes überlebte die Hinrichtung seines Sohnes nur um fünf Tage und starb nach einer Regierung von 34 Jahren, von da an gerechnet, wo er mit dem gewaltsamen Tode des Antigonus in den factischen Besitz der Staatsgewalt gelangt war, während es von seiner Ernennung zum König durch die Römer an schon 37 Jahre waren. In ihm starb ein Mann, der sonst in jeder Beziehung Glück hatte, wie nur einer, da er sich ja aus dem Privatstande auf einen Thron geschwungen und diesen solange Zeit behauptet hatte, um ihn endlich auch noch den Leibeserben hinterlassen zu können, der aber andererseits in seinen Familienverhältnissen der unglücklichste Mensch gewesen ist. 666 Bevor das Militär noch von seinem Tode Kunde erhalten, begab sich Salome mit ihrem Gatten in die Stadt hinab und ließ die Gefangenen, deren Niedermetzlung der König anbefohlen hatte, auseinandergehen, mit der Erklärung, Herodes hätte sich eines Besseren besonnen und lasse jeden wieder nach Hause gehen. Erst als diese sich [128] zerstreut hatten, theilte sie den Soldaten das Ereignis mit und beschied sie mit dem übrigen Volke zu einer Versammlung in das Amphitheater von Jericho. 667 Hier hielt zunächst Ptolemäus, der vom König mit der Bewahrung des Siegelringes betraut worden war, eine Rede, in welcher er den Verstorbenen höchst glücklich pries und das Volk zu beruhigen suchte. Dann las er den letzten Aufruf vor, den Herodes an seine Krieger gerichtet hatte, und in welchem er sie in nachdrücklichster Weise zur Hingebung an seinen Nachfolger aufforderte. 668 Nach der Verlesung dieser Schrift löste er die Siegel vom eigentlichen Testamente und las es gleichfalls der Versammlung vor. Es war darin Philippus zum Erben und Herrn von Trachonitis und den angrenzenden Gebieten, Antipas, wie schon oben gesagt, zum Tetrarchen, Archelaus aber zum König bestimmt. 669 Der letztere sollte nach der Anweisung des Königs dessen Siegelring und den mit dem königlichen Siegel versehenen Rechenschaftsbericht über die finanzielle Verwaltung des Königreiches dem Kaiser überbringen, weil diesem allein, wie Herodes anmerkte, die oberste Verfügung über alle seine Anordnungen, wie auch die Bestätigung des letzten Testamentes zustehe. In allen anderen Punkten möge sich Archelaus genau an die alten testamentarischen Bestimmungen halten.
670 (9.) Sofort entstand ein Sturm des Beifalles, und man brachte dem Archelaus die Glückwünsche dar. Soldaten und Volk defilierten in einzelnen Abtheilungen an ihm vorüber und versicherten ihn ihrer Anhänglichkeit, wie sie ihm auch den Segen Gottes wünschten. Hierauf nahmen die Vorbereitungen für das Begräbnis des Königs die Aufmerksamkeit in Anspruch, 671 wobei Archelaus keinen, auch noch so großen, Aufwand scheute und allen möglichen Zierrat aufbot, um damit den Leichenzug aufs prächtigste zu gestalten. Die Bahre war von massivem Golde und mit Edelsteinen besäet, darüber war eine golddurchwirkte Decke aus echtem Meerpurpur gebreitet, auf ihr war dann die Leiche selbst gebettet, gleichfalls in Purpur gehüllt, das königliche Stirnband auf dem Haupte, darüber noch eine goldene Krone, in der Rechten das Scepter. 672 Die Bahre umgaben zunächst seine Söhne und die zahlreiche Verwandtschaft. Diesen schloss sich die eigentliche königliche Leibgarde und das Corps der Thracier, der Germanen und Galater an, sämmtlich in voller Kriegsparade. 673 Das übrige Heer marschierte an der Spitze des Zuges hinter seinen Generälen und Obersten, gleichfalls in voller Rüstung. Den Schluss bildeten 500 königliche Sclaven und Freigelassene, welche verschiedene Specereien für die Bestattung trugen. So wurde die Leiche einen Weg von 70 Stadien bis nach Herodium geleitet, wo sie nach des Königs eigener Anordnung beigesetzt wurde. Damit schließt das Leben und die Regierung des Herodes.
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