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Die Gartenlaube (1889)/Heft 38

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[629]

No. 38.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sicilische Rache.

Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans.
(Fortsetzung.)


8.

Vier Tage waren seit jener Fahrt nach San Placido verstrichen, als der Abbate Scaglione sich in später Abendstunde bei der Gräfin von Cellamare anmelden ließ. Außer ihrem Arzte war er der einzige, dem sie ihr Haus nicht verschlossen hatte. Für alle anderen, Freunde und Freundinnen, Verwandte und Anbeter, ja sogar für den Gouverneur war sie seit jener Spazierfahrt und dem darauf folgenden Empfangsabend unsichtbar, unnahbar geworden. „Die Frau Gräfin hat sich in den feuchten Olivengärten das Fieber geholt,“ so hieß es im Hause, wenn die Besucher kamen. Ein gar schlimmes Fieber fürwahr! und keinen leichten Stand hatte wahrlich der brave Hausdoktor bei der im selben Athemzuge von Frost und von Hitze geschüttelten Patientin. Der Ursache dieser in ihren Aeußerungen ihn befremdenden Krankheit konnte er nicht auf die Spur kommen; die Gräfin antwortete auf alle seine Fragen: „Erkältung, Erhitzung, Nachtluft!“ Der Graf, der sich überhaupt und grundsätzlich nicht um seine Frau kümmerte, wußte von nichts, wollte von nichts wissen und behauptete achselzuckend, sie habe ja von jeher Fieber gehabt, jahraus, jahrein, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. Die Bedienten nahmen hochweise, selbstbewußte Mienen an und lachten dem Doktor ins Gesicht. Der einzige, der ein halbwegs verständiges Wort gesprochen hatte, war der Abbate gewesen; – aber konnte man je wissen, wo bei diesem der Ernst anfing, wo der Scherz aufhörte? – Wie dieser Abbate den Doktor einmal beim Rezeptschreiben überraschte, hatte er ihm mit einer tiefen Verbeugung das Papier aus den Fingern gespielt, hatte das Orakel in kleine Fetzen zerrissen und hatte dem Orakelspendenden dann lachend ins Ohr geraunt: „Doktorchen! Ihr seid auf dem Holzwege; Frauenfieber kommt nur von Liebe her und wird nur durch Liebe geheilt!“ – Wollte dieser feine Abbate am Ende gar selber den Heilkünstler spielen und das Kurieren auf eigene Hand versuchen? Den Anschein hatte es schon, als ob sich zwischen ihm und der Gräfin etwas Absonderliches abspielte, denn zwei- bis dreimal täglich besuchte er sie, und hatte er sich entfernt, so stellte sich regelmäßig bei ihr das Fieber mit erneuerter Heftigkeit ein. Sie verschloß dann ihre Thüren, ließ die damastenen Vorhänge herunter, verbot dem Tageslicht wie ihren Freunden den Eintritt in ihre Gemächer und blieb so bis in die Nacht hinein, bald in eine Ecke des Divans zurückgelehnt und stumm vor sich hinbrütend, bald jäh aufspringend, das Zimmer mit raschen Schritten durchmessend und mit erregter Hand ihre Nippsachen ohne Zweck noch Grund


Des Herbstes Erstlinge. Nach einem Gemälde von Robert Beyschlag.
Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.

[630] von einer Stelle zur andern hin- und herschiebend. In diesem Zustand fand sie der Abbate, als er an jenem Abend bei ihr eintrat.

„Ihr seid’s, Abbate?“ rief sie ihm entgegen; „bringt Ihr nichts Besseres als bisher, so empfehlet Euch lieber sogleich und überlasset mich mir selber!“

„Contessa! ich bringe hoffentlich den Anfang vom Ende.“

Als der Abbate, sich mit seinem breitkrämpigen Hute Kühlung zufächelnd, ihr gegenüber Platz genommen hatte, richtete sie sich mit erregter Gebärde auf.

„Nun? Der Anfang vom Ende? rasch! sprecht!“

„Signora Teresina! Ihr seid ja heute ein wahrer Feuerbrand!“

„Was ich bin oder nicht bin, brauche ich nicht von Euch zu hören. Ihr seid hier, um mir zu berichten, was Ihr erfahren habt; – wer ist sie? wie heißt sie? wo wohnt sie? besucht er sie? liebt er sie? liebt sie ihn? haben sie sich wieder gesehen? haben sie …?“

„Ums Himmelswillen, haltet ein, Gräfin! Vor lauter Fragen schwindelt mir der Kopf!“

„Gut! Ich schweige denn und horche,“ schmollte die Gräfin, zog ihre Füße auf den Divan hinauf, rollte einen schweren Pelz darüber hin, lehnte sich in die Kissen zurück und blieb, den Blick an die Decke gerichtet, unbeweglich liegen, – ein reizendes und berückendes Bild! Ihre Finger spielten mit ihrem Fächer; unter dem goldenen Kamme wallten ihre schwarzen Seidenhaare in weichen, aufgelösten Locken auf die Schultern herab; das feine Profil hob sich blendend von den dunkelrothen Kissen ab.

„Ich war bei den Mönchen in San Placido, Frau Gräfin,“ hub der Abbate an; „ich habe mich bei dem Prior und bei den Brüdern nach dem Mädchen erkundigt … Keiner will etwas von einem Mädchen wissen …“

„Keiner?“ rief Teresina; „und ich hab es doch gesehen, und Ihr auch! Es stand ja auf dem Balkon mitten unter den Mönchen und lächelte mich an.“

Der Abbate zuckte die Achseln.

„Ihr kennt ja das sicilische Volk. Es sind gute Leute, haben aber Angst vor ihrem eigenen Schatten. Fragt Ihr sie, ob sie heute in Oel gebratene Fische oder Maccaroni mit Pomidorosauce zu Mittag hatten, so grübeln sie nach dem versteckten Sinn, den Eure harmlose Frage wohl verbergen dürfte, und antworten im besten Falle, Fische schmeckten nicht besser und nicht schlechter als Maccaroni und man könne beides essen. Von keinem einzigen konnte ich das Geringste erfahren; sie seien in der Kirche beschäftigt gewesen mit Beten und Singen. Kluge Menschen, jene Klosterherren von San Placido! Ihr wißt ja: an jenem Sonntag zettelten sie dort eine Verschwörung an; Romeo, Euer Tischlermeister, war auch dort, und Salvatore Merlo, das Haupt der Maffia …“

„Was kümmert mich Maffia und Verschwörung, was Romeo und Merlo? Von dem Mädchen will ich hören … und von ihm! … Wo ist der Anfang vom Ende, den Ihr mir versprachet?“

Der Abbate erhob sich von seinem Stuhle, faltete in komischer Demuth die Hände über seinem Hut und, die Augen wie ein reuiger Sünder zu Boden schlagend, sagte er:

„Ich begab mich heute zu Seiner Eminenz, dem Kardinal Erzbischof, und habe ihn gebeten, mir zu gestatten, um verschiedene Sünden abzubüßen, von morgen an in dem Kloster der Badiazza zu verweilen, zur frommen Kasteiung und …“

Die Gräfin schaute ihn mit überraschten Augen an.

„Abbate!“ unterbrach sie ihn, „habt Ihr vor lauter Verschwörung und Maffia den Kopf verloren?“

Er lachte laut auf; dann fuhr er mit leiser, triumphirender Stimme fort:

„Der Hauptmann reitet seit jenem Tage jeden Nachmittag in das Thal der Badiazza, er erkundigt sich nach allen Familien, die jene Gegend bewohnen … und in denen es schöne Mädchen giebt; … morgen früh setzt sich Abbate Scaglione, Euer treu ergebener Diener, in dem alten Kloster auf die Lauer, und es müßte doch wunderbar zugehen, wenn der Abbate Scaglione nicht, bevor zwei Tage vergehen, den Namen jenes Mädchens in Erfahrung gebracht haben sollte.“

Teresina hörte ihm unbeweglich zu. Sie befand sich in einer mühsam bezwungenen, leidenschaftlichen Aufwallung. Ihre Lippen zuckten, ihre Augen sprühten düsteres Feuer. Plötzlich löste sich ihr ganzes Wesen auf, ein helles Lächeln flog über ihre Züge und mit einem äußerst gnädigen Blicke auf den Abbate sagte sie mit schmeichelnder Stimme:

„Mein guter Abbatino, Ihr seid doch noch klüger, als ich glaubte. Thun Sie denn Buße, mein verehrter Pater, in der Badiazza für Ihre vergangenen Sünden – vergessen Sie aber dabei die zukünftigen nicht! – und beichten Sie dann bei mir über alles, was Sie dort gesehen haben werden; ich werde versuchen, den Beichtvater zu spielen. Addio, Abbatino!“ – Dann erhob sie sich lachend und verschwand im Nebenzimmer.

Der alte Hausarzt konnte an diesem Abend in dem Befinden seiner schönen Kranken eine gar seltsame Veränderung wahrnehmen. Wie mit einem Zauberschlage war das böse Fieber gewichen; lustig, berückend, einschmeichelnd und schelmisch wie früher lachte Teresina ihren besorgten Doktor an, scherzte über sein Wissen, ließ in altgewohnter Weise ihren Spott gegen Freundinnen und Nachbarinnen los und entfaltete eine so übersprudelnde Lebhaftigkeit, eine so reizend natürliche Heiterkeit, daß ihr graubärtiger Heilkünstler selbst in ihrer Nähe beinahe das süße Wiederaufthauen jugendlich warmer Gefühle verspürt hätte, und daß es, als er auf die Straße trat, wie ein Wiederschein dieser sonnigen Frühlingserinnerungen aus den Falten seines Gesichtes leuchtete und sein mildglänzendes Auge wie in einer Verklärung schwamm.

Es war wie ein plötzliches Aufwallen ihres feurigen Blutes, das jetzt neues Leben durch die Adern der Gräfin strömen ließ; ein Leben, das nur ein einziges Ziel kannte – die Rache an dem Verräther, die Rache an seiner Geliebten! Einen Verräther nannte sie ihn in ihrem Herzen – als habe sie ein Anrecht an seine Liebe. Und besaß sie denn dies Anrecht nicht? Seit wann durfte sie nicht mehr den Anspruch erheben, daß jeder, den sie auszeichnete, ihr anbetend zu Füßen liege? War sie nicht mehr die Königin der sicilischen Frauen? War ein Blick von ihr, war ein Druck von ihrer Hand nicht mehr ein ganzes Königreich werth? – Und dieser Fremde, dem sie ihre Gunst zugewendet, den sie allen andern vorgezogen hatte und der dies königliche Geschenk verschmähte – er sollte sich beugen vor ihr, ihr Erbarmen sollte er anflehen! – Jenes Mädchen aber, das es gewagt hatte, die Pläne der Gräfin von Cellamare mit ihrer Liebe zu durchkreuzen, jene Dirne – sie sah sie noch vor ihren Augen, wie sie vom Balkon herunterlächelte zu ihr – die Glückliche zu der Verschmähten! Ja! lächle und freue Dich! Der Tag der Vergeltung naht und die Rache der Gräfin von Cellamare sollst Du kennen lernen! Es schien ihr, wie der Abbate ihr die Nachricht überbracht hatte, als ergösse sich ihr eine wilde Wonne durch alle Adern, eine unsägliche, noch nie genossene Freude erfüllte ihr Herz; dem Abbate, dem Doktor wäre sie beinahe an den Hals geflogen, lachend und jauchzend, in seliger Rachelust. Mit dem Gedanken an die nahe Vergeltungsstunde legte sie sich nieder, mit diesem Gedanken schlummerte sie ein, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, während in ihrem Herzen wie ein leise im Schlafe nachtönender Gesang der letzte Gedanke, den sie aus dem Wachen ins Träumen mit hinübergenommen hatte, fortsummte: Wie eine sicilische Gräfin sich rächt, sollt Ihr erfahren, Du, fremder Verräther! Du, freche Dirne!


9.

Eine schwüle, drückende Luft lag über dem Thale; der Himmel war von einem fahlgelb schimmernden Schleier verhüllt; kurze Windstöße sausten durch die Wipfel der Bäume, deren Aeste sich wie im Fieberschauer schüttelten. Mit bedenklichem Kopfnicken beobachtete Nina die schweren Gewitterwolken, die sich um die Berge ansammelten.

„Der Sirokko schlägt um; vor Nacht bekommen wir ein Unwetter. Gebe Gott, Felicita, daß Dein Vater jetzt nicht von Milazzo her unterwegs sei, denn die Wasserfluthen werden diese Nacht durch unsere Thäler brausen.“

Besorglich folgte Felicitas Auge dem drohenden Wolkenspiele.

„Sollte der Vater schon heute unterwegs sein?“ fragte sie nach einer Pause, – aber nicht ihrem Vater allein hatten ihre Gedanken gegolten.

„Sechs Tage sind es morgen, daß er abreiste, und der Bote, den er vorgestern aus Milazzo schickte, sagte seine Rückkehr auf heute oder morgen an.“

[631] Eine Ziegenherde zog das Thal herauf. Müde ließen die Thiere die Köpfe hängen. Zu schnellerem Schritte trieb sie der schwer sich hinter ihnen herschleppende Hirt an; unter der Last der Kaktusblätter, die er zur Ziegenfütterung in seinem langen Zwerchsack über den Schultern trug, keuchte er mühsam. Einige Bauern auf ihren Eseln kreuzten seinen Weg.

„Spute Dich, Ciccio!“ riefen sie ihm zu; „es ist noch weit bis zu Deiner Hütte, und dort hinten wettert es schon!“

Eine lähmende Mattigkeit hatte sich Felicitas bemächtigt. Unter dem Drucke des unheimlichen Wüstenwindes erschlafften Muskeln und Nerven. Ein leises Beben beängstigte ihr Herz, als sie an den Vater dachte, der vielleicht zu dieser Stunde die andere Bergesseite hinaufritt und dem auf dem unwegsamen Gebirge kein Haus, keine Hütte ein schützendes Obdach gegen den drohenden Sturm bieten würde. Noch ein anderes Gefühl gesellte sich aber zu dieser Besorgniß. Seit drei Tagen wartete Felicita mit immer mächtiger sich entflammender Sehnsucht auf den so heiß erhofften und doch wieder gefürchteten Besuch des Offiziers, der, die Unfindbare suchend, tagtäglich das Thal durchkreuzte, die zwischen Mauern und Kaktushecken sich hinschlängelnden Seitenwege durchforschte, bis zum Kloster hinaufritt und abends langsam und mit schlaffem Zügel nach Messina zurückkehrte. Sie verfolgte von weitem seinen Ritt; ihr Herz jauchzte auf, wenn die hohe, ritterliche Gestalt hinter den Häusern hervortrat, sie wagte es jedoch nicht, sich dem strengen Mahnen ihrer Dienerin ungehorsam zu zeigen, – und auch in ihre Seele zog eine Dämmerung ein, wenn er abends unverrichteter Sache wieder thalabwärts trabte. Wie oft hatte sie sich gefragt, wie sie es anstellen könnte, um ihm den so unermüdlich gesuchten Weg zu erschließen, ohne daß ihr dadurch ein Vorwurf erwachsen könnte. Wie oft hatte sie in der letzten Nacht sich vorgenommen, hinunterzueilen zu der Stunde, wo er bei dem Kloster anzulangen pflegte, ihn wie durch Zufall in der Kirche zu treffen, wo sie häufig ihr Gebet verrichtete, ihn zu begrüßen, ihn zu sprechen, – und dann wieder zu verschwinden in ihrem unfindbaren Versteck. Mit stets lebendigeren Farben malte sie sich in ihrer südlich feurigen Einbildungskraft das Wiedersehen aus dort in der heimlichen Einsamkeit der Klosterkirche, unter den schweigsamen Gewölben der Normannenkapelle. Gab ihr das Schicksal nicht gleichsam einen verstohlenen bedeutsamen Wink, daß der in einem Klostergarten erblühte Traum sich in einer Klosterkirche fortspinnen sollte?

„Nina!“ sagte sie plötzlich, „ich gehe zur Kirche, die Mutter Gottes anzurufen, daß sie den Vater auf seiner Reise beschütze.“

Ein dumpfer Donner rollte durch das Thal.

„Ich begleite Dich,“ erwiderte Nina, „und zieht das Gewitter über die Berge, so sind wir rasch wieder zurück.“

Beschleunigten Schrittes verließen die beiden das Haus und eilten zwischen den Ruinen der Klostergebäude bis an das Flußbett, wo sie, um die scharfe Felsenecke biegend, die Kirche vor sich liegen sahen. Die Thür war offen; sie traten in die noch düsterer als gewöhnlich unter den Gewölben lagernde Dämmerung und knieeten am Hochaltar nieder. Eine erfrischende Kühle erfüllte den stillen Raum; gegen den verzehrenden Hauch des Gluthwindes schützten die massiven Granitmauern das in grabesähnlicher Einsamkeit liegende Gotteshaus. Kaum vernahm man hier noch das dumpf dröhnende Rollen des nahenden Gewitters. In die Herzen der beiden Frauen senkte sich eine linde, köstliche Ruhe, und hatte sich auch Felicita beim Hereintreten verstohlen unter den Säulengängen umgeschaut, ob nicht ein anderer vielleicht aus dem Dunkel auf sie herzutrete, so legte sich doch allmählich die fieberhafte Wallung ihres Blutes und unter dem heimlich stillen Eindruck des dämmernden Gotteshauses löste sich ihr Wesen auf in ein kindlich frommes Hingeben und in ein inbrünstiges Beten.

Draußen aber brach mit von Minute zu Minute steigender Gewalt das vom brausenden Orkan über den Gebirgskamm gejagte Ungewitter los. In immer kürzeren Pausen, gleich wie das mächtige Schnauben der zu furchtbarem Kampfe erwachenden Naturkräfte, heulten die Windstöße durch das Thal. Der gelbgraue Wolkenschleier senkte sich schwerer und tiefer herunter, das ganze Himmelsgewölbe in eine eintönige, unheimlich schillernde Dämmerung einhüllend. Unheilverkündend flammten die Blitze schon um die nahen Bergesgipfel. Aus den hinteren, von jähen Abgründen durchfurchten Klüften klang es dumpf und furchtbar wie ein wildes Stöhnen durch das schrille Pfeifen des Windes. Die Elementarkräfte entfesselten sich.

Plötzlich senkte sich wie vom Himmel heruntergezogen das Gewölk über den hohen, den Horizont abschließenden Bergesrücken; – die Kämme waren überschritten. Jetzt nahte das Wetter, – jetzt gnade Gott denen, die kein Obdach noch gefunden hatten! Ein Prasseln und Rasseln, ein Heulen und Schmettern erhob sich, als ob dort hinten ein mächtiger Wasserfall mit wüthender Stromesgewalt den Berg herunterschösse. Durch die vom Winde aufgerissenen Kirchenthüren zuckte ein jäh aufflackernder Blitzstrahl; ihm folgte unmittelbar ein Donnerschlag, der das Gebäude bis in seine Grundfesten erbeben machte.

„Heilige Madonna!“ schrie eine Stimme, die aus dem oberen Rundbogen herabzutönen schien, „die Fiumara kommt!“

Entsetzt sprangen die beiden Frauen auf.

In demselben Augenblicke kam in athemloser Hast draußen ein Reiter angesprengt. Er stürmte, gegen den Wind ankämpfend, den kleinen Hügel hinauf. Die im Freien Rettung suchenden Mädchen flohen der offenen Thüre des Gotteshauses zu. Eilende Schritte hallten in der Kirche wieder.

„Haltet ein! Keinen Schritt weiter! Draußen seid Ihr verloren!“ rief es hinter ihnen.

Fra Serafino stürzte die Steintreppe herunter, den beiden Frauen nach; nur die langsamere Nina aber konnte er erreichen, – Felicita war schon im Freien. Doch wie vom Blitze getroffen blieb sie dort stehen: – vor ihr, sein Pferd am Zaume gegen die Klosterpforte ziehend und mit aller Kraft gegen den Sturm ankämpfend, erschien Eckart.

Schon aber hatte der Orkan die Unglückliche erfaßt. Sie stieß einen gellenden Schrei aus. Von einer unwiderstehlichen Gewalt fühlte sie sich ergriffen und fortgerissen, – und vom Thalgrunde her rollte schon das prasselnde Brausen des von dem Bergeskamme in das Flußbett herunterschießenden Wolkenbruches. Mit verzweifelter Kraft klammerte sich das Mädchen an eine neben der Thür vorspringende Mauerecke; aber was vermochte sie gegen den Sturm? Schon schwanden ihr Kraft und Sinne, – da fühlte sie sich von einem starken Arm erfaßt, von der Erde aufgehoben; – verzweiflungsvoll umklammerten ihre Arme den Retter, ihre Augen begegneten seinem Blick, – „Madonna!“ rief sie und lag bewußtlos an seiner Brust.

An ein Kämpfen gegen den Orkan, an ein Umkehren nach der Kirche war nicht mehr zu denken … Dort unten öffnete sich eine Gasse, den Berg hinan, – dort hinter jenem Felsvorsprung war Rettung! In mächtigem Satze, vom sausenden Winde getrieben, flog Eckart, das ohnmächtige Mädchen fest an sich schließend, den Hügel hinunter.

„Hilf, Himmel! Das Wasser erfaßt sie!“ gellte es von der Kirchenthüre … Einen Augenblick noch, und der wüthende Bergstrom hätte die Fliehenden fortgerissen, – aber mit rascher Hand klammerte sich der Ritter an die Felsenkante, und in fliegendem Schwunge war er mit dem geretteten Mädchen hinter der schutzbringenden Ecke geborgen.

In der Kirche bemühten sich zwei Priester um die jammernde Nina. Dem kühnen Sprunge des Offiziers waren ihre Blicke gefolgt; ob die beiden aber gerettet seien, wer hätte es in der alles überfluthenden Dunkelheit wahrnehmen können?

„Felicita! Felicita!“ schrie händeringend die Arme; „was wird Dein Vater sagen, daß ich so schlecht über Dich wachte!“

„Wer ist denn ihr Vater?“ fragte der eine.

„Romeo!“ antwortete sie; „Romeo, der Tischlermeister, der Capo Popolo!“

Ein Lächeln flog bei diesem Namen durch Scagliones Auge.

Im selben Augenblick aber durchzuckte ein gewaltiges Beben die Kirche. Durch ein zersplitterndes Fenster an der hinteren Wand schlug eine Welle und schwemmte eine Lache von gelber Erde und rollenden Steinen bis an die Stufen des Altars.

„Heilige Mutter Gottes!“ schrie Fra Serafino, „die Fluthen dringen in die Kirche! Wir sind verloren!“

„Dort! dort hinauf!“ rief Scaglione, auf die Wendeltreppe deutend, und, Nina mehr tragend als führend, flüchteten beide in das obere Gemach, während die am Hochaltar brandenden Schlammwogen die Kirche mit Trümmern und Schutt überflutheten.


[632]

Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze.
Nach einem Gemälde von Franz Adam.

[633] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.

[634]
10.

Als Felicita aus ihrer Betäubung erwachte, lag sie in ihrem Stübchen auf dem Ruhebett ausgestreckt. Durch die geschlossenen Läden flammten die Blitze; der Donner rollte ohne Unterlaß; schwere Schläge fielen, dröhnend wie gewaltig gehämmerte Accorde, und auf diesen mächtigen Baß wob das Pfeifen des Windes, das Prasseln des Hagels, das Aechzen der im Sturm gepeitschten Bäume unheimlich abgerissene Orkanmelodien.

Felicita richtete sich empor. Sie suchte ihre Gedanken, ihre Erinnerungen zu sammeln. Wirr flogen ihre Blicke in der Finsterniß umher. Da erhellte ein Blitz das Gemach; zu Füßen des Bettes stand Eckart! – und plötzlich war es auch hell geworden in ihrem Geiste. Sie sprang auf, und ihren innersten Gefühlen sich in kindlicher Unbefangenheit hingebend, ergriff sie ihres Retters Hände und führte sie in leidenschaftlicher Bewegung an ihre Lippen.

„Du!“ rief sie, – und das den Südländern geläufige Wort entglitt ihrer Zunge, ohne daß sie ihm selber eine besondere Bedeutung beilegte, – „Du hast mich dem Tode entrissen und hast Dein eigenes Leben für mich aufs Spiel gesetzt! Möge die heilige Jungfrau Dir’s vergelten!“

Ein Feuer durchströmte Eckart, als er das schöne, heißgeliebte Mädchen also sprechen hörte, als er den Druck ihrer weichen Hand, den Kuß ihrer warmen Lippen fühlte; und, ihre Hände seinerseits erfassend und an seine Lippen führend, antwortete er:

„Vergilt Du mir’s, Felicita! nur Du! Du allein! Seit langen Tagen suche ich Dich. Alle Wege, alle Gärten durchstreifte ich, nur um Dich wiederzusehen, – denn ich weiß, daß Du mich liebst, wie ich Dich liebe, – und die Blume, die Du mir reichtest, noch trage ich sie auf meinem Herzen, – und wem Du die Blume gabst, dem nahmst Du sein Herz – dem gabst Du das Deine.“

Das Mädchen zuckte in jähem Schrecke zusammen, und mit einem Male wurde sich Felicita der Gefahr, in welcher sie sich befand, bewußt; – sie hatte sich während der vergangenen Tage so oft und so viel mit dem Abwesenden beschäftigt, so oft hatte sie in Gedanken mit ihm gesprochen, so oft im Geiste seiner Stimme gelauscht, daß das vertrauliche „Du“ wie der natürliche Ausdruck ihres Fühlens, wie die ihrem Denken einzig angemessene Sprechweise ihrer Zunge entquollen war. Als ihr aber das „Du“ aus Eckarts Munde und in so leidenschaftlichem Tone antwortete, da überfiel sie plötzlich die volle Erkenntniß ihrer Lage, – hier, in dem verlassenen Hause, – von der Außenwelt durch den Orkan abgeschnitten, – allein mit dem fremden Offizier, der ihre Hände in den seinigen hielt und mit feurigen Küssen bedeckte!

„Laßt mich! laßt mich!“ rief sie, sich mit Gewalt loswindend und in eine Ecke des Zimmers flüchtend. „Wo ist Nina?“

Bestürzt ob der jähen Wandlung, die sich in dem Zittern ihrer Stimme, in dem Ungestüm, mit dem sie sich von ihm losriß, kundgab, richtete sich Eckart empor. Auf sie zutretend, sagte er:

„Was fürchtest Du, Felicita? Was geschieht Dir? Wir sind allein …“

„Allein! O himmlische Jungfrau! Wo ist Nina geblieben?“

„Nina? Ich sah sie nicht. War sie mit Dir in der Kirche? – So ist sie dort zurückgeblieben, in sicherem Schutze. Aber,“ setzte er, sich im Zimmer umschauend, hinzu, „wo sind wir hier? Die Thür stand offen; ich brachte Dich hierher. Wem gehört dies Haus? Wo sind dessen Bewohner?“

„In meines Vaters Hause sind wir … Ach, mein Vater! mein armer Vater!“

Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen, heiße Thränen quollen aus ihren Augen. In dem flackernden Lichte der unaufhörlich aufleuchtenden Blitze sah Eckart das Mädchen gegen die Wand sinken. Seinen Arm um ihre Hüfte schlingend, versuchte er die Weinende aufzurichten. Sie wollte nicht; sie wehrte ihn von sich ab; ihre Hände zitterten; Leichenblässe bedeckte ihr Antlitz.

„Nein! nein! laßt mich! berührt mich nicht! laßt mich los!“

Jetzt erst begriff Eckart, was in des Mädchens Seele vorgegangen war und weshalb es vorhin so plötzlich und mit so sonderbarer Angst vor ihm in die Ecke geflohen war. Er trat einen Schritt zurück, und mit fester, ruhiger Stimme sprach er:

„Felicita, Du fürchtest Dich vor mir? Für wen hältst Du mich? Welchen Grund habe ich Dir gegeben, mich für einen Elenden anzusehen, der den schrecklichen Zufall, der uns in dieser Einsamkeit zusammenführte, zu einer schnöden That zu mißbrauchen gedächte? Ich liebe Dich, Felicita! Ja, aus vollem, tiefem Herzen liebe ich Dich! Ich suche Dich seit langen Tagen, – nicht wie ein Mädchenräuber aber wollte ich einbrechen in Dein Haus, – und leid thut es mir, daß Dein Vater nicht hier ist. Wo ist Dein Vater, Felicita? Sage mir seinen und Deinen Namen, daß ich morgen wiederkehre! Denn jetzt, da Du in Sicherheit bist, Felicita, – jetzt darf und will ich länger hier nicht verweilen!“

Den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, hatte Felicita mit tiefer freudiger Rührung seiner Rede gelauscht, und unter der überwältigenden Macht ihrer Liebe hatte sich bei seinen Worten ihre Angst in die frühere hingebende Zuversicht und in das vollste Vertrauen zu dem Geliebten umgewandelt. Thränen füllten ihre Augen, und mit rascher Bewegung die Hand ihm hinreichend, sagte sie:

„Habe …“ doch rasch sich verbessernd: „Habet Dank!“

Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest in der seinigen.

„Als Du noch keinem Zweifel in Deinem Herzen Raum gabst, da sprach aus Deinem Munde das ‚Du‘ zu Deinem Freunde.“

Sie senke den Blick, erhob ihn wieder und flüsterte dann, leise, leise:

„So … habe Dank!“

Eine kurze Stille herrschte in dem Gemach, – eine Stille aber, erfüllt von dem Toben des draußen wüthenden Sturmes; von drunten her rauschte ein dumpfes Brausen wie von dem Sturze eines mächtigen Wasserfalles.

Die vorhergegangenen Worte des Offiziers kamen ihr plötzlich wieder in den Sinn.

„Fort willst Du?“ rief sie, den Gang ihrer Gedanken unterbrechend, und sie zog den Offizier zu dem Fenster, und zwischen den Einschnitten der Läden durch schauten sie nieder ins Thal. Ein furchtbarer Anblick bot sich ihren Augen dar. In dem gelben Zwielicht des sich neigenden Tages sahen sie den Bergstrom wild schäumend herunter schießen; ungeheure, haushohe Wellen kamen in ununterbrochenem Schwalle mit schauerlichem Getöse, Bäume und Felsblöcke mit sich wälzend, heruntergeschossen; an der Felsenecke, um welche sich Eckart mit ihr geschwungen hatte und welche schroff emporsteigend das Haus und die hinauf führende Hohlgasse vor dem tobenden Gewässer schirmte, sprühte der brandende gelbe Gischt hoch in die Luft. Das Zucken der Blitze warf jäh aufflackerndes Feuer auf das schauerliche Bild.

„Fort willst Du?“ wiederholte mit leiserer Stimme das Mädchen, als erschrecke es selbst vor dem Gedanken, daß jetzt dem jungen Manne der Weg aus dem Hause versperrt sei.

Eckart antwortete nicht.

Ein schwerer Kampf wogte in seinem Innern. Jede Rückkehr zu der Stadt war ihm abgeschnitten, und doch – im diesem Hause durfte er, wollte er, konnte er nicht bleiben – und vor sich selber, vor seiner Liebe, vor der in seinem Herzen immer mächtiger wachsenden Leidenschaft wollte und mußte er das heißgeliebte Mädchen schützen.

„Wie lange pflegen diese Orkane zu dauern? fragte er endlich.

Ein Zittern klang durch ihre Stimme, als sie antwortete:

„Vor morgen früh ist die Straße nicht gangbar.“

Da erwachte auch plötzlich wieder die Erinnerung an ihren Vater, an die Gefahr, in welcher er vielleicht gerade im selben Augenblicke dort oben auf dem Bergkamm schwebte. Ueber der Angst um den geliebten Vater vergaß sie ihre eigene Angst; tief aufschluchzend lehnte sie den Kopf an Eckarts Brust.

„O Gott! Der Vater! Wo ist jetzt mein Vater?“

Eckart schloß den Arm um das weinende Mädchen.

„War Dein Vater heute in der Stadt?“

„Ach! wäre er dort gewesen, mir bangte nicht um ihn. Nein, auf den Bergen ist er und von drüben, von Milazzo sollte er heute oder morgen zurückkehren.“

„Wie heißt Dein Vater?“

Felicita zuckte zusammen. Diese Frage durfte sie ja nicht beantworten. Diesen Namen – ihren Namen durfte er ja nicht kennen.

Es schien ihr, als öffnete sich ein Abgrund unter ihren Füßen.

(Fortsetzung folgt.)
[635]

Wandlungen der Sprache.

Zweckessen. – Tracht Prügel. – Verblümte Redensarten. – Zeitung. – Uhr. – Wirth.

Alles ist im Flusse“ – dieser Satz des alten Philosophen Heraklit von Ephesus gilt wie vom ganzen Leben der Natur so von der menschlichen Sprache. Es giebt keinen Stillstand in ihr, alles ist in einer steten Umwandlung begriffen, die äußere Form und der innere Werth. Die „Gartenlaube“ ist in einer Reihe von Artikeln in den Jahrgängen 1883 bis 1885 dieser Erscheinung nachgegangen und hat Beispiele derselben gesammelt. Mögen nunmehr einige weitere folgen.

Was ist das für eine besondere Art von Essen, ein „Zweckessen“?

Wir verstehen wohl, was unter dem Namen verstanden wird: ein Essen, das irgend einem besonders bedeutsamen Anlaß zu liebe veranstaltet wird, sei es nun, daß der würdige Ortsvorstand sein fünfundzwanzig- oder fünfzigjähriges Dienstjubiläum feiert oder irgend ein Stand, eine Genossenschaft ihren „Tag“ hält und von dem Rath der auserkorenen Versammlungsstadt zu einem Festmahle geladen wird.

Aber woher der sonderbare Name? Erweckt er doch den Anschein, als ob der Mensch für gewöhnlich zwecklos äße und nur an solchem Feiertage seine Speise zweckvoll zu sich nähme; oder als ob mit solchem Essen noch ein ganz besonderer uneingestandener Zweck verfolgt würde, wie etwa mit dem Essen der Generale in Schillers „Wallenstein“.

Offenbar können wir mit unserem heutigen Begriffe des Wortes „Zweck“ in diesem Falle nichts anfangen, und wir müssen, um den Schlüssel zu dem Verständniß des „Zweckessens“ zu gewinnen, etwas in die Vergangenheit hinaufsteigen.

In der Zeit, da das Wort „Zweck“ in unserer Sprache nachweisbar wird, im 13. Jahrhundert, weiß es von dem heutigen Begriffe nichts, viele Jahre der frischen Jugend durchlebt es, ja sogar ein gutes Stück des kernigen Mannesalters, ehe es sich im Laufe des 16. Jahrhunderts ganz allmählich der Bedeutung nähert, welche wir ihm heute gemeiniglich beilegen. Wenn es aber vorhanden war, in welchem Sinne verwandte es der Sprachgeist? Mögen einzelne Strahlen unserer Litteratur den ursprünglichen Begriff des Wortes erhellen.

Wenn unser großer Reformator und Sprachschöpfer Martin Luther über seine Bibelübersetzung vom Jahre 1541 sich äußert: „Meine Lehre ist der Zweck, von Gott gesteckt, zu dem alles muß schießen; doch wird der Zweck von ihnen allen ungetroffen bleiben“; wenn ferner der Berliner Hofpoet Friedr. Rud. Ludw. v. Canitz (1654 bis 1699) in einem seiner heutzutage ziemlich unbekannten, der damals herrschenden französischen Schablone angepaßten Gedichte von „Schützen, die alle nach einem Zwecke schießen, aber nicht alle treffen“, spricht; wenn endlich noch in unserer Zeit der Schweizer Albert Bitzius oder, wie er sich nannte, Jeremias Gotthelf (1797 bis 1854) in dem sehr lesenswerthen „Geld und Geist“ meint: „Ob man den Zweck von oben oder von unten zu nehmen habe, weiß man nicht mehr, und aus dem Stutzer fährt der Schuß allweg nicht in den Zweck, oft nicht einmal in die Scheibe“, – so ersieht man aus diesen Stellen mit unfehlbarer Sicherheit, daß dem Worte „Zweck“, wie es hier gebraucht ist, ein ganz anderer Begriff zu Grunde liegt als dem unsrigen. Und zwar läßt uns das Gotthelfsche Citat kaum noch im Zweifel über den früheren Sinn des Wortes.

Der „Zweck“ (zwec) war der Pflock oder Nagel – wir haben noch heute das weibliche Wort „die Zwecke“ – der, in der Mitte der Schießscheibe angebracht, den Schützen als Ziel diente. Zur Erreichung dieses „Zweckes“ entschwirrte der Sehne der Pfeil auf den mit großem Aufwande, mit erstaunlicher Pracht veranstalteten Schützenfesten des Mittelalters, und stolz wie ein Olympiasieger im alten Griechenland war derjenige, dem es gelungen, den „Zweckschuß“, den Schuß in den „Zweck“, also den besten Schuß, wie wir heute sagen: ins „Schwarze“, zu vollbringen und den „schönen Preis“ davonzutragen. Und wenn dann während eines solchen „Zweckschießens“, wie sie besonders glänzend zu Zürich 1472, zu Frankenhausen 1540, zu Leipzig 1550, zu Straßburg 1576 und zu Halle 1601 gefeiert wurden, auch die üblichen „Zweckessen“ stattfanden, so ist einleuchtend, daß dieses Wort für jene Zeit eine vom heutigen Gebrauche sehr abweichende Bedeutung besitzt – seine ursprüngliche.

Ebenso einleuchtend aber ist es, wie im Laufe der Zeit, besonders als vom 17. Jahrhundert an die früher so prächtigen Schützenfeste immer mehr und mehr verfielen, Zweckschießen und Zweckschüsse, also auch der Zweck selbst ihr Ende fanden, das Wort allmählich von seiner ursprünglichen wesenlos gewordenen Bedeutung abscheidend die bildliche annehmen konnte, welche wir ihm heute unterlegen. Wie die Worte „Rennen“ und das zwischen mehreren gleich Guten entscheidende „Stechen“ ursprünglich den ritterlichen Turnierübungen entstammen, nach dem Untergange derselben aber auf andere Spiele, schließlich sogar auf unsere Kegelbahnen übergingen, so wandelte auch das Wort „Zweck“ seinen Begriff in einen andern naheliegenden, freilich allgemeineren um. Aber noch heute will es das Ziel bedeuten, das zu erreichen der thätige Mensch alle seine Kräfte einsetzen soll, und wohl ihm, wenn der „Zweck“ seiner Handlungen stets ein guter und der Menschheit nutzenbringender ist! –

Indeß, um zu einem andern Worte überzugehen: wer kennt nicht die hübsche Anekdote, in welcher die zärtliche Mutter eines sehr ungezogenen Buben im Gespräch über die Kleidung des Kindes an ihren Gemahl die Frage richtet, welche „Tracht“ wohl für ihren Knaben die beste sein würde, und von demselben die gewiß sehr unerwartete Antwort erhält: „Eine Tracht Prügel!

Wie soll man sich diese dem jungen Germanien sicherlich nicht allzu kleidsam erscheinende Tracht denken? Sollen etwa die erbarmungslosen Streiche so dicht oder, wie unser Nibelungenlied in diesem Falle singt, so „genôte“ auf den jugendlichen Körper niederfallen, daß sie diesen gleichsam wie mit einem Prügelgewande umhüllen? Gewiß nicht! Die Erklärung liegt vielmehr in der früheren zwiefachen Bedeutung des natürlich von „tragen“ abzuleitenden Wortes „Tracht“, welches nicht nur die Kleidungsart „wie man sich trägt“, sondern auch das „was man trägt“ und zwar besonders „auf den Tisch“ trägt, das Gericht, die Speisen bezeichnete, die bekanntlich in Schillers „Graf von Habsburg“ „trug der Pfalzgraf des Rheins“.

Von diesen beiden Bedeutungen des Wortes Tracht“ indeß erfreut sich ihres Daseins heute nur noch die eine, welche die Kleidung bezeichnet, in der Bedeutung Gericht und Speise ist das Wort wie so manches andere nach kurzem Siechthum dahingeschwunden.

Wie fremd klingt es uns heute, wenn wir ihm, dem einst so blühenden, in Fischarts „auß Griechischem und Latinischem nun das erstmal inn Teutsche Sprach verwendeten Philosophisch Ehzuchtbüchlin“ vom Jahre 1578 in folgendem Zusammenhange begegnen:

„Man findet oft Leute, denen die köstlichen trachten nicht mehr schmacken, und dafür an schlechter und grober Kost ihren lust büsen!“

Nur in einer einzigen und noch dazu sehr unangenehmen Redensart hat das Abgestorbene eine Erinnerung an seine frühere lebensvolle Existenz bewahrt, eben in der erwähnten „Tracht Prügel“, die denn also nichts anderes als ein aus Prügeln bestehendes Gericht bedeuten will. Und wem sollte dabei nicht die bildlich mit dieser abscheulichen Tracht eng zusammenhängende, nur mit noch bezeichnenderer Begriffsverengung auftretende „Prügelsuppe“ einfallen? –

Was verstehen wir heute unter verblümten Redensarten? Was verstand man in früherer Zeit darunter? – Jakob Wimpheling, der „Altvater des deutschen Schulwesens“ und Docent an der Heidelberger Universität, bittet in einem an den Ritter Friedrich v. Dalburg, den Bruder des Gönners der Humanisten Johann v. Dalburg, gerichteten Briefe „Datum Heidelberg, Lucie virginis anno domini im dusensten vierhundersten“ – Zehner und Einer sind nicht näher angegeben – denselben, er möge seine ungezierte und ungeschmückte Uebersetzung des Philippus Beroaldus annehmen, wie sie sei, da er „hofflichs und verbliempten Dutschens ungeubt“ sei.

Aus dem Sinne dieser Stelle geht, wie auch aus andern [636] Schriften jener Zeit, hervor, daß das Wort „unverblümt“ fast stets gleichbedeutend ist mit „ungeschmückter“ Rede und bedeutet, daß der Verfasser oder Uebersetzer es nicht verstehe, seine Arbeit durch die flores des klassischen Lateins, durch verschönende „Redeblumen“ und Figuren zierlicher zu gestalten.

Uebrigens ist natürlich dieser Mangel an „verblümten“ Redensarten den sonst so gelehrten Humanisten nicht allzuhoch anzurechnen in einer Zeit, in welcher die ganze Uebersetzungskunst noch in der Wiege lag; schrieb doch auch Melanchthon erwiesenermaßen noch besser lateinisch als deutsch! Ein mit Redeblumen durchflochtener Stil ist also ein „verblümter“. Da nun aber die Redeblumen, die Figuren der Rede, welche statt der Sache ein Bild bringen, in ihren ersten wenig geschmackvollen Erscheinungen gewiß gar manchmal nicht verstanden wurden, so erhielt der Ausdruck „verblümt“ bald den Sinn des absichtlich Undeutlichen, Verschleierten, den das Wort, abweichend von seinem ursprünglichen, heutzutage gänzlich verschwundenen, noch bis auf unsere Zeit sich gewahrt hat; noch heute nennen wir eine Ausdrucksweise, welche nur bildlich-andeutungsweise den behandelten Gegenstand streift, ihn selbst aber in einem beabsichtigten Dunkel läßt, eine „verblümte“, eine Redeweise „durch die Blume“. –

Wie alt ist die deutsche „Zeitung?“ Müßige Frage, – als ob man das nicht ganz genau in jedem Konversationslexikon finden könnte! Als ob uns nicht jedes einzelne derselben weitläufig zu berichten wüßte, wie besonders durch italienische Vorbilder (Notizie scritte, geschriebene Nachrichten) angeregt auch in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert die Journalistik ins Dasein gerufen wurde und wie dann die Frankfurter Meßberichte allmählich zur Gründung der ersten deutschen Zeitung im modernen Sinne, zur Gründung der seit 1616 bestehenden „Frankfurter Oberpostamtszeitung“ geführt haben, die bis zum Jahre 1866 existirt und dann erst dem heutigen „Frankfurter Journal“ Platz gemacht hat. Da haben wir es: Frankfurt also, in buchhändlerischen Beziehungen damals das heutige Leipzig und eine der hervorragendsten Pflegestätten deutscher Industrie überhaupt, hat im Jahre 1616 die erste deutsche Zeitung in neuerem Sinne geschaffen.

Dem gegenüber klingt es aber doch mindestens erstaunlich, wenn bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die „Zeitung“ wiederholt in der deutschen Litteratur erscheint! Sollte demnach das Konversationslexikon unrecht haben in seinen Angaben? Nein, nur muß man unsere Zeitung und das Wort „Zeitung“ zunächst wohl auseinanderhalten. Das Wort „zîtunge“ hatte ursprünglich durchaus nicht den Sinn des heutigen, es bezeichnete einfach eine mündlich überbrachte Nachricht, eine Mittheilung über irgend ein Ereigniß der Zeit. Und als nun nach Ausbreitung der Kunst Gutenbergs diese Nachrichten gedruckt von einem Orte zum andern, von einer Hand zur andern befördert wurden, da verblieb ihnen derselbe Name, da ward die gedruckte Neuigkeit ebenfalls zur „Zeitung“, mit der indeß noch keineswegs der Nebensinn einer gewissen Regelmäßigkeit ihres Erscheinens verbunden war, und dieser neugeschaffene Begriff wurde von da an für den alten Mutterbegriff immer gefährlicher und vernichtender.

Und doch, so zähe hing die alte Bedeutung im Sinne des Volkes, daß es einer Zeit von Jahrhunderten bedurfte, um ihr ein Ende zu bereiten, das selbst heute kaum ein ganz vollständiges zu nennen ist. Es kann nicht auffallen, wenn im 16. und 17. Jahrhundert das Wort in seinem ursprünglichen Sinne noch durchaus gäng und gäbe ist, weil in diesen Jahrhunderten der Neubegriff noch keinerlei weite Kreise gezogen hatte, wohl aber müssen wir die Lebensfähigkeit des alten Wortbegriffes bewundern, wenn wir ihm selbst noch hart am Ende des 18. Jahrhunderts und zwar gar nicht selten begegnen. Für Bodmer (1698 bis 1783) ist er geradezu ein Lieblingsbegriff, mit dem er fast durchgehends das mittelhochdeutsche „maere“ (die Mär, verkleinert das Märchen) übersetzt; in seiner Ausgabe der Nibelungen (1757) vernimmt

„Helfreich bald die traurige Zeitung, er hatte zuvor nie
Eine Zeitung so ungern gesagt, er brachte sie weinend.“

Und noch heute tönt uns das alte Wort von den weltbedeutenden Brettern entgegen, wenn wir der Gartenscene des „Don Carlos“ im schönen Aranjuez lauschen, in welcher Elisabeth den geliebten Prinzen mahnt, sie zu verlassen:

„Eh meine Kerkermeister Sie und mich
Beisammen finden und die große Zeitung
Vor Ihres Vaters Ohren bringen!“

Indeß der absterbende Wortbegriff klingt heute unseren Ohren fremd, das Jahrhundert der Tochter hat die Mutter getödtet, genau so wie es auch den erwähnten „Notizie scritte“ des Italieners ein Ende bereitet und dafür den Namen der kleinen Münze „Gazetta“, gegen deren Erlegung das betreffende Regierungsblatt erworben werden konnte, auf die Zeitung selbst übertragen hat.

Uebrigens haben wir einen der Entwickelung des Wortes „Zeitung“ ganz ähnlichen Vorgang im Namen unseres Zeitmessers, der Uhr, zu verzeichnen. Dem lateinischen hora (Stunde) entstammend, ist das Wort nicht alt in unserer hochdeutschen Sprache, in die es erst in neuhochdeutscher Zeit und zwar gleich mit seinem heutigen Begriffe aus dem Niederdeutschen herübergenommen worden ist. In dem letzteren geht es indeß bis in das 13. Jahrhundert zurück, in welchem freilich die „ôrglocke“ noch einfach die Stundenglocke des Klosters ist, – es stellt sich mithin in seiner ursprünglichen Bedeutung uns nur als Stunde dar, nicht schon als Stundenzeiger, als Uhr im heutigen Sinne, den es erst erhalten hat, seitdem im 16. Jahrhundert die Verbreitung auch der kleinen Chronometer („Nürnberger Eier“) immer mehr zunahm.

Noch heute aber denken wir weniger an das mechanische Kunstwerk selbst als an die einzelnen Stunden, die es uns anzeigt wenn wir in Uebereinstimmung mit des Franzosen „quell’ heure est-il?“ und des Italieners „che ora è?“ fragen: „Wie viel Uhr ist es?“

Und auch die seltsame Thatsache konnte in jenen früheren Zeiten noch nicht beobachtet werden, daß die am schnellsten gehenden Uhren die Wirthsuhren sind, schon deshalb nicht, weil ja diese Redensart von nicht weniger als allen Uhren gegolten hätte; denn erst die allerneueste Zeit stempelt den Wirth zum Inhaber eines Gasthauses, bis in unser Jahrhundert hinein hatte das Wort die allgemeine Bedeutung des Hausherrn, den wir bezeichnend genug heute mit Verengung des ursprünglich allgemeinen Wortbegriffes den „Haus“wirth nennen.

„An dem hûsgeraete gar
Nimt man ie des wirtes war“[1]

meint Rudolf v. Ems in seiner Legendendichtung „Barlaam und Josaphat“ in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, und noch für Goethe und seine Zeit hat das Wort ohne jegliche Begriffsverengung den alten Sinn, wenn er seine Dorothea, die sich auf dem bekannten Wege nach dem Elternhause des Jünglings den Fuß vertreten hat, zu Hermann sagen läßt:

„Laß uns ein wenig verweilen, damit Dich die Eltern nicht tadeln
Wegen der hinkenden Magd und ein schlechter Wirth Du erscheinest.“

Uebrigens weiß man, wie „unwirthlich“ sie zunächst in diesem Hause aufgenommen wurde.

Gänzlich dahingeschwunden ist das Wort in seiner schönsten Bedeutung, einer großartigen und schön gedachten Erweiterung des Haus- und Schutzherrnbegriffes, wie er uns an der Stelle unseres Nibelungenliedes entgegentritt, da Gunther sich entschließt, den ihm soeben von Hagen geschilderten Helden von Niederland Siegfried mit Ehren zu empfangen.

„Dô sprach der wirt des landes: ‚nû sî uns willekomen:
er ist edel unde küene, daz hân ich wol vernomen.‘“

Kein Geringerer als König Gunther von Burgundenland selbst ist hier der „Wirth“, der Herr und Schützer des Landes. Um wie viel traulicher, herrlicher klingt „des Landes Wirth“ als das kalte stolze Wort „Landesherr“!

Gewiß, wir haben in der Entwicklung unserer Sprache und ihrer Begriffe viele treffliche Neuschöpfungen, die uns Anlaß zu gerechter Freude geben können, aber auch klagen dürfen wir über den unwiederbringlichen Verlust so manches herzlichen Wortes „aus alter Zeit“. Dr. Söhns.




[637]

Vom höchsten deutschen Berge.

Land und Leute am Kilimandscharo. Von C. Falkenhorst. Mit Abbildungen von R. Püttner und A. v. Roeßler.

Landschaft von Moschi mit Blick auf Mandaras „Residenz“.

Wer noch vor einigen Jahren die Zugspitze im Wettersteingebirge bestieg und aus einer Höhe von 2973 m über die bayerischen Alpen seine Blicke schweifen ließ, der konnte mit Fug und Recht sagen, daß er seinen Fuß auf die höchste Zinne des Deutschen Reiches gesetzt habe. Heute stellen wir an die Männer, die als die „höchstgestiegenen“ in deutschen Bergen gelten wollen, ganz andere Ansprüche.

In den letzten Jahren entstand jenseit der Oceane ein Neudeutschland. Ueber unermeßlichen Ländern weht die deutsche Flagge, und mit den Kolonialgebieten erwarben wir auch Berge, die weit höher sind als die heimathlichen. Zunächst wurde Kamerun mit seiner palmölberühmten Niederung und seinen gewaltigen Bergzügen errungen. Da war schon die Zugspitze nicht mehr unser höchster Berg; denn der kahle Gipfel des Westafrikanischen Riesen, der Große Kamerunberg oder der „Götterberg“, wie ihn die Eingeborenen nennen, ist gegen 4000 m hoch. Die Alpen waren uns aber noch über und mit dem 4810 m hohen Montblanc konnte sich der Bruder „Götterberg“ immer noch nicht messen. Da kam eine neue Errungenschaft hinzu. In Ostafrika wurden zwischen Deutschland und England die „Interessensphären“ abgegrenzt und ein neuer Riese fiel Deutschland zu: der Kilimandscharo, den vor Jahrzehnten ein Deutscher gemessen hat und der mit 5694 m Höhe selbst den Montblanc übertrifft.

Betrachten wir auf der Karte von Afrika die Grenzlinie zwischen den beiden Interessensphären, so sehen wir, daß diese nicht in schnurgerader Linie von der Meeresküste zu dem großen Ukerewesee läuft, sondern in der Mitte etwa einen kleinen halbkreisförmigen Bogen beschreibt, der in das englische Gebiet einschneidet. In diesem Halbkreise liegt der Kilimandscharo und diese Abweichung der Grenzlinie beweist, daß wir bei den Erwerbungen in Afrika den Riesen uns erhalten und ihn nicht preisgeben wollten. Preisgeben! Das Wort ist berechtigt; denn wem sollte ein gefundener herrenloser Gegenstand gehören, wenn nicht dem Finder?

Und ein Deutscher hat den Riesen in Ostafrika gefunden, war der Entdecker des Kilimandscharo! – Seit Jahrtausenden ging unter den Völkern die Sage von himmelanstrebenden Bergen in Ostafrika. Ptolemäos berichtete im zweiten Jahrhundert nach Christo von einem Quellsee des Nils und einem Mondgebirge. Dreizehnhundert Jahre vergingen, bis der reisekundige Spanier Fernandez de Enciso diese dunkle Nachricht durch die Mittheilung erweiterte, daß westlich von Mombassa ein sehr hoher „Berg Olympos“ liegen sollte, und drei Jahrhunderte verflossen wieder, bis der Mythus in der geographischen Wissenschaft als Wahrheit erwiesen wurde.

In den vierziger Jahren lebten an der Ostküste von Afrika einige Missionare, welche den Heiden das Evangelium verkündeten. Einer von ihnen, Namens Rebmann, drang auf seinen Wanderzügen tiefer in das Land hinein und kam am 11. Mai 1848 in die Nähe von Taweta. Da fesselte, als sich die Nebelschleier zertheilten, ein überwältigendes Schauspiel sein Auge; in weiter Ferne ragte aus düsterm Untergrunde eines Waldes der Schneedom des Kilimandscharo in den klaren blauen Himmel empor. Jeden, dem dieser Anblick zutheil wird, ergreift er noch heute im Tiefinnersten, und der schlichte Missionar fiel auf seine Kniee und betete mit bebenden Lippen den hundertelsten Psalm: „Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen.“ Diese Wirkung des ersten Anblicks kann man begreifen, wenn man einen anderen deutschen Reisenden nach vierzig Jahren an derselben Stelle ausrufen hört:

„Welche Gegensätze sind in dem Bild harmonisch vereint! Hier unten die Gluth des Aequators und tropisches Leben, neben uns der nackte Neger und vor uns Palmenhaine am Rande des Tawetawaldes; dort oben die Eisluft der Pole, die überirdische Ruhe der gewaltigen anorganischen Natur, ewiger Schnee auf erloschenen Vulkanen!“

Rebmann, der nur von zehn Trägern begleitet wurde, konnte frei und sicher an den Hängen des Kilimandscharo umherwandern; denn um jene Zeit herrschte noch Frieden im Lande, der Einfluß der arabischen Sklavenjäger war bis dorthin noch nicht vorgedrungen. Bald darauf entdeckte ein anderer Missionar Krapf den Keniaberg, und beiden Deutschen wurde die Silberne Medaille der Geographischen Gesellschaft in Paris dafür zuerkannt, daß sie das Vorhandensein schneebedeckter Berge im äquatorialen Ostafrika nachgewiesen hatten.

Seit jener Zeit wurde der Kilimandscharo von englischen und deutschen Reisenden wiederholt besucht, aber niemand vermochte bis jetzt die Spitze desselben zu erreichen. Inzwischen aber sandte die Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft Dr. Jühlke an den Fuß des Berges, der mit dem mächtigsten Häuptling des Landes, Mandara, einen Schutzvertrag abschloß und dadurch den deutschen Einfluß in jener Gegend praktisch zu sichern suchte. In jüngster Zeit kamen Neger vom Kilimandscharo zum erstenmal nach Deutschland und wurden sogar vom Kaiser empfangen. Alles dies weckt von neuem unser Interesse für den wunderbaren Berg, und es dürfte darum an der Zeit sein, auch unsere Leser mit diesem deutschen Gebiet vertraut zu machen.

*     *     *

Rings um den Kilimandscharo wird die Ebene von dem kriegerischen Stamme der Massai bewohnt, welche Dr. Fischer in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1885, S. 210) ausführlich geschildert hat. Das Hochplateau aber, welches den Sockel des Berges bildet, ist die Heimath des Dschaggastammes, nach dem auch das Land genannt wird.

„Dschagga,“ schreibt Dr. Meyer in seinem Werke „Zum Schneedom des Kilimandscharo“, „ist die Kulturzone des Kilimandscharo. [638] Auf seinem vulkanischen, zersetzten Boden, der durch regelmäßige Niederschläge das ganze Jahr hindurch bewässert wird, während zugleich tief eingeschnittene Bäche die Niederschlagsmengen reguliren, wachsen die Kulturpflanzen wie Bananen, Mais, Maniok etc. in einer Ueppigkeit, die jener van Sansibar nichts nachgiebt. An landschaftlich schönen Partien ist Dschagga außerordentlich reich. Das Land ist für afrikanische Verhältnisse stark bevölkert, und dieser Bevölkerungsdichtigkeit entsprechend ist die Kultur des Bodens eine ausgedehnte. Daneben wird Viehzucht (kleine Sangarinder, Ziegen, Schafe, Hühner) betrieben, da man vor den räuberischen Massai in diesen Bergeshöhen nicht besorgt zu sein braucht und die Donderobofliege hier nicht vorkommt.“

Das ganze Dschaggaland bildet nun eine Gruppe kleiner, selbständiger Staaten, deren Zahl etwa 20 betragen mag. Einer dieser Staaten ist Moschi mit dem Fürsten Mandara, und diesem, da er unser „Bundesgenosse“ ist, wollen wir in erster Linie unsere Aufmerksamkeit schenken.

Moschi ist nicht groß, sein Gebiet beträgt etwa anderthalb Quadratmeilen; aber es ist ein herrliches Stück Land und alle Reisenden, die es besuchten, wetteifern im Lob desselben.

Johnston schildert den ersten Blick auf das Fürstenthum Mandaras. „Nordwärts ragten die schweren Massen des Gebirges bis in den Himmel, und hüllten die beiden Bergspitzen sich auch in dicke Haufenwolken ein, unter ihnen sah man Hügel nach Hügel, Bergrücken nach Bergrücken in wellenförmiger Abwechslung sich in tiefes Dunkelblau kleiden unter dem schweren Schatten der niedriger hängenden Wolkenschicht. Dann folgten einige Streifen schwarzen, dunkelgrünen Waldes, der noch im Schatten lag, und in mittlerer Entfernung, da wo das Sonnenlicht auf die Landschaft durchbrach, erglänzten hübsche, runde Hügel gegen den düsteren Hintergrund mit ihren Gruppen smaragdgrüner Bananen als Vorboten der kultivirten Zone. Näher nach uns zu folgten tiefe Schluchten mit zwirnsfadendünnen Wasserfällen und Beständen üppigen Waldes, weiche, sonnige Niederungen, auf denen Ziegenherden weideten, frisch gepflügte Bodenparzellen, angebaute Felder, mit Hecken eingefaßte Wege und zuletzt der rothe kahle Berg.“

Und Thomson vervollständigt das Bild. „Das Dorf liegt auf dem schmalen Rücken eines Bergzuges, welcher nach beiden Seiten von einem tiefen Thal begrenzt wird. Vom obern Theil desselben leiten sehr geschickt angelegte Miniaturkanäle das Wasser eines kleinen Baches über den ganzen Bergrücken und verbreiten so über ihn während des ganzen Jahres die fruchtbringende Feuchtigkeit. Einen reicheren und mannigfaltigeren Anblick genoß ich an keinem anderen Punkte Afrikas. Die reiche Grasdecke wechselte ab und war gemischt mit Bananenwäldchen, Feldern mit Bohnen, Hirse, Mais, süßen Kartoffeln, Yams etc. Hie und da standen gleich Wachen kleine Gruppen stämmiger Bäume. Die Ufer der Bewässerungskanäle waren mit zartem Frauenhaarfarn und ähnlich aussehenden Gewächsen reich besetzt. Träges Vieh lag um die Hütten herum oder weidete in kniehohem saftigen Grase; lustige muntere Ziegen hüpften um die Kanalufer oder führten mit drohender Miene heitere Kampfspiele aus. Mit ungeheuren Fettschwänzen, die um die Beine watschelten, beladene Schafe sahen so lebensmüde aus, als ob sie sehnsuchtsvoll auf das Messer warteten. – – – Nach Osten schweift das Auge über den Wald von Taweta und die gelbe sonnverbrannte Ebene dahinter, bis der Blick an der Burakette und dem Pic von Kadiaro haftet, die sich über den Horizont erheben wie gefährliche schwarze Felsen aus einem schlammigen Meere. Nach Südosten bemerkten wir im Vordergrunde die von zahlreichen rauschenden Bergbächen durchwühlten Hügel und Thäler zu unseren Füßen. Hier wölbt sich domartig ein „Galerie-Wald“ über einem rauschenden Bach, dort erhebt sich ein buschgekrönter Hügelrücken. Bald blickt man auf eine schöne Lichtung, bald in eine parkartige Landschaft. Dazu denke man sich kräuselnde Rauchsäulen und buntgefärbte Gärten, und man hat Dschagga!“

So ist das Land beschaffen, sehen wir uns das Volk an! Die Dschaggas sind zumeist von kleinem Wuchs und kein schöner Menschenschlag, aber sie sind uns durch ihren Ackerbau sympathisch. Derselbe steht bei ihnen auf einer höheren Entwickelungsstufe als bei anderen Negerstämmen, die Dschaggas bringen ihre ganze Zeit damit hin, den Boden umzugraben, mit Asche zu düngen, zu harken und mit hölzernen Karsten umzuhacken. Vor allem aber sind sie Meister in der Bewässerungskunst und überziehen ihre Felder mit einem ganzen System von Kanälen, die sie von Bächen ableiten. Da sie auch Viehzucht treiben, Rinder, Schafe und Ziegen halten, so kennen sie den Genuß der Milch, und unsere Imker wird es interessiren, zu erfahren, daß die Dschaggas von den halbwilden Bienen Honig in ungeheueren Massen gewinnen. Die Eingeborenen hängen Kästen an Waldbäumen auf, damit die Bienen darin ihre Stöcke anlegen.

Auch Anfänge einer gewerblichen Thätigkeit finden wir bei ihnen vor. Sie sind kunstgerechte Schmiede und verfertigen alle Arten Hausgeräthe, Waffen und Schmucksachen aus Roheisen und dem eingeführten Eisendraht. Sie sind ausgezeichnete Korbflechter und sie verstehen ihre Körbe so dicht zu flechten, daß man in diesen Geräthen von gewebten Gräsern oder Bananenfasern Milch sicher befördern kann. Auch schnitzen sie aus massiven Holzblöcken gute Schüsseln und stellen aus Rhinoceroshörnern schön polirte Keulen her.

Die Dschaggas sind also in vielfacher Beziehung besser geartet als die Küstenneger und haben einen guten Kern, den man mit der Zeit fortbilden könnte.

In diesem lichten Bilde von Dschagga giebt es aber auch recht dunkle Schatten und diese sind in den politischen Verhältnissen des Landes, namentlich in den „Fürsten“, verkörpert. Mandara, der mächtigste von allen, möge für alle zeugen!

An und für sich als Mensch betrachtet, ist er eine wirklich interessante Erscheinung. Er ist groß gewachsen, etwa 180 cm hoch, ein auch äußerlich hoher Mann unter den Dschaggas. Er zählt jetzt nahezu 50 Jahre und wird etwas fett; aber sein Gesicht verräth auf den ersten Blick eine für den Neger nicht gewöhnliche Intelligenz. Mit den stark hervortretenden Backenknochen und der Adlernase erinnert er an die typischen Erscheinungen der indianischen Häuptlinge Nordamerikas. Der Mund ist weit, mit dünnen Lippen, und das Kinn fest, rund und Entschlossenheit verrathend. Das eine Auge hat die Sehkraft verloren und sieht irr und glasig aus, das andere aber glänzt wie das eines Adlers und schaut funkelnd unter den Brauen hervor. Leider ist uns kein Porträt, keine Zeichnung oder Photographie von Mandara bekannt; nur einmal konnte Johnston einen Theil des fürstlichen Körpers skizziren. Mandaras linkes Ohr. Dasselbe war durchbohrt und die Oeffnung derartig erweitert, daß durch dieselbe ein großer hölzerner Ring durchgezwängt werden konnte. Das Ohr ist eigenartig wie der Mann selbst. In der Reihe seiner blendend weißen Zähne befindet sich eine künstlich angebrachte Lücke, durch die er Bananenbier zu spritzen pflegt wie der Matrose den Tabakssaft. Im Spucken sind nämlich die Dschaggas ebenso groß wie die Massai, denn zum Zeichen der Verehrung, der Verwunderung oder des Dankes spucken sie einen an. Andere Völker, andere Sitten! Mandara drückt jedoch sein Erstaunen und seine Zufriedenheit noch auf eine besondere Art aus: er pfeift. Auch darin soll er Meister sein, und wenn ihm die Geschenke besonders gefallen, bringt er eine ganze chromatische Tonleiter zustande. Alle Reisenden, die ihn besuchten, wurden von ihm angepfiffen und mußten sich erst an diese seltsame Kundgebung der fürstlichen Gefühle gewöhnen.

Den Charakter des Mannes lernen wir am besten aus seiner Lebensgeschichte kennen. Als Mandaras Mutter das Scepter im Lande Moschi führte, herrschte dort Frieden. Mit dem Regierungsantritt des jungen Herrschers aber begannen schlimme Tage für Dschagga. Um jene Zeit waren die Sklavenhändler bis zum Kilimandscharo vorgedrungen, und da sie sich zu schwach fühlten, auf eigene Faust zu rauben, griffen sie zur List. Sie hetzten die kleinen Fürsten gegeneinander, unterstützten sie bei ihren Raubzügen und kauften dann die geraubten Sklaven. Ein schwarzer Mensch wurde mit nur 8 Mark bezahlt und der ackerbautreibende Dschagga in Sansibar gern gekauft. Unter diesen Räubern nahm Mandara die erste Stellung ein und sein Name war rings um den Fuß des Berges gefürchtet, bis eines Tages die gepeinigten Dschaggas der anderen Staaten ein Bündniß schlossen und ihre „vereinigten Heere“ in Moschi einrückten. Der „Napoleon vom Kilimandscharo“ unterlag der Koalition, er mußte fliehen und war König ohne Land. Dies dauerte jedoch nicht lange. Als sich der Sturm gelegt hatte, kehrte er in das verwüstete Moschi zurück und arbeitete an der Wiederherstellung des „Reiches“. Sein Ländchen zählt nur 8000 Einwohner, aber er hat die allgemeinste Wehrpflicht eingeführt, so daß er über 800 bis 1000 Krieger verfügt. Das Unglück hat ihn klug und vorsichtig gemacht; er [639] raubt und plündert weiter, aber mit Maß und Ueberlegung und weiß seine Macht zu behaupten.

In seinem bewegten Leben ist er mit vielen Europäern zusammengekommen. Als Rebmann am Kilimandscharo reiste, war Mandara noch ein Kind von 3 bis 4 Jahren; als Jüngling sah er den „Baroni“, wie der deutsche Reisende Klaus v. d. Decken noch heute am Kilimandscharo heißt, im Jahre 1873 plünderte er den Missionar New aus, zehn Jahre darauf wußte er Thomson wie eine Citrone auszupressen, später mußte Johnston ihm in einem gefährlichen Kriege Hilfe leisten, wobei die feindliche Armee durch ein bei Beginn der Nacht abgebranntes Feuerwerk in die Flucht geschlagen wurde. Als der Wettstreit um koloniale Erwerbungen auch in Ostafrika begann, trat er zunächst mit General Matthews wegen eines Schutzvertrages mit Sansibar in Unterhandlungen, fand aber dessen Legitimationen vom Sultan von Sansibar nicht in Ordnung, nahm mehrere hundert Piaster als Anzahlung aus den Vertrag an und sandte den General zur Küste zurück, damit er sich Vollmachten hole, und inzwischen schloß er, wie schon oben erwähnt, mit Dr. Jühlke den Vertrag ab. Sehr betrübt war er, daß Dr. Meyer 1887 zum Sultan Mareale, einem anderen Dschaggafürsten, und nicht zu ihm zog, und ließ durch seinen Suaheli-Sekretär Briefe: „Im Namen des Allerhöchsten. An die Adresse des geliebten, des erhabenen, des geehrten, des zu ehrenden, des geliebten Doktors“ schreiben.

In denselben kehrten folgende Klagen und Betheuerungen wieder. „Ich wollte Dir Speise senden, aber ich habe folgende Bedenken gefunden: Als jener Weiße kam, welcher in Taweta war,[2] habe ich ihm ein Rind geschickt und er hat mein Rind nicht angenommen und er hat es zurückgeschickt. Ich bin ein großer Mann, zu geben einem Manne. Ich gebe nicht um eines guten Gegengeschenkes willen. Ich liebe die Deutschen, weil ich Euer Bundesgenosse bin, und ich habe Vertrag geschlossen mit meinem Freunde, dem Doktor (Jühlke), und siehe nur nach in Deinem Buch, da wirst Du Euren Bundesgenossen finden. Bis wie lange haben wir diesen Euren Bund verschoben, und Du willst nun nicht zu mir kommen, um Euren Bundesgenossen zu sehen?“

Vorstellung der Mandaraneger bei Kaiser Wilhelm durch den Afrikareisenden Otto E. Ehlers.
Zeichnung von A. v. Roeßler.

Mandara würde versöhnt, denn Meyer schickte dem Bundesgenossen durch eine Gesandtschaft Geschenke, auf die es wohl vor allem ankam, und auch der Reisende v. Eberstein begab sich zu ihm, um Geschenke von Dr. Peters zu überbringen. Mit dem letzten Deutschen, der bei ihm weilte, lebte Mandara in bester Freundschaft und die Dschagganeger, die mit Otto E. Ehlers im Frühling dieses Jahres nach Berlin kamen und als Gesandte Mandaras vom Kaiser empfangen wurden, gaben auch weiteren Kreisen Gelegenheit, Soldaten der Moschiarmee kennen zu lernen, die um den Kilimandscharo als unüberwindlich gilt. Es ist dies eine afrikanische Prachttruppe, an welcher der Kaiser und die Kaiserin, vor allem aber die kleinen Prinzen, die der Audienz beiwohnten, sicher ihre Freude hatten. Die kriegerischen Söhne der Wildniß hatten „Kriegsfarben angelegt“. Da fehlten nicht die Kragen von Adlerfedern und die Mäntelchen von Affenfellen. Den Kopf schmückte ein Aufputz von Straußenfedern und an den Armspangen hingen zierliche Affenschwänzchen, während eiserne Schellen an den Fußgelenken bei jeder Bewegung ein lustiges Geklingel ertönen ließen. Die Krieger führten auch, wie unsere obige Abbildung darstellt, ihre Tänze auf, schwangen die gefürchteten Speere mit [640] schaufelartigen Spitzen, die Keulen und die schöngearbeiteten, mit Büffelhaut überzogenen Schilde. Im Hintergrunde steht, mit einem langen Mantel angethan, der Dolmetscher.

Mandaras Armee hat viele harte Proben bestanden und einst wurde sie sogar vor eine Batterie kommandirt – vor die galvanische Batterie Thomsons, wo ihre Offiziere mit der ganzen Selbstbeherrschung, die einem Krieger möglich ist, den unheimlichen Zuckungen des elektrischen Stromes Widerstand leisteten! –

Das sind Bilder von Dschagga, die den Kolonialpolitiker interessiren, denn das obere Dschaggagebiet (1500 bis 1800 m hoch gelegen), das augenblicklich wegen der kühlen Temperatur nicht bewohnt wird, ist vielleicht das einzige Gebiet in Deutsch-Ostafrika, in dem sich Weiße niederlassen können, um dort Ackerbau zu treiben. Aber die über jenem schönen Lande thronenden Berggipfel reizen den Forscher, der hier mit einem einzigen Blick Palmen und ewigen Schnee umfassen kann.

Der Kibo. Der Kimawensi.
Der Kilimandscharo.

In zwei Spitzen läuft der Berg aus, die niedrigere felszerklüftete heißt der Kimawensi (4950 m), die höhere ist der Kibo. Wohl sind die Menschen über die Urwaldgrenze, über die mit merkwürdigen Pflanzen bestandenen Grasgebiete des Berges hinaus vorgedrungen und haben auf Schneefeldern bei fünf Grad Kälte beinahe unter dem Aequator genächtigt; aber der Berg ist noch nicht bezwungen. Eine thurmhohe Eiswand in 5450 m Höhe gebot den einen Halt, während ein dichter Nebel die anderen am tiefsten Rande des erloschenen Kraters zur Umkehr zwang, und niemand hat den höchsten „Sitz des Kälte bringenden Dämons“[3] betreten. Aber während diese Zeilen in die Hände unserer Leser gelangen, werden zwei deutsche Reisende wieder in Sansibar Expeditionen ausrüsten, um dem Kilimandscharo entgegenzustreben.

Otto E. Ehlers führt die Dschaggas nach ihrer Heimath zurück, und für den 118 Pfund schweren Elfenbeinzahn und die Speere und Schilde, die unserem Kaiser überreicht wurden, bringt er Gegengeschenke: Waffen, Theatermäntel, Spielwaaren, Maschinenmodelle, Feuerspritzen etc. für Mandara und von unserm Kronprinzen ein Dreirad und eine Kürassieruniform für den kleinen schwarzen elfjährigen „Prinzen“ am Kilimandscharo, damit dieser auch wie König Bells Sohn, der „Kronprinz“ von Kamerun, auf einem Stahlroß sein Moschi durchfahren könne. Hoffentlich wird Mandara recht tüchtig pfeifen zum Zeichen seiner Zufriedenheit und seinem Bundesgenossen treu bleiben und die Deutschen noch mehr lieben.

Auch Hans Meyer ist bereits unterwegs, mit allem Rüstzeug eines Bergsteigers in den Alpengletschern wohl versehen. Vielleicht gelingt es ihm, die Eiswand zu überwinden und seinen Fuß auf den höchsten Punkt Afrikas zu setzen. So mögen aus den Reisen der beiden Staat und Wissenschaft Nutzen ziehen; unsere Glückwünsche begleiten sie auf dem weiten Wege! – Wenn aber der Riese bezwungen sein wird, dann werden wir noch einmal mit unsern Lesern im Geiste zu unserm höchsten Berge pilgern und, unbekümmert um Krieg und Sklavenraub, uns der erhebenden Eindrücke freuen, welche ein tagelanger mühevoller Marsch von den Palmenhainen zum ewigen Eise dem nach Wissen dürstenden Geiste in unermeßlicher Fülle beschert.




Gold-Aninia.

Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué.
(Fortsetzung.)


Draußen verstummte allmählich das Krachen, das Schreien und Hilferufen, das Blöken des armen, ersaufenden Viehes. Das Unglück war vollendet. Die in der Fuorcla angesammelten Wassermassen mußten sich wohl erschöpft oder der immer noch gewaltige Rest nicht Kraft genug haben, um noch weitere Felsblöcke hinunter ins Thal zu treiben; aber der Sturm heulte mit gleicher Wuth fort, auch der Regen floß noch immer in Strömen nieder. Im Lauf der Nacht änderte sich dies langsam zum Bessern. Regen und Sturm ließen nach und gegen morgen begannen auch die Wasser aus der Stube der Büssin zu laufen, nur Schlamm und Geröll blieben zurück. Die Frauen vermochten ihren Platz auf dem Bett zu verlassen, wo sie, eng aneinander gerückt, unbeweglich gesessen hatten, um das Kindchen nicht zu stören. Es lebte noch und blickte die freudig aufathmende Mutter wieder mit einem schwachen Lächeln an, das ihr Herz mit neuer Hoffnung füllte.

Endlich dämmerte das Tageslicht, und mit ihm erschien Clo in der Stube.

„Kommt alle, kommt!“ so sprach er keuchend und vor Aufregung zitternd noch unter der Thür. „Welch ein Unglück! Es ist entsetzlich, wie es im Dorf aussieht – alles zerstört und fortgeschwemmt! – Ihr werdet es selbst auf dem Wege sehen. – Kommt!“

„Und der Vater?“ rief Aninia in athemloser Spannung.

„Sein Haus und die Ställe und Stadel sind niedergerissen und zerstört – das Vieh ist elendiglich ersoffen – der Hausrath weggeschwemmt. – Er ist ein Bettler geworden wie die andern, – die es gleich hart getroffen hat.“

„Aber der Vater – der Vater! – Er lebt?“ kreischte Aninia auf. Von ihrem Kinde ließ sie ab und stürzte auf Clo zu.

„Der Cavig lebt, aber er liegt ohne Besinnung. Ich habe ihn aus den Trümmern seines Gehöftes hervor geholt und nach meinem Hause gebracht, das, Gott sei gedankt! unversehrt ist. Kommt nur, kommt! Er bedarf dringend der Hilfe und Pflege. Ein Glück, daß ich Euch alle noch am Leben finde. Kommt – schnell! Es ist kein Augenblick zu verlieren!“

Mit fliegeden Händen packte Mutter Barbla und die Büssin das Kindchen dicht und warm in Kissen und Decken, die erstere nahm es auf ihren Arm, und so traten sie, von Clo geleitet und unterstützt, den beschwerlichen Weg nach dessen Hause an. Aninia war die letzte. Nach Beppo, der noch immer regungslos in der

[641]

Das erste Examen.
Nach einem Gemälde von J. Wodzinski.

[642] Ecke bei der Feuerstelle kauerte, wendete sie sich hin und fragte besorgt: „Nun, Beppo, folgst Du uns nicht?“

„Ich wag’ es nicht – ich darf es nicht!“ tönte es ihr aus der Ecke mit dumpfem Ton entgegen.

Da trat Aninia auf Beppo zu, rüttelte ihn am Arm, als ob sie ihn aus einem bösen Traume wecken wollte, und mit ängstlicher Hast fragte sie:

„Du wagst es nicht, mit mir zu meinem unglücklichen Vater zu gehen? – Du darfst es nicht? Was hast Du denn gethan – daß Du nicht darfst?“

Ich habe ihn zum Bettler gemacht,“ schrie Beppo, sich vor ihr niederwerfend, in wilder Verzweiflung, „ich habe die Wasser hoch oben in der Fuorcla angestaut, daß sie beim ersten Regen die Felsblöcke herunter schwemmen mußten! – Schlage mich, Aninia, tritt mich mit Füßen – ich bin ein Verbrecher und ewig verdammt.“

Mit todtenbleichem Gesicht wich Aninia vor ihm zurück, der auf den Knieen ihr Gewand zu erhaschen suchte.

„Du?!“ kam es endlich von ihren zitternden Lippen, „Du hast das gethan, Beppo? Bist Du denn wahnsinnig?“

„Ich that es für Dich, für unser Kind,“ murmelte er scheu, „ich dachte – wenn Dein Vater ein Bettler wäre – dann müßte er Dir vergeben, er hat es ja geschworen!“

„Ruchloser, entsetzlicher Mensch!“ schrie Aninia auf. „Meinen Vater unglücklich und elend zu machen – um mich – um unser Kind!“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte vor bitterer Verzweiflung, während Beppo in tiefster Zerknirschung sich vor ihr am Boden wand und kein Wort der Entgegnung wagte. Das gewohnte Bewußtsein, daß sie für zwei denken müsse, ließ endlich Aninia wieder Fassung gewinnen.

„Du sagtest recht vorhin,“ fuhr sie mit einem tiefen Seufzer fort. „Zu meinem Vater darfst Du nicht – er kann Dir jetzt, nach dem, was Du gethan hast, nicht mehr vergeben – in dem Dorfe, das Du dem Unglück – dem Untergang geweiht hast, kannst Du nicht mehr bleiben. Du mußt fort!“

„Fort von Dir, Aninia?!“ schrie Beppo wild auf.

„Aber, Unglückseliger, hast Du denn keinen Augenblick bedacht, daß Dein Verbrechen uns trennt, daß ich jetzt bei meinen Eltern bleiben muß, um ihnen beizustehen, und daß Du Dich nicht mehr vor ihren Augen zeigen darfst? O Beppo!“ rief sie in neu ausbrechendem Schmerz, „was hast Du gethan! Da hast unser Glück vernichtet, auf immer und ewig!“

Sie warf sich abgewandt von ihm auf den kalten Herd nieder und verbarg das Gesicht zwischen den Händen.

„Verzeihe mir, Aninia!“ stöhnte Beppo, ihre Knie umfassend. „Ich wußte nicht, was ich that, ich hatte keine Ahnung, daß alles so kommen werde. Ich will ja wieder gutmachen, was ich kann!“ –

„Das kannst Du nimmermehr, denn das Unglück ist nicht ungeschehen zu machen. Du und ich, wir müssen tragen, was daraus entsteht, und wir müssen scheiden!“ So sprach nun Aninia, scheinbar gefaßt und tiefernst, dann reichte sie Beppo die Hand und fuhr weicher fort: „Bete zu Gott, daß er Dir Deine Schuld vergeben möge. Auch ich will Tag und Nacht für Dich beten und – in Liebe des Beppos gedenken, der brav und schuldlos war und den ich so von Herzen liebgehabt habe! Das ist alles, was ich für Dich thun kann! – Lebe wohl! – Laß mich!“ rief sie nun, als Beppo sie unter Bitten und Thränen zu halten suchte. „Laß mich! Mein Kind – mein Vater – sie rufen nach mir! Ich muß fort – dorthin, wo von nun an mein Platz ist! Sie riß sich mit Gewalt los und stürmte davon.

„Aninia! – Aninia!“ rief Beppo in herzzereißenden Tönen ihr nach; dann warf er sich vor der Feuerstelle zu Boden, und die glühend heiße Stirn auf die Steine des Herdes gepreßt, stöhnte er in verzweiflungsvollem Jammern: „Was hab’ ich gethan! – was hab’ ich gethan! – Weib und Kind hab’ ich verloren, – eine Sündenschuld auf mich geladen, für die es in diesem Leben keine Sühne mehr geben kann! – Aninia! – Aninia!“ schrie er nochmals auf, doch der Ruf erstickte in einem heftigen Schluchzen und Weinen. Dann blieb er in seiner zusammengebrochenen Stellung unbeweglich vor dem Feuerherde liegen – bis die Müdigkeit, die Erschöpfung von der furchtbaren Aufregung den Aermsten mitleidig in einen tiefen, todähnlichen Schlaf versenkten.


12. Am andern Morgen.

Mit dem neuen Tag hatte das Unwetter ausgetobt und die Wasser begannen sich zu verlaufen. Im kalten grauen Morgenlicht standen die Geretteten, die sich zur Nacht in die anderen Dörfer geflüchtet hatten, und betrachteten trostlos die furchtbare Zerstörung. Wo gestern noch ihre armen Hütten gestanden hatten, da war heute nur ein trümmerbedecktes Rinnsal voll Schlamm und Geröll. Wenige hochgelegene Wohnstätten waren erhalten geblieben, unter ihnen das Haus des langen Clo, der glücklich war, seine Mutter darin unterbringen und des Cavigs Familie mit ihrem todtkranken Haupte vereinigen zu können.

Freilich war es nun so überfüllt, daß Clo sich genöthigt sah, wieder mit seinem Weib Staschia in die enge und niedere Dachstube zu ziehen – die Hausherrenfreude des armen Burschen hatte nicht allzulange gedauert.

Madulani lag im Fieber, bald schüttelte ihn heftiger Frost, bald glühte sein schweißtriefendes Antlitz, und kein Arzt war auf Stunden weit zu haben! Die armen Frauen hatten bereits all ihr Wissen und Können erschöpft, doch nichts wollte fruchten: hier war ihre einfache Kunst zu Ende. Ebenso bei dem Kindchen, das stille in dem Schoße der wie geistesabwesend dasitzenden Mutter lag. Es lebte zwar noch immer, nahm noch einige Nahrung, aber die Athemzüge der kleinen Brust wurden immer schwächer.

„Wo nur der Beppo bleibt?“ flüsterte die Büssin unwillig Frau Barbla zu. „Er läßt uns allein in dieser Noth – allein bei seinem armem Kindchen und dem Kranken. Auch der Clo und die Staschia lassen sich nicht mehr sehen! – Wo sie nur stecken mögen?“ –

Frau Barbla blickte finster drein und ihre Lippen blieben fest geschlossen. Da sprach Aninia, die jetzt das Kindchen in ihrem Schoße wiegte, leise und zögernd: „Der Beppo wird im Dorfe sein – denjenigen zu helfen, die der Hilfe noch dringender bedürfen als wir, – die wir doch vor Wind und Wetter sicher sind.“

„Was sollte er auch hier?“ setzte Mutter Barbla in ihrer kurzen, rauhen Weise hinzu. „Er könnte nur unsere Noth vermehren – uns im Wege sein! Im Dorfe wird er sein – wie auch der Clo – dort ist jetzt sein Platz.“

Die Büssin schaute befremdet drein, so kurz und kalt hatten beide noch nie von Beppo gesprochen. Das war doch seltsam!

Clo befand sich in der That im Dorfe und hatte alle Hände voll zu thun, um den armen Surleyleuten, die vor Verzweiflung den Kopf verloren hatten, bei den Rettungsarbeiten beizustehen. Der brave Bursche regte unverdrossen die gewaltigen Glieder, bewältigte die schwersten Lasten und hatte nach Verlauf von mehreren Stunden schon viel gethan, um die Obdachlosen unterzubringen. Da sah er plötzlich einen Mönch die Straße herauf kommen, einen arzneikundigen frommen Bruder aus dem Kloster San Murrezan. Er eilte ihm mit lautem Freudenruf entgegen und zog ihn vor allen Dingen nach seinem Hause hin, damit er dort nach den beiden Kranken sehe.

Frau Barbla und die Büssin begrüßten den Mönch wie einen Retter aus höchster Noth, Aninia saß stumm und sah schmerzvoll auf das Kind nieder, das regungslos in ihrem Schoße lag.

Der Mönch fand den Zustand des Cavigs gar nicht schlimm. Augenblickliche Gefahr sei nicht vorhanden und die Herren von Chur würden gewiß bald einen richtigen Arzt schicken, der das Fieber erfolgreich zu bekämpfem, schlimme Zufälle zu verhüten wissen werde. Für jetzt reiche seine Arznei aus; dabei händigte er dieselbe den beiden Frauen mit der nöthigen Belehrung ein.

Nun trat er besorgt und mit sichtlicher Theilnahme zu der jungen Mutter mit ihrem Kinde, die er bisher nur flüchtig beobachtet hatte, auch hier seines menschenfreundlichen Amtes zu walten. Doch ein Blick sagte ihm, daß jede Hilfe vergebens – zu spät sei, denn das Kind war in der Mutter Schoß sanft eingeschlafen – für immer!

„Todt?“ schrie Mutter Barbla auf und stürzte auf Aninia zu, die stumm und unbeweglich blieb wie bisher. Sie wußte es schon lange, die Aermste, daß sie ihr armes, liebes Kindchen verloren hatte, das einzige, was sie an den Mann hätte fesseln müssen, den sie einst so sehr geliebt – den sie vielleicht noch immer liebte und dennoch nicht mehr Gatte nennen durfte.

„Todt?!“ murmelten die Büssin und Clo in einem Athem, und erstere setzte kaum hörbar hinzu: „Und der Beppo – der Beppo ist noch immer nicht hier?!“

[643] „Der Beppo?“ sagte Clo überrascht, denn er hatte ihn im Lauf der letzten Stunden gänzlich vergessen. „Im Dorfe sah ich ihn nicht, am Ende ist er gar krank geworden und liegt noch in Eurem Hause, Mutter. Elend genug sah er aus, und seine Kleider hatten mehr Löcher als heile Stellen. Muß doch rasch einmal nach ihm sehen.“

Schnell raffte er ein paar Kleidungsstücke zusammen und verließ das Haus. Es war ihm auch nicht unlieb, dem Jammern und Klagen der Frauen auszuweichen – zum Helfen war er bereit, der lange Clo, aber den Thränen ging er lieber aus dem Wege.

* * *

In der finsteren Kammer lag Beppo noch immer, das Gesicht am Boden, in bleiernem Schlafe. Er erwachte auch nicht, als jetzt beide Thürflügel aufgerissen wurden und Clo laut seinen Namen rief. Erst als dieser sich über ihn beugte und ihn derb an der Achsel schüttelte, schlug er die Augen auf und starrte verständnißlos vor sich hin.

„So, hier liegst Du und schläfst, während derweilen Dein Kindchen gestorben ist?!“ rief Clo ihm ärgerlich zu.

Bei diesen Worten richtete Beppo sich langsam auf.

„Er sieht erbarmungswürdig aus,“ dachte Clo, als ihn die tieftraurigen Augen aus dem blassen Gesicht heraus ansahen.

Dann antwortete Beppo ganz ruhig: „Ich wußte es – hab’ es geträumt!“ Leise, fast unverständlich setzte er hinzu: „Es mußte so kommen, damit ihr Wort in Erfüllung gehen kann.“

„Ich verstehe nicht, was Du da murmelst,“ versetzte Clo ungeduldig, „habe auch keine Zeit, hier lange mit Dir zu reden. Da ist Brot und da sind Kleider von mir, ziehe Dich an und iß, und dann mache, daß Du zu Deinem Weibe kommst! Du solltest schon lange dort sein!“

Beppo stand neben ihm, den Arm legte er um den Hals des Langen, schaute ihm treuherzig in die Augen und sagte dann mit innigem Tone:

„Du guter Clo! Du warst mir immer ein aufrichtiger Freund, hattest Nachsicht mit dem armen Beppo und wirst ihm auch vielleicht gut bleiben, wenn die andern übel von ihm reden. Leb wohl!“

„Was fällt Dir denn heute ein?“ erwiderte Clo voll Erstaunen. „Es wäre gescheiter, Du gingest helfen, statt zu überlegen, was die Leute von Dir sagen. Ich habe keine Zeit mehr, behüt Dich Gott und komm’ mir bald nach!“

Aber Beppo kam nicht nach, und als eine Stunde später Clo nochmals zur Kammer hereinschoß, ihn zu suchen, war diese leer und verlassen. Auch bei Aninia fand er ihn später nicht, und weder sie noch ihre Mutter thaten eine Frage nach Beppo. Das dünkte dem Clo sehr wunderlich, aber er hatte an jenem Tag so viel anderes im Kopfe, daß er nicht zum Nachdenken darüber kam.

* * *

Unter den Arven des Crestaltahügels, an der Erderhöhung mit dem schlichten Holzkreuz, Fra Battistas Ruhestätte, knieete am Nachmittag des folgenden Tages der Unselige, den seine That aus der Gemeinschaft der Menschen ausgestoßen hatte. Mit den Händen hielt er das Kreuz umklammert und tief beugte er sein schuldbeladenes Haupt, verzweiflungsvolle Worte murmelnd, als könnte ihn der noch hören, der hier unten in Frieden ruhte.

„Du hast es gesagt,“ stöhnte er, „o, hätte ich Deinen Worten gefolgt! Du warntest mich vor der Rachsucht, und ich Elender verschloß mein Herz und ließ den Bösen Herrschaft über mich gewinnen und that, was er mich hieß! Allmächtiger Gott!“ schrie er empor, „habe Barmherzigkeit und nimm mir die Last ab, die hier brennt und drückt! – Ach, es ist alles umsonst – ich bin verdammt, hier und dort in der Ewigkeit.“

Und er fiel aufs neue mit dem Gesicht auf den Hügel und weinte bitterlich.

Eine Weile blieb er regungslos so liegen; da drang plötzlich aus weiter Ferne in einzelnen Schlägen, langsam und klagend, der Ton der kleinen Kirchenglocke durch die Arvenwaldung bis auf die Höhe des Hügels. Jäh sprang Beppo empor, denn er ahnte die Bedeutung des Läutens. „Jetzt begraben sie mein Kind!“ schrie er in wilder Verzweiflung auf und stürzte davon. Doch schon im nächsten Augenblick strauchelte sein Fuß und er fiel in das Geäst eines großen, zwischen den Baumstämmen wuchernden Buschwerks. Wie er aufschaute – siehe da – erkannte er das erste Grün eines Alpenrosenstrauches. Dem kleinen harten Geäst entsproßten zart und noch von ihren grünen Hüllen geschützt, die ersten rothen Blüthen der lieblichen Alpenrose. Des armen Beppos Antlitz lächelte; es war, als ob diese ersten Boten des Frühlings ihm die Hoffnung andeuten wollten, daß auch ihm nach dem Winter der Buße noch ein neuer Lebensfrühling erstehen könnte. „Für mein Kindchen!“ flüsterte er, und während die kleine Glocke ihr Trauergeläute fort und fort erklingen ließ, knieete er nieder und pflückte sorgsam die Aestchen mit den jungen Blättchen und den knospenden rothen Röschen zu einem kleinen Strauß. Dann schritt er weiter, bis zur Hälfte des Hanges hinab, wo er sich auf einen Felsblock niederließ, von dem aus er zwischen den Stämmen der Arven hindurch auf den See, die Ebene und das verwüstete Dorf mit seiner Kirche schauen konnte. Es war dieselbe Stelle, wo er vor nicht ganz einem Jahre gekauert und hinunter auf die Wiese gespäht hatte, wo das Frühlingsfest gefeiert wurde, das dann ein so blutiges Ende gefunden hatte. Welch ein Unterschied gegen heute! Damals eine grüne, blumige Wiese, eine fröhliche und glückliche Menschenschar! und jetzt – eine mit Schlamm und Steinen bedeckte trostlos öde Fläche, und klagende, verzweifelnde Bewohner eines zerstörten Dorfes! Damals eine Gold-Aninia in voller Mädchenschöne, in unbefangener, fröhlicher Jugendlust, und heute – eine arme Mutter, die in diesem Augenblick ihr Kind, den einzigen Rest ihres kurzen Liebesglückes, zugleich mit diesem erstorbenen Glück für immer in die Erde versenkte. Und er, Beppo, er allein hatte dies alles verschuldet, in blindem thörichten Wahn! Nein, nein! für ihn, den Unseligen, konnte es keine Verzeihung, keine Sühne mehr geben!

Das Glöckchen tönte noch immer fort, und dem Ringenden war es, als klänge ihm aus der Ferne ein frommes Lied von vielen Männer- und Frauenstimmen entgegen, das von einem Auferstehen, einem Wiedersehen jenseit des Grabes sang, von der Allbarmherzigkeit Gottes, der dem wahrhaft Reuigen verzeihe. Wie ein himmlischer Trost in höchster Noth drangen Töne und Worte in das Herz des armen Beppo und linderten die bittere Verzweiflung darin.

Als es vollkommen dunkel geworden war, verließ Beppo seinen Stein und schlich sich hinab nach dem kleinen Friedhof, der auch Spuren der Zerstörung in seinen eingestürzten Mauern aufwies. Das kleine frische Grab hatte er bald gefunden, er warf sich davor nieder und pflanzte sein Sträußchen in die feuchte Erde. Den letzten Abschied im Thal wollte er von seinem todten Kindchen nehmen.

Während er halblaut betend noch auf seinen Knieen lag, hatte durch den weitoffenen Eingang eine Frauengestalt den Gottesacker betreten. Sie sah den Mann auf dem Grabe, hörte sein Murmeln, glaubte die Stimme zu erkennen, und – „Beppo, Beppo!“ wollte der Mund rufen, doch der Laut versagte, – oder machte ein anderes, noch mächtigeres Gefühl ihn stumm? Dennoch wankte die Frau auf das Grab zu – da erhob sich der Mann und entfernte sich, ohne die Nahende zu bemerken.

Jetzt hatte Aninia – denn sie war es – den Hügel erreicht. Sie sank zur Erde nieder und ihre Hand, nach einem Halt tastend, fand das kleine Sträußchen Alpenrosen. Da entrang sich eine Empfindung freudigen Hoffens ihrer Brust, und nun auch in zitternden Lauten den Lippen der Name: „Beppo, Beppo! –“

Es war zu spät! Ungehört verhallte der Ruf; der, dem er galt, war im Dunkel der Nacht verschwunden.


13. Neue Heimath.

Das Dorf Surley erholte sich nicht wieder von dem schweren Unglück, das es im Frühjahr 1791 erlitten hatte. Wohl waren mit der Zeit die Steinblöcke, der Schlamm und das Gerölle weggeschafft worden, doch die zerstörten Häuser blieben unbewohnt, ihre früheren Insassen wollten nicht mehr nach dem unglückseligen Orte zurückkehren. Drüben auf der anderen Seite des Sela, in dem höher gelegenen, sicheren Silvaplana siedelten sie sich an. Zum Bauen der neuen Wohnstätten, Ställe und Stadel holten sie sich Steine und Holzwerk hinüber, und so vergrößerte sich dieser [644] bisher unansehnliche Ort in denselben Maße, wie das vor jener Katastrophe so stattliche Surley verödete. Die schweren Heimsuchungen des Dorfes sollten dabei noch immer nicht zu Ende sein. Zwei Jahre nach jener Schreckensnacht, im März des Jahres 1793, überschwemmte abermals eine gewaltige Wasserfluth das unglückliche Dorf, und hatte bisher wohl die Hälfte der Bewohner ihren Heimathsort mit dem nahen Silvaplana vertauscht, so zog ihnen jetzt wieder ein großer Theil der Zurückgebliebenen nach. Die mühsam von Schlamm und Steinen gereinigten Wiesen, welche kaum begonnen hatten, sich wieder mit spärlichem Grün zu schmücken, wurden abermals fußhoch mit Schutt bedeckt, viele der flüchtig ausgebesserten Häuser stürzten vollends zusammen und die neue Auswanderung war eine zwingende, traurige Nothwendigkeit geworden. Bei dieser zweiten Ueberschwemmung fiel auch der nothdürftig erhaltene Theil des Hauses Madulanis in Trümmer, und der ehemals reiche Mann war hiermit vollständig verarmt. –

Madulani lebte noch. Seine Krankheit war eine langwierige gewesen, aber mit dem Hochsommer hatte er sein Lager und das Haus verlassen dürfen, um von der milden Sonne des Thales seine volle Genesung zu erwarten. Doch seine Kraft schien gebrochen und ein schwerer Kummer fraß ihm am Herzen, den er in finsterem Schweigen mit sich umhertrug, den die aufopfernde Liebe seines Kindes, das tröstende Zureden seines Weibes nicht zu lindern vermochten. In der schweren Heimsuchung waren ihm endlich die Augen aufgegangen über die Schuld, die er gegen beide auf dem Gewissen trug, und wenn er sich auch nicht zu vielen Worten deshalb verstehen mochte, so merkten Mutter und Tochter doch sein stetes Bestreben, stillschweigend für die frühere Härte um Vergebung zu bitten. Hätte Beppo an seiner Seite gestanden, als er wieder zu sich kam, er würde auch ihm reuevoll die Hand gereicht haben. Doch Beppo sah er nicht an seinem Krankenlager; er fand ihn nicht im Hause, als er wieder umherwandeln konnte, und seinen Fragen nach ihm wurde keine Antwort. Er war wohl todt, – im Elend gestorben, dann hatte er, Madulani, eine neue noch schwerere Schuld auf dem Gewissen, und bei solchen Gedanken verdüsterte sein Gemüth sich mehr und mehr.

Und Aninia? Ihre Gesundheit hatte unter den schweren Schicksalsschlägen nicht gelitten, nur war sie ernster und ihr Antlitz bleicher geworden. Zugleich war es, als ob die frühere Energie des Vaters in der Tochter aufgelebt sei. Hochaufgerichtet, in fester Haltung ging sie einher und verrichtete die schwersten Arbeiten unverdrossen gleich einer Magd. Dabei war sie jetzt zur vollen Frauenschöne erblüht, und selbst die Blässe ihres Gesichtchens, aus dem die dunklen Augen hervorleuchteten, erhöhte dessen Liebreiz. Von Beppo sprach sie nie, nur noch im Gebete kam sein Name über ihre Lippen. Ihr Geheimniß hielt sie fest im Busen verschlossen, nur der Mutter hatte sie es an jenem Unglückstage anvertraut. Ob sie ihn noch immer liebte? O gewiß! Doch gedachte sie seiner nur wie eines Todten. – Die anderen hielten ihn für todt und hatten den armen Beppo wohl auch schon vergessen.

Als das zweite Unglück über Surley gekommen war und an den Cavig mit seiner Familie nach der völligen Vernichtung seines Eigenthums die Nothwendigkeit herantrat, sich irgendwie ein Unterkommen zu suchen, entweder auszuwandern oder abermals die Mildthätigkeit des ebenfalls schwer geschädigten Clo in Anspruch zu nehmen, da ging Aninia, ohne den Ihrigen ein Wort von ihrem Vorhaben zu sagen, hinüber nach Silvaplana. Dort stand, gerade dem Saumpfad gegenüber, der aufwärts über den Julierpaß und dann hinunter ins Rheinthal nach Chur führte, eine Herberge. Vor Jahren war ein Mann aus jenem deutschredenden Theile Graubündens nach Silvaplana gekommen, hatte sich dort als Wirth angesiedelt und seinem Hause den deutschen Namen „Zum wilden Mann“ gegeben. Nun hauste eine Witwe darinnen mit zwei Kindern, einem Mädchen und einem Knaben von vier und fünf Jahren – der Mann war vor kurzer Zeit gestorben. Dort trat Aninia ein und hatte mit der Frau eine lange Unterredung, worauf sie mit einem freudigen Ernst in ihren Zügen nach Surley zurückkehrte. Sie fand die Eltern in dem Hause des Clo, in gedrückter Stimmung, denn das Elend stand vor der Thür und kein Ausweg wollte sich zeigen.

„Vater, Mutter, kommt!“ rief Aninia den Ihrigen mit fester Stimme entgegen. „Ich habe Euch in Silvaplana eine wohnliche Kammer und den täglichen Unterhalt ausgemacht; wir brauchen dem guten Clo und seinem Weibe nicht wieder zur Last zu sein, ja ich hoffe sogar, auch sie noch unterstützen zu können.“

„Was hast Du gethan?“ fragte Mutter Barbla, sich überrascht von ihrem Schemel erhebend und mit besorgter Miene auf Aninia zutretend.

„Fragt jetzt nicht, Mutter! Ihr werdet es schon erfahren. Rafft unsere Sachen zusammen und kommt!“ entgegnete die junge Frau.

„Ich verlasse Surley nicht,“ sprach Madulani mit dumpfer Stimme, „unter seinen Trümmern will ich begraben sein.“

Da trat Aninia auf ihn zu, legte ihm die Hand fest auf die Schulter und sagte tiefernst: „Ich meine doch, Vater, daß des Unglücks genug über uns gekommen wäre und es eine neue, schwere Sünde begehen hieße, noch größeres herbeizusehnen. Wir sind arm geworden, ist es da nicht immer noch besser und ehrenvoller, zu arbeiten, als – Almosen zu heischen? Ich bin jung und stark, für uns – betteln mag ich nicht, doch für Euch arbeiten will ich; ich habe mich drüben in der Herberge als – Magd verdingt.“

„Aninia!“ schrie Madulani auf, von seinem Sitze emporfahrend. Dann stöhnte er, die Hände vor das Antlitz schlagend: „Muß ich auch das noch erleben? O Du mein Herr und Gott, schwer strafst Du meine Härte und meinen Hochmuth!“

Da legte Aninia die Arme um den Hals des Vaters. „Laßt’s gut sein, Vater,“ sagte sie ernst. „Was ich thue, ist keine Schande, und es muß sein! Habt Muth und Vertrauen, es wird vielleicht noch alles gut – nun kommt!“

Da umfing Mutter Barbla weinend ihr Kind und sagte voll Bewegung: „Gold-Aninia haben sie Dich früher geheißen, aber jetzt erst wissen wir, daß Dein Herz wirklich von Gold ist!“

So war es gekommen, daß Aninia, Madulani und Frau Barbla ein neues, sicheres Asyl in der Herberge von Silvaplana gefunden hatten. –

Aninia griff tüchtig zu und unter ihren Händen gediehen das Hauswesen und die Wirthschaft, denen die Witwe allein kaum vorzustehen vermochte, und die Kinder, die ihr bald ans Herz wuchsen. Frau Barbla machte sich nützlich in Haus und Hof, auch sie hatte sich in Demuth ihrem Geschick gebeugt wie Madulani, der einst so stolze Cavig, der jetzt arbeitete, als gelte es keinem fremden, sondern dem eigenen Hausstande. Eine überraschende, erfreuende Wirkung hatte dies rückhaltlose Sichfügen in ein hartes, nicht zu änderndes Schicksal. Die Leute aus Surley, welche nach Silvaplana übergesiedelt waren, sammelten sich fast alle um ihren ehemaligen Cavig, und ganz von selbst gewann der alte Gian eine Herrschaft über sie, die weit freudiger als früher ertragen wurde, weil ihr die einstige gefürchtete Härte fehlte und die Leute sie freiwillig anerkannten. Wohl gab es auch solche, die den einst so stolzen, mächtigen Mann seine jetzige Armut und Ohnmacht fühlen ließen und ihn über die Achsel ansahen. Bei mancher geringschätzigen Bemerkung zuckte er zusammen, er erinnerte sich dann, wie er früher auf andere herabgesehen hatte, die mehr besaßen, als er jetzt; das Bild des armen Beppo stieg vor ihm auf und ein leises Stöhnen entrang sich oft seiner Brust. Aber seine düstere Stimmung wich immer wieder vor dem freundlichen, fröhlichen Walten seiner Frau und Tochter und den Anforderungen, welche die Tagesarbeit an ihn stellte. Die jüngeren Männer von Silvaplana füllten die Gaststube des „Wilden Mannes“ der schönen Aninia wegen und bald gesellten sich auch die von Sils und Campfèr hinzu. Alle kannten sie ja als das ehemals reichste und schönste Mädchen des Thales, und heute erschien sie als stattliche Frau, die bei gewohntem Ernst doch gegen jeden Gast sich freundlich erwies, noch bewunderungs- und begehrenswerther denn vordem. Noch glänzte das herrliche blonde Haar wie früher in dichten Flechten um ihren Kopf. So hieß denn des arm gewordenen Madulani Tochter wie zur Zeit, da er noch als der reichste Mann des Engadins galt, „Gold-Aninia“, und es war ein Ton offener Herzlichkeit, mit dem der hübsche Name ausgesprochen wurde.

Die Arbeit hatte den Hartgeprüften Segen gebracht, sie vor Verzweiflung gerettet und ihnen neuen Lebensmuth eingeflößt, so daß sie der Zukunft getrost entgegen sahen.

So war das verhängnißvolle Jahr 1799 herangekommen, in welchem das stille Engadin die Greuel des Krieges kennen lernen sollte.


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14. Ein Stückchen Weltgeschichte in entlegenem Hochthal.

Die Schweiz war durch die französischen Volksbeglücker aus einem freien Staatenbunde in eine durchaus unfreie „helvetische Republik“ umgewandelt worden und sah sich infolge dessen gezwungen, auf seiten der Franzosen gegen die Mächte der zweiten Koalition, an deren Spitze Oesterreich und Rußland standen, zu kämpfen. Nur Graubünden machte eine Ausnahme; es hatte sich nicht allein dem neuen Stand der Dinge nicht angeschlossen, sondern auch die Oesterreicher zum Schutze seines Bodens und seiner Freiheit herbeigerufen. Feldmarschall-Lieutenant Graf Bellegarde hielt mit einem Theil des Heeres, das unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Karl stand, Tirol und die Pässe Graubündens besetzt. Im Rheinthal kämpfte General Auffenberg gegen den Oberbefehlshaber der französischen Armee, Massena. Am 7. März dieses Unglücksjahres 1799 wurde aber der österreichische General von Massena bei Chur geschlagen und mit seinen 6000 Mann gefangen genommen. Nur einige Kompagnien retteten sich über den Julier und den Albula ins Engadin und verbreiteten dort Schrecken und Entsetzen durch ihre Berichte über die Greuel, welche die wilden Sansculotten allerwärts verübten. Und die Franzosen zogen bereits heran, sogar von mehreren Seiten – und die Dörfer des Engadins waren von waffenfähigen Männern entblößt, die sich den freiwilligen Bündnertruppen zugesellt hatten. Nur Frauen, Greise und Kinder waren zurückgeblieben, wie überall im Engadin, so auch in Silvaplana. Wohl hatte Graf Bellegarde durch mehrere Kompagnien seiner Soldaten das Unter- und Oberengadin wie auch das Bergell bis nach Chiavenna hin besetzen lassen, doch was konnte diese Handvoll Leute, auf eine solch weite Strecke vertheilt, ausrichten? Bei dem ersten Anprall der Franzosen mußten die Oesterreicher verloren sein, niedergemacht oder gefangen genommen werden – wenn sie es nicht vorziehen sollten, ihr Heil in rascher Flucht zu suchen.

Die Stimmung der wenigen in Silvaplana zurückgebliebenen Leute war verzweiflungsvoll. Die Burschen und kräftigen Männer standen draußen im Felde, den Tod im Angesicht – vielleicht schon gefallen und eingescharrt! So dachten und jammerten die Frauen und Mütter und kein Trösten irgend einer energischeren Persönlichkeit wollte helfen. Auch das Gebahren der kleinen österreichischen Besatzung war nicht dazu angethan, diese Stimmung zu mildern. Die Anforderungen, welche die Soldaten für ihren Unterhalt stellten, überstiegen jetzt schon die Kräfte des armen Dorfes, und die rauhe, drohende Weise, in der gefordert wurde, konnte nur neue Schrecken erzeugen. Und dabei waren diese Oesterreicher noch als Freunde gekommen, das Dorf und seine Bewohner zu schützen! Wie würde es ihnen erst ergehen, wenn die Feinde, die Franzosen, einrücken sollten?!

Jetzt war die Uebersiedelung des ehemaligen Cavigs von Surley mit Frau und Tochter für die Silvaplaner ein wirkliches Glück geworden, denn die drei waren es hauptsächlich, welche in diesem allgemeinen Wirrsal den Kopf nicht verloren. Madulani war im Dorf geblieben, weil seine Körperkraft nicht mehr für den Kriegsdienst ausreichte; auch glaubte er hier dem Ort und den Zurückgebliebenen nützen zu können. In heimlicher Zwiesprache veranlaßte er die rüstigsten der alten Leute, welche noch im Dorfe weilten, alles werthvolle Hab und Gut nächtens in den Ställen und Kellern oder unter das Heu und Holz der Stadel zu bergen, zu vergraben, und Mutter Barbla wie Aninia versuchten, den Frauen Muth einzuflößen. Als dies wenig fruchten wollte, trieben beide die Zaghaften an, von sämmtlichen Vorräthen ihres Roggen- und Kastanienmehls Brot zu backen und es nach dem Crestalta zu schaffen als dem einzigen und sichersten Zufluchtsort für die Mütter und Kinder bei dem gewiß nahe bevorstehenden Einfall der Franzosen.

Und Eile that Noth! Das sagten sich auch die in Silvaplana liegenden Oesterreicher. Denn kaum waren die Flüchtlinge des vernichteten Heertheiles Auffenbergs mit ihrer Hiobspost in Silvaplana eingezogen – um so rasch als möglich ihre Flucht fortzusetzen – als die dortige kleine Garnison nichts Eiligeres zu thun hatte, als sich ihnen anzuschließen, und vereint marschirten sie nun in großer Hast nach Campfèr, dann dem Unterengadin, der schützenden Bündner- und Tirolergrenze entgegen. Jetzt war kein Augenblick mehr zu verlieren, denn schon in den nächsten Stunden konnten die Franzosen einrücken. Aninia trieb die Frauen zur Flucht nach dem Crestalta und führte den jammernden Zug mit gewohnter Entschlossenheit an. Sie wollte zum Vater zurückkehren, sobald sie die Frauen, die Kinder und die Kranken untergebracht hätte, aber Madulani bestand darauf, daß sie dies nicht thue, und Aninia fügte sich, wenn auch vielleicht nur scheinbar. Bald war sie mit ihrem Gefolge auf dem Hügel angelangt, wo sie sich vorerst für geborgen halten konnten. Nun harrten sie in banger Sorge, was unten in den Dörfern geschehen würde. – Madulani hatte den Seinigen gelobt, durchaus vorsichtig zu reden und zu handeln; er hatte sich auch schon einen Plan erdacht, die verhaßten Feinde so rasch als möglich aus dem menschenleeren Dorfe hinauszubringen. Mit den zurückgebliebenen Männern schaffte er die wenigen noch gefüllten Weinfässer des „Wilden Manns“ in ein schon früher wohl vorbereitetes Versteck, wo die Franzosen sie gewiß nicht suchen noch finden würden. Leere Fässer wurden dafür in den Keller gerollt, der außer diesen nur noch ein Fäßchen Branntwein enthielt. Das war alles, was die Eindringlinge nebst dem Wasser der Brunnen an Trank erwartete – zu beißen gab es, außer einigen harten Broten, auch nichts mehr im ganzen Dorfe. Nun konnten die Franzosen kommen – und sie kamen! – (Schluß folgt.) 




Oeffentliche Desinfektionsanstalten.

Desinfektionsapparat von Oskar Schimmel u. Komp. in Chemnitz.

Unserer Zeit war es vorbehalten, einen der grimmigsten Feinde der Menschheit, die Seuche, zu entlarven. Jahrtausende lang seufzte die Menschheit unter der Geißel der ansteckenden und epidemischen Krankheiten, rang mit dem Dämon der Pest und der Cholera, ohne das Wesen dieser verheerenden Krankheiten zu kennen, und war darum machtlos in der Bekämpfung derselben. Der Wissenschaft ist es nunmehr gelungen, die Ursache der meisten jener Krankheiten festzustellen, und wir wissen alle, welchen Antheil an diesem Triumphe die deutsche Forschung gehabt hat. Wir wissen nunmehr, daß Bakterien die Erzeuger der meisten Seuchen sind, und nachdem dies einmal festgestellt ist, rüsten wir uns, den Feind zielbewußt zu bekämpfen.

Zerstörung des Ansteckungsstoffes, Desinfektion, das war schon seit langer Zeit das Schlagwort der Aerzte. Aber nur zu oft tappte man dabei im Dunkeln umher, nur selten konnte man die richtigen Mittel finden. Feuer war noch das sicherste, und man verbrannte darum Kleider und Betten der an Seuche Erkrankten, zerstörte werthvolle Güter, um das werthvollste, das Leben, zu retten. Noch heute wendet man dieses Mittel an; wir möchten nur als Beispiel anführen, daß während der letzten Choleraepidemie auf Sicilien in Katania allein auf einmal 3500 Matratzen verbrannt wurden.

Die italienischen Behörden kannten damals anscheinend noch nicht eine deutsche Erfindung, welche es ermöglicht, fast alle Gegenstände unseres Haushaltes, unsere Kleidung und Wäsche aufs gründlichste zu desinfizieren, ohne deren fernere Benutzung irgend wie in Frage zu stellen. Wir haben bereits im Jahre 1883 (Nr. 52 der „Gartenlaube“) auf jene Erfindung kurz hingewiesen; heute sind wir in der Lage, von ihrem praktischen Nutzen zu berichten und gemeinnützige Anstalten zu beschreiben, welche durch sie hervorgerufen worden sind.

Schon im Jahre 1881 hatte die Firma Oskar Schimmel u. Komp. in Chemnitz die Anwendung heißer Dämpfe zur Desinfektion empfohlen und einen Apparat zu diesem Zwecke hergestellt. Zu dieser Zeit wurde durch die Arbeiten Kochs, des Entdeckers des Cholerabacillus, und seiner Schüler festgestellt, daß heiße [646] Wasserdämpfe von mindestens 100° C. das sicherste Mittel seien, Gebrauchsgegenstände zu desinfizieren, da sie imstande sind, in verhältnißmäßig kurzer Zeit auch die Keime der meisten mikroskopischen Lebewesen zu zerstören.

In der ersten öffentlichen Desinfektionsanstalt in Berlin.

Der Schimmelsche Apparat wurde inzwischen in mehreren Krankenhäusern eingeführt, und da er sich dort bewährte, so wandte man ihm doppelte Aufmerksamkeit zu. Er bestand siegreich alle Prüfungen und Versuche, die man mit ihm anstellte, und man entschloß sich im Jahre 1886, eine öffentliche Desinfektionsanstalt zu gründen und mit diesem Apparat auszurüsten. Der deutschen Reichshauptstadt gebührt der Ruhm, diese gemeinnützige Neuerung ins Leben gerufen zu haben.

Heute besitzt Berlin bereits zwei derartige Anstalten, die fortwährend von besonders abgesandten Sachverständigen der größten Städte des In- und Auslandes besichtigt werden, und auch in anderen Großstädten findet man dergleichen Einrichtungen. Es ist aber im Interesse der Volkswohlfahrt zu wünschen, daß die Bewegung sich ausbreite und selbst in die kleineren Städte dringe. Gleichzeitig ist auch erforderlich, daß breite Volksschichten mit dem Nutzen der öffentlichen Desinfektionsanstalten vertraut gemacht werden und von ihnen in entsprechender Weise Gebrauch machen.

Wie ist eine solche Anstalt beschaffen wie geht es in derselben zu? Wir wollen versuchen, es in aller Kürze zu schildern.

Zunächst wollen wir den Desinfektionsapparat selbst ins Auge fassen.

Unsere Abbildung S. 645 veranschaulicht uns die Konstruktion der neuesten Form desselben. Wir haben einen cylindrischen eisernen Kasten vor uns. Die Rohre, die in denselben münden oder von ihm aufsteigen, dienen zum Vorwärmen des Apparates, zum Zuführen heißer Dämpfe oder zur Ableitung derselben und zur schließlichen Lüftung. Der Dampfdruck wird durch Ventile geregelt. Im Innern des Kastens, der selbstverständlich in beliebiger Größe hergestellt werden kann, befindet sich ein verschiebbares Wagengestell, auf welches die zu desinfizierenden Gegenstände wie Matratzen, Betten, Wäsche, Kleider etc. gelegt werden. Ist das Wagengestell gefüllt, so wird es auf Schienen in den Apparat hineingeschoben, die Thür luftdicht verschlossen und heißer Dampf unter einem bestimmten Druck etwa eine Viertelstunde lang in den Apparat hineingelassen. Während dieser Zeit wird selbst das dickste Polster der größten Matratzen derartig erhitzt, daß die Temperatur über 100° C. beträgt, und somit ist in dieser Zeit der gesammte Inhalt des Wagengestells aufs gründlichste desinfiziert.

Schematischer Grundriß einer öffentlichen Desinfektionsanstalt.

Außer den cylindrischen Apparaten werden auch viereckige gebaut. Wir sehen sie auf unserer obenstehenden Abbildung wiedergegeben. Im Hintergrunde ist an einem derselben das Wagengestell vorgeschoben und wird gerade gefüllt. Die mit II und III bezeichneten Apparate sind geschlossen, befinden sich in Thätigkeit. Die Abbildung stellt einen der Desinfektionsräume der ersten öffentlichen Desinfektionsanstalt in Berlin dar.

Die Einzelheiten des Bildes werden unseren Lesern sofort klar, [647] wenn wir ihnen eine Skizze der allgemeinen Einrichtung einer solchen Anstalt entwerfen. N. N. wünscht, daß seine Sachen, da in der Familie ein Diphtheritisfall vorgekommen ist, desinfiziert werden. Nach erfolgter Anzeige, die in Berlin auch durch jede telephonische Gelegenheit besorgt werden kann, fährt vor seinem Hause ein Anstaltswagen vor. Das Anstaltspersonal füllt die Sachen in mitgebrachte Leinwandsäcke, die mit Carbolsäure besprengt sind, und fährt mit ihnen nach der Anstalt ab.

Einen Grundriß derselben finden wir in der beigegebenen Planzeichnung.

Der Wagen fährt vor die Thür T1; hier werden die mit Ansteckungskeimen behafteten Sachen in Empfang genommen und in den Aufbewahrungsraum R1 gebracht. Von diesem gelangen sie in den eigentlichen Desinfektionsraum D1, den wir in dem großen Bilde dargestellt sehen. Von jedem der drei Apparate (a), die hier aufgestellt sind, ist nur die Hälfte sichtbar; denn die Räume D1 und D2 sind durch eine luftdichte Wand (W) von einander getrennt und in diese sind die Apparate eingemauert. Im Raum D1 wird der Wagen des Apparates mit den zu desinfizierenden Sachen gefüllt und, nachdem der Apparat geschlossen worden ist, der Dampf eingelassen. Ist die Desinfektion nach einer festgesetzten Frist, etwa einer halben Stunde, beendet, dann wird durch ein Klingelzeichen das Personal in dem Raume D2 davon in Kenntniß gesetzt. Es öffnet hierauf die in diesem Raume befindliche zweite Thür des Apparates, zieht den Wagen heraus, entnimmt ihm die desinfizierten Gegenstände und bringt sie in den Aufbewahrungsraum R2, der von dem Raume R1 gleichfalls durch eine luftdichte Wand abgeschlossen ist.

Ein neuer Wagen fährt hierauf vor die Thür T2 und bringt die desinfizierten Sachen dem Eigenthümer zurück, der sie ohne die geringste Gefahr für die Gesundheit wieder benutzen kann.

In der Anstalt ist aufs strengste der Grundsatz durchgeführt, daß zwischen den Leuten, welche mit den zu desinfizierenden Sachen, und denjenigen, die mit den desinfizierten Sachen zu thun haben, keine Berührung stattfindet. Für beide Theile sind besondere Eingänge geschaffen, auch der Wagenhof ist durch eine Mauer abgetheilt; besondere Wagen holen die Sachen ab und besondere bringen sie zurück.

In diesen Apparaten, die in ähnlicher Form nunmehr auch von anderen Firmen gebaut werden, können alle Gebrauchsgegenstände desinfiziert werden, und fast keiner erleidet durch die heißen Dämpfe Beschädigung. Nur das Leder wird brüchig und nur bei unecht gefärbten Stoffen leidet etwas die Farbe, während die echt gefärbten unverändert bleiben. Die Federbetten werden sogar durch die Behandlung mit Dampf sozusagen aufgebessert.

Die öffentlichen Desinfektionsanstalten sind eine der mächtigsten Waffen, die uns die Neuzeit gegen die Verbreitung von Seuchen geliefert hat. Der Wunsch nach ihrer Ausbreitung ist durchaus gerechtfertigt, und bald wird vielleicht die Zeit kommen, in welcher der Gedanke des auf diesem Gebiete hochverdienten Verwaltungsdirektors des Berliner Krankenhauses Moabit, Heinrich Merke, zur Verwirklichung gelangt. Bei der Gründung der ersten Berliner Anstalt hat derselbe vorgeschlagen, daß in einem jeden Kreise eine fliegende Desinfektionsanstalt errichtet würde, welche im Falle der Noth, also bei Ausbruch einer Epidemie, den bedrohten Städtchen und Dörfern zu Hilfe eilen könnte. Der Gedanke ist beherzigenswerth. Deutschland wäre ja dadurch in steter Kriegsbereitschaft gegen die heimtückischsten Feinde, welche jahraus jahrein so viel blühende Menschenleben dahinraffen. Möchte dieser Gedanke in den gemeinnützigen Vereinen und den Gemeindeverbänden einen lebhaften Wiederhall finden! Wir haben die Seuche, unsere Todfeindin, in ihrem Wesen erkannt, suchen wir also mit den sicher treffenden Waffen der Technik und der Wissenschaft ihrer Ausbreitung Einhalt zu gebieten. *




Blätter und Blüthen.

Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze. (Zu dem Bilde S. 632 u. 633) Im hochkultivirten Westen Europas hat der große Reformator unseres Jahrhunderts, „Dampf“ genannt, den Jahrmärkten ihre einstige Bedeutung genommen. Aus den Städten, in deren glänzenden Läden das ganze Jahr über die Waren zum Verkaufe ausliegen, die sonst auf den Märkten feilgeboten wurden, sind letztere sogar meist gänzlich verschwunden, und mancher Leser wird den magischen Zauber nicht mehr verstehen, welcher dem Worte „Jahrmarkt“ einst für jung und alt innewohnte und im europäischen Osten, wo die Mehrzahl der Ortschaften noch viele Meilen vom Weltverkehr entfernt ist, noch heute innewohnt. Muß man doch um Jahrzehnte zurückzudenken vermögen, um sich aus eigener Erfahrung an das Herzpochen zu erinnern, welches schon das Aufschlagen der hölzernen Buden in der Kinderbrust verursachte, um die Sehnsucht zu begreifen, welche die endliche Entfaltung all der wundervollen Schätze bei groß und klein erzeugte. Ist nun auch ein Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze nicht eben ausgezeichnet durch Pracht und Luxus, die Bedeutung desselben bleibt für die Bewohner jener Gegenden dieselbe. Auch hier bringt die Marktzeit Erfüllung für alle Herzenswünsche, welche sich im Laufe eines Halbjahres angesammelt haben, und außerdem noch manche Lustbarkeit; daher denn auch das Mißgeschick, dem Markte fernbleiben zu müssen, dort bei dem weiblichen Theile genau dieselben nervenerschütternden, den Hausfrieden gefährdenden Folgen nach sich zieht wie bei uns etwa das Versagen einer den ganzen Winter über erhofften Badekur.

Um so fröhlicher rüsten sich die „Glücklichen“ schon vor Tagesgrauen zur Fahrt. Immer praktisch, ziehen die Landleute nicht nur als Käufer, sondern auch als Verkäufer zu Markte, daher der geräumige Korbwagen mit allem, was in der Wirthschaft irgend entbehrlich ist, beladen wird, vor allem mit Zwiebeln, Knoblauch und Paprika, den Universalwürzen der magyarisch-rumänischen Küche, aber auch mit Gemüse und Feldfrüchten, Feder- und Kleinvieh; zwischen drin oder oben drauf machen es sich Männlein wie Weiblein so bequem wie möglich, und vorwärts geht es, zwei-, drei- oder vierspännig, Wagen an Wagen dicht hintereinander. Von dem Grenzgebirge aber, den transsylvanischen Alpen, kommen die Bergrumänen und ihre stämmigen Tragthiere herab, mit Holzgeschirr, Schindeln und jenen sonderbaren Schafkäsen belastet, welche in Ziegenfelle eingenäht, Steinkolossen gleichen und weit und breit unter dem Namen „Primsenkäse“ in den Handel gebracht werden. Da wird nun ver- und gekauft, gefeilscht und angepriesen, geschätzt und gewählt, bis die fast senkrecht niederfallenden Sonnenstrahlen daran gemahnen, daß es mittag ist und Zeit zur Einnahme des mitgebrachten Mundvorrathes und zu kurzer Rast. Es ist der Augenblick, welchen unser Bild veranschaulicht. Der Vordergrund zeigt links zwei Rumänen mit ihren Frauen, – den einen in Gesellschaft seines Wolfshundes schlummernd, den andern die neuen Opanken (Sandalen) an seinen Füßen befestigend, ihnen zunächst Magyaren in ihren wie Frauenröcke wallenden Leinenhosen; rechts und im Hintergrunde aber ist die bunte Menge schon wieder in Fluß gerathen – schon wird das Handeln, Feilschen mit verdoppeltem Eifer aufgenommen, um erst bei eintretender Dunkelheit zu enden, mit welcher laute Lust und Fröhlichkeit in Schenken und Scheunen bei Geigenschall und Ungarwein beginnt. Während sich Bursche und Mädchen beim „Hora“, dem rumänischen, oder beim „Csardas“, dem ungarischen Nationaltanz, finden und Amor seine Marktgeschäfte betreibt, plaudern die Alten beim vollen Weinkruge, und erst in später Nachtstunde wird die gemeinschaftliche Heimfahrt wieder angetreten. F. Schifkorn.

Die Zimmerpflanzen im September. Die wichtigste Arbeit ist, die im vorigen Monat bestellten oder gekauften Blumenzwiebeln einzupflanzen. Die Größe der Hyazinthentöpfe wurden schon im August angegeben. Zu den anderen Zwiebeln nimmt man Töpfe von gewöhnlicher Form: zu Crocus, Narzissen, Tulpen, wovon mehrere in einen Topf kommen, nicht über 12 cm weit, auch kleiner, und für einzelne Zwiebeln z. B. Tournesol-Tulpen nicht über 8 cm weit. Als Erde benutzt man für alle Zwiebeln eine sandige Land- oder Normalerde, oder auch Kompost- oder Mistbeeterde. Man drückt die Erde in den Töpfen etwas fest und legt die Zwiebeln so tief, daß noch 5 cm Erde über die Spitzen kommt. Die Töpfe werden bis an den Rand mit Erde gefüllt und, wenn die Erde nicht naß war, mit einer Brause stark begossen, zu welchem Zwecke man sämmtliche fertige Töpfe dicht neben einander stellt. Wer einen Garten hat, macht dort eine 1/2 m tiefe Grube, welche vor dem Einstellen der Zwiebeltöpfe tüchtig durchnäßt wird. Hierauf werden die Töpfe sorten- oder farbenweise dicht zusammengestellt und mit langen Holzetiketten bezeichnet. Dann wird das Ganze mit Erde bedeckt und nochmals begossen, denn die Zwiebeln brauchen zum Bewurzeln viel Feuchtigkeit. Dort bleiben sie in der Erde, bis Mitte November das Treiben beginnt. Wer keinen Garten hat, stellt die Zwiebeltöpfe in mit feuchtem Erdboden oder Sand gefüllte Holzkästen, die man in einem Keller unterbringt. Man kann sie auch ohne Kasten in den Sand des Gemüsekellers eingraben, so daß die Töpfe 10 bis 15 cm hoch mit Sand bedeckt sind. In beiden Fällen sorgt man durch Begießen der ganzen Sandfläche für die nöthige Feuchtigkeit.

Kommen noch Töpfe vor, welche voraussichtlich den Winter über den Pflanzen zu wenig Nahrung geben, was besonders bei Pflanzen in wärmeren Räumen begegnet, so können sie bis Mitte des Monats noch in größere Töpfe gepflanzt werden, aber nur in wenig größere, wobei auch die am Rande verfilzten Wurzeln beschnitten werden; die unbeschnittenen Wurzeln verfaulen. Dünger darf um diese Zeit nicht mehr gegeben werden. Nur Reseda, welche schon herangewachsen sind, könnte man mit sehr verdünntem Düngerwasser gießen. Hat man im Juli Chinaprimeln und Cinerarien gesäet und im August in Holzkästen oder flache Samentöpfe pickirt (vereinzelt gepflanzt), so müssen diese Pflanzen jetzt einzeln in kleine Töpfe verpflanzt, aber noch im Freien, wo sie geschützt werden können, aufgestellt werden. Hierzu verwendet man lockere, sandige Mistbeeterde und thut wohl, bei Primeln zerpulverte Holzkohle darunter zu mischen. Hornspäne oder andere Düngerpulver dürfen im Herbst nicht unter die Erde gemischt werden. Hat man Stecklinge von Geranien und andern Blüthenpflanzen gemacht, wovon viele zusammen in einem Topfe stehen, so werden diese, vorausgesetzt, daß Ueberwinterungsraum genug [648] vorhanden ist, einzeln in kleine Töpfe gepflanzt. Wer im Garten Goldlack (Gelbveilchen) und Winterlevkojen gepflanzt hat, muß sie nun einpflanzen und im Schatten oder Mistbeetkasten aufstellen, bis sie Ende Oktober in den Ueberwinterungsraum kommen. Von Levkojen pflanzt man nur solche ein, deren Knospen bereits als gefüllte zu erkennen sind. Ich kann diese Kultur nur solchen empfehlen, welche besondere Liebhaberei für diese Pflanzen und zugleich einen großen trockenen Ueberwinterungsraum haben. Ist der Herbst regnerisch, so legt man die absterbenden Lilien in den Töpfen um oder schützt sie auf andere Weise. Man kann sie auch im Garten tief eingraben und die Erde ringsum anhäufeln, so daß das Regenwasser abläuft.

Eine neue Dichtung von Rudolf Baumbach. Die leichtgeschürzte zierliche Muse dieses Dichters strebt immer mehr nach beschaulicher Darstellung, wie die Dichtung „Kaiser Max und seine Jäger“ (Leipzig, Verlag von A. G. Liebeskind) beweist. Zwar fehlt es auch hier nicht an einzelnen anmuthig hingehauchten Liedern und an jenen liederartigen Naturbildern, in denen das Leben der Alpenwelt sich so stimmungsvoll spiegelt, doch überwiegen die breiteren Schilderungen aus dem Hof- und Volksleben, wie die des Reckenspiels und des Johannisfeuers; auch der allbekannte Balladenstoff Kaiser Max auf der Martiuswand ist mit in die Handlung verwebt und in der knappen Form behandelt, welche die Muse Baumbachs liebt. Es ist eine eigenartige Erfindung des Dichters, daß der Nürnberger Schusterbursche Hans Sachs auf seiner Wanderung in die Hof- und Jagdgesellschaft des Kaisers geräth. So ist denn auch etwas Meistersängerei mit in das Gewebe der Dichtung verflochten. Hans Sachs schließt mit einem Jäger Sixt Freundschaft, die aber auf eine harte Probe gesetzt wird: der Jäger liebt Marilene, die Tochter eines Burgmannes und der alten Else; doch beim Johannisfeuer, wo er mit ihr einen unglücklichen Sprung durch die Flammen gethan, entbrennt seine Eifersucht auf Hans Sachs, der, glücklicher als er, von Marilene begünstigt scheint. In einer wilden Scene vergreift er sich an ihm und verletzt ihn aufs schlimmste. Doch nicht Hans Sachs, der Kaiser selbst ist sein Nebenbuhler; man hat ihn gesehen im zärtlichen Zusammensein mit dem Mädchen. Jetzt hegt der Jäger hochverräterische Gedanken und will dem Herrscher selbst an Leib und Leben, bis sich das Räthsel jener zärtlichen Zusammenkünfte löst – der Kaiser ist Marilenens Vater. Da faßt Reue den friedlosen Mann über das, was er gethan und gesonnen hat, doch gewährt ihm ein freundliches Geschick, daß er durch die That dafür Buße thun kann; er ist’s, der den auf der Martiuswand verirrten Kaiser errettet und dann von ihm selbst Verzeihung sowie Marilenens Hand erhält. Einer kleinen Liebschaft von Hans Sachs mit dem anfangs als Bursche verkleideten Mädchen Cilli, der Tochter des Malers Raber, wird auch am Schluß der Dichtung eine verheißungsvolle Aussicht eröffnet.

Als ein Beispiel der kurzathmigen, aber dem Naturleben sinnig abgelauschten Bilder aus der Alpenwelt theilen wir die Schilderung des Frühlings im Hochgebirge mit, welche die Dichtung eröffnet:

„Am Ferner leckt der Sonnenstrahl,
Hoch wallt der Inn durchs weite Thal;
Noch trägt Frau Hill an Berges Rand
Ihr weißes Hermelingewand.
Doch unten weht um Baum und Strauch
Des Frühlings warmer Liebeshauch.
Er küßt die Schlehenblüthe wach,
Bekränzt mit lichtem Grün den Bach;
Er lockt der gelben Primeln Schar
Und strählt der Birke zartes Haar.
Die alte Lärche sturmzerpflückt
Hat er mit Blüthen roth geschmückt;
Den ausgehöhlten Weidenbaum
Im grünen Schopf – man kennt ihn kaum,
Und selbst die alten Wettertannen
Die Aeste wohlig weiter spannen,
Ob ihnen wohl die Sommerszeit
Noch einmal frischen Trieb verleiht.“


Nach dem Essen. Es giebt ein Sprichwort, das lautet:

„Nach dem Essen mußt du steh’n
Oder tausend Schritte geh’n.“

Das Sprichwort enthält im Gegensatz zu vielen anderen keine Volksweisheit, man hat es verbessert und sagt:

„Nach dem Essen sollst du ruh’n,
Eine Stunde gar nichts thun.“

Die Verdauung ist auch eine Arbeit und zwar für die Gesundheit eine gar wichtige; man muß darum dem Körper die Zeit zur Vollendung dieser Arbeit gönnen. Die Unterlassung dieser Lebensregel rächt sich namentlich bei der Jugend, bei der auf die richtige Ernährung soviel ankommt, und Eltern sollten darum dafür sorgen, daß die Kinder nicht unmittelbar nach dem Essen zur Schule gehen oder zu arbeiten anfangen.

Was soll man nun nach dem Essen thun? In erster Linie wird ein Mittagsschläfchen empfohlen. Dieses ist gut, aber nicht für alle. Blasse, magere und schwächliche Personen, sowie ältere Leute werden durch dasselbe gestärkt. Wohlbeleibte sollten es vermeiden und Leute, die in der Blüthe ihrer Kraft stehen, brauchen es sich nicht anzugewöhnen. Sie können die Zeit der Mittagsruhe mit einer harmlosen Unterhaltung bei einer Tasse Kaffee, mit der Lektüre einer Zeitung u. dergl. ausfüllen. Um die Verdauung zu befördern, sollte man kurz nach dem Essen ein Glas reines Brunnenwasser trinken, da dadurch die genossenen Speisen verdünnt werden und die mechanische Arbeit dem Magen erleichtert wird. Wichtig ist aber auch die Stellung des Körpers nach dem Essen. Sitzt man vorgebeugt, so drückt man den Magen und hindert die Bewegungen der Verdauungsorgane. Man sollte darum möglichst zurückgelehnt sitzen. Die beste Lage des Körpers für die Zeit der Mittagsruhe ist ohne Zweifel das Liegen, welches nur gewisse Kranke zu vermeiden haben.

Solche Lebensregeln erscheinen auf den ersten Blick kleinlich, aber viele kleine Ursachen rufen große Wirkungen hervor und viele üble Gewohnheiten, die scheinbar geringfügig sind, können im Laufe der Jahre die Gesundheit schädigen. Wir geben Geld aus, um gute Nahrung zu erlangen, wir müssen aber auch dafür sorgen, daß diese gut verdaut wird und dem Körper Nutzen bringt. Die Frage der Mittagspause ist darum wichtig, die Ruhezeit wird jedem Arbeiter gegönnt; es liegt nur an uns, sie richtig auszunützen. *

Auflösung der Skataufgabe auf S. 532:

Es ist zu unterscheiden, ob der Spieler in Vorhand, oder ob er in Mittel- oder Hinterhand sitzt. In Vorhand würde er unzweifelhaft sW wählen und Eichelsolo Schwarz ansagen (9 × 12 = 108). Sitzt aber der Spieler in Mittel- oder Hinterhand, so ist zwar Eichelsolo Schneider angesagt mit sW unverlierbar, es kostet aber nur 7 × 12 = 84, und deshalb wird sich der Spieler nicht sW, sondern eD wählen, weil er dann Grand-Schneider ansagen kann, was 6 × 16 = 96 kostet und unverlierbar ist, da die Gegner, wie die Berechnung ergiebt, höchstens 30 Augen bekommen können. Hätte Spieler den sW gewählt und Grand angesagt, so könnte er sogar in Vorhand das Spiel verlieren, da z. B. bei folgender Kartenvertheilung:

I. Gegner: eD, eK, eO, gO, g9, g8, g7, rK, r7 s7,
II. Gegner: rD, rZ, rO, r9, sD, sZ, sK, sO, s9, s8

die Gegner 60 Augen hereinbekommen.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Alte Kunstfreundin in W. . .r. Wir vermögen doch nicht in Ihre Klagen einzustimmen: Malvorlagen für junge Damen giebt es in großer Zahl und auch in guter Ausführung. Dem ersten Wunsche Ihrer Tochter, „die ewige, unvergleichliche Schönheit des Meeres und den idyllischen Reiz mondumleuchteter Landschaften an See und Meer“ in Aquarellen wiederzugeben, kommen „Vier Uferbilder“ entgegen, welche jüngst im Verlage von Willner und Pick in Teplitz i. B. erschienen und als gute Vorlagen zu benutzen sind. Sehr ansprechend ausgeführt sind auch vier Blatt Alpenblumen mit entsprechender Gebirgslandschaft, welche unter dem Titel „Edelweiß“ im gleichen Verlage herauskamen. Und ist Ihr Fräulein Tochter im Figurenzeichnen etwas gewandt, so wird sie an den hübschen Amorettenpaaren, die Professor Woldemar Friedrich unter dem Titel „Die Jahreszeiten“ (ebenda) bietet, gewiß Freude haben.

Georg P. in D. Ihre Mittheilungen über Eiche und Galläpfel waren uns interessant, wenn sie auch nicht gerade Neues enthalten. Schon in dem 1586 erschienenen berühmten Kräuterbuche von Pet. Andr. Matthiolus, von welchem Werke noch im vorigen Jahrhundert verschiedene Auflagen erschienen, wird den auf der Eiche gewachsenen Galläpfeln die Gabe der Wahrsagung zugeschrieben. Es heißt dort: „Die größeren Galläpfel haben diese Eigenschaft, daß sie jährlich deuten oder anzeigen, ob dasselb Jar fruchtbar oder unfruchtbar, ob sich Krieg empören oder die Pestilenz regieren werde. Im Jenner oder Hornung nimb ein neuen ganzen unversehrten Gallapfel, der nicht löcherig sei, brich ihn mitten entzwei, so findestu darinnen eines unter den dreien Dingen: nemlich eine Fliege, Würmle oder Spinnen. Die Fliege bedeutet Krieg, das Würmle Theuerung, die Spinne ein Sterbslauf.“

A. V. in S. Wir können Ihnen nicht rathen, ohne Anordnung eines Arztes Ihrem Sohne ein Korsett zum Tragen zu geben. Führen Sie ihn gefl. zu einem Arzte, damit dieser sein Rückgrat untersucht. Und ist dieses gesund, so ist einzig und allein Marschiren, Turnen, Schwimmen etc. am Platz, nicht aber ein Korsett. Was weiter den Schutz gegen „Unmäßigkeit im Trinken“ anlangt, so können wir uns der wohlgemeinten Bemerkung nicht enthalten, daß dagegen eine ernstliche Zucht allein wirksam ist; ein Junge von 16 Jahren, und wenn er auch der beste Schüler ist, hat „Unmäßigkeit im Trinken in regelmäßigen Kommersen“ entschieden zu vermeiden.

E. W. Steiermark. So alt die Sage vom „Tischrücken“ ist, ein über alle Zweifel erhabener und wissenschaftlich beglaubigter Fall ist bis heute nicht nachgewiesen worden.

A. M. in Landau. Die fragliche Abbildung ist nicht in der „Gartenlaube“ erschienen; vielleicht liegt eine Verwechselung mit einem anderen illustrirten Blatte vor. Der „blaue Brief“ ist auch unseres Wissens in der Regel verblümter Ausdruck für den Abschied, nicht für Beförderung.

A. S. in Gnesen. Besten Dank für Ihren Vorschlag! Aber jeder gute Buchbinder wird die doppelseitigen Bilder mit solchem Falz einheften, um sie zu schonen.



Inhalt: Sicilische Rache. Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans (Fortsetzung). S. 629. – Des Herbstes Erstlinge. Illustration. S. 629. – Wandlungen der Sprache. Von Dr. Söhns. S. 635. – Vom höchsten deutschen Berge. Land und Leute am Kilimandscharo. Von C. Falkenhorst. S. 637. Mit Abbildungen von R. Püttner und A. v. Roeßler. S. 637, 639 und 640. – Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 640. – Das erste Examen. Illustration. S. 641. – Oeffentliche Desinfektionsanstalten. S. 645. Mit Abbildungen S. 645 und 646. – Blätter und Blüthen: Mark an der ungarisch-rumänischen Grenze. Von F. Schifkorn. S. 647. Mit Abbildung S. 632 und 633. – Die Zimmerpflanzen im September. S. 647. – Eine neue Dichtung von Rudolf Baumbach. S. 648. – Nach dem Essen. S. 648. – Auflösung der Skataufgabe auf S. 532. S. 648. Kleiner Briefkasten. S. 648.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Wie das Geschirr, so der Herr!
  2. Der Reisende Graf Teleki.
  3. Kilima heißt „Berg“ und Ndscharo ist der Name eines Dämons, welcher Kälte bringt.