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Erzählungen vom Oberharz in Oberharzer Mundart – Heft 1

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Autor: Louis Kühnhold
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Titel: Erzählungen vom Oberharz in Oberharzer Mundart – Heft 1
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Herausgeber: Louis Kühnhold
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Erscheinungsort: Sankt Andreasberg
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Erzählungen
vom Oberharz
in Oberharzer Mundart.


Von
Louis Kühnhold
in St. Andreasberg.




– Heft 1. –



Höhenkurort St. Andreasberg im Harz.
Zu haben in der Buchhandlung von Aug. Bolte.
Im Selbstverlag des Herausgebers.

Preis à Heft 25 Pfg.


[1]

Erzählungen
vom Oberharz
in Oberharzer Mundart.


von
Louis Kühnhold
in St. Andreasberg.




– Heft 1. –



Höhenkurort St. Andreasberg im Harz.
Zu haben in der Buchhandlung von Aug. Bolte.
Im Selbstverlag des Herausgebers.


[2]

Vorwort.


     Als ich begann, meine Erzählungen niederzuschreiben, war es nicht meine Absicht, dieselben der Oeffentlichkeit zu übergeben. Auf Wunsch vieler Andreasberger und Anderer, welche Gelegenheit hatten, einen Theil der Sachen zu hören, wurde ich nun doch bewogen, meine Humoresken in Druck zu geben.

     Ich weiß ja nicht, ob die Geschichten im großen Publikum die Aufnahme, welche sie in mehreren hiesigen Vereinen fanden, jedoch mögen die geehrten Leser und Leserinnen bedenken, daß es keine Erzeugnisse eines namhaften Schriftstellers sind.

     Als geborener Harzer will ich durch diese wahren Erzählungen nur zeigen, daß der Humor, Gutmüthigkeit und Friedfertigkeit, wie früher bei unsern Vorfahren, auch jetzt noch in unseren Bergen anzutreffen sind. Mögen auch einige Umschweifungen mit eingeflochten sein, so beruht doch die Grundlage sämmtlicher Erzählungen auf Thatsachen, welche bis in neueste Zeit sich in oder um Andreasberg ereigneten.

     Wem läge nicht das Wohl und Wehe seiner Vaterstadt am Herzen? Welcher Harzer würde nicht fröhlich gestimmt, wenn der schöne Harz besungen wird? Ist uns doch noch so viel Alterthümliches geblieben! Ist es doch gerade die ältere Generation, welche die alten Sitten und Gebräuche noch stets in Ehren hält. Hört man doch noch öfters manchen alten Harzer Kraftausdruck. Und wie oft ist man Zeuge eines unfreiwilligen Humors. Alles dieses werden die Erzählungen den geehrten Lesern vorführen.

     Darum schließe ich mein Vorwort mit dem alten Harzspruch:

„Es grüne die Tanne, es wachse das Erz,
Gott schenke uns Allen ein fröhliches Herz!“

Der Herausgeber.


[3]

Aeniges iwer Annerschbarrig.


     Wänn m’r of d’r Landkart unnern Harz lieng sieht,
Su bemarkt m’r än Punkt, wu St. Andreasberg schtieht,
Un Manniger, dar in Annerschbarrig noch nett gewasen,
Hot mit Verwunnering dos St. gelasen,

5
Bis daß ne nu wur kund gethan

Wurim mir St. vorr Annerschbarrig schtiehn han.
Doch jetzt isses bekannt bei all’n Leiten,
Daß die Buschtam[1] han Sanct zu bedeiten.

     Wie unn’re Schtadt nu entschand

10
Is dann Mest’n in dar Art bekannt,

Daß sächsische Barkleit[2] hier har kame
Un Besitz von Harzer Ängthum nahme.
Sie sucht’n nog Silwer un sucht’n nog Gold,
Un wie se wos fanden — hat Käner wieder fortgewollt.

15
De Wuhnigsnuth wur nur balle laut,

Zur Obhillef wur immerzu angebaut.

     Mit Bane hul m’r sich nu draan,
Sudaß m’r balle kunnte Bargschtadt saan;
Su warn dänn a hie in frieherer Zeit

20
Die Männer lauter Bark- und Hitt’nleit.

Uewerhaupt war in dann friehern Zeiten
Käner in Unklaarn, wuzu har sollte schreiten,
Als kinn’r all, von 9 od’r 10 Jahr’n
Do huß es änfach: „Angefahr’n!“[3]

[4]

25
     Un wollte frieh’r ä Mäd’l freie,

Su kunnt ne nie dar Entschluß gereie,
Dänn jedes Mol thats dengt gut
Von wang dann gewiss’n Brut. —
Trotz saurer Arbt in Hitt und Schacht

30
Sein mir Harzer mit än’r Aengschaft[4] bedacht;

Bekannt isse weit und brät
Die alte Harzer Gemithlichkät.

     Un Aens nach woß m’r garn hot hie,
Dos is die Lust zu d’r Musici;

35
Dann gitt m’r mol dorrich unnern Sanc,[5]

Su härt m’r bei Aen Posauneklang,
Ae Anrer schmettert seine Trumpet
Un wieder Aener espert sich ob of d’r Fleet.[6]
Musikalisch seinse All’ frieh’r hie gewasen,

40
M’r hot ju vielfach gehärt un gelasen,

Daß hie in d’r frieh’rn Zeit
’es Omds zusamme kame de Leit;
De Zitter wur geschpielt, drzu geschprunge,
Oder de Jutarr und d’rzu gesunge.

45
Heit natirlich in unnern Reich

Schpielte Jeder garn die arschte Geig. —

     Als Curort is nu Annerschbarrig a bekannt
Weit naus iwern deitsch’n Land.
Un su balle wie von unnern Barring[7]

50
D’r Schnee wack is, un es singe de Larring[8],

Su kimmt dänn nu a die Zeit
Wu Främde kumme von nah un weit.
Ja Mannig’r wär gewiß all’ v’rgass’n
Wänn’r nett wär in un’rer Luft gewas’n;

[5]
55
Un fast All’n gitt’s dengt nahnt

Wänn die Obräszeit sie wied’r mahnt,
Un Mannig’r dänkt schpäter dänn zurück
Un Annerschbarrig mit inning Glick.
Un wosses is, wos Jed’n hie su hellt

60
Un wurim es Jed’n hie su gut gefellt,

Dos is Aens bekannt weit un brät:
Die alte Harzer Gemithlichkät.

     Daß gemithlich un lustig sein de Leit,
Dos trifft m’r hauptsachlich bei Wint’rschzeit;

65
Fast jed’n Sunntig, dan Gott lett erscheine,

Hot ä od’r wull a mehre Vereine
V’rgnigtes Zusammesein oder Ball —
Gemithlichkät harrscht immer iwerall!
Drim hot a d’r Winter seine gute Seit

70
Un hattes all in alter Zeit;

Dänn wos hette es Laam[9] wull vor än Warth
Vor die in Feierschgluth oder in tiefer Ard,
Wänn nett mannig Mol äne Zeit tret ein,
Wus häßt: „Heit gitt’s nong Verein!“

75
     Wänn unre Vorfah’n jetzt kännt’n Annerschbarrig beschaue,

Su wirnse ihr’n Aug nett traue,
Sie schtänden gewiß drauß’n of d’r Flur
Un ruft’n: „Wie schteigt de Kultur!“
Dänn äne Eisenbahn un Alles, wos m’r han gekricht,

80
Schtroß’nbelächtung, beinah elektrisch Licht,

Wasserleiting, als Schutz bein Feier
Gobs do nett, a käne Cummenalschteier, —
Nu wie gesat, mit än Wort:
„Aes hebt sich Alles hie in Ort!“

[6]

85
     Un daß nu hie nischt Schlachtes geschieht

Un’re Germania bein Dänkmol zur Wach mit schtieht;
Wännse schprech, ruffte se gewiß All’n zu:
„Lott’ ju mei Annerschbarrig in Ruh!“
Doch trotz dann muß Jeder Tog un Nacht

90
Salwer mit halt’n treie Wacht,

Domit nett eh’r m’r sich versieht
Wos Annerscht of Togesordning schtieht;
Dänn wos m’r gearbt von unnern Alt’n,
Dos wolln m’r farner a behalt’n;

95
Zu jeder Zeit, wu es a sei,

Schtets hanneln mit ächter Harzer Trei;[10]
Dänn Trei und Rachtschaffenhät
Bleibt schtets des Harzersch Eh’rnkläd.[11]




In tiefer Ard un in Feierschgluth.


     Hot kaum d’r Wachter dreie geblosen,
Su ward’s labhaft hie in d’n Schtroßen,
Doch schtille, ohne jede Schand
Giehn Männer fort in schwarz’n Gewand;

5
Die miss’n fort von Weib un Kind

Un Käner wäß ebb’rsche wiederfind;
Drim blickt a Jeder zum Himmel ’nauf,
Begrißt dann Tog mit sän „Glick-auf!“
Ich will drim jetzt diss’n Beruf beschreim

10
Von dann, die dis von Jungt an treim.


     Hot d’r Jung de Schulzeit balle hinter sich
Su macht ’r: Frogezäng un Gedank’nschtrich,

[7]

Bis daß’r härt sän Alt’n saan:
„Dir gitt’s wie mir, Du fährscht aan!“

15
Ae Gescheft zu larne od’r noch hech’r naus,

’s dänkt kän’r dran, do ward nischt d’raus,
Un trotzdann is auß’n Barkmannsschtand
Doch manniger berihmter Mänsch bekannt.
Su kimmt d’r Jung in Puchrig oder Wesch[12],

20
S’ Luhn is dossalwe, sein taglich finnef Gresch.


Dis is gerod kä schtrammes Luhn,
Ward bedacht, woß su ä Jung muß thun;
Mit nass’n Zeig un dracket in Gesicht
Kimmt su ä Jung häm noch zahnschtindlicher Schicht.

25
     Hott’r nu gearbt fleißig, ä Jahr jee Schicht,

Su saat sei Schteier[13]: „Host zahn Pfäng Zulog gekricht!“
Schtatt fufzig, häßt’s jetzt sachzig Pfäng,
Un kimmt dar Jung mit dann Beschäd häm,
Dänn ward getanst, daß flieng de Funk’n

30
Un d’rbei auß’n gruß’n Kellich getrunk’n.


     Dar Jung salwer rach’nt sich zu Harrn,
Gitt’r fort, racht’r Pfeif oder Cicharrn.
Un mitunt’r, daß sich Gott erbarm,
Sieht m’rne all mit än Mäd’l an Arm.

35
     Su giehn nu die Jahre hin, seit dann Beginne,

Jetzt sat’r Jung all oft: „Ach, arbt ich arscht drinne!“
Un schließlich is die Zeit gekumme,
Wu har ward of d’r Grub genumme.

     Trotz Fräd’ ward’ne doch ängstlich im Harz,

40
Dänn Gefahr’n gitt’s jetzt allerwarts.
[8]

Beim arscht’n Neinfahr’n do wart’rsch gewahr,
Der Angstschwäß trepp’ne von jeder Haar.

     Un is m’r mol bei seche Anfänger gerat’n,
Dänn sieht m’rsch an Lipp’n, jetzt kännese bat’n;

45
Gewuhnheit ward Alles, flagt m’r zu saan,

Un ä Barkmann muß dis hauptsachlich bejah’n,
Dänn mitunter iss’r su dreist in Schacht,
Daß an Gefahr’n garnett ward gedacht.
Gesunge ward, dasses mant su schallt,

50
Dis trifft m’r zwischen Jung un Alt.


     Is su ä Anfäng’r ä paar Mol ’neingefahr’n
Un d’r Schwäß bleibt’ne auf’n Haarn,
Dass’r wäß wie es Fah’rn ward gemacht,
Su larnt’r es Fetern[14] in tief’n Schacht.

55
Gewehnlich kimmt’r häm mit Zetern:

„Ach Vot’r, morring soll ich Fetern!“
Wos Fetern is, is d’n Alt’n bekannt,
Drim iss’r a gleich mit Trust bei d’r Hand
Un saat: „Geng frieh’r isses jetzt mannt Schpiel’n,

60
Bei uns ging’s mit’n ung’rsch’n Hund un Sieln;

Freg’ Deine Mutt’r, die kann Dirsch san,
A jed’n Omd war ich a wie geschlan,
Un gläb mir, äs is nett iwerdrim,
Sie hot mich a heifig eingeriem!“

65
     De Hauptsach is, Du hellst Dich an Ass’n,

Darfst ju d’n Brutbeit’l nett v’rgass’n,
Dänn in dann Alter, wu Du schtiehst jetzt,
Do häßt’s richtig d’rhinter gesetzt.
Su gitt de Feterzeit voriewer,

70
Von Fetern gitt’s zum Buh’rn[15] iwer,
[9]

Von Buh’rn zum Geding gitt oft behänd’,
Un damit is die Kajähre merscht’nthäls beänd.

     Doch wie nu All’n is bekannt,
Sein Bark un Hittenleit in der Arbt verwandt.

75
Etwos besser hans die Junges wie in d’r Wesch,

Dod’rfir än wättern Wag vor ihre Gresch[16].
Un sein se arscht handlich un warn gruß,
Su is vorleifig Karrnschiem ihr Lus.
Ich gläb, daß in diss’n Zeit’n

80
Sie Käner ward deshalb beneid’n.


     Doch vorriwer gitt a disse Zeit
Un wärsche mitunter noch su weit;
Dänn schließlich im sich zu Verschnuf’n
Kimmt dar Beschäd: „Jetzt arb vor’n Uf’n!“

85
Ja, besser ward’s, doch sein se a jetzt

Vieler Hitz un Dämpf’n ausgesetzt;
Doriwer härt m’r vielfach klaan,
Un ruthe Back’n kann deshalb kä Hitt’nmann haan.

     Weil nu ower Hitz un Damp[17] Dorscht mitbrängt,

90
Su is gleich of d’r Hitt ä Arm ’rausgehängt, —

Gewuhnhät ward es Trinken, heifig härt m’r saan:
„Na ower, die Hitt’nleit känne schmalig wos v’rtraan!“
Un richtig isses, is Aener d’rbei hingesunk’n,
Dar hot gewehnlich nett wink getrunk’n.

95
     Doch trotzdann zu jeder Zeit

Bleim gemithlich Bark- un Hitt’nleit,
Sie giehn getreilich Hand in Hand
Un halten jeden Unbill schtand.

[10]

     In Feierschgluth, in tiefen Schacht,

100
Do hellt der Harzer treilich Wacht,

Bis daß verfahr’n de letzte Schicht
Un nett me brännt sei Grumlicht.

Bis Eisenschlok net me erklinkt
Un schlapp der Arm nied’rsinkt,

105
Un nett me schallt auß’n Hauf

Sei’ Harzer Lieblingsgruß: „Glick auf!“




Aene Räs’ noch Osterrod[WS 1].


     Es wollten änst in Frihlingszeit
Verräsen hie drei junge Leit,
Un do m’r hie nach käne Bahn,
Su sat’n se zu än Fuhrmann: „Schpann rasch an!“

5
     Es war all Mittog un war de hechste Zeit,

Dänn Osterrod leit artig weit;
Un dohin wollt’n se, un hatt’n sich gedacht
All’ wieder d’rhäm zu sein vor Mitt’rnacht.

     Der Fuhrmann war nu a rasch bei d’r Hand

10
Un hatte in aller Eil angeschpannt.

Wie nu war aufgeschtieng, do saat’n die Dreie:
„Mir sein gewiß eher d’rhäm, dos Pfar’ hot dengtes Feier.“

     Nu gings dänn luß iwer Schtän un Schtock,
Doch gar nett lang, un es schtand wie ä Flock,

15
Lange Zeit schtand es Pfar’ of än Flack,
[11]

Es hollef’n käne gut’n Wort, de Schleg bracht’ns wack.
Un dann of’n Wong ging de Gall balle iwer,
Mehre Schtunne[18] nu all gefahr’n un warn arscht in Siewer.[19]
Vorn arscht’n Warthshaus, macht’n se nu arscht Halt,

20
Sie wollt’n arschte Mol trink’n, es war nämlich kalt;

Dar Fuhrmann blieb drauß’n un schtand bei d’n Pfar’
Un saate zu den Warth: „Bränge mol Nordheiser har!“ —

     Do frung sich dänn die Dreie: „Wos will’r dänn mach’n?“
Doch pletzlich saanses und fange an zu lach’n,

25
Dänn bei sän Pfar’ schtieht’r nu un knuttelt,

Huch hebt’r nu de Flasch, sei Pfar’ ward gebuttelt.
Nu ruft’r plötzlich laut: „Kummt nu rasch raus,
Ich kanns nett me halt’n, mei Pfar’ reißt aus!“

     Nu ging’s lus wie de wilde Jagd,

30
D’r Wong knatert un Alles kracht,

Die off’n Wong floch’n hin und har,
Dos Pfar’ thate Schpring kreiz un quar.
„Die sein verlur’n!“ rufft’n Alle d’rhint’r har,
„Es hot d’n Koll’r; schod im schiene Pfar!“

35
     Do ruffte Aener von Wong: „Ihr hat’s nett getroff’n,

D’r Koll’r isses nett, dos Pfar is blus bes.....“[WS 2]

     Ae Schnallzug kann su rasch nett fahr’n
Wie dis Geschpann in dan domoling Jahr’n,
Doch dauerte nett es lang, un es Pfar kunnte nett mee

40
Un blieb pletzlich schtiehn, gerod vor Pap’nhee[20].

„Lott’ne ä biss’l schtiehn, huß es, hernoch’r jath’r.“

[12]

Doch nu wursch arscht schien, dos Pfar’ greg d’n Kater.
Ae Kater bei än Mänsch is all nett schlacht,
Doch ä Pfar’ find sich in dan Wahn garnett zuracht;

45
Drim mußt’n nu die Alle Pfar’ und Wong jetzt schiem,

Sinst wärnse untern freie Himmel gebliem.

     Bis ändlich nu nog lange Schtunne
Kame se nach Osterrod noch Untergang d’r Sunne.
Rasch wur nu a gleich ausgeschpannt,

50
Un Hillef war genung gleich bei der Hand.

In Schtall gebracht wur nu es Pfar’,
’s wack’lte orndig hin un har.

     In Ost’rrod ginnt’n se sich nett viel Ruh
Un rasch gings wieder hämwarts zu.

55
Gans traurig sog dos Pfar’ jetzt aus,

’s wollte auß’n Schtall nett raus,
Bis dasses schließlich mit Schlok, Schleeng[21]
Aendlich vor d’n Wong hingreng.

     Nu ging’s lus, und wie zum Schur

60
Ging es Pfar’ wie bei äner Leingfuhr.

Un do nu gerod Schicht war in Fabrik’n,
Su kame die Leit v’rbei mit Lach’n un Quik’n,
Viele kame gans nahnt har,
Besong sich deutlich dos schiene Pfar’, —

65
Un off ä Mol, rasch wie d’r Blitz,

Hung an jed’r Seit von Pfar äne Mitz,
Un Aener ruffte laut, wie Alles guckt:
„Dos arme Pfar, hot ä Faß v’rschluckt,
Satt’rsch dänn“ rufft’r, zu dan Annern gericht:

70
„Gans deitlich sein de Räf in Sicht!“


     Die off’n Wong, wos wollt’n die mach’n,
Sie mußt’n trotz Arger doch mit lach’n.

[13]

Langsam wur nu wätter gefahr’n
Mitt’n dorch de Arbterschaarn.

75
     Wie ändlich an annern Tog vier Schtunne sein verschwund’n,

Do hatt’n se sich an Siewerbarrig wieder eingefund’n;
Nu kunntes Nischt me hallef’n, Alles war auß’r Rand und Band,
Drim wur su rasch wie meglich es Pfar’ ausgeschpannt,
D’r Wong blieb an Siewerbarrig schtien,

80
Zu Fuß mußt’n se Alle wättergien.


     Aen’r trug d’n Pfar’ sei Gescharr,
Dann d’r Fuhrmann wur nu karr,
Un pletzlich mit än Satz
Schwang’r sich off sän theiern Schatz,

85
Ruffte nu noch zurick von Weit’n:

„Kanns a nett dreck’n, su lett’s sich’s ower reit’n!“
Un in d’r Geschwindigkät von 0, Nischt
Log’r in än Sump[22] un wur angefrischt;
Wie’rer wieder rauskam, sat er kä schtummes Wort

90
Un ging racht niedergeschlaan — zu Fuß nu fort.

’s Roß mitsammt d’n Reit’r hatt’ns von der Näg,
Sie glich’n d’n Roß un Reiter in Schwamschträg[23] —.




Ae Schreck’nstog aus alter Zeit.


     Aenst hatte ä berihmter Gelehrter prowezeit,
De Walt blieb nett me lang vor de Leit,
Dänn alle Anzäng schpreng d’rfir,
Dasses balle verbei wär mit Mänsch un Thier, —

5
Ein grußer Komet, dar wär in Sicht
[14]

Un brechte mit’s jüngste Gericht,
Pletzlich fiel’r of der Ard dänn runter,
Sie greg än Ruck, husch, ging se unter!

     Gena beschrieb ’r nu a de Zeit,

10
Domit gena Beschäd wußt’n de Leit

Un noch kunt’n laam in Fräd un Lust
Bis zu dann Tog d’n 12. August.

     Kaum war dis Alles nu bekannt,
Do kam Jeder außer Rand und Band

15
Un guckte aus diss’n Waltgetimm’l

Mit frumme Aang nu zum Himmel.
Un dachte, ach, wie wärsch ower schien
Kännte ich in Gnad’n untergieh’n.

     Die Reing[24] saat’n zum Arme Brieder,

20
Aes sog Käner me mit Huchmuth nieder;

Iwerhaupt broch äne Zeit jetzt aan,
Wie se unner Gott schtets will haan.

     A bei uns hie in unnern Ort
War aller Neid un Huchmuth fort,

25
Dänn Jeder war sich salwer bewußt,

Das Gleichhät war d’n 12. August.

     So hatte sich kaum d’r arschte Schreck gelegt,
Du wur nu all vielfach angefregt,
Oeb nett äne Versammling mol schtattfänd,

30
Wu beschproch’n wir dos schreckliche Aend.


     ’s dauerte nu a nett lang
Un äne Beschpraching war in Gang;
Hie kunnte m’r här’n viel schiene Red’n,
Dänn anhärn thate m’r a Jed’n.

[15]
35
Jeder sollte seine Mäning saan,

Wosse dann Tog nu finge aan.

     Jetzt gings dänn ower a schmalich luß,
Schpetak’l wur riesig gruß,
Bis dasses huß of äner Schteet:

40
„Pst, Stille, d’r Harr Borgemäster hellt ’ne Red!“


     Un schtille wursch wie in d’r Karrig,
Kä Laut war zu här’n in Annerschbarrig.

     Gewichtig un mit fest’n Schritt
Trot es Ewerhaupt in d’r Barger[25] Mitt’,

45
Un schproch mit kräftig haller Schtimm:

„Mitbarriger, disse Zeit ward schlimm,
Uns All’n is gewiß schlacht zu Muth,
Drim gläb ich, mir thun Alle gut
Wänn Jeder noch thutt seine Flicht,

50
Domit bei d’n jingsten Gericht

D’r Petrus uns zur Fräd muß saan:
De best’n Mänsch’n kame aus Annerschbarrig aan!“

     Kaum hatt’r disse Worte geschproch’n,
Do wur es Schtilleschweing unterbroch’n.

55
Dänn jetzt gings luß mit Schluchz’n un Heiln[26],

Un Viele song m’r zum Redner eiln
Un drickt ’ne warm bäde Händ
Vor dar schiene Red noch korz vorn Aend;
’s seifzt’n de Junge un es seifzt’n de Alt’n:

60
„Ach, kännt m’r blus dann Mann behalt’n!“


     Trotz Trauer kam doch mit Fräd’nszeit
Hauptsachlich vor Bark- un Hitt’nleit,
Dänn gleich huß es: „Die in Puchrich[27] un Wesch,
Verdiene von jetzt aan taglich finnef Gresch.“

[16]
65
     Wie frät’n sich de Junges iwer diss’n Gald,

Wärsch blus nett su nahnt vorn Aend d’r Walt.

     Jetzt bei d’r Obnahm[28] in tief’n Schacht
Wur Alles zu Arbt’rsch Vorthäl gemacht;
Wänns fahlte, wur Stuff[29] verännert oder zugelegt

70
Ohne daß d’r Heier[30][WS 3] hette angeregt,

Un begänte m’r sich in Hauf
Erklang schtets freindlich d’r Gruß „Glick auf!“
Dänn Viele fihlt’ns in d’r Brust:
Aes sog schlacht aus d’n 12. August.

75
     Salwer of d’r Hitt mußte Jeder saan:

„Aene anre Zeit bricht vor uns aan!“
Dänn Alle, sugar in d’n best’n Jahr’n,
Sollt’n ju käne schwär’n Karrn me fahr’n,
Jeder sollte schune seine Brust,

80
Domit Käner wos markte d’n 12. August;

Uewerhaupt wur Alles su eingericht,
Daß Jeder zeigte ä freindlich Gesicht.

     Un nu wur gar hie de Karrich[31],
Of änmol zu klän vor Annerschbarrig,

85
Dann Alle die sind von Karrich nischt gewußt,

Die trieb jetzt de Angst vorn 12. August.

     Su war nu d’r Summer reingebroch’n —
Vorn 12. warns blus noch zwä Woch’n, —
M’r sog nett me ä frädig Gesicht,

90
Jedes war betribt zum Himm’l gericht.

Veränsamt log hie Fald un Flur,
Von Faldarb’t zu sahn käne Schpur,
Dänn Jeder hatte sich gedacht,
Aene Arnd ward doch nett eingebracht.

[17]

95
     Gemithlich verging de Zeit nu nog un nog

Bis dasser anbroch dar ensetzliche Tog;
Familienweis wur sich gruppirt,
Von Ass’n[32] nischt mee angerihrt,
Feierliche Schtille of Schtroßen un in Haus,

100
Sugar d’r Hart’[33] trieb nett me aus,

Mit Angst wur d’r Uhr geguckt,
Dänn d’r Zeiger war gans nahnt geruckt.

     Un jetzt, — jetzt that ’s d’n arscht’n Schlok,
Nu broch’r aan dar schreckliche Tog! —

105
     Hall glänste d’r Komet an nachtling Himmel,

Un Grobschtille, wu sinst Mänsch’ngetimm’l;
Fest hul’n sich Elt’rn un Kinner imschlunge,
Bleischwär war’n de Mänsch’nzunge,
Nett Aener kunnte ä Wort raussaan,

110
Dänn Jeder hul d’n Od’n aan

Un lauerte un lauerte of Posauneton,
Of dann Zäng zu kumme vor Gottesthron. —

     In disser Schtimmung v’rging de Nacht,
De Sunne ging auf in ih’rer Pracht,

155
Doch schtille bliebs in jeden Haus,

Mitunter broch blus ä Seifzer aus.

     Su wursch dänn nu all Mittogszeit,
Ae Jeder war nu of’s Schlimmste bereit, —
Un ach, jetzt pletzlich, von d’n Schtroßen

160
Erschallt dänn jetzt Posaune blosen

Un graßlich erteent es Geschrei:
„Ach liewer Gott, schtieh uns bei!“

[18]

Ja v’rbei warsch mit ’n Untergang,
Dänn m’r hur bei’n Posauneklang

165
A mannige bekannte Melodie

Wie: „Freud Euch des Lebens“ un „So wie noch nie!“
Un schlacht wur geschpielt iwer alle Moßen,
Su kunt’n doch käne Eng’ls blosen.

     Un richtig, har warsch, dannse drauß’n fand’n

170
Nämlich d’n Kornzettel — so hußen vier Musikant’n —

Von dann wur friher alle vier Woch’n
In Ann’rschbarrig imm’r viergeschproch’n
Un immer kame se zu äner Zeit
Wu d’r Zettel[34] war bei Bark-[WS 4] un Hitt’nleit;

175
Un weil nu de Zeit war wieder vergange,

Su kame se ohne Forricht[35] un Bange
Un hatt’n, wänn sinst driwer jutizirt,
Dismol Alles zum Guten gefihrt;
Dänn gans gut verging d’r 12. August

180
An fruh schlug ’s wieder in jeder Brust.




Baarnjagd in Harz.


     In än Ort gar nett weit von hie
Schpielte änst främde Musici
Un lustig gings blus ä Mol zu, —
Die Museekant’n hatt’n nett viel Ruh.

5
     Geschpielt wur gut, un dar mit’n Baß

Brachte Tön, daß Viel’n de Aug warn naß.

[19]

     Doch wie nu Alles hot hie ä Aend,
Su hattes a die Nacht un vor Manning zu behänd.
Die Musekannt’n hatt’n noch ä schlachtes Lus,

10
Sie hatt’n äne weite Räs’, wänn a nett zu Fuß;

Sie mußt’n noch ihre Heimath su weit,
Un umdrein warsch zu d’r Winterschzeit.

     Sie fuhr’n nu a fort, un es Schallngeleit
Erklang unhämlich zur nachtling Zeit.

15
     D’r Wind, dar blies nu kalt un naß

Un Jeder kroch hinter dann grußen Baß,
Dann hatt’nse in Schliet’n aufracht geschtellt,
Domit ’r schitzte vor dar grußen Kellt.

     Nu schließlich ginnt’n se sich ihre Ruh,

20
Aener nong Anner’n schloß de Aang balle zu, —

Drim hatte a Käner gemarkt von All’n,
Daß d’r Baß war pletzich von Schlieten gefall’n.

     Sie fuhren nu wätt’r, nu aus d’n Schnee
Guckte änsam d’r Baß jetzt in der Heh’.

25
     Kaum graate der Morring, do kame Holshar’r[36] gegange,

Die wollten wieder aan zu arb’n fange;
Sie schprong g’rod von d’r letz’n Nacht,
Wie lustig sie sich do gemacht.

     Doch pletzlich schtiehn se schtille off’n Flack,

30
An Jeden is d’r Oden wack;

Dänn vorne schtieht gans ries’ngruß
Ae Unthier, un schreit machtig luß.

[20]

Die Männer wissen vor Angst nett hin un har
Bis dasses gilt Farscht’ngald[37] mit dann Schrä: „Ae Baar!“[38]

35
     Sie laf’n wieder hämwarts, d’r Od’n gitt’ne aus

Bis dasse sein gekumme vorn Harrn Farscht’r[39] sän Haus.
Dann macht’n se nu munter, verzehlt’ne die Geschicht, —
Allän hette se Käner wieder in Wald gekricht.

     Nu wur dänn gleich beschloss’n daß Jeder in Ort,

40
Außer Fraans[40] un Kinner, zu d’r Jagd sollte fort.


     Sie kame nu rasch mit Schtrickern un Schtange
Un wollt’n dos Unthier larndig gaar fange.
D’r Farschter schtellte se auf, als gings zu d’r Schlacht, —
Zum Anfihrer hatt’r sich salwer gemacht —,

45
Un kaum hot sei Komando erschallt,

Gitt’s luß nog dann unhämling Wald.

     Die Fetern hatt’n su än schtramme Schritt,
Daß von dann Letzt’n viele kunnt’n kaum mit.

     Jetzt pletzlich härnse ä Getees im Wald

50
Un Jeden gitt’s iwer eiszack’nkalt;

Nu bleim de Fetern pletzlich schtien,
’s soll’n die Hintern vorn hin giehn;
Doch hie sein se an de Racht’n gekumme —
’s sein a gerod käne gans Dumme —,

55
Sie saan nämlich: „Bleibt nu man schtiehn,

Off’n Hämwag[41] woll’n mir vorn giehn!“

     D’r Farschter, wierer sieht, wu dis will naus,
Rufft jetzt gans laut: „Freiwillige raus!“

[21]

Doch schtramm schtieht Jeder in Reh’ un Glied, —

60
Hie find sich ’raus kä Winkelried.


     Nu nimmt sich d’r Farschter salwer ä Harz,
Haar blickt noch ämol himm’lwarts
Un saat: „Verspracht m’r diss’n Morring,
Im Fall ich bleib, vor Fraa un Kinner zu sorring!“

65
Hierauf ging Jeder nu a gleich ein

Vor Fraa und Kinner richtiger Sorger zu sein.

     D’r Farschter nimmt nu Abschied von dann Genoss’n
Un saat: „Ach, hette ich blus arscht geschossen!“
Mit muthing Blick, ’s Gewähr in d’r Hand,

70
Gitt’r drauf lus, wie wänns wär beim Scheimschtand.


     Jetzt legt er aan, ä Blitz, ä Knall, —
Hin schtarzt das Thier mit dump’n Fall.

     Vivatgeschrei dorrichbabt d’n Wald,
D’n Farscht’r lett dos jetzt noch kalt,

75
Sei Muth ward nu arscht machtig gruß,

Mit’n Harschfänger gitt er nu drauf lus;
Doch kaum kimmt ’r nu aan d’rbei,
Do härnse dänn vonne ä machtig Geschrei.

     Schprochlus schtieht Alles, kä Laut erschallt,

80
Feierliche Ruh is in unhämling Wald;

Lange Zeit verschtreicht, do rufft der Arschter:[42]
„Ach liewer Gott, d’r arme Harr Farschter!“

     Sie schpringe d’rauf zu in greßter Hast
Un find’n d’n Farschter, dar hot än Baß imfaßt.

[22]

85
     Gesichter macht’n Alle, die warn nett schlacht,

Sie schtellt’n sich trotzdem wieder zuracht;
Zum Obmarsch erscholl dos Kommandowort,
Hämm gings wieder zum Heimathsort.

     In dar Zeit, wu nu de Männer fort,

90
Hatt’n sämmtliche Fraans in d’n Ort

Kräns[43] gebund’n un viele Schlange,
Sie wollt’n die Helden a wardig empfange.
De Schulkinn’r ibt’n d’rweile ein
Dos schiene Lied: „De Wacht an Rhein!“

95
Un hatt’n sich trotz grußer Kellt

Gans uhm in Ort gleich aufgeschtellt.

     Aenige schtannten off’n Schprung, daß bei Zeit’n
M’r kunnte mit all’n Glock’n leit’n, —
Doch annerscht, wos wie m’r sich gedacht,

100
Wur nu gar schließlich mitgebracht. —

Un wies mit dann Baß is gekumme,
Dos hot m’r wätter nett vernumme.




Aus alter Zeit.


     ’s war nach hie de gute, alte Zeit,
Die jetzt gelobt noch ward von de Leit’, —
Die Zeit, wu Alles ging mit greßt’n Racht
Un Aener d’n Annern nett hul vor schlacht,

5
Wu Alles noch war ä Harz un ä Sinn

Un Aener vorn Annern trot als Schuldner hin.

     Nu warsch in disser Zeit ä Jahr
Wu allerwang schtanden de Kartoffeln raar,

[23]

Drim warsch Jeden a Rathsel, daß fravelnde Hand

10
Bemerkbar war of mannig sän Land;

Dänn suwos war noch nett passirt
Seit dann de Kartoffeln hie warn eingefihrt.
Un Käner wur hiedrinne kluk,[44]
Ja Viele mänt’n, ’s wär gewiß Schpuk,

15
Un dachte m’r an des Iwels Greß[45],

Su huß es a wull: „Heiliger Anres[46]
Beschitz doch unnern liem Ort
Un presch de gans’n Diewe[47] fort!“

     Sugar d’r Pastur in d’r Karrig

20
War nett zufrieden mit Annerschbarrig;

Dänn jedes Mol schrängter aan seine Lung
Wänn er schroch von V’rsuchung, —
Un Anre saat’n mit arnst’n Gesicht:
„D’r Kruk[48] gitt zu Wasser biß er bricht!“

25
     Pletzlich war nu gekumme d’r Tog,

Wu d’r Ort befreit sollte warn von d’r Plog.
’s war ä schiener Omd un Vullmond schtand an Himm’l
Un Jeder sog frädig nong Schtarngewimm’l[49];
In mannig Heisern[50] hur m’r singe,

30
De junge Leit ibt’n sich mit Tansen un Schpringe,

’s wur gescharzt un wur gelacht, —
Voraussichtlich wursch äne schiene Nacht.

     Etliche nu dar junge Leit,
Die ginge schpazie’rn in disser Zeit,

35
Sie wollten, weil es Watter war schien,

Noch ä Pissel ins Griene giehn.

[24]

Of ä Mol verschtummt ihr Gered,
Dänn ’s bewagt sich wos of än Beet;
Aengstlich dreht sich Jeder im

40
Ohne woß zu saan, ’s fahlt All’n de Schtimm.

Bis schließlich is es Schweing[51] gebroch’n,
Dänn Aener hot die Worte geschproch’n:
„Ich gieh hin, lang’ bäde Schandarme,
Die haan gewiß kä Erbarme,

45
Un außer dan bräng ich, wos ich auftreim kann,

Dänn giehn m’r drauf Mann an Mann;
Ihr bleibt su lang als Wach hie schtien
Weil ich arscht nong Harrn Borgemäster muß giehn.
Uewerhaupt d’r gansen Ow’rigkät,

50
Dar bräng ich nu arscht Beschäd!“


     Wie’rer nu kam nein im Ort
Un verzehlte Alles Wort for Wort,
Do veschtummt’n gleich die schiene Lieder,
’s kunnte Käner me schpieln, su zitt’rten de Glieder.

55
Ae Jeder schtand rasch auf von Triet

Un trot aan in Reh’ un Glied,
Accurat wie bein Miletär —
Un mannig Harz schlug dengt schwär.
Bei Aen wur ä Seifzer laut,

60
Bein Annern ging iwer äne Gänsehaut,

Aen Jeden los m’rsch auß’n Gesicht
Wie unhämlich daß war disse Geschicht.

     Der Borgermäster guckte gerod aus
Wie dar Zug kaam nog sän Haus;

65
’s war ne nämlich aufgefall’n,

Daß es pletzlich schtille wur bei All’n, —
Do hatt er sich dänn gleich gedacht,
Daß wos passirt war in d’r Nacht;

[25]

Har sog aus ganz verschtärt

70
Bis daß er hatte die Malding[52] gehärt.

Do befuhl er, daß jeder Mann in Ort
Gleich sollte wieder eilig fort
Un sollte wosser hette an Waff’n
In aller Eil zusamme schaff’n.

75
     ’s dauerte nett lang, do kamese gezung

Mit Gewähre, Saw’ls[53] un Flitzbung,
Un Aener hatte of d’r Schuller wie ä Gewähr
Aene lange schpitzige Schneiderschär.

     Nu nahm Jeder Abschied von Fra un Kinner,

80
Thräne sog m’r zu Schtröme rinne.

„Mei armer Kar’l!“ rufte äne Fraa d’rhint’r dorrich,
Aene Anre wieder: „Mei lieber Jorrich“,
Ich mark’s, mir saat’s Dei Blick,
Larndig kimmst Du nett zurick.

85
„Ach, daß mir suwos muß passir’n,

Of disser Art d’n Mann zu verlier’n!“

     Sie warn nu in dan Thun angeland
Wu die unerschrockne Schildwach schtand.
Jetzt saate d’r Anfihrer mit feierlicher Schtimm:

90
„Paßt auf, dis ward dengt schlimm;

Dänn sicher isses ä ganser Verband,
Dar gemänsam treibt hie disse Schand.
Wän mir mei Aanglicht[54] nett treigt,
Su haan sich all mehre Geschtalten gezeigt!“

95
     Kaum warn nu disse Mäning[55] gesaat,

Do wär garn Jeder hämwarts gejaht,

[26]

Dänn umdrein fung noch ä Anrer aan:
„Woß d’r Harr Borgemäster saat, dos muß Jeder saan!“
Jetzt heilte nu Jeder wie ä Kind,

100
Käner me Lust an dan Schpiel nu find;

Hauptsachlich warn’s weche aus d’r Cämmerei,
Die erhum vor Angst ä machtig Geschrei,
Un sicher hette Jeder d’n Ausriß genumme,
Wär de Polezei nett rasch d’rzwisch’n gekumme.

105
Die gob Jeden nu sän Schtand,

Kräschfarmig im Kartoffelnland;
Fast Jeden unter Schluchz’n un Heiln
Sog m’r hin noch sän Schtandpunkt eil’n.
Un Aener mänte: „’s wär ja nett schwär,

110
Wänn m’r wißte, dasses blus Aener wär,

Su gitt m’r hin mit Forricht und Bange, —
Ich geb mich liewer gleich gefange!“

     Doch pletzlich, wie war ausgemacht,
Ertönte ’s Singnal dorrich d’r Nacht,

115
Un deitlich härn nu Alle in Ort:

„Gatt Feier[56]!“ als Kommandowort.
Doch Alles is schtille, m’r härt kän Knall,
Käner kann sich erinnern su än Fall’;
Bis pletzlich rieng se dänn d’n Broten, —

120
Vor Angst hot Jed’r vergass’n zu loten.


     Do schpringt dar vir mit seiner Schär
Un schreit: „Wos nitzt nu ’s Gewähr,
Dos hob ich mir ju gleich gedacht,
Das die Schär sich noch verdienstlich macht!“

125
Nu gitt er dänn mit seiner Waff’

Draufzu wie ä Soldat su schtraff,
Un wier nu kimmt dorten aan,

[27]

Do härt m’r ne gans deitlich saan:
„Gatt Eich gefange, sinst seiter verlur’n,

130
Mir haan Alln d’n Tudt geschwur’n!“

Wie Käner wos erwidert, schtarzt ’r sich drauf —
Un domit härt die Geschicht a auf.
Dänn wie d’rzu kimmt die tapfere Schaar,
Do ward ä Jed’r nu gewahr,

135
Daß gemacht is dos ganse Laam

Im än Dornebusch, dar mitter Schär leit d’rnaam.
Un iwerndiw’r iss’r vull Blut,
Dänn ’r hatte in vulln Arger und Wuth
Sich draufgeschtarzt, im sich zu rach’n

140
Un zu schpät bemarkt, daß Dorne schtach’n.


     Racht hott er behalt’n in vulln Moßen,
Vor Annerschbarrig hatt ’r sei Blut fließ’n loßen;
Doch zu gut iss’ne nischt drauf gethan,
Dänn ich hob in Alt’nthimern[57] nochgeschlan

145
Un hob käne Person verzängt gefund’n,

Die sich all vor Annerschbarrig hette obgeschund’n.

[I]

Inhalts-Verzeichniß
des I. Heftes.




Seite
Aeniges iwer Annerschbarrig[WS 5] 03
In tiefer Ard un in Feierschgluth 06
Aene Räs’ noch Osterrod[WS 6] 10
Ae Schreck’nstog aus alter Zeit 13
Baarnjagd in Harz 18
Aus alter Zeit 22




[Back]

Druck von Paul Reitzig in St. Andreasberg.



  1. Buchschtam = Buchstaben.
  2. Barkleit = Bergleute.
  3. Anfahren = zur Arbeit gehen.
  4. Aengschaft = Eigenschaft.
  5. Unnern Sanc = Unsere Stadt.
  6. Fleet = Flöte.
  7. Barring = Berge.
  8. Larring = Lerchen.
  9. Laam = Leben.
  10. Trei = Treue.
  11. Eh’renkläd = Ehrenkleid.
  12. Wesch = Erzwäsche.
  13. Schteier = Steiger.
  14. Fetern = eine anstrengende Arbeit.
  15. Buh’rn = Bohren.
  16. Gresch = Groschen.
  17. Damp = Dampf.
  18. Schtunne = Stunden.
  19. Siewer = Sieber.
  20. Pap’nhee = Papenhöhe, Gasthaus vor Osterode.
  21. Schlok, Schleeng = Schlag, Schläge.
  22. Sump = Sumpf.
  23. Schwamschträg = Schwabenstreich.
  24. Reing = Reichen.
  25. Barger = Bürger.
  26. Heiln = Weinen.
  27. Puchrich = Pochwerk.
  28. Obnahm = Abnahme der gelieferten Arbeiten.
  29. Stuff = Stufe: Meßzeichen bei Gedingheuern.
  30. Heier = Hauer.
  31. Karrich = Kirche.
  32. Ass’n = Essen.
  33. Hart’ = Hirte.
  34. Kornzettel = fester Preis des Kornes für die Berg- und Hüttenleute.
  35. Forricht = Furcht.
  36. Holsha’r = Waldarbeiter.
  37. Farscht’ngald = Fersengeld.
  38. Baar = Bär.
  39. Farschter = Förster.
  40. Fraa = Frau.
  41. Hämwag = Heimweg.
  42. Arschter = Erster.
  43. Kräns = Kränze.
  44. kluk = klug.
  45. Greß = Größe.
  46. Heiliger Anres = Andreas Schutzpatron.
  47. Diewe = Diebe.
  48. Kruk = Krug.
  49. Schtarn = Sterne.
  50. Heisern = Häusern.
  51. Schweing = Schweigen.
  52. Malding = Meldung.
  53. Sawel = Säbel.
  54. Aanglicht = Augenlicht.
  55. Mäning = Meinung.
  56. Feier = Feuer.
  57. Alt’nthimern = Altenthümer, Aufzeichnung aus alter Zeit.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Osterode am Harz
  2. Fehlendes Anführungszeichen eingefügt
  3. Vorlage Heuer, vermutlich aber Hauer für Bergmann.
  4. Fehlender Bindestrich eingefügt
  5. Sankt Andreasberg
  6. Osterode am Harz