gliedweise zermartern und nicht einmal eine ordentliche Leiche zum Begräbnis übrig lassen.
595 (6.) Auf das hin blieb die Frau für einige Augenblicke in stummer Ueberlegung. Dann aber sprach sie: „Was für einen Zweck hätte es denn jetzt mehr, da Pheroras todt ist, noch ferner das Geheimnis zu hüten, als höchstens den, einen Menschen zu retten, der uns alle ins Verderben gestürzt hat, den Antipater? Du sollst es darum hören, o König, und mit dir auch Gott der Herr, den ich zum Zeugen meiner Wahrhaftigkeit anrufe, und der nicht betrogen werden kann. 596 Damals, als du thränenbedeckt am Sterbebette des Pheroras zu sitzen pflegtest, ließ er mich einmal rufen und sprach zu mir: »Meine Frau, ich habe fürwahr die Gesinnung meines Bruders gegen mich arg misskannt und einen Bruder gehasst, der mich so zärtlich liebte, ja sogar seinen Mord geplant, der sich doch meinetwegen schon jetzt, da ich noch nicht todt bin, so sehr abhärmt. Ich habe übrigens bereits den Lohn für diese meine Verruchtheit. Du aber bringe mit jetzt das dir anvertraute und von Antipater uns zurückgelassene Gift, das für Herodes bestimmt war, und vertilge es geschwind vor meinen Augen, damit ich nicht auch noch in der Unterwelt unter der rächenden Hand Gottes zu leiden habe.« 597 Ich brachte es nach seinem Befehle und schüttete das meiste vor seinen Augen ins Feuer, doch habe ich für mich selbst ein kleinwenig gegen etwaige Ueberraschungen und aus Angst vor dir zurückbehalten.“
598 (7.) Nach diesem Geständnis brachte sie die Büchse herbei, in der nur noch ganz weniges vom Gifte enthalten war. Hierauf schritt der König zum peinlichen Verhör der Mutter und des Bruders von Antiphilus, die denn auch bekannten, sowohl, dass Antiphilus in der That die Büchse von Aegypten heraufgebracht, als auch, dass er sie dort von einem Bruder, der Arzt in Alexandrien war, bekommen habe. 599 Es war, als ob die Gespenster des Alexander und Aristobulus im ganzen Palaste herumschwirrten, um die feinsten Fäden des Verbrechens aufzuspüren und an die Sonne zu bringen, so dass sie selbst solche, die jedem Verdacht entrückt schienen, zur Verantwortung und Strafe zogen. Man kam nämlich unter anderem auch darauf, dass sogar Mariamne, die Tochter des Hohenpriesters, um den Anschlag gewusst habe, wie es ihre eigenen Brüder auf der Folter verriethen. 600 Der König ließ für die Verwegenheit der Mutter auch das Kind büßen, indem er ihren Sohn Herodes, der dem Antipater auf dem Throne hätte folgen sollen, aus dem Testamente strich.
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/124&oldid=- (Version vom 11.2.2020)