Die Gartenlaube (1889)/Heft 37
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No. 37. | 1889. | |
Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Sicilische Rache.
Die Entrüstung des alten Marchese kannte keine Grenzen, als
er Kenntniß von dem Schriftstücke seines ehemaligen Verwalters
genommen hatte. In tausend Stücke zerriß er den Fetzen
Papier, den Ueberbringer
warf er die steinerne
Treppe hinunter und mit
lauter Stimme verschwor
er sich vor seinen zusammengelaufenen
Nachbarn,
daß er dem sauberen
Rechtspraktikanten bei erster
Gelegenheit den Marchesetitel
und die Lust, sich
mit den Wappen der alten
adeligen Geschlechter zu
schmücken, mit Stock und
Peitsche aus dem Kopfe
herausprügeln würde.
Stock und Peitsche anzuwenden, fand aber der Marchese keine Gelegenheit, denn der schlaue Russo vermied es wohlweislich, sich irgendwie der Unannehmlichkeit, mit seinem früheren Patrone in Berührung zu kommen, auszusetzen; hingegen entwickelte er eine fieberhafte Thätigkeit, um von dem Gerichte die Anerkennung seiner beanspruchten Rechte zu erlangen, und dies gelang ihm auch nach unverhältnißmäßig kurzer Frist, dank besonders dem Umstande, daß der Marchese schon längst und, wie etliche munkelten, auf frühere von seinem eigenen Verwalter herrührende Berichte hin als ein unzufriedener, gefährlicher und mit den Revolutionären in geheimer Verbindung stehender Mensch bei der Regierung in schlechtestem Rufe stand.
So geschah es denn, daß eines schönen Morgens dem alten Marchese von der Ortsobrigkeit mitgetheilt wurde, er möge sich fürderhin mit seinem einfachen Familiennamen Filippo Ruggieri begnügen, die Marchese- und Baronentitulaturen aber mitsammt den hierzu gehörigen Wappen, Stempeln und Kronen gefälligst beiseite lassen. Und um der Sache noch einen ganz besonders beleidigenden Charakter aufzudrücken, erschien an diesem selben Tage, aber klüglich von Gendarmen begleitet, der neue Marchese della Rovere, Barone di Roccafiorita, in Taormina, nahm öffentlich von einem Hause, das er gerade dem alten Palazzo seines ehemaligen Herrn gegenüber angekauft hatte, Besitz, lud alle amtlichen Personen vom Ortsvorsteher bis zum letzten Klosterbüttel zum Essen zu sich ein und vertheilte nach aufgehobener Galatafel von seinem Balkone herunter Geld, Wein, Fleisch und Brot unter die aus allen Winkeln herbeigeströmten und in allen Tonarten „Viva il Marchese!“ jauchzenden und heulenden Bettler. Auf die Bürger von Taormina machte freilich diese Thronbesteigung des
[614] allgemein gehaßten und gefürchteten Giuseppe Russo einen ganz anderen Eindruck, und während die Bettlerschar auf der einen Seite des Platzes den Wohlthaten des neugebackenen Marchese zujubelte, brachten auf der andern Seite die Männer und Frauen von Taormina dem alten, zwischen Rührung und Entrüstung, zwischen thränendem Dankesstottern und unbeschreiblichen Wuthausbrüchen sich theilenden Edelmann ihre ebenso lauten und nicht minder leidenschaftlichen Huldigungen dar.
Bei allem, was ihm heilig war, bei seinen urältesten Ahnen, bei den in Palermo begrabenen Normannenkönigen, und dann im selben Athemzuge bei den Rechten des Volkes, bei der Freiheit und bei den Manen Procidas und aller Tyrannenbändiger schwur Don Filippo, nicht zu ruhen und nicht zu rasten, bis er wieder in seine Rechte eingesetzt und bis aus jenem Aftermarchese wieder ein richtiger Winkeljurist geworden wäre. Seine und seiner Freunde Bemühungen brachten es auch soweit, daß der Prozeß gegen Giuseppe Russo wieder aufgenommen und in neuer Instanz in Palermo berathen wurde. In Erwartung dieses entscheidenden Richterspruches lebte Signore Filippo wie ein Löwe in seiner Höhle in seinem alten Kastelle in Taormina weiter; seine von urkräftigen Verwünschungen gewürzten Zornausbrüche gegen den „Schuft“, den „Schurken“, den „Baronenschwindler“ ertönten von morgens bis tief in die Nacht hinein in der weiten verwahrlosten Halle der Normannenburg; sie vermischten sich mit den Befehlen, die der Hausherr über die verfallene Steintreppe hinunter und unter den spinnwebenumhangenen Gewölben hin seinen in Lumpen umherlungernden Dienern zuwetterte; sie flochten sich als ein eigenartiges Gewinde durch die Gespräche, die er abends vor dem Thore seines Palazzos mit den Freunden und Nachbarn zu halten pflegte, und flogen von da aus dick und körnig mit den Rauchwolken, die er aus seiner kurzen Thonpfeife herauspustete, zu den Fenstern des „Marchesestalles“, wie er das Haus gegenüber zu benennen beliebte.
Konnte Romeo nun von diesem so schwer gekränkten und in der Ehre seiner Väter angegriffenen Manne eine ruhige und vorurtheilsfreie Beantwortung seiner Frage erwarten? Mußte er nicht im Gegentheile befürchten, daß der Marchese seinem Freunde Salvatore Recht geben und daß ihm jedwede Waffe genehm sein würde, wenn es nur zu einem lustigen Dreinschießen käme und die Neapolitaner mit ihrer ganzen Sippe von Söldnern und Rechtspraktikanten wie ein Rudel Wildschweine aus Sicilien hinausgejagt würden?
Der Abend war vollends hereingebrochen, und schon fing es an zu dunkeln, als Romeo in den Thorweg des alten Sarazenenstädtchens einbog.
Am anderen Ende der Straße erhob sich ein plötzliches Schreien; – es fiel ein Schuß – dann wurde es wieder still. Romeo blickte auf. Rasche Schritte näherten sich. Um die Ecke bog ein junger Mann. In der linken Hand trug er eine Flinte. Wie er näher kam, erkannte Romeo den Sohn seines Freundes Merlo.
„Antonino?“ sagte er leise, und fragend hob er die zusammengepreßten Finger der rechten Hand in die Höhe.
Der andere stutzte, dann, einen raschen Blick um sich werfend, legte er den Finger auf den Mund und in ebenso leisem Tone wie Romeo raunte er diesem im Vorbeigehen zu:
„Einer ist todt! Ich flüchte in die Berge; – sage aber, Du hättest mich drunten am Meere getroffen, ich hätte mich heute morgen nach Reggio eingeschifft!“
Sprach’s und schritt weiter.
Romeo verzog keine Miene. Niemand hätte ahnen können, daß die beiden sich kannten, oder gar, daß sie miteinander gesprochen hatten. Ein Nebengäßchen öffnete sich einige Schritte weiter. Langsam, als wäre es sein Weg, lenkte Romeo seinen Esel dort hinein.
„Ist einer todt, so denke an den Lebenden!“ sagt ein sicilianisches Sprichwort.
Durch lange, krumme Gäßchen, den Berg hinan und dann wieder hinunter, einen weiten Bogen um die Gegend beschreibend, in welcher der Schuß gefallen war, kam Romeo endlich auf einen kleinen Platz.
Ein massiver viereckiger Bau von Quadersteinen erhob sich auf der einen Seite. Vor dem Hause, dem Gäßchen, aus welchem Romeo herausritt, den Rücken kehrend, stand mit ausgespreizten Beinen ein hochgewachsener, breitschulteriger Mann; ein Schlapphut bedeckte den von langen weißen Haaren umwallten Kopf; die Kleider hingen nachlässig um die stramme Gestalt; in kurzen Pausen pustete die Stummelpfeife, die er fest zwischen den Zähnen hielt, dichte Rauchwolken in die Luft. Er schien aufmerksam an dem gegenüberliegenden Hause ein hell erleuchtetes Fenster zu beobachten.
„Guten Abend, Marchese!“ rief Romeo, von seinem Esel springend und dem Freund auf die Schulter klopfend.
Der andere drehte sich um. Das kupferbraune, scharfgezeichnete Gesicht schien noch brauner und düsterer gefärbt aus dem hellen Rahmen des schneeweißen Vollbartes; die weißen Wimpern und Brauen verliehen dem blauen Auge einen seltsamen Ausdruck
„Eh, Romeo!“ rief er, „was führt Dich hierher?“
„Immer dasselbe,“ erwiderte Romeo mit verständnißvollem Augenzwinkern. „Kann ich eine Nacht bei Dir zubringen? Morgen reise ich nach Milazzo.“
Ein wieherndes Lachen des Marchese unterbrach ihn.
„Haha!“ rief der Alte über den Platz hinüber, „hast Du mich endlich entdeckt, Marchesendieb? Und huschest vom Fenster zurück – weil Du Dich vor meinem Blicke fürchtest! – Gauner! Schurke! – Er ist seit gestern wieder hier,“ fügte er gegen Romeo hinzu; „kam, um seine Einkünfte einzukassiren – und seine Verwalter zu kontrolliren! – Haha! Giuseppe Russo, Du weißt ja, daß den Verwaltern nicht über den Weg zu trauen ist! Wer einen andern bestahl, ist gewitzigt! – Komm doch mal hervor, – daß man sehe, wie ein Dieb unter einer Marchesenkrone aussieht!“
Ein paar Männer bogen raschen Schrittes um die Ecke herum.
„Marchese!“ sagte der erste, indem er dicht zu dem Alten hintrat, „auf der Straße dort liegt der Verwalter des …“ mit umgedrehtem Daumen wies er auf das Haus; – „er ist todt.“
Der Alte stieß langsam den Rauch aus seiner Pfeife.
„Wundert mich nicht, Raffaelo! Hat ihm die Galle eine Ader gesprengt?“
„Mit nichten! todtgeschossen! … in die Stirn getroffen!“
„Sonderbar! Hörte ich doch keinen Schuß fallen! … ’s ist seine Schuld und die Schuld seines Herrn. Warum ziehen sie den armen Leuten das Fell über die Ohren! Könnte wohl einem andern was Aehnliches passiren!“ –
Im Hause drüben wurde es plötzlich lebendig. Ein Geräusch von Stimmen kam die Treppe herunter. Ein greller Lichtschein brach durch das geöffnete Thor und flammte über den Platz, die unbewegliche Gruppe, die dort stand, in ein plötzliches rothes Flackern einhüllend. Zwei Diener mit Windlichtern traten heraus; ihnen folgte auf dem Fuß ein kleines, spindeldürres Männchen, das mit den Armen lebhaft in der Luft herumfuchtelte und mit heiserer Fistelstimme unzusammenhängende Worte vor sich hin kreischte. Der Marchese stemmte sich fester auf seine breiten Beine; man hörte, wie er die Hacken in die Erde einwühlte. Hinter dem Männchen kamen ein paar Gendarmen zum Vorschein, hochgewachsene, nachlässig in ihrer Uniform sich bewegende Gesellen. Wie der Kleine der vom Wiederscheine der Fackeln hell beleuchteten Männer ansichtig wurde, drehte er sich zu diesen zurück.
„Dort steht er!“ schrie er; „nur von Filippo Ruggiero kann der Mörder gedungen sein! Haltet ihn fest!“
Der Marchese rührte sich nicht vom Flecke. Er biß die Zähne in den Schaft seiner Pfeife. Ein eigenthümlicher Ton wie das dumpfe Murren eines zum Sprunge ansetzenden Löwen entrang sich seiner Brust; dann rief er hinüber:
„Du lügst und weißt, daß Du lügst, Peppo Russo! Du weißt ja so gut als ich, daß ich seit einer Stunde nicht von dieser Stelle gewichen bin, und bevor Du die Gendarmen bei Dir hattest, wagtest Du Dich nicht einmal ans Fenster, – Galgenkandidat!“
Die Gendarmen machten keine Miene, dem Befehl des Kleinen Folge zu leisten. Der Brigadiere näherte sich ihm, und laut genug, daß die andern drüben es hören konnten, sagte er:
„Antonino Merlo hat geschossen. Heute noch wird er festgenommen.“
Romeo trat einen Schritt vor.
„Antonino Merlo?“ sagte er, „wie wäre dies möglich? Vor zwei Stunden traf ich ihn unten am Meere; er hat Geschäfte in Reggio und schiffte sich ein.“
[615] Die Gendarmen schauten einander betroffen an.
„Filippo!“ kreischte der Kleine mit widrigem Lachen; „nur Geduld! Dein Stündlein wird schon schlagen.“
„In der Hölle freuen sie sich, Dir nächstens den Rest Deines falschen Marchesenfettes von dem Gerippe herabzuschmoren, – Baronenhund!“ antwortete der Alte und schaute ihm lautauflachend nach, wie er sich mit seinen Dienern in der Richtung nach der Stelle, wo der Schuß gefallen war, entfernte.
Der Brigadiere hatte einen Augenblick gezögert, ihm zu folgen. Raffaelo trat rasch auf ihn zu.
„Wenn Du den Antonino suchen willst,“ sagte er, ihm scharf ins Auge schauend, „so rathe ich Dir, morgen, – verstehst Du? morgen! – an das Meer dort unten, zwischen Letojanni und Giardini, zu gehen! Auf die Berge brauchst Du Deine Leute nicht zu schicken, – dabei wär’ nichts zu verdienen, – verstehst Du?“
Der Gendarm lächelte bedeutsam.
„Und wenn ich zufällig zwischen Letojanni und Giardini nichts finden sollte?“
„Was Du auf den Bergen finden würdest, nützte Dir doch nichts! Wird aber von einem andern dort oben ein Schatz gehoben, so bleibt’s bei der Verabredung – halbpart!“
Der Brigadiere grüßte und entfernte sich.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Als am andern Tag beim ersten Morgengrauen der Marchese vor seiner Hausthür dem Freund zum Abschied die Hand reichte, rief er dem auf seinem Esel sich zum Weiterreiten Einrichtenden mit derbem Lachen zu:
„Philosophire und spintisire nicht allzu viel, Romeo! Ein jeder treibt’s, wie er’s versteht! Du hast recht und Salvatore hat auch recht, und ich habe recht – und Antonino hatte gestern an jener Straßenecke auch wieder recht! – und wer weiß, wer heute oder morgen dort oben oder dort unten ebenso recht haben wird! Aber Gesindel bleibt Gesindel! Darum nur drauf und dran! Und hab’ ich keinen Säbel, so nehm’ ich ein Messer zur Hand, und hab’ ich kein Pferd, so pflüge ich mit dem Hund, – und, Du magst nun sagen, was Du willst, freuen wird es Dich doch, wenn Du erfährst, daß es Deinen und meinen Feinden auf die eine oder auf die andere Art recht schlecht ergangen sein wird. Und höre noch ein Wort, Romeo! Ein Pfaffenfreund bist Du so wenig als ich, – und doch, wer hat vorgestern in San Placido mit Euch verhandelt?“
Romeo erhob abwehrend die Hand.
„Zwischen Kloster und Maffia, zwischen patriotischen Mönchen und räuberischem Mordgesindel ist ein Unterschied!“
Aus der Nebengasse ertönte Hufschlag. Romeo hielt inne.
„Es ist nichts!“ beruhigte ihn der Marchese, – „unser Freund Raffaelo wird Dir das Geleit über die Berge geben.“
„Raffaelo? Weshalb? Ich kenne den Weg.“
Raffaelo war zu den beiden getreten.
„Laß gut sein, Romeo!“ lächelte er bedeutsam; „auf den Bergen ist’s heute nicht gar sicher. Ein gewisser neugebackener Edelmann soll heute jenen Weg einschlagen, und Du weißt ja, Antonino Merlo war gestern nicht drunten am Meere und dürfte wohl heute auch nicht dort unten zu finden sein. Dort oben aber – wenn ein neugebackener Edelmann heute zufälligerweise dort oben Leute antreffen sollte, die ihm sein zusammengestohlenes Geld abnähmen und ihn auf einige Tage aufs Trockene setzten, – aufs Trockene oder ins Feuchte, wie’s eben kommt, man kann ja nicht so wählerisch sein – nun, so möchte ich nicht, daß ein braver Mann, wie Du einer bist, mit den Freunden jenes Edelmannes verwechselt würde … Mich kennt jeder Felsen und Stein dort oben, und unter meinem Geleit reitest Du heute sicherer – als unter aller Gendarmen Geleit.“
„Haha!“ lachte der Marchese zu Raffaelos Worten; „die Fische, nach denen die braven Gendarmen zwischen Letojanni und Giardini im Meere angeln, haben sich in Adler verwandelt, die heute wohl dort oben einer Krähe die Augen aushacken werden. Lebe wohl, Romeo, und überlasse das unnütze Spintisiren den andern! Die Alten bleiben wir unentwegt, – und wenn’s losgeht, so ist mein Pulver trocken, – und wär’ es naß geworden über Nacht, so giebt’s Feldsteine am Weg zum Kopfzerspalten.“
Stumm reichte ihm Romeo die Hand und trieb seinen Esel den Berg hinan.
Hinter der letzten Krümmung des Thales der Badiazza, wo die immer enger und düsterer vom Meere zu der pelorischen Gebirgswand sich hinaufwindende Kluft sich plötzlich erweitert und einen inmitten dieser furchtbaren Wildniß beinahe anmuthig zu nennenden Thalkessel bildet, lag Romeos Landhaus, ein kleines gelbbemaltes, von einem Citronen- und Orangengarten umgebenes Häuschen, das sich der Tischlermeister aus den herumliegenden, von den seit langen Jahrzehnten zusammengestürzten Klostergebäulichkeiten herrührenden Steinen aufgebaut hatte. Der in den Sommermonaten trocken liegende, im Winter aber zum schäumenden Gießbach sich wandelnde Torrente hatte längst in seiner hundertjährigen Arbeit die Erde von den nackten Bergesfelsen abgespült; langsam hatte sich die Thalsohle erhöht; die alten Wirthschaftsgebäude des Klosters lagen schon fast bis zum Dache in Schutt begraben; die früher auf einem steilen Hügel stehende Kirche erhob sich kaum noch einige Meter hoch über das unaufhaltsam herunterrückende Bergesgeröll.
Romeos Haus lag an die Anhöhe gelehnt, am Ende einer zwischen verfallenen Klosterkellern sich in die Höhe ziehenden Gasse, welche es von den Verheerungen des Torrente trennte und deren Ausgang nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt war, wo Felicita jeden Morgen ihre Andacht verrichtete.
Heute jedoch war Felicita mit andern Gedanken beschäftigt und zum Kirchgang hatte sie noch keine Zeit gefunden. Durch ihre halbverschlossenen Persiennen ließ sie seit den ersten Tagesstunden schon ihren Blick über die Thalstraße schweifen, die von Messina zu den Bergen herauf führte.
„Sieh, Nina,“ rief plötzlich das Mädchen, ihre Begleiterin zu sich ziehend, „sagte ich’s nicht? … Dort kommt er!“
Ein Reiter war von der Fahrstraße zu dem Torrente heruntergebogen. Er trug die Uniform der schweizer Offiziere. Nur das Auge der Liebe vermochte aber in dieser Entfernung die Gesichtszüge zu erkennen oder zu errathen.
„Er schaut sich um! … er sucht den Weg! … sind wir doch gestern abend gerade an dieser Stelle seinen Augen entschwunden! … diesmal wird er aber den Weg finden.“
Ein triumphirendes Leuchten flog durch den Blick, der diese Worte begleitete.
„Ja wohl!“ erwiderte nach kurzem Schweigen Felicitas Gefährtin, „wenn es gilt, den hübschen Mädchen nachzuforschen, so finden diese Herren immer den Weg.“
„Es müßte denn,“ fiel ihr Felicita lächelnd und vorwurfsvoll ins Wort, „eine Nina dabei sein, die es versteht, im Dunkel eines Klosterganges den Suchenden vorbeistürmen und ihn die Spur verlieren zu lassen.“
„Madonna Santissima! Und wäre es wieder zu thun, ich thäte es wie gestern. Dein Vater hat Dich mir anvertraut und ich bin seine getreue Dienerin.“
„Das sollst Du auch bleiben, Nina! Aber mich hast Du auch lieb, und wenn ich Dich darum bäte, Du würdest mir doch sicherlich nicht wehren, wenn ich jetzt mein Taschentuch durch die Spalten der Persiennen hinaushinge und dem Offizier ein Zeichen gäbe, damit er das Haus fände.“
Mit rascher Hand hielt Nina sie aber zurück.
„Nein! das thust Du nicht! Ein Schweizer! Ein Feind!“
„Ein Schweizer, ja! ein Feind, nimmermehr! Jener dort ist ein Freund unseres Volkes, – Du hörtest es ja gestern aus seinem eigenen Munde! … Sieh hin, Nina, sieh hin! Meine Blume, die ich ihm gab, trägt er im Knopfloch! Er liebt mich, Nina, er liebt mich!“
Abwehrend und wie beschwörend erhob Nina die beiden Hände.
„Barmherzige Mutter Gottes!“ rief sie, „liebst Du denn diesen Schweizer?“
Felicita schaute einen Augenblick schweigend in die Ferne.
„Lieben?“ sagte sie endlich; – „weiß ich, was das heißt: lieben? – Ja,“ fuhr sie dann plötzlich auf wie mit einem Aufschrei des Herzens, „wenn Liebe so viel heißt, daß jener dort seit Tagen und Wochen all mein Denken erfüllt, – daß ich mich sehne, ihn wieder zu sehen, seine Stimme zu hören, in sein Auge zu schauen, – daß ich mir vorkomme, als müsse ich ewig mit ihm leben, – daß sein Tod auch mein Tod wäre, – ja, dann hast Du recht, wenn Du sagst: ich liebe ihn.“
Händeringend warf sich die Magd zu ihren Füßen.
[616] „Madonna! Madonna! Du weißt nicht, was Du sprichst. Denke an Deinen Vater!“ jammerte sie.
„Wenn mein Vater ihn gestern gehört hätte, er würde sagen: ‚Dies ist ein braver Mann, den darfst Du lieben.‘“
„Und wenn Dein Vater vor Dich träte und Dir zuriefe: ‚Felicita! Mein Kind! Um unseres Volkes willen, – um Deines Vaters – um unserer Freunde willen – laß ab von Deinem frevlerischen Thun und vergiß diesen da, der morgen seinen Söldnern auf Deine Brüder, – auf Deinen eigenen Vater zu schießen befehlen wird!‘“
Sie hatte ihre Hand erfaßt; Thränen rannen über ihre Wangen. Langsam senkte Felicita das Haupt, – sie hing an ihrem Vater mit inbrünstiger Verehrung; er war ihr alles, er war ihr Abgott, – sie fühlte in diesem Augenblick, daß sie nie und nimmermehr sich gegen seinen Willen auflehnen könnte, – sie fühlte aber auch, daß sein Verbot ihr Herz brechen würde.
„Mein Vater ist mein Herr,“ sprach sie leise, kaum hörbar. „Ihm bin ich Gehorsam schuldig bis in den Tod – und ihm werde ich gehorchen, komme, was da kommen mag. Vergessen könnte ich den Geliebten aber nicht – und im Kloster, im ewigen Tod würde Felicita ihre Liebe und ihren Gehorsam beweinen.“
Eine Krümmung des Thales hatte den Offizier ihren Blicken entzogen … Jetzt trat er wieder hervor. Sein Auge forschte nach rechts und nach links, an den Villen, welche den Torrente begrenzen, – er suchte wohl, ob sich nicht ein Fenster öffnete, ob nicht ein Zeichen von fernher winkte; – jetzt hielt er dort unten, am Brunnen, bei den Wäscherinnen; – er sprach mit den Mädchen; – sie lachten ihm fröhlich zu; sie zeigten auf die Landhäuser; – wie hätten sie ihm aber den Weg weisen können? – wußte er doch nicht, nach welchem Namen er sich erkundigen sollte! – Nun ritt er weiter; – nun trabte sein Roß, die frische Bergesluft in den offenen Nüstern auffangend, der Klosterkirche zu; – nun kam er an die Gasse, die zu Romeos Hause führte … Wird er den Weg errathen? Wird ihm sein Herz nicht ein Zeichen geben, daß dort, hinter den Persiennen, zwei Augen sehnsüchtig und liebend nach ihm suchen? … Ach! er war vorbeigeritten!
„Nina! Nina! er wird mich niemals finden! Laß mich die Persiennen öffnen! laß mich hinüber zu ihm rufen: ‚Hier bin ich! Ich erwarte Dich! Ich liebe Dich! Komm!‘“
Aber scharf und bestimmt, als treue Hüterin des ihr anvertrauten Schatzes, untersagte es ihr Nina: der Vater würde es verbieten, – und Felicita bestand nicht auf Erfüllung ihres Wunsches; – der Vater hätte es noch weniger erlaubt als Nina, und der Vater war ihr Herr. – Und dennoch! Es war das erstemal in ihrem Leben, daß ihr der Gehorsam so schwer fiel, – das erstemal auch, daß sich die ängstlich schüchterne Frage vor ihr Gewissen wagte, ob es denn etwas gäbe in der Welt, was noch tiefer in das Herz hinunter dringe und das Wollen und Denken noch gewaltiger übermanne als die Verehrung für den Vater.
Eckart war bei der Kirche angelangt. Weiter brauchte er nicht zu wandern: dort hinten im Thale gab es keine Landhäuser mehr, dort lag die leere Wildniß. Die nackten Felsenwände starrten zu dem das Bild scharf abschneidenden letzten Bergesgrat empor, der die Wasserscheide zwischen Messina und der Ebene von Milazzo bildet; tief eingeschnitten lag die finstere Thalmulde vor ihm; schräg nur und schwarze Schlagschatten an das gegenüberliegende Gestein werfend, stahl sich die Sonne in den düstern Bergeskessel; ein tiefes Schweigen lag auf dieser Felseneinsamkeit. Wie ein letztes Ueberbleibsel der lebenden Welt blickte durch die zerbrochenen Fensterscheiben der Kirche das fahle Leuchten des ewigen Lämpchens; der durchsausende Wind setzte die verrostete Kette, an der es vom Gewölbe herunterhing, in eine langsam schaukelnde Bewegung; durch die hohen Fenster glitt das Auge über gewaltige Pfeiler und Wölbungen; im Vorbeihuschen spielte ein Lichtstrahl über moosbedeckte Normannenkreuze, als wollte er das Längstverstorbene zu neuem Leben erwecken.
Eckart lenkte sein Roß an die Langseite des Klosters, wo einige mit festen Holzläden versehene Fenster und ein paar auf den Gesimsen stehende Krüge mit zerbrochenen Henkeln auf einen menschlichen Bewohner hindeuteten.
„Fra Serafino!“ rief der Offizier hinauf; „mich dürstet nach diesem heißen Ritt! Giebt’s ein Glas guten Weines in Deinem Keller?“
Es dauerte eine Weile, bis sich dort oben etwas regte. Endlich zeigte sich in dem schwarzen Rahmen des Fensters, langsam und behutsam, ein Gesicht – ein Gesichtchen eher zu nennen, so seltsam zusammengeschrumpft sah es aus unter seinen unzähligen Falten und Fältchen, mit dem schiefen Munde und der schiefen Nase – und mit den so herzensguten, kindlichen Augen, die an die Augen eines treuen Hundes erinnerten – ein Blick, dem man’s ansah, daß die Seele, die daraus hervorstrahlte, keinem Thier und keinem Menschen ein Leids anzuthun vermochte.
„Wein? ach, Wein?“ antwortete es zu dem Offizier herunter; „Ihr wißt ja, Herr Hauptmann, daß ich die ärmste aller Klosterratten bin!“
„Wohl! wohl! Aber für die Herren Abbati, die am Sonntage hier Messe lesen, hast Du ein besonderes Tröpfchen im Keller, das weiß ich auch.“
Das Mönchlein zauderte; es schaute den Offizier mit seinen scheuen, guten Augen an, als wollte es sagen: „du bist ja der Stärkere und Klügere von uns beiden, ich werde Dir den Wein schon holen müssen; nur wirst Du mich doch zum Lohne nicht verrathen?“
Seine Musterung mußte wohl nicht ungünstig für den Offizier ausgefallen sein, denn er winkte ihm mit verstohlener Gebärde nach der Kirchenthür zu, und als Eckart dort ankam, hörte er schon das Mönchlein aus der finstersten Ecke heraus, als käme die Stimme von dem Schlußstein des Gewölbes herunter:
„Kommt nur die Treppe herauf! Hier oben ist das Zimmer, das die Abbati bewohnen, wenn sie zum Messelesen herauskommen – oder wenn der Erzbischof sie zur Selbstkasteiung herausschickt.“
Als sie am wackeligen Tische vor einer alten Flasche Aetnaweines saßen, gedachte Eckart zum eigentlichen Zwecke seines Besuches überzugehen.
„Giebt es denn überhaupt noch Priester, die in dieser Ruine verweilen?“ fragte er, „und weshalb wird hier Messe gelesen?“
„Ach, Herr Hauptmann, so weltvergessen sind wir doch noch nicht; es leben gute Menschen in den Landhäusern.“
„Landhäuser?“ sagte Eckart, den Verwunderten spielend; „habt Ihr bewohnbare Landhäuser hier?“
„Bewohnbare und bewohnte!“ antwortete mit argloser Selbstgefälligkeit der Mönch, und nun begann er die Namen der Inhaber dieser Villen aufzuzählen; auch Romeos Name kam dabei vor; „aber,“ fügte er hinzu, „Romeo weilt zur Zeit nicht hier; er unternimmt oft Reisen über die Berge.“
„Pflegst Du Umgang mit Romeo?“
„Ach, mich kennen ja alle Leute hier! Der Erzbischof hat mir dies Obdach gewährt und ich bin der Wächter des alten Klosters. Ein gefährlich Amt, wenn im Frühjahr und im Herbst die Torrentefluthen wüthen! Wie von einer Hölle umbraust, liegt unsere arme alte Kirche da während der schaurigen Stürme, schutzlos und einsam. Ja, lange wird sie nicht mehr stehen, denn das wunderthätige Madonnenbild haben sie nach Messina in das Kloster della Scala gebracht. Von den Abbati kennen aber viele den Romeo besser als ich; – sie verkehren oft mit ihm; – seine Villa ist die nächste und Romeo ist ein braver, guter Mann. Auch mit den andern Nachbarn verkehren die Herren Abbati gern, – mit Santi de Pasquale besonders – der eine gar schöne Tochter hat – und die Herren Abbati lieben ja auch schöne Frauengesellschaft.“
Er lächelte dazu und schaute zu dem Offizier auf in seiner kindlichen Weise, so daß Eckart nicht wußte, ob die Bemerkung harmlos oder satirisch gemeint war.
„Wie alt mag wohl Santi de Pasquales Tochter sein?“ fragte er.
„Ach, ein schönes Kind! Eccellenza kennen sie gewiß. Achtzehn Jahre mag sie zählen. Sie kommt zuweilen mit ihrer Mutter in die Kirche.“
„Ihr Vater kennt wohl auch die Mönche von San Placido?“
„Herr Hauptmann haben recht! Man erzählte erst in diesen Tagen, daß er den Mönchen in San Placido im letzten Jahre einige tausend Piaster für ihr Oel und ihren Wein gelöst habe und dabei andere tausend für sich gewonnen.“
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[618] So hatte Eckarts guter Stern ihn seiner Meinung nach zum Ziele seiner Liebeswallfahrt geführt. Seine Freude verbergend, plauderte er mit Fra Serafino noch weiter von anderen Dingen, denn er kannte den leicht erregbaren Argwohn der Sicilianer, und da er voraussah, daß er die Hilfe des Mönchleins vielleicht noch nöthig haben würde, so durfte auch nicht der leiseste Schatten eines Zweifels in dieses Biedermännchens Seele auftauchen. Froher als er gekommen, trat er den Rückweg nach Messina an.
Felicitas Auge haftete von weitem unbeweglich auf dem Offizier, der sein Roß so kräftig und mit so vollendeter Sicherheit durch das Bett des Torrente leitete, die losen, kollernden Steinhügel behutsam umritt und das Pferd in kurzem Satze über die tiefen, am Rande zerbröckelnden Furchen des Bergstromes springen ließ. Weit hinter den ersten Häusern Messinas war er schon verschwunden, und noch lehnte das Mädchen an ihrem Fenster, dem Scheidenden, bald aber Wiederkehrenden in der Abendgluth ihr Lebewohl und Auf Wiedersehen! nachrufend, und tiefer, immer tiefer grub sich in ihr Herz der ersten Liebe jugendlich göttliches Hoffen.
Vergeblich suchte Eckart den Schlaf. Nur mit der schönen Unbekannten beschäftigte sich sein unruhig suchender Geist. Ihre Spur hatte er wiedergefunden … dieser Spur würde er nachfolgen, bis er die Heißersehnte selber wieder fände … morgen! vielleicht morgen schon! … War es schon der Traum? Wachte er noch? Umfing ihn der Schlaf mit seinen fiebernden Nachtphantasien? … Es war ihm, als schwebte er leichten Fußes über grünende Rasenteppiche, durch Thalgründe, wo hohe, stille Bäume dem Quellengemurmel lauschten. O die schattigen Wälder der Heimath! O die tiefen dunklen Augen des sicilischen Mädchens! Und siehe! … im Walde steht ein Häuschen, um Berge ziehen sich Rebengelände in die Höhe; und er klettert hinauf durch wunderbare, von Tannen und Citronenbäumen verflochtene Haine, und droben in dem weißen stillen Häuschen findet er sie, die Heißgeliebte. Sie winkt ihm freundlich lächelnd zu, eine Blume läßt sie von ihrem Busen herunterfallen auf sein Herz – und sein Herz öffnet sich und wie in einem kostbaren Schreine verbirgt sich darin die schwellende Knospe, daß er sie ewig bewahre in unveränderlicher Liebe … Plötzlich aber verschwindet das kleine, stille Haus – brennende Sonnengluth umhüllt den jäh Erschreckte wie mit einem heißen Strahlenschleier; – er ruft nach der Entschwundenen, und in stummen Felsenthälern eilt er ihr nach und durch ruinenhaft verfallene Klöster und Kirchen sucht er stürmend seinen Weg. Aus den alten Klosterfenstern nicken betende Mönchsgesichter; seine Fragen nach dem entschwundenen Lieb hören sie nicht, verstehen sie nicht, geräuschlos wenden sie im heißen Sirokkowinde die Blätter ihrer vergilbten Pergamentbücher; gespenstisch starren ihre Augen in die Oede. „Felicita!“ ruft es aus dem Thale hervor; „Felicita!“ ruft er der Stimme nach, und er stürzt weiter und weiter … Thalgründe öffnen sich zwischen den Bergen, unbekannte, nie gesehene, nie geahnte Klüfte – ohn’ Ende, ohn’ Ausgang! … und „Felicita!“ ruft er wieder durch die tonlose Einöde … und klagend antwortet es von ferne, ganz von ferne, in leisem, immer leiserem Weinen: „Addio Felicita!“ … Und in wirren Bildern verliert sich das fiebernde Träumen.
Die letzte Theatersaison.
Manche neue Trauerspiele und Lustspiele sind über die Bühne gegangen, doch nur wenige sind als ein dauernder Gewinn für das Repertoire zu verzeichnen. Den größten Erfolg hat wohl das Schauspiel von Ernst von Wildenbruch, „Die Quitzows“, davongetragen; es ist in Berlin geradezu volksthümlich geworden. Abgesehen von den zahlreichen Wiederholungen am Hoftheater, hat es sich der Kaiser selbst in einer Sondervorstellung vorspielen lassen, und in einer Schülervorstellung ist es auch dem jüngeren heranwachsenden Geschlecht zugänglich gemacht worden. In Breslau und an anderen preußischen Bühnen hat es Beifall gefunden, aber auch in Straßburg, und es wird noch an manchen Theatern, wo der Berliner Lokalpatriotismus und die brandenburger Provinzialgeschichte fremdartiger gemahnen, seinen Einzug halten; denn es ist eine Dichtung voll Mark und Kraft und jedenfalls die eigenartigste Schöpfung Ernst von Wildenbruchs.
Der Charakter des Haupthelden, Dietrich von Quitzow, mag an den Goetz von Berlichingen erinnern: er ist voll stolzer, aber wilder Männlichkeit, von einem selbstherrlichen Trotz, der das Gesetz verachtet und kein anderes anerkennt als das, welches er selbst diktirt. So sagt er sich von den Pommerherzogen los, welche ins Land gefallen sind, und schließt ein Bündniß mit der Stadt Berlin, bei welchem er aber den Löwenantheil für sich in Anspruch nimmt. Dem kaiserlichen Abgesandten, welcher den Burggrafen von Nürnberg als den Statthalter der Marken ankündigt, antwortet er trotzig im Namen Berlins, aber bereits im Widerspruch mit den Berliner Bürgern. Und dieser Widerspruch steigert sich zu heftiger Gereiztheit, als er Wins, den Bürgermeister von Straußberg, gefangen auf seine Burg Friesack abführen läßt. Dem Burggrafen von Nürnberg, dem Hohenzollern, der sich in einem Monolog voll hoher dichterischer Schönheit einführt, huldigen nun die meisten Ritter und die Städte, auch die Stadt Berlin; nur Dietrich von Quitzow verharrt in unbeugsamem Trotz, wird von dem Burggrafen in die Acht erklärt und in seiner Feste Friesack belagert. Doch nicht durch die Hand der Truppen des Hohenzollern fällt Dietrich von Quitzow, er fällt durch die Hand seines Bruders Konrad, der aus der Domschule des Propstes Ortwin zu dem kaum gekannten Bruder zurückkehrt, weichherzig und edelmüthig und dem gewaltthätigen Wesen feind. Die Frau und Tochter des gefangenen Bürgermeisters nimmt er dem Bruder gegenüber in Schutz, die letztere gewinnt sein Herz. Innerlich gebrochen durch den Zwiespalt mit Dietrich und dem Hohenzollern im Herzen zugethan, erhebt sich Konrad erst zu energischem Widerstand, als Dietrich, seiner Geliebten, der polnischen Königstochter Barbara, folgend, zu den ins Land fallenden Polen mit den Seinigen durchbrechen will. Da rafft sich Konrad auf, giebt Gegenbefehl, und es kommt zu einer hochdramatischen Scene zwischen den beiden, in welcher Dietrich von Konrads Hand fällt; dieser läßt sich dann selbst tödten vom Bannerträger der Quitzows.
Betrachtet man den Aufbau der ganzen Dichtung, so verdient es vielleicht Tadel, daß dieser entscheidende Konflikt zwischen den Brüdern erst so spät zum Ausbruch kommt und sich nicht von Anfang an ankündigt. Doch das Stück ist ja mehr als eine Tragödie der feindlichen Brüder; es hat einen breiten geschichtlichen Untergrund und weite historische Fernblicke; es ist eine Verherrlichung der Herrschaft des Gesetzes, welches mit den Hohenzollern in die Mark eingezogen ist, gegenüber dem wüsten Raubritterthum, das sich oft mit des Landes Feinden verband; es ist eine Huldigung für das Herrschergeschlecht, welches dem Volke ein Vaterland geschaffen hat, und dafür wird ja Konrad von Quitzow zum Brudermörder und bringt sich selbst zum Opfer. So ist das Stück nicht in knapper dramatischer Fassung, sondern weitläufig aufgebaut, um Raum und Licht zu lassen für die geschichtliche Entwicklung. In den ersten Akten nehmen die Volksscenen einen breiten Raum ein; wie ein kleines Lustspiel, das selbst seinen Abschluß hat, spielt die Liebe des Köhne Finke, des flotten Vagabunden, zur Meisterstochter Riecke in die Handlung mit herein, und durch den Berliner Dialekt, dessen Einführung von zweifelhafter Berechtigung ist für die Zeit der Quitzows, in denen „Nante“ noch nicht geboren war, erhalten einzelne Scenen fast das Gepräge einer geschichtlichen Berliner Lokalposse; sie sind aber dabei so frisch und naiv, so gesund und kernig, daß sie nur Wohlgefallen erwecken. Die Frauencharaktere treten weniger bedeutsam hervor; einige sind nur für die Straßenscenen geschaffen; die irrsinnige Agnes, geheilt durch die in ihrem Herzen aufgehende Liebe zu Konrad, hat einen wehmüthigen Reiz; am meisten greift die kühne Polin Barbara, die etwas von Schillers Marina im „Demetrius“ hat, in die Handlung ein, als sie den Anmarsch der von ihr herbeigerufenen Polen verkündet. Die Sprache hat in den ernsten, geschichtlichen Scenen einen markigen Vollklang, bisweilen weihevollen Schwung; es ist der Ton Shakespearescher Dichtung.
[619] Neben diesem geschichtlichen Schauspiele, welches auf volksthümlicher, wenn auch provinziell beschränkter Grundlage ruht, sind in der vergangenen Saison dramatische Dichtungen zur Aufführung gelangt, welche in ihrer Eigenart beweisen, wie mannigfach das Farbenspiel unserer Talente ist und wie wenig sich auf dem Gebiete der ernsten Dramatik ein durchgreifender Stil gebildet hat.
Von Paul Heyse ist in Berlin ein Schauspiel „Weltuntergang“ gegeben worden, welches von dem Dichter als „Volksstück“ bezeichnet und in Versen von Hans Sachs, beziehungsweise in Faustversen geschrieben worden ist, die nur bisweilen durch regelrecht gebaute Fünffüßler eine Unterbrechung erleiden. Die dramatisirte Anekdote spielt im Mittelalter in einer Stadt am Rhein, welche durch konfessionellen Zwiespalt zerrüttet ist. Ein Komet steht am Himmel, und ein edeldenkender Arzt, auf dessen Weisheit das Volk vertraut, hofft, durch Verkündigung des bevorstehenden Weltuntergangs die Gemüther versöhnlich zu stimmen; doch auf dem Markte sowie im Familienleben hat diese Prophezeiung nicht sogleich die erwartete Wirkung; es lösen sich vielmehr alle Bande und man jubelt und jammert dem hereinbrechenden jüngsten Tage entgegen. Aber schließlich vollzieht sich eine That der Versöhnung: die zwei Züge der Protestanten und Katholiken, die sich unter Leitung ihrer Geistlichen auf dem Markte begegnen, verharren nicht in feindseliger Haltung; sie lösen sich auf und die Genossen von hüben und drüben reichen sich die Hände. Gleichzeitig löst sich versöhnlich der innere Zwist der Familien und zwei Liebesverhältnisse kommen zum Abschluß. Der Handlung fehlt der dramatische Zug; sie zerfällt in Genrebilder, von denen einzelne ganz allerliebst durchgeführt sind, über deren Bedeutung aber auch die ernsteren Liebeshändel nicht hinausgehen. Von den einzelnen Charakteren ist die Jüdin Judith, welche der schwedische Cornet Rochus liebt, am besten gezeichnet; als eine volksthümliche Vogelscheuche erscheint der hochmüthige und feige Sohn des Bürgermeisters, Aegidius. Neben den heiteren Volksbildern enthält das Stück manche salbungsvolle Moral, den Schluß aber bildet der stets preiswürdige Sieg der Duldsamkeit über die gehässige Feindschaft der Andersgläubigen.
Neben diesem genrehaften Kulturbild Heyses, auf welches das verklärende Sonnenlicht neuzeitlicher Humanität fällt, steht die tiefsinnige Traumdichtung Adolf Wilbrandts „Der Meister von Palmyra“, welche am Münchener Hoftheater zur Aufführung gekommen ist, eine Dichtung, die an die Calderons und Grillparzers, „Das Leben ein Traum“, „Der Traum ein Leben“, erinnert, welche uns ebenfalls das Leben und die Welt in traumhafter Beleuchtung zeigen. Doch predigt das Drama von Wilbrandt eine andere Lehre als diese; die jüdisch-christliche Sage vom Ahasveros, der nicht sterben kann, spielt ebenso in die Dichtung herein wie der alte Glaube des Lotosblumenlandes an die Seelenwanderung. „Der Meister von Palmyra“, Apelles, ein tapferer Krieger, der die Wüstenstadt von den Feinden errettet, verabscheut den Tod, „den blutlos finstern Feind der Menschheit“, und der schnöde Tod, der als Pausanias erscheint, bleich und schwarzverhüllt von Kopf zu Fuß, geht ihm aus dem Wege. Im letzten Akte verwandelt sich der Meister von Palmyra in einen Ahasver, der müde von irrer Wanderschaft den Tod anruft; doch diesem Meister gegenüber tritt nun eine weibliche Gestalt, die in immer neuen Menschwerdungen erscheint, zuerst als die Christin Zoë, die als ein Opfer der heidnischen Bewohner von Palmyra fällt, denen sie das Evangelium predigt; dann als die heitere lebenslustige Römerin Phoebe, die sich treulos von ihm wendet, dann als seine Gattin Persica und als sein Enkelsohn Nymphas, der etwas vom Goetheschen Euphorion hat; dann als die geheimnißvolle Zenobia, in der wie ein Blitz die Erinnerung an frühere Erdenwanderung in wechselnden Gestalten aufleuchtet. Und ihr gegenüber erkennt Apelles die Wahrheit, welche zugleich der Sinn der ganzen Dichtung ist:
„Es springt des Lebens Geist von Form zu Form,
Eng ist des Menschen Ich, nur eine kann’s
Von tausend Formen fassen und entfalten.“
Darum soll der Mensch nicht nach der Ewigkeit trachten, im Wechsel soll er blühn, von Form zu Form das enge Ich läutern und verklären … eine Verherrlichung der indischen Seelenwanderung! Es liegt in der Anlage dieses dramatischen Märchens, daß es in verschiedenen Handlungen besteht, die miteinander nur durch die Person des Apelles verknüpft werden. In den Dramen Calderons und Grillparzers herrscht doch immer eine einheitliche Handlung, hier zersplittert sich dieselbe in fünf Einakter. Der Kampf des Heidenthums und Christenthums giebt den bewegten dramatischen Hintergrund her. Gegen den Grundgedanken wird sich manches einwenden lassen. Diese wechselnden Gestalten haben ja kein Bewußtsein ihrer innern Einheit; wie sollen sie der Vollendung entgegenreifen? Auch im Stücke selbst bezeichnet die leichtfertige Phoebe doch keine Stufe des Fortschrittes gegenüber der apostolisch begeisterten Zoë, indeß klingt in das Traummärchen Sinn und Bedeutung mehr herein, als daß ihm eine streng logische Beweiskraft innewohnte – und „Der Meister von Palmyra“ ist das Werk eines echten Dichters, reich an poetischen Schönheiten und an tiefen Gedanken in edler Fassung und von scharfem Gepräge.
Zu diesen deutschen Dichtungen, deren dramatische Form mehr etwas Zufälliges hat, gesellte sich eine ausländische, welche am Berliner Hoftheater Begeisterung und Widerspruch fand, des Norwegers Henrik Ibsen Schauspiel „Die Frau vom Meere“. Berlin hatte seine „Ibsenwoche“, in welcher zur Feier des anwesenden Dichters die Bühnen miteinander wetteiferten, Dramen von ihm zu geben, hier „Nora“, dort „Die Wildente“ auftauchte und vor allem „Die Frau vom Meere“, an der ersten Bühne der Reichshauptstadt aufgeführt, die öffentliche Meinung beschäftigte. Die Schwärmerei des deutschen Publikums für das Ausländische stammt nicht von heute und gestern, auch ist ja das Genie an keine Landes- und Sprachgrenzen gebannt und hat das Recht, überall verherrlicht zu werden: doch ist Henrik Ibsen ein Genie? Seine Anhänger behaupten das; aber nicht im Absonderlichen prägt sich der Genius aus, er hat etwas allgemein Bezwingendes und Hinreißendes. Ibsen zeichnet mit markigen Strichen, er hat Lebenswahrheit im einzelnen; doch die innere Unwahrheit seiner Seelengemälde wird nur von denen geleugnet werden, die sich von der Kühnheit seiner Voraussetzungen und der Sophistik seiner Schlußfolgerungen blenden lassen.
Seine Phantasie hat etwas Träumerisches; aber ihre Gespinste sind wie die kalten Nebelgespinste des Nordlandes, nicht von sonniger Gluth durchleuchtet; sie haben etwas Naßkaltes, das nicht zu erwärmen vermag. Auch in der „Frau vom Meere“ weht ein Hauch dieser naßkalten Romantik. Die Heldin hat einen abenteuerlichen Seelenbund geschlossen mit einem fremden Mann, und zum Zeugniß dessen ihren Ring ins Meer geworfen. Gleichwohl schließt sie später eine bürgerliche Ehe mit einem gewöhnlichen Sterblichen, einem Landarzt seines Zeichens, und diese Ehe wird unglücklich durch die Rückerinnerung der Frau an das Seegespenst, an diesen unbekannten Fremden, den fliegenden Holländer, und durch ihre thörichten Gewissensbisse, daß sie diesem die Treue gebrochen habe. Doch der Spuk gewinnt wieder Leben; der Fremde kehrt in leibhaftiger Gestalt zurück, und der Bezirksarzt stellt es seiner Gattin anheim, ob sie jenem folgen oder treu in ihrer Ehe ausharren wolle. Da entscheidet sie sich für das letztere; das Seegespenst verschwindet im Nebel, die Frau vom Meere ist geheilt durch diese That freier Selbstbestimmung, und die vom alten Spuk erlöste Ehe wird eine glückliche. Die Sehnsucht nach dem Meere, nach der geheimnißvollen Ferne hat einen poetischen Zug, und Ibsens Muse erinnert in diesem Stücke an die deutschen Romantiker und ihre traumselige Dichtweise; aber eine gemüthskranke Heldin, welche die Seelenheilkunde herausfordert, kann nicht die Heldin eines Dramas sein, welches nicht in bloßen Stimmungen aufgehen darf. Es bleibt im Grande nur eine etwas langweilige Krankengeschichte übrig – und in diesem Sinne hat sich auch ein Theil der Berliner Kritik ausgesprochen.
Frischere Meeresluft unter dem heiteren griechischen Himmel weht durch das Trauerspiel „Nausikaa“ von Hermann Schreyer[WS 1], welches am Hoftheater in Berlin zur Aufführung kam und eine freundliche Aufnahme fand. Die Heldin ist jene Homerische Phäakentochter aus der Odyssee, welche Goethe einmal zur Trägerin eines Schauspiels machen wollte, dessen Entwurf noch vorhanden ist; doch zu einer dramatischen Heldin eignet sich Nausikaa nicht: mindestens muß, wenn dies der Fall sein soll, ihr Charakter und ihr Schicksal wesentlich umgedichtet werden, sie muß die Knospe der altgriechischen Naivetät sprengen und ein volleres leidenschaftliches Leben entfalten. We anmuthig ist bei Homer die Abschiedsscene zwischen der Jungfrau und dem göttlichen Dulder, den sie bittet, bei den Seinen ihrer eingedenk zu sein … welch ein Hauch sanfter [620] Wehmuth schwebt über derselben! Wie anders die Schlußscene unserer Tragödie: Odysseus stößt im Gewittersturm vom Ufer und Nausikaa stürzt sich ins Meer, um den Zorn des Poseidon zu versöhnen.
Einer solchen Katastrophe müssen allerdings leidenschaftliche Scenen voraufgehen, von denen die Muse Homers keine Ahnung hat. Odysseus kämpft mit einem Nebenbuhler und besiegt ihn, das Volk der Insel ist aufgeregt wider ihn, doch Alkinoos besänftigt diese Aufregung und ist bereit, dem Odysseus die Hand seiner Tochter zu geben. Da muß dieser bekennen, daß er schon verheirathet ist; schon früher wollte er dem Mädchen von seiner Penelope sprechen, doch der eifersüchtige Nebenbuhler hinderte ihn daran.
Dieser Zufall spielt eine allzu wichtige Rolle und fällt dem Rade der Handlung in die Speichen, sonst würde sie schon einen Akt früher zum Abschluß gekommen sein. Die Dichtung trägt einen goethisirenden Charakter und es fehlt einigen Scenen auch nicht ein wärmerer poetischer Hauch.
Am Wiener Burgtheater hat man den Versuch gemacht, Friedrich Hebbels Drama „Gyges und sein Ring“ aus dem Schlafe der Buchdramatik zu scenischem Leben zu erwecken, nicht ohne Glück, obschon schwerlich zu dauerndem Gewinne für das Repertoire. Das Drama birgt viele köstliche Edelsteine der eigenartigen Hebbelschen Dichtweise; es ist sogar nicht so herb gehalten wie andere seiner Dramen; doch der Stoff ist gewagt und berührt uns fremdartig, und das tragische Ende der Heldin Rhodope hat für uns nichts Ueberzeugendes.
Wie das Trauerspiel und Schauspiel, so zeigt auch das Lustspiel eine verschiedene Physiognomie, wenngleich die Eigenart der Dichter hier weniger scharf hervortritt und ein mehr gleichmäßiger und gemeinsamer Rahmen diese heiteren Lebensbilder umschließt. Da haben wir zunächst den Salonschwank, in der letzten Saison vertreten durch „Cornelius Voß“ von Franz von Schönthan, welcher mit ungleichem Erfolg über die Bühnen ging, an den norddeutschen Theatern meistens sehr gefiel, am Wiener Hofburgtheater, welches die Ueberlieferungen des echten und feinen Lustspiels wahrt, abgelehnt wurde. Das Streben nach einem gebildeten, vom Esprit durchleuchteten Gesprächston ist in diesem Lustspiel nicht zu verkennen; aber die Verwicklungen beruhen auf den Zufälligkeiten der Schwankdichtung, und was in dem Stücke komisch wirkt, hat mit der eigentlichen Lustspielhandlung nichts zu thun, sondern es sind eingelegte Späße und Scherze; es ist die Posse im Frack.
Im übrigen sind alle Motive des Stückes sehr verbraucht: prinzliches Inkognito und Namenstausch, die Intriguen eines beschränkten Hofmarschalls, der gegen sich selber intriguirt und das Gegentheil von dem durchsetzt, was er erreichen will; dafür lassen sich zahlreiche dramatische Vorlagen aufweisen. Origineller ist freilich, daß eine geistreiche Salondame einem zwar gutmüthigen, aber doch höchst unbedeutenden, fast lächerlichen jungen Manne ihr Herz schenkt; man wird dadurch überrascht und befremdet, aber eine Lustspielwirkung liegt nicht darin. Dem Schwank im Frack gehört die Scene an, wo die beiden Liebenden in ihren wärmsten Hüllen am warmen Ofen sitzen, weil der Prinz nicht sein sonst durch die hohen Orden verrathenes Inkognito aufknöpfen will und die junge Dame sich scheut, bei einem tête-à-tête ihr ausgeschnittenes Festkleid, da sie gerade von einer Hochzeit kommt, zur Schau zu stellen.
Dies letztere Motiv erscheint schon etwas gesucht; die Scene könnte übrigens in jedem andern Stücke spielen, so wenig hat sie mit der eigentlichen Lustspielhandlung zu thun; doch in diesem Auftritt wie in ähnlichen verleugnet der Dichter des „Raubs der Sabinerinnen“ nicht seine muntere Laune.
Ein echtes Salonstück nach französischem Muster ist Paul Lindaus Lustspiel „Die beide Leonoren“, welches am Deutschen Theater in Berlin zuerst mit Beifall gegeben wurde und seitdem den Weg auf sehr viele große und kleine Bühnen fand. Der Dialog hat die graziöse Feinheit der Pariser Bühnenstücke; der Stoff hätte an der Seine eine kühnere Behandlung erfahren; hier erscheint er in der gedämpften Beleuchtung, welche ihn den deutschen bürgerlichen Kreisen annehmbar macht. Ein junger Konsularbeamter macht der schönen Frau eines Justizrathes den Hof; der Gatte giebt sich die Miene, nichts davon zu bemerken, der Onkel des jungen Beamten aber wacht mit Argusaugen über diese ihm nicht unbedenklich erscheinenden Beziehungen; da erscheint auf einmal, aus einer Pension nach Hause kommend, die frische muntere Tochter des Justizraths auf der Bühne, von deren Existenz der junge Konsul keine Ahnung hatte. Die schöne Tochter einer schönen Mutter stellt diese alsbald in Schatten und mit ihrem Erscheinen ist eigentlich des Stückes weiterer Verlauf und Ausgang schon gegeben. Für den Mangel an Spannung hält die hübsche Charakterzeichnung und die gute Laune schadlos, mit welcher einzelne Scenen durchgeführt sind; gleichwohl verdienen die beiden ersten Akte den Vorzug vor den zwei letzten.
Am Wiener Burgtheater und am Berliner Theater ist ein Schauspiel „Bruder Hans“ von C. Karlweis nicht ohne Beifall zur Aufführung gekommen, ein Lustspiel mit ernsteren Zügen und jener Beimischung von edelmüthiger Gesinnung und edelmüthigen Thaten, welche stets eine rührende Wirkung hervorruft. Junker Hans ist ein brüderlicher Märtyrer, der sich ganz für seinen berühmteren Bruder Paul opfert, ihm jeden Liebesdienst erweist, bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten mithilft, sie zum Theil selbst verfaßt und ihm überläßt und zuletzt auch bereit ist, ihm seine Liebe zu opfern. Doch das Mädchen, Martha, ist anderen Sinnes: sie liebt Hans und nicht Paul, macht auch daraus kein Hehl, und als Hans nach Afrika reisen will, hält sie ihn zurück; ja sie giebt eine Arbeit, die dieser für den Bruder gemacht hat, in seinem eigenen Namen bei den Professoren ein, nachdem sie dieselbe vom Schreibtisch Pauls einfach fortgenommen hat. Da die Professuren an dieser ungenannten merkwürdigen Universität gewissermaßen als Preise für Konkurrenzarbeiten vergeben werden, so erhält Hans den Preis, das heißt die Professur; aber Paul ist nicht unglücklich darüber; Martha hat ihm eine Strafpredigt gehalten, ihn noch vor dem letzten Aktschluß bekehrt und gebessert, und er sieht es ruhig mit an, wie sie dem aus dem Dunkel auf einmal ans hellste Licht hervorgezogenen Bruder ihre Hand reicht. Das Stück ist sehr anspruchslos und schlägt hier und dort einen sympathischen warmen Ton an; doch der edle Hans erscheint uns als ein nicht recht glaubwürdiges Naturkind in unserer Gesellschaft, und gegen die Bekehrungen auf der Bühne, durch welche plötzlich ein Charakter umgestülpt wird, darf man wohl berechtigte Bedenken hegen.
Ein Lustspiel mit einem glücklichen Grundgedanken und scharfen satirischen Schlaglichtern, „Die wilde Jagd“ von Ludwig Fulda, ist am Berliner Theater und am Wiener Burgtheater mit Beifall gegeben worden und hat dann ein Rundreisebillet für die deutschen Bühnen erhalten und verwerthet.
Die nervöse Hast in unserem gesellschaftlichen und geschäftlichen Leben, die Hetze, die niemals zur beschaulichen Ruhe und Einkehr kommt und immerfort dem äußeren Erfolg nachjagt, ist besonders in den Salonbildern des ersten Aktes recht überzeugend dargestellt.
Die junge Frau des Malers setzt auch in der Ehe diese „wilde Jagd“ fort, so daß sich das Atelier in einen Salon verwandelt und der Künstler kaum weiß, wohin er flüchten soll. Durch ihre Bekanntschaften verschafft sie dem Gatten eine Auszeichnung, und er ist außer sich, als er erfährt, daß seine Frau dabei die Hand im Spiele hatte. Es kommt indeß alles zu einem wohlmeinenden Abschluß. Ludwig Fulda hat sich durch kleine Sinn- und Spottgedichte und durch gefällige Einakter vortheilhaft eingeführt, der glänzende Einfall, das treffende Schlag- und Stichwort stehen ihm zu Gebote, und das ist für einen Lustspieldichter eine wesentliche Mitgift.
Auch an todtgeborenen Kindern fehlte es in der Saison nicht: das Lustspiel „Wilddiebe“ hat weder an der „Burg“, noch an dem Deutschen Theater in Berlin Erfolg gehabt; die wenig geschickte Nachahmung neufranzösischer Muster und vieles Anstößige, was sie zur Folge hatte, forderten den Widerspruch des Publikums heraus.
Andere ernste und heitere Stücke sind hier und dort aufgetaucht und es muß sich erst zeigen, ob es zukunftslose Nieten waren oder ob sie in der künftigen Saison größere Verbreitung finden und sich auch auf anderen Bühnen bewähren. Auch abgesehen von den „Wilddieben“ haben die deutschen Nachahmer französischer Dichtweise mehrfache Niederlagen zu verzeichnen; hoffentlich schlägt unser Drama immer mehr Wurzeln auf heimischem Boden und der Sinn und Stil unserer großen Meister bleibt in ihm lebendig. Rudolf von Gottschall.
[621]
Rettung Ertrinkender und Wiederbelebung Scheintodter.
Ein sonderbarer Anblick bot sich mir, als ich an einem kalten und stürmischen Januartage in die große Wohnstube meines Freundes, eines pensionirten Hauptmanns, trat. Ich sah seine beiden Buben mit dem Bauch auf zwei Küchenbänken liegen und Arme und Beine bewegen.
„Was für eine Hausgymnastik treibt Ihr denn?“ fragte ich lachend.
„Wir lernen schwimmen!“ rief der eine der Jungen und setzte die Bewegungen fort.
„Hausgymnastik!“ erwiderte auch der Vater. „Es würde nur nützlich sein, wenn man in die Lehrbücher der Hausgymnastik neben vielen anderen Uebungen auch die Schwimmbewegungen aufnehmen wollte.“
Ich lachte nicht mehr. Die Sache war ja ganz ernst. In der That ist es möglich und sogar leicht, mit dem Bauch auf einer Bank liegend, die wenigen Bewegungen einzuüben, welche nothwendig sind, um sich im Wasser oben zu halten und vorwärts zu bringen. In vielen Schulen sind diese Uebungen in den Turnplan aufgenommen, und es wäre nur zu wünschen, daß sie alljährlich in jeder Schule mit jedem Kinde vorgenommen würden.
Am Abend desselben Tages saß ich an unserm Stammtisch. Männer aus verschiedenen Berufsständen saßen mit mir zusammen, und ich erzählte ihnen, wie die Knaben meines Freundes in der Luft schwimmen. Wir sprachen natürlich vom Ertrinken und von der Rettung Ertrinkender sowie der Wiederbelebung aus dem Wasser herausgezogener scheintodter Personen. Da die meisten Stammgäste über den wunderlichen Hauptmann gelacht hatten, so wollte ich jetzt sehen, wie diese Herren sich verhalten würden, wenn sie selbst einen Menschen zu retten hätten. Die Griffe, mit denen man den Ertrinkenden beim Haupthaar fassen sollte, wurden sehr deutlich, namentlich von den Schwimmern vorgemacht; mit der Wiederbelebung war es schwieriger; von der künstlichen Athmung hatte zwar jeder etwas gehört, aber von den Griffen, die dabei ausgeführt werden müssen, hatte keiner eine klare Vorstellung, und die Mehrzahl meinte, solche Eingriffe müßte man dem Arzte überlassen und sich damit begnügen, den Verunglückten auf den Kopf zu stellen, damit das Wasser aus ihm herausfließe. – Ich hatte genug und ich wußte genau, daß, wenn dieses Dutzend Herren eine Gondelpartie unternehmen würde und einer von ihnen verunglückt und scheintodt aus dem Wasser gezogen wäre, ihn kein einziger von seinen Freunden würde retten können.
Was mich aber bei dieser Wahrnehmung am meisten befremdete, war der Umstand, daß die Herren eine bequeme Gelegenheit, sich die nöthigen Kenntnisse über die erste Hilfe bei Unglücksfällen zu erwerben, ungenützt ließen; denn es bestand ein Samariterverein in unserer Stadt, der sich die Verbreitung solcher Kenntnisse zur besonderen Aufgabe gemacht hatte. Es ist in der That bedauernswerth, daß unsere vortrefflichen Samariterschulen nicht stärker besucht werden, und ich glaube, daran ist der Umstand schuld, daß viele meinen, in diesen werde man zu einer Art männlicher barmherziger Schwester, zu einem Krankenpfleger erzogen.
Trotz des großen Ansehens, welches der Samariterverein erlangt hat, begegnet man oft genug derartigen Ansichten. Der Verein selbst ist eifrig bestrebt, das Publikum mehr und mehr an sich heranzuiehen. Die „Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung“ ist von ihm gleichfalls beschickt worden, und unter anderen für die erste Hilfe bei Verletzungen und Unglücksfällen bestimmten Gegenständen sehen wir auch die großen auf Blech gedruckten Tafeln, welche die erste Hilfe bei anscheinend Ertrunkenen veranschaulichen. Auf Anregung des Vereins sind solche Tafeln in zahllosen Badeanstalten und Hafenstädten ausgestellt worden, wie auch der Verein an den deutschen Seeküsten entsprechende Vorträge halten läßt. Auf dieser Ausstellung begegnen wir auch anderweitigen verwandten Bestrebungen, unter denen die mit Rettungsgeräthen versehenen Standtafeln des „Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger“ erwähnt zu werden verdienen, die in den Seebädern eingeführt sind. Mit Freude kann man hier wahrnehmen, daß nach dieser Richtung hin bereits sehr viel geschehen ist, aber man würde irren, wenn man meinte, dieses viel sei bereits genug. Nicht jeder ist in der Lage, auf Ausstellungen Belehrung zu schöpfen, und die zahlreichen Unglücksfälle, die tagtäglich gemeldet werden, beweisen, daß diese Belehrung dringend nöthig ist. – Es erscheint darum noch immer angemessen, in der Presse darauf hinzuweisen, was in den Samariterschulen gelehrt wird, und ich will im Nachfolgenden versuchen, in großen Umrissen das wiederzugeben, was der Samariter über die erste Hilfe beim Ertrinken lernt, indem ich meiner Mittheilung den bezüglichen Vortrag aus dem Leitfaden für Samariterschulen „Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen“ zu Grunde lege. –
Was thut ein Mensch, der nicht schwimmen kann, wenn er ins Wasser fällt? Er wird in der Regel verwirrt, verliert den Kopf, streckt die Hände empor und macht die unzweckmäßigsten Bewegungen. Dadurch wird es oft außerordentlich schwierig, gefährlich oder ganz unmöglich, solche Leute vor dem Ertrinken zu retten; meist klammern sie sich krampfhaft an Schwimmer, die ihnen zu Hilfe kommen wollen, und verhindern dieselben dadurch, sie über Wasser zu halten und in Sicherheit zu bringen. Das Bewußtsein, schwimmen zu können, verleiht Ruhe und Kaltblütigkeit denen, die ins Wasser fallen, während Leute, die nicht schwimmen können, von dem Bewußtsein durchdrungen sind, daß sie sich selbst nicht retten können und darum verloren sind, wenn nicht sofort Hilfe naht. Dieses Gefühl ist die Ursache der Verzweiflung und Verwirrung.
Es sollten darum alle, die nicht schwimmen können, wissen, daß sie bei richtigem Benehmen sich über dem Wasser erhalten und sich retten können. In ihrem eigenen Interesse sollten sie [622] sich die beifolgenden drei Abbildungen tief einprägen: Die erste Stellung, die unsere Fig. 1. wiedergiebt, ist die fehlerhafte, die Stellung, in welcher der Mensch ertrinkt, und sie ist leider diejenige, welche der Unkundige in der Regel einnimmt, denn er streckt die Arme empor, wenn er nach Hilfe ruft.
Die zweite Stellung (vgl. Fig. 2) ist günstig, denn in dieser ragt der Kopf ein wenig aus dem Wasser hervor; er ist hintenüber gebeugt und hält dadurch Nase und Mund zum Athmen frei.
Wir sehen daraus, daß es für den Nichtschwimmer als Hauptregel gelten muß, die Arme nicht aus dem Wasser zu erheben. Nach dem Naturgesetz erklärt sich der Vorgang auf den beiden Abbildungen dadurch, daß der menschliche Körper ein wenig leichter ist als eine gleich große Menge Wasser, die er verdrängt. Werden nun die Arme in die Höhe gehoben, so wird weniger Wasser verdrängt und der Kopf wird nothwendigerweise um so viel tiefer sinken.
Die zweite Stellung ist jedoch auf die Dauer sehr anstrengend, da der Kopf stark hintenüber gebeugt werden muß, wenn man den Mund außer Wasser halten will. Darum ist dieser Stellung die in Fig. 3 gezeichnete vorzuziehen. Die Arme werden in ihr nach hinten über den Kopf hin ausgestreckt und der Körper nimmt alsdann eine wagrechte Lage ein, wobei sich Gesicht und Mund außerhalb des Wassers befinden.
Warum durch die Haltung der Arme die ganze Lage des Körpers im Wasser verändert wird, erklären uns die Skizzen. Der weiße Fleck deutet die Luft an, welche sich in unsern Lungen und Eingeweiden befindet und uns das Schwimmen möglich macht. Sind die Arme nach hinten ausgestreckt, so ist das Gewicht der oberen und unteren Körperhälfte ziemlich gleich und der Körper pendelt um die große Luftblase, die nach oben strebt. Legt man aber die Arme nach unten an den Körper an, so wird die untere Körperhälfte schwerer, die Füße sinken und der ganze Körper nimmt eine mehr aufrechte Stellung an.
Die Skizzen zeigen uns aber auch, daß wir uns um so besser oben am Wasserspiegel erhalten, je größer die Luftblase ist, und darum soll der Verunglückte seine Lungen möglichst voll Luft pumpen, indem er tief und langsam ein- und kurz ausathmet.
Es ergeben sich somit drei Hauptregeln für die Selbsthilfe bei Gefahr des Ertrinkens:
1) Die Arme nicht aus dem Wasser erheben!
2) Auf dem Rücken liegen, den Mund nach oben gerichtet!
3) Tief einathmen und kurz ausathmen!
Auf diese einfache Weise haben sich bereits in mehreren bekannt gewordenen Fällen Frauen und sogar Kinder, die nicht schwimmen konnten und beim Baden in tiefes Wasser geriethen, selbst gerettet. Dieses Obentreiben sollte darum den Anfang eines jeden Schwimmunterrichts bilden, da es das natürliche Rettungsmittel ist, und wir heben noch ganz besonders hervor, daß jeder im seichten Wasser diese Kunst, ohne irgend welche Kraftanstrengung auf der Oberfläche des Wassers zu treiben, mit Leichtigkeit erlernen kann.
So soll sich der Ertrinkende, der nicht schwimmen kann, selbst retten oder so lange überm Wasser halten, bis Hilfe naht.
Wie rettet man nun einen Ertrinkenden?
Der Nichtschwimmer muß dem Verunglückten irgend einen Gegenstand, ein Ruder oder einen Strick, hinreichen. Hat er aber nichts dergleichen zur Hand, so soll er den Kopf nicht verlieren, sondern seinen Rock ausziehen, ihn am Ende des einen Aermels fassen und den andern Aermel oder den Rockschoß dem Ertrinkenden zuwerfen, um nur erst eine Verbindung mit ihm herzustellen. Es sind schon viele auf diese Weise gerettet worden. Nicht zu vergessen ist dabei, daß der Ertrinkende gewöhnlich noch einmal in die Höhe kommt, ehe er erstickt, und dann nach jedem Strohhalm greift, wie das Sprichwort sagt.
Wir kommen nun an die wichtige Frage, wie sich ein Schwimmer beim Retten eines Ertrinkenden verhalten soll; die Frage ist darum von besonderer Wichtigkeit, weil beim falschen Vorgehen der Retter sein eigenes Leben gefährden kann.
Professor v. Esmarch druckt in seinem „Leitfaden“ als Anmerkung die Vorschriften ab, welche der Vorstand des Seemannsamts der freien Hansestadt Hamburg, Wasserschout Tetens, für die Rettung Ertrinkender durch Schwimmer gegeben hat. Sie verdienen die weiteste Verbreitung und lauten wie folgt:
1) Wenn man sich einem Ertrinkenden nähert, rufe man ihm mit lauter fester Stimme zu, daß er gerettet sei.
2) Ehe man ins Wasser springt, entkleide man sich so vollständig und schnell wie möglich. Man reiße nöthigenfalls die Kleider ab, hat man aber keine Zeit dazu, so löse man jedenfalls die Unterbeinkleider am Fuß, wenn sie zugebunden sind. Unterläßt man dies, so füllen sie sich mit Wasser und halten den Schwimmer auf.
3) Man ergreife den Ertrinkenden nicht, so lange er noch stark im Wasser arbeitet, sondern warte einige Sekunden, bis er ruhig wird. Es ist Tollkühnheit, jemand zu ergreifen, während er mit den Wellen kämpft, und wer es thut, setzt sich einer großen Gefahr aus.
4) Ist der Verunglückte ruhig, so nähere man sich ihm, ergreife ihn beim Haupthaar, werfe ihn so schnell als möglich auf den Rücken und gebe ihm einen plötzlichen Ruck, um ihn oben zu halten. Darauf werfe man sich selbst ebenfalls auf den Rücken und schwimme so dem Lande zu, indem man mit beiden Händen den Körper am Haar festhält und den Kopf desselben, natürlich mit dem Gesicht nach oben, sich auf den Leib legt. Man erreicht so schneller und sicherer das Land als auf irgend eine andere Art, und ein geübter Schwimmer kann sogar 2 Personen über Wasser halten. Ein großer Vortheil dieses Verfahrens, das sich als das beste herausgestellt hat, besteht darin, daß man in stand gesetzt wird, sowohl seinen eigenen als auch des Verunglückten Kopf über Wasser zu halten. Auch kann man in dieser Weise sehr lange treiben, was von großer Wichtigkeit ist, wenn man ein Boot oder sonstige Hilfe zu erwarten hat.
5) Der „Todesgriff“ kommt erfahrungsgemäß ungemein selten vor. Sobald ein Ertrinkender schwach wird und seine Besinnung verliert, wird sein Griff allmählich schwächer, bis die Hand zuletzt ihren Halt gänzlich fahren läßt. Man braucht also dieses „Todesgriffes“ wegen keine Furcht zu hegen, wenn man jemand durch Schwimmen zu retten beabsichtigt.
6) Wenn jemand auf den Grund gesunken ist, so kann die Stelle, wo der Körper liegt, bei schlichtem Wasser genau an den Luftblasen erkannt werden, die gelegentlich zur Oberfläche emporsteigen. Einer etwaigen Strömung, welche die Blasen am senkrechten Emporsteigen hindert, muß dabei natürlich Rechnung getragen werden. Man kann oft, indem man in der durch die Blasen bezeichneten Richtung niedertaucht, einen Körper wiedererlangen, ehe es zur Wiederbelebung desselben zu spät ist.
7) Taucht man nach einem Körper, so ergreife man ihn am Haar, jedoch nur mit einer Hand und gebrauche die andere Hand und die Füße dazu, sich zum Wasserspiegel zu erheben.
8) In See ist es, falls der Strom vom Lande absetzt, ein großer Fehler, wenn man versucht, das Land zu erreichen. Man werfe sich dann lieber auf den Rücken, gleichviel, ob man allein oder mit einem Körper belastet ist, und treibe so lange, bis Hilfe naht. Mancher, der gegen den Strom dem Lande zuschwimmt, erschöpft seine Kräfte und geht unter, während ein Boot oder andere Hilfe hätte beschafft werden können, wenn er sich hätte treiben lassen.
[623] 9) Diese Anweisungen sind unter allen Umständen gültig, sowohl in schlichtem Wasser als in der unruhigsten See.
Oft werden nun die Ertrinkenden ohnmächtig oder, wie man gewöhnlich sagt, todt aus dem Wasser gezogen. Hierzu ist zunächst folgendes zu bemerken:
Der Tod im Wasser kann auf zweierlei Weise erfolgen.
Der Ertrinkende erstickt. Er athmet Wasser statt Luft in die Lungen ein und verschluckt dabei auch eine große Menge Wasser. Der Tod durch Erstickung erfolgt nicht sofort, sondern erst nach einem verhältnißmäßig langen Ringen mit den Wellen. Der Ertrunkene zeigt alsdann das Aussehen eines Erstickten: ein blaurothes aufgedunsenes Gesicht, blaurothe Lippen, blutunterlaufene Augen; öffnet man seinen Mund, so findet man darin schaumigwässerige Flüssigkeit; auch der Magen, die Luftröhre und die Lungen enthalten viel Wasser. –
Manchmal bieten jedoch Ertrunkene ein ganz anderes Aussehen. Das Gesicht ist blaß, schlaff, im Munde findet sich wenig oder gar keine schaumige Flüssigkeit. Dies sind Anzeichen, daß der Tod nicht durch Erstickung, sondern infolge einer Ohnmacht, eines Herzschlags eingetreten ist. In diesem Falle haben die Athembewegungen sofort aufgehört, die Stimmritze, d. h. der Eingang in die Luftröhre, hat sich krampfhaft geschlossen, sodaß wenig oder gar kein Wasser in die Lunge gelangt ist.
Dieses Aussehen ist günstig; denn in diesem Falle ist die Aussicht, das Leben zu retten, größer als in dem ersten.
Man hört nun oft die Frage: wann tritt der Tod im Wasser ein, wie lange muß der Mensch unter Wasser bleiben, damit er ertrinkt? Zehn Minuten, eine Viertelstunde etc.? Darauf ist zu antworten: die Zeit läßt sich nicht bestimmen. Es ist festgestellt, daß selbst nach stundenlangem Aufenthalt unter Wasser das Leben nicht vollständig zu erlöschen braucht, und daß es bisweilen in diesen Fällen gelingt, durch stundenlang fortgesetzte Bemühungen das Leben zurückzurufen. Daraus aber ergiebt sich die Regel:
„Jeder Ertrunkene muß als scheintodt betrachtet werden.“
Wie hat man nun diesen Scheintodten wieder zu beleben?
Der Arzt versteht das am besten und darum ist es die vornehmste Pflicht des Retters, zunächst nach dem Arzt zu senden. Bei dieser Gelegenheit sind gleich Decken und trockene Kleidung zu bestellen.
Inzwischen aber darf man nicht die Hände in den Schoß legen, sondern muß sofort mit den Wiederbelebungsversuchen beginnen, wobei die erste und dringendste Aufgabe darin besteht, die Athmung wieder herzustellen. Die Regeln, die dabei zu befolgen sind, lauten:
1) Man stelle den Ertrunkenen nicht auf den Kopf, hebe ihn nicht bei den Beinen in die Höhe, sondern lege ihn zunächst auf einer Unterlage von Decken oder Kleidungsstücken oder über seine Kniee auf den Bauch, den einen Arm unter den Kopf, den Kopf und die Brust etwas tiefer als den übrigen Körper und übe einen Druck auf den Rücken, um die in Lunge und Magen eingedrungene Flüssigkeit ausströmen zu lassen.
2) Um der Luft freien Zutritt zur Luftröhre zu verschaffen, öffne man den Mund, reinige ihn und die Nase von Schlamm etc. mit dem Taschentuch, ziehe die Zunge hervor und halte sie nach vorne (am besten durch ein über Zungenspitze und Kinn gelegtes elastisches Band, Tuch, Tau etc.) oder schiebe den Kiefer vor.
3) Man entferne die nassen Kleider, vor allem zuerst die engen Kleidungsstücke von Hals und Brust, wie Halstuch, Hemdknöpfe, Tragbänder.
4) Um freiwillige Athembewegungen hervorzurufen, kann man sogleich die Nasenlöcher reizen durch Schnupftabak oder Riechsalz, oder den Schlund mit einer Feder kitzeln, Brust und Gesicht tüchtig reiben und abwechselnd mit kaltem oder heißem Wasser bespritzen, die Brust kräftig mit einem nassen Tuch schlagen.
5) Aber man halte sich dabei nicht lange auf; erfolgen darauf nicht alsbald Athembewegungen, so gehe man sofort über zur
Wie bei der natürlichen Athmung durch die Wirkung der Muskeln der Brustkasten abwechselnd ausgedehnt und zusammengepreßt wird, so daß die Luft in die Lungen eindringt oder aus denselben hinausgepreßt wird, so soll bei der künstlichen Athmung dasselbe durch äußere Einwirkung erreicht werden. Dies läßt sich auf verschiedene Weise ausführen. Prof. v. Esmarch empfiehlt in erster Linie das Verfahren von Silvester, da es im Nothfalle von einem einzelnen Menschen ausgeübt werden kann und sehr oft die besten Dienste geleistet hat. Unsere beifolgenden Abbildungen veranschaulichen es in trefflicher Weise.
Man legt zu diesem Zwecke den Scheintodten flach auf den Rücken, Kopf und Schultern etwas erhöht durch ein zusammengefaltetes Kleidungsstück.
Man stellt sich hinter denselben, ergreift beide Arme oberhalb der Ellbogen, erhebt sie sanft und gleichmäßig bis über den Kopf und hält sie hier 2 Sekunden fest. Dadurch wird der Brustkorb ausgedehnt und die Luft in die Lungen gezogen. (Vergl. Fig. 4.)
Dann führt man die Arme auf demselben Wege zurück und drückt sie sanft aber fest 2 Sekunden lang gegen die Seiten des Brustkastens. Dadurch wird die Luft wieder aus den Lungen ausgepreßt. (Vergl. Fig. 5.)
Sind zwei Helfer zur Hand, so stellt sich einer auf jede Seite des Ertrunkenen; jeder ergreift einen Arm und auf Kommando 1, 2, 3, 4 machen nun beide diese Bewegungen. (Vergl. Fig. 6.)
Diese Bewegungen werden ungefähr 15 Mal in der Minute, so lange vorsichtig und beharrlich wiederholt, bis man bemerkt, daß selbstthätige Athembewegungen beginnen. Gewöhnlich kündigt sich der erste Athemzug durch eine plötzliche Farbenveränderung des Gesichtes an, das blasse röthet sich und umgekehrt.
Diese künstliche Athmung muß nun bis zur Ankunft des Arztes, oder wenn dieser nicht erscheint, stundenlang fortgesetzt werden. Erst wenn viele Stunden lang Athmung und Herzschlag aufgehört haben, darf man mit ruhigem Gewissen das Rettungswerk einstellen. – Ist die Bemühung des Retters von Erfolg gekrönt, haben sich selbstthätige Athembewegungen eingestellt, so hört man mit der künstlichen Athmung sofort auf. Man hüllt den Körper in trockene Decken oder Kleidungsstücke ein und reibt die Glieder kräftig von unten nach oben, dann bringt man den Wiederbelebten in ein warmes Bett, bedeckt ihn mit warmen Flanelltüchern, legt Wärmflaschen oder Wärmsteine auf die Magengrube, in die Achselhöhle, zwischen die Schenkel und an die Fußsohlen; denn jetzt gilt es, die Körperwärme wieder herzustellen und die Herzthätigkeit anzuregen.
Zu trinken giebt man dem Verunglückten erst dann, wenn das Leben soweit zurückgekehrt ist, daß er schlucken kann; dann flößt man ihm theelöffelweise warmes Wasser, Kaffee, Thee, Grog oder Wein in kleinen Mengen ein.
Bis dahin wird die ärztliche Hilfe zur Stelle sein und der Retter kann mit dem frohen und beseligenden Bewußtsein scheiden, daß er dem Tode ein Opfer entrissen, seine Nächstenpflicht erfüllt habe.
Was wir hier in großen Umrissen angedeutet haben, das ist der Inhalt eines Vortrages in der Samariterschule. Das gedruckte Wort kann jedoch den Besuch derselben nicht ganz ersetzen; denn in dieser Schule wird nicht nur vorgetragen, sondern in ihr werden auch praktische Uebungen vorgenommen, und man vergißt nicht so leicht, was man einmal gründlich eingeübt hat.
In diesem einen Vortrage haben wir nur die erste Hilfe beim Ertrinken kennen gelernt, aber das Leben bringt noch viele andere Gefahren. Ein Schneegestöber erhebt sich und wie vor Jahresfrist verschüttet es Hunderte von Menschen in einer einzigen Nacht auf einsamen Wegen oder in entlegenen Weilern. Man [624] findet die Erfrorenen, aber es ist fast unmöglich, auf den unwegsamen Straßen den Arzt herbeizuholen. Wie belebt man die starren Scheintodten wieder? Unfälle aller Art ereignen sich tagtäglich; in dem Kampfe ums Dasein verunglücken so viele. Wie rettet man die Verblutenden von sicherem Tode, wie lindert man die Qualen der Verbrannten, wie hilft man dem Arbeiter, der, vom Hitzschlag getroffen, zusammenbricht – ja wie hilft man in allen diesen und unzähligen anderen Fällen, ohne zu schaden, bis der Arzt kommt? Man bedenke! es sind nicht immer nur Fremde, die von einem solchen Unfall betroffen werden; das Leben kann uns in die Lage bringen, daß wir der eigenen Mutter, der eigenen Frau, dem eigenen Kinde die erste Hilfe in der Noth bringen müssen – und wie viele Tausende sind bereits in dieser Lage gewesen und haben nicht gewußt, wie sie helfen, wie sie retten sollten!
Wie es in jedem Dorfe eine Schule giebt, in der die Kinder lesen und schreiben lernen, so sollte es auch wahrlich überall eine Samariterschule geben, in der jedermann einen Schatz des Wissens und Könnens erwirbt, der ihn wappnet gegen die Unfälle, die sein Leben und seine Gesundheit bedrohen. Das läßt sich nicht mit einemmal erreichen. Aber einen Ersatz dafür giebt es.
Es liegt vor uns das mit rothem Kreuz geschmückte Büchlein „Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen. Ein Leitfaden für Samariterschulen“ von Dr. Friedrich v. Esmarch (Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel); es ist keine „Novität“, denn es liegt bereits in der achten Auflage vor. Aber diese neueste achte Auflage ist zum erstenmal mit 90 Abbildungen versehen, ähnlich denen, die wir in diesem Artikel gebracht haben. Dadurch ist das vortreffliche Buch zu einem ausgezeichneten Lehrmittel geworden. Was es enthält, das ist für jedermann wichtig, das sollte Gemeingut des ganzen Volkes werden. Wir empfehlen es als ein Familienbuch, das dort, wo es an Samariterschulen fehlt, Nutzen stiften wird. Dieser „Leitfaden“ ist so weltberühmt, daß er eigentlich unserer Empfehlung nicht bedarf, er ist ja in sechzehn lebende Sprachen übersetzt worden … aber das Gute kann man nicht oft genug in Erinnerung bringen!
Gold-Aninia.
Das Wasser! – Das Wasser! – Hilfe, das Wasser!“ So rief und schrie es in schreckerfüllten, verzweifelten Tönen durch die Nacht, anfangs von einzelnen Punkten, bald aber von allen Ecken und Enden im Dorfe. Dazwischen erklangen die langgezogenen dumpfen Hornrufe des Wächters, der sich bemühte, die etwa noch Schlafenden aus ihrer gefährlichen Ruhe aufzuscheuchen – nun tönte auch das ängstliche Läuten der kleinen Glocke drein. Und all dies Rufen und Schreien, Blasen und Läuten beherrschte, übertäubte ein rasender Sturmwind, der brausend und zischend, in unheimlich steigenden und fallenden Tönen vom Piz Corvatsch gerade gegen das Dorf daherfegte, begleitet von einem in Strömen niederprasselnden Regen. Sein einförmiges, grelles Platschen auf die Erde, auf die Dächer der Wohnstätten klang wie rohe, grausame Geißelhiebe und vervollständigte im Verein mit dem unaufhörlichen, wilden Rauschen der von den Hängen des Piz Surley niederstürzenden Wasserfluthen das entsetzliche Konzert dieser Schreckensnacht. Keine Viertelstunde hatte es so gedauert – da gesellten sich neue, unheimliche, noch Entsetzlicheres kündende Töne hinzu: hoch oben in der Fuorcla begann es seltsam zu knattern, bald hell, mit metallischem Klang, bald mit einem tiefen, scharfen Donnern, zuerst in Pausen, dann immer rascher – unaufhaltsamer und dabei stets näher und näher dem unglückseligen Dorfe. – „Herrgott! Die Felsblöcke der Fuorcla kommen herab und über uns! – Wir sind verloren – verloren!“ – So schrieen diejenigen, welche bis jetzt noch nicht dieser grausen Sündfluth hatten entfliehen können.
Doch es waren ihrer nur noch wenige. Sobald die ersten Schreckens- und Mahnrufe laut geworden, waren die Leute von Surley aus ihren Betten emporgefahren; sie kannten die Gewalt des Surleywassers nur zu gut, hatten schon mehrfach in gleicher Frühlingszeit durch seine zerstörende Wildheit leiden müssen, doch so schrecklich, wie es sich in dieser Nacht ankündigte, war es noch nie erlebt worden. Kaum die nöthigen Kleider auf dem Leibe, eilten Männer und Weiber, groß und klein nach den Ställen, das Vieh hinaus und über die Brücke nach Silvaplana oder nach dem Crestalta zu treiben. Andere schleppten ihre besten Habseligkeiten nach dem Hügel hin, sie dort auf den ersten Hängen in Sicherheit zu bringen. Wieder andere schienen den Kopf verloren zu haben oder zu viel an Hab und Gut zu besitzen, denn sie wußten nicht, wo und was sie angreifen, womit sie das Rettungswerk beginnen sollten.
Zu diesen letzteren gehörte auffallenderweise der Cavig Madulani. Er, sonst ein so heller Kopf, dabei thatkräftig und stets sofort das Richtige ergreifend, stand beim ersten Nahen des Unheils da fast wie ein hilfloses Kind. Von seinem Lager war er emporgefahren, hatte sich in die Kleider geworfen und war dann nach dem Ausgang seines Hauses gestürzt, das bereits die Wasser in schlammigen Wellen umflutheten, um wohl schon in wenigen Augenblicken durch die breite Thüröffnung in das Innere einzudringen. Wie betäubt, geistesabwesend stand er da; denn das, was er sah, erlebte, vermochte er nicht zu fassen. Um sein Gehöft, das in der Nähe des Baches lag, vor Ueberschwemmungen so viel als möglich zu schützen, hatte er schon vor vielen Jahren das Ufer auf seiner Seite mit einer Schutzwehr von mehreren Fuß Höhe bis weit hinauf den Bergen zu versehen lassen. Und jetzt, kaum bei Beginn des hereinbrechenden Unheils, fluthete das wilde Wasser bereits über diese Schutzwehr weg auf sein Haus zu – nur noch wenige Augenblicke, und das schwache Mauerwerk mußte bersten, hinweggeschwemmt werden. Wie war das möglich geworden, wie hatte sich eine solche ungeheure Wassermasse, wie sie jetzt das Dorf überströmte, hoch oben in der Fuorcla ansammeln können? Madulani begriff es nicht und wurde dadurch zum Handeln unfähig. Er befand sich allein im Hause, ein Knecht und eine Magd hatten ihre Schlafstellen in den Stadeln über dem Viehstalle. Ihr Schreien schien er im ersten Augenblick nicht zu hören, ebenso wenig wie das ängstliche Blöken seines Viehes, das außer dem baren Gelde in der Truhe sein größter Reichthum war. Da geschah plötzlich zweierlei, das ihn mit rauher Gewalt aus seiner Betäubung aufweckte und an die Wirklichkeit mahnte.
Hoch oben in der Fuorcla begann das Knattern der durch die Gewalt der Wasser von der Erde losgelösten und wider einander prallenden Felsblöcke, die, wie Madulani jetzt erkannte, auf dem Wege der Fluthen auch seine Wohnstätte bedrohen mußten. Zugleich erblickte er in einiger Entfernung eine ihm nur zu gut bekannte Gestalt in zottiger Bärenfelljacke, die sich keuchend und stöhnend durch das Wasser durcharbeitete, welches ihr bereits bis über die Kniee reichte. Und der Fluth entgegen strebte sie, dorthin, wo, der Bergwand so nahe, ein altes, halbzerbröckeltes Steinhaus stand, in dem – „Herrgott!“ stieg es nun auch in ihm auf, „mein Weib – Aninia mit ihrem Kinde! – Sie sind verloren! – verloren!“
Eine wilde Verzweiflung erfaßte ihn, denn grell leuchtete das Bewußtsein in ihm auf, daß er Weib und Kind nicht wiedersehen würde – niemals! Schon wollte er dem Beppo nacheilen, der längst in der Ferne im Dunkel der Nacht verschwunden war, doch das Wasser umfluthete ihn bereits in Kniehöhe – es war zu spät – zu spät zur Reue, – zu spät zur Rettung!
Der Knecht und die Magd hatten bereits gehandelt, trotz der Todesangst, die sie erfüllte. Ohne eine Weisung des geistesabwesenden Cavigs abzuwarten, trieben sie das Vieh groß und klein aus den Ställen, das, einmal im Freien, aus eigenem Antrieb der gewitterten Gefahr entfliehen wollte. Doch auch dazu war es schon zu spät geworden, denn mit furchtbarer Raschheit schwoll das Wasser an. Es war, als ob in der That die Fluthen es vor
[625][626] allem auf das Hab und Gut des reichsten Mannes von Surley abgesehen hätten; denn nun kam auch das Furchtbarste heran. Das Knattern der vom Wasser dahergeschwemmten Felsblöcke hatte sich plötzlich durch das Zusammenbrechen der Mauern und Dächer einzelner Häuser, die den Fluthen und Felsen im Wege standen, in ein donnerähnliches betäubendes Getöse verwandelt. Und schon kam es heran: eine furchtbare Fluthwelle, die mehrere riesige Felsblöcke mit sich führte. Das Wasser schlug wohl bis zur Dachhöhe an dem Haus hinauf, eine der Wogen hob Madulani, der noch immer an dem offenen Eingang stand, wie einen Spielball empor und schleuderte ihn in das Haus zurück wider einen schweren Holzschrank, der dort stand und an den seine Hände sich in der Todesnoth klammerten. Die Felsblöcke flogen wider die Ställe und Stadeln und streiften dabei mit einer solchen Gewalt die dortige Giebelmauer des Hauses, daß sie prasselnd zusammenbrach und in ihrem Sturz nun auch andere Mauertheile, dann die Hälfte des Daches mit sich herab und in die Fluthen riß. Und immer neue Wogen stürmten heran und setzten das Zerstörungswerk fort, trieben die Trümmer der hölzernen Stadeln, die Balken und Sparren des Daches, die Möbel und Geräthe des Hauses vor sich her, sie peitschend, daß ein weißer Gischt hoch aufspritzte, und führten sie mit rasender Wuth als die ihnen verfallenen Opfer dem nahen See entgegen.
Was aus dem Knecht und der Magd geworden war? Wer konnte es in diesem Augenblick sagen! Vom hellen Tag allein war Antwort zu erwarten. Das Schicksal der werthvollen Thiere aber war jetzt schon entschieden. Das Brüllen und Blöken verstummte fast wie auf einen Schlag: das Surleywasser führte nur Thierleichen dem Sela und dem See von Campfèr zu.
Madulani hatte nur kurze Zeit sich an dem Schranke zu halten vermocht. Die steigende Fluth brachte das schwere Möbelstück ins Schwanken; durch das Gewicht des Körpers, der sich daran klammerte, gerieth es aus dem Gleichgewicht, stürzte um und entleerte zerberstend seinen Inhalt an kostbarem Linnen und anderen werthvollen Gegenständen in die Fluthen. Es war in demselben Augenblick, als mit donnerähnlichem Getöse der Einsturz der Ställe und Stadeln, der Giebelmauer mit einem Theil des Daches erfolgte, wodurch die in dem Hause angestauten Fluthen einen Abfluß fanden. Derjenige Theil der Wohnstätte, in dem Madulani mit dem Tode rang, stand bis jetzt noch aufrecht. Der Unglückliche fühlte noch immer so viel Leben und Kraft in sich, daß er die riesigen, auf den Fluthen schwimmenden Schranktrümmer zu erklettern vermochte, und wie auf ein rettendes Floß im sturmgepeitschten Meere sank er schwer auf die Bohlenwand der Rücktheile nieder. Nun war es mit ihm zu Ende! Er hörte noch das letzte Brüllen und Blöken seines armen ertrinkenden Viehes – das Knistern und Krachen der noch stehenden Balken und Sparren des Daches – der zerbröckelnden Mauern, die ihn wohl bald erschlagen und begraben würden; er vermochte noch die Vorstellung zu fassen, daß er, der einst so reiche Cavig Madulani, ein Bettler geworden – daß sein frevelhafter, unheilvoller Schwur in Erfüllung gegangen sei – dann vergingen ihm die Sinne. –
Die ersten Nothschreie und die ersten Alarmrufe des Wächters hatten die wenigen Bewohner des Cadruvischen Hauses sofort auf die Beine gebracht. Clo, der schon mehrfach solche Wassersnoth miterlebt hatte, der da wußte, was für ihn und das kaum gewonnene kleine Eigenthum auf dem Spiele stand, war rasch in die Kleider gefahren. Sein Weib war ebenso flink als er, beide konnten das wenige Vieh, aus zwei Kühen und einigen Ziegen bestehend, noch bei guter Zeit aus dem Stall treiben und eilten dann, mit ihrem besten Hausrath beladen, dem Crestaltahügel zu. Als diese geringen Schätze geborgen waren, blieb Staschia als Wächterin zurück, und Clo gedachte nun, den Frauen in seinem elterlichen ruinenhaften Hause beizuspringen. Doch dazu war es mittlerweile zu spät geworden. Die ganze Wiese, welche das Dorf in weitem Ringe umgab, hatte sich bereits in einen wogenden See verwandelt, durch dessen Fluthen zu dringen nicht mehr möglich war. Und erst der Surleybach, den Clo hätte überschreiten müssen, dessen Wasser in rasender Wuth Felsblöcke und Steine, groß und klein, vor sich hertrieben, wider- und übereinander warfen, als ob es leichte Spielbälle wären! Bei Tage würde der Anblick ein grausenerregender gewesen sein, denn der Silvaplaner See und der von Campfèr waren im Verein mit dem Sela zu einem gewaltigen Wasserbecken geworden, in dem die Balken und Sparren der Dächer, der weggeschwemmte Hausrath und die Geräthschaften der unglücklichen Bewohner von Surley wie auch Thierleichen aller Art zwischen einzelnen geborstenen Eisschollen wild umhergeworfen und dann abwärts nach Campfèr zu getrieben wurden. Clo mußte den Gedanken, weiter ins Dorf zu dringen, aufgeben; seine Mutter, Frau Barbla und Aninia mit ihrem Kinde vermochte er nur noch dem Schutze des Allmächtigen zu empfehlen. Auch gab es in seiner Nähe leider nur zu viel zu helfen und zu retten, so daß ihm und seinem Weibe kein Augenblick der Ruhe blieb, um über das Schicksal der Ihrigen auch nur nachzudenken. Was da auch geschehen würde, es mußte ertragen werden! –
Beppo war in seiner Dachkammer, zu gleicher Zeit wie Clo im Erdgeschoß, in seinem Bette emporgefahren, aber es dauerte länger als bei diesem, bis die Schreckensvorstellung dessen, was hier plötzlich hereinbrach, ihm aufging. Er saß auf seinem Lager, die Hände wider die Stirn gepreßt und wie verstört ins Leere starrend und horchend. Die Hornrufe des Wächters, das Sturmläuten der Glocke, das Hilfegeschrei der Fliehenden, das Brüllen und Blöken des armen Viehs hörte er, ohne daß er es im ersten Augenblick zu verstehen schien; das eintönige Plätschern des Regens, das unheimliche Rauschen des wildgewordenen Wassers drang immer mächtiger an sein Ohr; – da flammte es plötzlich in seinem Bewußtsein auf: die Wasser waren da! Die Wasser, die er über dem Glück der letzten Wochen ganz vergessen hatte, nun donnerten sie aus der Fuorcla hervor und – „Madulani ist ein Bettler!“ schrie er triumphirend auf. Aber im gleichen Augenblick vernahm sein Ohr, daß das Rauschen bedrohlich nahe klang, und nun fuhr wie ein zweiter Blitz der Gedanke durch sein Gehirn: Aninia – das Kind! – In rasender Eile warf er nur die nothwendigsten Stücke seiner ärmlichen Kleidung über, dann flog er davon, in die Sturmnacht hinaus. Gegen die ihm entgegenströmenden, stets mächtiger anschwellenden Wasserfluthen ankämpfend, strebte er voran, durch das bereits nicht mehr zu erkennende Bett des Baches, der anderen Seite des Dorfes zu, Madulanis zusammenbrechendes Haus, an dem er in einiger Entfernung vorbei mußte, nur mit einem Blick wahnsinniger Freude streifend, nur ein Ziel im Auge: jenen Steinhaufen, der sein Weib und sein Kindchen barg! –
Das Innere dieses ärmlichsten Hauses des ganzen Dorfes bildete in diesem Augenblick den schroffsten Gegensatz zu der entsetzensvollen Verwirrung und Angst, dem tödlichen Schrecken, die sonst überall herrschten. Es war, als ob für die drei dort weilenden Frauen weder eine Wassersnoth noch irgend eine andere Gefahr vorhanden und ihnen nahe gewesen wäre. Sie hatten wohl die Hornrufe des Wächters, das ängstliche Läuten der Glocke gehört – sie hörten noch immer das Heulen des Sturmwindes, das Klatschen des Regens und das ferne wilde Rauschen der entfesselten Fluthen – doch achteten sie nicht darauf, denn ein Kummer war in ihren Herzen eingekehrt, der sie gegen die Schrecken der Elemente unempfindlich, sogar gegen das eigene Leben gleichgültig gemacht haben mußte.
Vor dem Bettverschlag saß Aninia und hielt im Schoße ihr Kindchen, neben ihr kauerte Mutter Barbla, gleich ihrer Tochter den nassen Blick unablässig auf das kleine Wesen gerichtet. Die Büssin lehnte wider einen der Pfosten des Verschlags und ihre sonst so scharfen Züge drückten eine ehrliche Theilnahme aus. Nur kehrte sie dann und wann den Blick von den beiden andern nach dem Eingang, der direkt auf die Gasse führte, und horchte hinaus auf das sonderbare Heulen und Rauschen. Das arme, kaum einige Wochen alte Kindchen lag wie bereits entschlafen im Schoße der Mutter, sein kleines Gesichtchen war blaß und fahl, die schmalen Lippen blauten schon und der Blick der kleinen dunklen Aeuglein, die es nur selten öffnete, erschien wie verschleiert. Das Kind, noch den Tag über bis zum Abend munter, war dann plötzlich unwohl, immer matter und schwächer geworden, und die Frauen meinten nicht anders, als daß es jeden Augenblick ohne Klage hinüberschlummern würde. Aninia hatte nur Gedanken für das Kind, sie bewachte angstvoll seine schwachen Athemzüge; Frau Barbla aber gedachte nebenbei mit schwerer Anklage ihres unbarmherzigen Mannes, der sein Enkelkind in dieses elende, kalte Erdloch verstoßen hatte, wo Wind und Wetter ungehindert Einlaß fanden und das schwache Lebensflämmchen auszulöschen drohten. Ihr [627] Herz schwoll von Bitterkeit gegen ihn, der eine solche Sündenlast auf dem Gewissen hatte.
Da wurde in der Ferne, hoch oben in den Bergen, durch Regen, Sturm und Rauschen der wilden Wasser das Knattern der herannahenden Felssteine hörbar. Zugleich begannen die schlammigen Fluthen, welche das am Fuße des Berges, etwas höher als das Dorf gelegene Haus erreicht hatten, langsam, doch unaufhaltbar in den Raum zu dringen, wo die drei Frauen weilten. Jetzt wurde die Büssin doch unruhig; sie eilte nach der Thür, öffnete deren oberen Theil, um nur einen Augenblick hinauszuhorchen und ihn dann jäh wieder zu schließen. Dann riß sie Mutter Barbla aus ihrer kauernden Stellung empor und beschwor sie und Aninia leise, sich in dem Verschlag auf das Bett niederzusetzen, da die Stube bald voll Wasser sein würde und ein Entfliehen nicht mehr möglich wäre. Aninia achtete in ihrer schmerzlichen Erregung der warnenden Worte nicht und blieb unbeweglich.
„Hörst Du denn nicht das seltsame Knattern?“ raunte die Büssin ihr dringender zu. „Es ist, als ob die Wasser des Baches Steinblöcke – ganze Felsen mit herunter führten!“
„Ach! wenn nur Beppo bei mir wäre!“ seufzte Aninia, indem sie die Kleine fester an ihre Brust drückte.
„Was mag hoch oben in der Fuorcla vorgegangen sein,“ fuhr die Büssin hinaushorchend fort, – „denn von dort kommt es her. Es sind wahrhaftig Felsblöcke, die der Bach mit sich führt. Welch ein Unheil werden sie unten im Dorfe anrichten – und dort steht auch das Gehöft Deines Vaters!“
„Sprich nicht von ihm!“ fuhr Mutter Barbla mit mühsam unterdrückter Heftigkeit auf. „Er muß ertragen, was über ihn kommt, – es ist das Strafgericht des Himmels!“
„O Mutter! redet nicht so!“ sprach Aninia sanft. „Wir haben ihn auch unglücklich gemacht, ebenso wie er uns. Das ist mir erst die Zeit her so nach und nach gekommen. Denke doch an seinen Stolz! Daß er mir früher nicht verziehen hat, das wundert mich jetzt gar nicht mehr. Aber heute, wenn er hier wäre und die arme Aninia sehen könnte – heute würde er mir verzeihen, das weiß ich!“
Schwere heiße Thränen tropften auf die Stirn des Kindes nieder, und Mutter Barbla sagte plötzlich:
„Sieh nur, Aninia, es schlägt die Augen wieder auf – sie blicken hell, und sein Mündchen lächelt. Ach! dem Herrn sei Preis und Dank! Es ist wohl gerettet und bleibt uns erhalten!“
In diesem Augenblick rief die Büssin von der Eingangsthür her: „Der Beppo kommt! – Nun werden wir erfahren, was draußen geschehen ist und wie es im Dorfe steht.“
Schon wurde die Thür in ihren beiden Hälften aufgerissen und Beppo erschien in schreckenerregender Gestalt auf der Schwelle. Er war kaum wiederzuerkennen; seine Mienen waren verzerrt, seine Augen glühten fast wie die eines Wahnsinnigen, die nothdürftigen, von Wasser triefenden Kleidungsstücke hingen zerfetzt um seinen Körper – er sah grauenhaft aus. Ohne die Aufregung der drei Frauen zu bemerken, ohne Aninias Ruf: „Beppo!“ der wie Erlösung aus Noth und Schmerzen klang, zu beachten, rief er mit einer unnatürlichen grellen Lustigkeit:
„Freue Dich mit mir, Aninia! Jetzt geht der Schwur Deines Vaters in Erfüllung – und er wird ein Bettler, wie er es gewollt hat. Die Wasser donnern an sein Haus, bald genug wird nichts mehr davon übrig sein!“ –
Ein dreifacher Aufschrei beantwortete diese Rede, und schon stand Mutter Barbla an seiner Seite und schüttelte ihn derb am Arme. „Was sprichst Du da?“ schrie sie ihn an – im selben Augenblick aber rief Aninia:
„Mutter! – Mutter! um Gottes willen stille! – denk’ an mein Kind – an mein armes – sterbendes Kind!“ –
Langsam, mit weit aufgerissenen Augen wandte sich Beppo nach ihr hin. Sein Körper zitterte wie im Fieber, er war unfähig, einen Schritt zu thun.
„Es stirbt?!“ rief er voll Entsetzen.
„Noch ist’s nicht so weit,“ beschwichtigte ihn Frau Barbla, „es kann plötzlich wieder besser werden“ – aber als er wankenden Schrittes zu Aninia getreten war und einen Blick auf das abgezehrte Gesichtchen seines Kindes gethan hatte, da brach ein lautes Schluchzen aus seiner Brust und er warf sich an der Seite seines Weibes auf den Boden nieder. Aninia, die eben selbst noch verzweifelt war, versuchte den Fassungslosen aufzurichten.
„Beppo,“ sagte sie leise, „Gott wird vielleicht barmherzig sein und das Kind leben lassen. Aber versündigen darfst Du Dich nicht durch solche Worte, wie Du sie vorhin sprachst. Wenn meines Vaters Haus in Noth ist, so mußt Du rasch zu ihm und ihm beistehen nach allen Kräften. Eile, Beppo, eile!“ fuhr sie dringender fort. „Hier kannst Du nichts helfen und draußen giebt es Menschenleben zu retten. Wirf allen Groll von Dir und sei gut, Beppo, damit der Herr sich über uns erbarme!“
Sein Herz war stets Wachs in ihrer Hand. Mit Thränen in den Augen wandte er sich dem Ausgang zu. Aber es war zu spät, niemand konnte mehr zur Thür hinaus, durch welche die Wasser nun unaufhaltsam hereindrangen. Die Frauen mußten sich bald auf das Lager retten, und Beppo erklomm den in der Ecke stehenden Feuerherd, auf dem er unbeweglich kauern blieb, die Stirn in seine Hände gepreßt und ein über das andere Mal in Verzweiflung aufstöhnend: „Was hab’ ich gethan! was hab’ ich gethan!“ – (Fortsetzung folgt.)
Blätter und Blüthen.
James Fenimore Cooper. Am 15. September sind es hundert Jahre, seitdem dieser einst so hochgefeierte Romanschriftsteller zu Burlington am Delaware das Licht der Welt erblickte. Auf keinem Gebiete der Litteratur herrscht die Mode so wie auf dem des Romans; nirgends aber ist sie vergänglicher, und auch das Werthvolle und mit Recht Gepriesene wird von den nachdringenden Strömungen verdrängt. Cooper war einst der erklärte Liebling der ganzen europäischen Lesewelt; sein Name stand mit demjenigen von Walter Scott in einer Reihe, und jetzt sind es nur noch zwei oder drei seiner hervorragendsten Romane, welche ihre Anziehungskraft auf das Lesepublikum, und in zahlreichen Bearbeitungen insbesondere auf die männliche Jugend, behaupten. Gleichwohl ist Coopers Darstellung in einem wenn auch noch so abgegrenzten Stoffkreise als Muster zu betrachten und die nordamerikanische Litteratur zählt ihn mit Recht zu ihren Klassikern. Cooper hatte auf dem College in New-Haven seine erste Bildung erhalten, war, noch nicht sechzehn Jahre alt, aus Begeisterung für die See und die Marine in den Seedienst getreten, doch schon nach fünf Jahren, 1810, wieder aus demselben geschieden. Mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt, lebte er zu Cooperstown am Otsegosee, besuchte 1826 England und Frankreich, war bis 1829 Konsul der Vereinigten Staaten in Lyon, lebte dann eine Zeitlang in Dresden, Italien und der Schweiz und kehrte 1831 in sein Vaterland zurück. Am 14. September 1851 starb er zu Cooperstown. Auf seine Romandichtungen hatte die europäische Reise nur geringen Einfluß, obschon er dieselbe in einem sechsbändigen Werke beschrieben hat; in der heimatlichen Erde sind die starken Wurzeln seiner Kraft; da herrscht bei ihm Wahrheit, Leben, höchste Anschaulichkeit der Schilderung und ein warmer patriotischer Hauch. Die Scenerie des Urwalds, die Bilder aus dem Leben der Ansiedler und Hinterwäldler und der Rothhäute, das Kolorit des geschichtlichen Hintergrundes, besonders aus der Zeit des Befreiungskrieges: das alles findet sich mit ebenso viel Treue wie Frische in seinen Romanen wieder.
Sein Roman „Der Spion“ (1821), der erste, der ihm einen Weltruf verschaffte, verewigt alle diese Vorzüge; in noch höherem Maße müssen sie dem „Letzten der Mohikaner“ (1826) zugesprochen werden, in welchem das Leben der wilden Urstämme und die großartige unberührte Natur des Urwalds und der Prairien mit der ganzen Welt von Abenteuern, die sie für den Eindringling in ihrem Schoße birgt, in ebenso lebendiger wie spannender Weise geschildert wird. Dasselbe gilt auch von den andern sogenannten „Lederstrumpfromanen“, wie z. B. den „Pionieren“, der „Prairie“, dem „Pfadfinder“ und auch von manchen schwächeren Werken; denn Cooper war überaus fruchtbar und seine „Sämmtlichen Werke“ in deutschen Uebertragungen füllen 250 Bändchen. Wo er mehr schablonenhaft schreibt, da tritt die allzugroße Breite seiner Darstellungsweise ganz wie in den schwächeren Romanen Walter Scotts störend hervor, und das Verweilen bei Einzelheiten läßt den Zug und Schwung des Ganzen sowie die Spannung der Leser erlahmen; immer aber finden sich interessante Natur- und Kulturbilder.
Bahnbrechend erscheint Cooper auf dem Gebiete des Seeromans; da sind die Marryat und Eugène Sue und alle französischen und englischen Marinedichter als seine Schüler zu betrachten. Das erste dieser Werke war „Der Pilot“ (1823); es folgten die „Wasserhexe“ und eine nicht unbeträchtliche Zahl von Seegeschichten, in denen der heldenhafte Zug überwiegt, mag es sich nun um die Thaten oder die Leiden muthiger Seefahrer handeln. Coopers Romane wurden in fast alle lebenden Sprachen, „Der Spion“ selbst ins Persische übersetzt.
Das heutige Geschlecht, das längst mit Werken ähnlicher Art überfluthet worden ist, mag sich mit Pietät des Meisters erinnern, dessen Hauptromane noch immer nicht übertroffen worden sind, so oft die Muse aller
[628] Völker auch jetzt den Urwald und die Wigwams der Indianer besucht hat, und wer ein treues und unbefangenes Bild früherer Zustände in jenen jetzt schon meistens von der Kultur berührten oder eroberten Gebieten gewinnen will, wird auch noch heutigen Tags den „Spion“ und den „Letzten der Mohikaner“ mit warmer Theilnahme lesen. †
Deutschlands merkwürdige Bäume. Die Eiche von Wörlitz. (Mit Abbildung S. 613.) In Nummer 47 des Jahrgangs 1888 brachte die „Gartenlaube“ in Wort und Bild die Beschreibung einer Rieseneiche aus Deutschlands Wäldern, der Königseiche zu Peisterwitz im Kreise Ohlau (Schlesien). Diese Eiche galt damals noch als die größte unter den auf deutschem Boden wurzelnden Schwestern; nun aber hat sich herausgestellt, daß es doch noch eine größere giebt. Es ist eine Eiche im Forstreviere von Wörlitz, nicht gar weit entfernt von Dessau, der Hauptstadt des Herzogthums Anhalt. Sie steht auf der sogenannten „Rosenwiese“ dicht an der Elbe und hat einen unteren Stammumfang von 12½, einen obern von 9¾ Metern, während sich ihre Höhe auf 26 Meter beläuft. Ihr Alter wird auf 500 bis 600 Jahre geschätzt; aber sie zeigt bis heute noch keinerlei Spuren von abnehmender Lebenskraft. Noch sei erwähnt, daß das Riesenkind keineswegs allein steht in dem Wörlitzer Walde; es hat gewaltige Gespielen um sich, die ihm an Stattlichkeit des Wuchses nur wenig nachgeben. Von einem der Riesen, der im Jahre 1888 gefällt wurde, berichtet die Wörlitzer Oberförsterei, man habe von ihm 30,57 Festmeter Nutzholz, 21 Festmeter Brennholz, 25 Stück Kahnkniee und noch 4 Festmeter Abraum gewonnen. Man mag sich demnach einen Begriff machen von den gewaltigen Erscheinungen in den Wörlitzer Forsten, und es dürfte sich wohl verlohnen, ihnen einen Besuch abzustatten. Wörlitz bietet ja mit seinem schönen herzoglichen Parke, einer Schöpfung des hochgebildeten und feinsinnigen Fürsten und späteren Herzogs Leopold Friedrich Franz (1758–1817), noch einen weiteren Anziehungspunkt, der auch in der „Gartenlaube“ (1880, Nr. 3) schon seine Würdigung gefunden hat.
Unsere Zeichnung des Baumes ist nach einem im Jahre 1859 aufgenommenen, durch seine Staffage merkwürdigen Bilde ausgeführt. Der Mann, welcher unter der Eiche steht, ist der verstorbene Herzog Leopold IV. von Anhalt, links von ihm und dem Baume hält sein Wagen. Uebrigens hat sich der Baum in seinem Aeußeren bis heute um nichts verändert.
Der „Gartenlaube“-Kalender für das Jahr 1890. Der „Gartenlaube“-Kalender hat sich bei seiner Gründung die Aufgabe gestellt, ein praktisches Nachschlagebuch für das Haus zu sein, aber nicht allein das, sondern zugleich auch eine Quelle anregender Unterhaltung. Wer in den vielfachen Fragen des täglichen Lebens schnelle Auskunft braucht, soll sie im „Gartenlaube“-Kalender rasch zur Hand haben; aber auch wer nach des Tages Mühen beim traulichen Lampenschein an einem Gedichte, einer anziehenden Erzählung, an den Pointen eines harmlosen Humors, der niemand verletzt, sich erfreuen will, soll Befriedigung finden. Diesem Grundsatze ist der „Gartenlaube“-Kalender durch alle bis jetzt erschienenen Jahrgänge treu geblieben und vor allem auch in dem eben herausgekommenen fünften Jahresbande, der womöglich noch reichhaltiger ist als seine Vorgänger und noch ansprechender auch in seinem Aeußern.
Der reiche Illustrationsschmuck fällt wohl zuerst auf, wenn man flüchtig in dem Bande blättert, und unter den Künstlern sind Meister ersten Ranges. Mit den werthvollen Bildern steht aber der textliche Inhalt des Kalenders in vollem Einklange. An das reichhaltige Kalendarium (für Protestanten, Katholiken, Griechisch-Katholische und Juden) schließen sich die „Bestimmungen und Tarife für den Post- und Telegraphenverkehr“ an, die von einem höheren Postbeamten zusammengestellt und nicht bloß durchaus zuverlässig, sondern auch erschöpfend sind. Dann folgen „Statistische Notizen für das Deutsche Reich“ von dem expedirenden Sekretär Thomaschewski im kaiserl. statistischen Amt etc. Aber wir wollen die Rubriken nicht aufzählen, in denen fast alle Fragen beantwortet werden, die ein findiger Kopf nur aufwerfen oder nach deren Beantwortung man im praktischen Leben suchen kann.
Mit bunten Mittheilungen unter dem alle „Gartenlaube“-Leser anheimelnden Titel „Blätter und Blüthen“ und einer vielseitigen humoristischen Blüthenlese wechseln ernste Beiträge von allgemeiner Wichtigkeit. Der Artikel „Ueber häusliche Krankenpflege, mit besonderer Berücksichtigung des kranken Kindes“ von Sanitätsrath Dr. Fürst enthält wichtige Verhaltungsregeln, die jede Mutter kennen sollte; „Die Versicherung einzelner Personen gegen Unfälle“ bildet eine beherzigenswerthe Mahnung, wie leicht der Einzelne von Unfällen betroffen werden, wie er sich aber auch mit geringen Opfern gegen die damit verbundenen pekuniären Nachtheile schützen kann.
Auf die Wahl der Erzählungen des Kalenders ist besondere Sorgfalt verwendet worden. „Nachbars Paul“, eine innig gemüthvolle Novelle von der beliebten „Gartenlaube“-Erzählerin W. Heimburg, „Das Elixir der Dubarry“ von dem bekannten Humoristen Paul von Schönthan und „Die Herrgottskinder“, eine frische, eigenartige, packende Novelle von H. Villinger, meisterhaft illustrirt von Fritz Bergen, dürften jeden ansprechen, der für gemüthvolle deutsche Erzählerart Sinn hat.
Die beste Empfehlung für den „Gartenlaube“-Kalender soll sein Inhalt sein; durch diesen hat er sich in den ersten Jahren seines Bestehens zahlreiche Freunde erworben und durch ihn sucht er auch im fünften Jahrgange zu den alten Freunden neue zu gewinnen. **
Der Marsch durch das Heimathsdorf. (Zu dem Bilde S. 617.) Was soll man dazu sagen! Ist das noch militärische Zucht und Ordnung, was wir hier auf diesem Bilde von Röchling sich abspielen sehen? Läuft da ein Tambour von der Spitze der Kompagnie weg, ein alter Bauer hat sich dem baumlangen Hornisten an den Arm gehängt, der Unteroffizier vorne vor dem ersten Gliede führt einen Buben an der Hand, als gehörte der mit dazu oder wäre er ein gefangener Spion! Es ist wahr, ganz ordonnanzmäßig ist die Geschichte nicht, aber es hat auch eine eigene Bewandtniß mit ihr. Wie jeder weiß, haben bei uns in Deutschland die einzelnen Linieninfanterieregimenter ihre bestimmt abgegrenzten, meist nicht allzu umfangreichen Ersatzbezirke, aus denen sie ihre Rekruten holen. Da geschieht es denn nicht selten, daß aus einem und demselben Dorfe mehrere Burschen bei einer und derselben Kompagnie stehen, und wenn dann der glückliche Zufall eintritt, daß das Manöver diese Kompagnie in dieses ihr „Heimathdorf“ führt, dann ist das begreiflicherweise ein festliches Ereigniß für die eine wie für das andere. Schon Wochen vorher hat sich im Dorfe die frohe Kunde verbreitet, und ist endlich der bestimmte Tag herangekommen, da strömen schon in der Frühe die selbstverständlich schulfreien Buben hinaus, auf der muthmaßlichen Marschstraße den Truppen entgegen. Es dauert lange, es wird Mittag – noch nichts! Wohl hört man von ferne das Dröhnen der Kanonen, das Rollen des Infanteriefeuers, und die Phantasien der Knaben erfüllen sich mit allerhand kriegerischen Bildern – aber kein „Hundertundneuner“ will sich zeigen.
Da endlich wälzt sich die dunkle Schlange mit ihrem blitzenden Rücken heran, sie kommt näher, und bald hat der kleine Frieder seinen Bruder, den Unteroffizier, an der Spitze der Kompagnie erkannt, ein untrügliches Zeichen, daß es „die Rechten“ sind. Und nun ziehen sie ein in die breite Hauptgasse des wohlhabenden badischen Dorfes, dessen stattliche Bauernhäuser den meisten so wohl bekannt sind – die grünen Büsche an den Helmen schauen so lustig aus, als wären sie eigens zum Vergnügen der „Landsleute“ aufgesteckt und nicht bloß zum „Markiren des Feindes“ – an den Fenstern, unter den Thüren erscheinen bekannte Gesichter, es ist ein Winken und Grüßen, ein Necken und Erkennen, eine Aufregung und ein Jubel im Dorfe, daß der alte Gänserich vollständig den Kopf verloren hat und in seiner unheimlichen Angst schnatternd und kreischend der Kolonne vorausflattert.
Da drückt denn nun auch die strenge Göttin, „Marschdisciplin“ genannt, ein Auge oder beide zu, wenn nicht alles ganz säuberlich in der Ordnung bleibt, und so mag sich der lange Hornist seinen Apfelmost, den ihm der Alte – wohl sein Vater – eingeschenkt hat und noch einschenken wird, mag sich der kecke Tambour sein Glas Bier, das ihm sein alter Schulkamerad, der Hausknecht vom „Goldenen Löwen“, eilends herbeibringt, in Gemüthsruhe schmecken lassen; sie wissen, der Herr Hauptmann „macht diesmal nichts“. Er wird auch nichts dagegen haben, wenn von den Aepfeln des schönen großen Baumes ein paar in die marschirende Kolonne geworfen werden und die hungrigen und durstigen Krieger sich einen kurzen Augenblick darum balgen – wenn nur dann draußen vor dem Orte wieder alles hübsch stramm beieinander ist. Und darauf kennt der Herr Hauptmann seine Leute!
- 1. T g 6 – b 6 h 4 – h 3
- 2. L f 1 × b 5 Zugzwang.
- 3. L h 2 – g 1 oder d 6 matt.
- 1. … beliebig.
- 2. L h 2 – d 6 † nebst
- 3. L f 1 × b 5 matt.
- 1. … K c 5 × b 6
- 2. L h 2 – g 1 † K beliebig.
- 3. L f 1 × b 5 matt.
- Auf 1. … L a 5 × b 4 folgt
- 2. L h 2 – g 1 matt.
Stammtisch in Posen. Die von Ihren Genossen angezweifelte Behauptung, daß die Negerkinder weiß zur Welt kommen, ist doch bis zu einem gewissen Grade richtig. Bei farbigen Stämmen sind die Neugeborenen in der Regel heller gefärbt. Säuglinge nordamerikanischer Indianer sind den Neugeborenen der Weißen sehr ähnlich. Auch über die Negerkinder liegen ähnliche Berichte vor. So theilt der Afrikareisende Dr. Eugen Wolf mit, daß nach seinen Beobachtungen die Farbe der Neugeborenen an der Westküste und im Inneren von Afrika gleich nach der Geburt hellrosa und der eines Kindes kaukasischer Rasse täuschend ähnlich ist. Nach einigen Tagen tritt ein Stich ins Bräunliche ein. Der Zeitpunkt jedoch, wann die Dunkelfärbung bei Neugeborenen zuerst auftritt und wann sie völlig beendet ist, richtet sich in Afrika nach der geographischen Lage des Geburtsortes. Im Süden ist die Veränderung des Farbstoffes meist innerhalb eines Jahres vollendet, in Aegypten erst nach drei Jahren.
Abonnentin in Triest. „Reichsgräfin Gisela“, Roman von E. Marlitt, erschien im Jahrgang 1869 der „Gartenlaube“, „Das Haideprinzeßchen“ von derselben Dichterin im Jahrgang 1871.
Paul R. in St. Wenn in den Blättern vor einiger Zeit behauptet wurde, daß die Assistenten Pasteurs sich nach Australien begeben hätten, um dort Versuche mit der bekannten Schutzimpfung gegen die Hundswuth anzustellen, so beruht dies auf einem Irrthum. Die französischen Gelehrten wollten Australien von der Kaninchenplage befreien, indem sie unter den schädlichen Nagern die sogenannte Hühnercholera epidemisch zu machen suchten. Der Versuch ist aber als mißlungen zu betrachten und der Preis für die Ausrottung der Kaninchen ist den Franzosen nicht zuerkannt worden. Was die Hundswuth anbelangt, so ist Australien der einzige Welttheil, der von dieser furchtbaren Krankheit vollständig frei ist; ein Fall von Hundswuth ist dort bis jetzt noch nicht beobachtet worden und die australischen Behörden überwachen aufs strengste die Hundeeinfuhr, um die Verschleppung der Krankheit zu verhüten.
Anton B. in K. Die frühesten Spuren der Dampfmühle weisen nach Frankreich. Dort trat im Dezember 1788, als infolge starker Kälte alle Mühlen einfroren, Mangel an Brot ein. Die Zeitungen aus jenen Tagen melden nun, daß ein gewisser Perrier in Paris eine Mahlmühle eingerichtet habe, die durch Feuer getrieben wurde und täglich für 30000 Menschen Mehl lieferte. Da man im vorigen Jahrhunderte die Dampfmaschinen auch Feuermaschinen hieß, so dürfte die Mühle Perriers wohl die erste Mahlmühle mit Dampfbetrieb gewesen sein.
J. V. N. K. Gemeinverständliche Belehrung über Lungen- und Augenkrankheiten finden Sie in Prof. Bocks altbewährtem „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ (Leipzig, Ernst Keils Nachfolger), das gerade gegenwärtig in neuer (14.), reich illustrirter Auflage erscheint und als ein unübertroffenes Hausbuch für allgemeinverständliche Gesundheitslehre bezeichnet werden darf.
G. A. in Bochum. Sie meinen, der Ausdruck „blauer Montag“ komme von dem Blau des Himmels her, das von der Arbeit weg ins Freie locke. Das ist aber doch wohl nicht richtig. Ursprünglich wurde unter dem Ausdruck „blauer Montag“ nur der arbeitsfreie Fastnachtsmontag (an manchen Orten auch „Rosenmontag“ genannt) verstanden, an welchem Tage die Altäre in den Kirchen mit blauen Decken versehen sind. Von ihm aus hat sich die Bezeichnung auf alle Montage ausgedehnt, an denen gefeiert statt gearbeitet wird. Sie finden über diese und ähnliche Fragen Auskunft in einem ebenso inhaltreichen als praktisch eingerichteten Buche „Ueber deutsche Volksetymologie“ von Karl Gustav Andresen, welches bereits in 5. Auflage bei Gebr. Henninger in Heilbronn erschienen ist.
Inhalt: Sicilische Rache. Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans (Fortsetzung). S. 613. – Die letzte Theatersaison. Von Rudolf v. Gottschall. S. 618. – Rettung Ertrinkender und Wiederbelebung Scheintodter. Von C. Falkenhorst. S. 621. Mit Abbildungen S. 621, 622 und 623. – Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 624. – Grüß Gott! Illustration. S. 625. – Blätter und Blüthen: James Fenimore Cooper. S. 627. – Deutschlands merkwürdige Bäume. Die Eiche von Wörlitz. S. 628. Mit Abbildung S. 613. – Der „Gartenlaube“ Kalender für das Jahr 1890. S. 628. – Der Marsch durch das Heimathsdorf. S. 628. Mit Illustration S. 617. – Auflösung der Schachaufgabe auf S. 468. S. 628. Kleiner Briefkasten. S. 628.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Georg Schreyer