Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Elftes Capitel
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- Verachtung, Spott und Geringschätzung verschieden ausgedrückt. — Höhnisches Lächeln. — Geberden, welche Verachtung ausdrücken. — Abscheu. — Schuld, List, Stolz u. s. w. — Hülflosigkeit oder Unvermögen. — Geduld. — Hartnäckigkeit. — Zucken der Schultern, bei den meisten Menschenrassen vorkommend. — Zeichen der Bejahung und Verneinung.
Spott und Geringschätzung kann kaum von Verachtung unterschieden werden, ausgenommen, daß sie einen im Ganzen genommen zornigeren Seelenzustand voraussetzen. Sie können auch nicht deutlich von den Empfindungen unterschieden werden, welche im letzten Capitel unter der Bezeichnung des Hohnes und des herausfordernden Trotzes erörtert wurden. Abscheu ist eine ihrer Natur nach im Ganzen verschiedenere Empfindung und bezieht sich auf etwas Widerstrebendes, ursprünglich in Bezug auf den Geschmackssinn, wie es entweder factisch wahrgenommen oder lebhaft eingebildet wird, und an zweiter Stelle auf irgend Etwas, was eine ähnliche Empfindung verursacht und zwar durch den Sinn des Geruchs oder Gefühls oder selbst des Gesichts. Nichtsdestoweniger ist äußerste Verachtung oder wie sie zuweilen genannt wird, widrige Verachtung kaum von Abscheu verschieden. Diese verschiedenen Zustände der Seele sind daher nahe mit einander verwandt und jeder von ihnen kann auf viele verschiedene Weise dargestellt werden. Einige Schriftsteller haben hauptsächlich die eine Ausdrucksweise hervorgehoben, andere wieder eine davon verschiedene. Aus diesen Umständen hat Mr. Lemoine gefolgert,[1] [233] daß ihre Beschreibungen nicht zuverlässig sind. Wir werden aber sofort sehen, daß es sehr natürlich ist, daß die Empfindungen, welche wir hier zu betrachten haben, auf viele verschiedenartige Weise ausgedrückt werden, insofern verschiedene gewohnheitsgemäße Handlungen gleichmäßig gut, durch das Princip der Association nämlich, zum Ausdrucke derselben dienen.
Spott und Geringschätzung können ebenso wie Hohn und herausfordernder Trotz durch ein unbedeutendes Entblößen des Eckzahns auf einer Seite des Gesichts dargestellt werden, und diese Bewegung scheint allmählich in eine andere überzugehen, die einem Lächeln außerordentlich ähnlich ist. Oder das Lächeln oder das Lachen kann ein wirkliches sein, wenn auch ein höhnisches, und dies setzt voraus, daß der Beleidiger so bedeutungslos ist, daß er nur Erheiterung erregt; die Erheiterung ist aber meist nur eine vorgebliche. Gaika bemerkt in seinen Antworten auf meine Fragen, daß von seinen Landsleuten, den Kaffern, Verachtung gewöhnlich durch ein Lächeln gezeigt wird; und der Rajah Brooke macht dieselbe Bemerkung in Bezug auf die Dyaks von Borneo. Da das Lachen ursprünglich der Ausdruck einfacher Freude ist, so lachen, wie ich glaube, kleine Kinder niemals aus Hohn.
Das theilweise Schließen der Augenlider, wie Duchenne hervorhebt,[2] oder das Wegwenden der Augen oder auch des ganzen Körpers sind gleichfalls äußerst ausdrucksvoll für Geringschätzung. Diese Handlungen scheinen erklären zu sollen, daß die verachtete Person nicht werth ist, angesehen zu werden oder unangenehm anzusehen ist. Die beistehende Photographie (Tafel V, Fig. 1) von Mr. Rejlander zeigt diese Form der Geringschätzung. Sie stellt eine junge Dame dar, von der man sich vorstellen kann, daß sie die Photographie eines verachteten Liebhabers zerreißt.
Die gewöhnlichste Methode, Verachtung auszudrücken, ist die durch gewisse Bewegungen um die Nase und um den Mund. Aber die letzteren Bewegungen zeigen, wenn sie scharf ausgesprochen sind, Abscheu an. Die Nase kann leicht in die Höhe gewendet sein, was allem Anscheine nach Folge des Aufwerfens der Oberlippe ist, oder [234] die Bewegung kann in ein bloßes Falten der Nase abgekürzt sein. Die Nase ist häufig unbedeutend zusammengezogen, so daß der Gang zum Theil geschlossen wird,[3] und dies ist häufig von einem unbedeutenden Schnaufen oder einer Exspiration begleitet. Alle diese Thätigkeiten sind dieselben wie diejenigen, welche wir anwenden, wenn wir einen widrigen Geruch wahrnehmen, welchen wir von uns abzuhalten oder auszutreiben suchen. In äußersten Fällen strecken wir, wie Dr. Piderit bemerkt,[4] beide Lippen vor und erheben sie oder auch nur die Oberlippe allein, gewissermaßen um die Nasenlöcher wie mit einer Klappe zu schließen, wobei natürlich die Nase nach oben gewendet wird. Wir scheinen hierdurch der verachteten Person sagen zu wollen, daß sie widerwärtig riecht,[5] in nahe derselben Art und Weise, wie wir ihr durch unsere halbgeschlossenen Augenlider oder durch das Wegwenden unseres Gesichts ausdrücken, daß sie nicht werth ist, angesehen zu werden. Man darf indessen nicht etwa annehmen, daß derartige Ideen wirklich durch die Seele ziehen, wenn wir unsere Verachtung ausdrücken. Da wir aber, so oft wir nur einen unangenehmen Geruch oder einen unangenehmen Anblick wahrgenommen haben, Bewegungen dieser Art ausgeführt haben, so sind sie gewohnheitsgemäß oder fixirt worden und werden nun unter jedem analogen Seelenzustande angewendet.
Verschiedene merkwürdige kleine Geberden deuten gleicherweise Verachtung an, z. B. mit den Fingern „ein Schnippchen schlagen.“ [235] Dies ist, wie Mr. Tylor bemerkt[6] „nicht sehr leicht zu verstehen, „sowie wir es allgemein sehen. Wenn wir aber bemerken, daß dieselben Zeichen, wenn sie vollständig ruhig gemacht werden, wie wenn irgend ein kleiner Gegenstand zwischen dem Zeigefinger und Daumen weggerollt wird, oder wenn ein solcher mit dem Daumennagel und Zeigefinger weggeschnippt wird, gewöhnliche und ganz gut verstandene Geberden der Taubstummen sind, welche irgend etwas Geringes, Unbedeutendes, Verächtliches bezeichnen, so scheint es, als wenn wir hier eine vollkommen natürliche Handlungsweise übertrieben und conventionell in einer Weise mit einer Bedeutung versehen hätten, daß ihre ursprüngliche Meinung ganz verloren gegangen ist. Eine merkwürdige Erwähnung dieser Geberde findet sich bei Strabo.“ Mr. Washington Matthews theilt mir mit, daß bei den Dakota-Indianern von Nord-America Verachtung nicht bloß durch Bewegungen des Gesichts so wie die oben beschriebenen ausgedrückt wird, sondern auch „conventionell dadurch, daß die Hand geschlossen und in die Nähe der Brust gehalten wird, daß dann der Vorderarm plötzlich ausgestreckt, die Hand geöffnet und die Finger von einander gespreizt werden. Wenn die Person, auf deren Kosten das Zeichen gemacht wird, anwesend ist, so wird die Hand nach ihr hin und der Kopf zuweilen von ihr weggewendet.“ Dieses plötzliche Ausstrecken und Öffnen der Hand deutet vielleicht das Fallenlassen oder Wegwerfen eines werthlosen Gegenstandes an.
Der Ausdruck „Abscheu oder Widerwillen“ in seiner einfachsten Bedeutung bezeichnet etwas dem Geschmacke Widerwärtiges. Es ist merkwürdig, wie leicht diese Empfindung durch irgend Etwas in der äußern Erscheinung, in dem Geruche oder der Natur unserer Nahrung Ungewöhnliches erregt wird. Im Feuerlande berührte ein Eingeborener etwas kaltes präservirtes Fleisch, welches ich in unserem Bivouak aß, mit seinen Fingern und zeigte deutlich den äußersten Abscheu über dessen Weichheit, während ich auf der anderen Seite den äußersten Abscheu davor empfand, daß meine Speise von einem nackten Wilden berührt worden sei, wenn schon seine Hände nicht schmutzig zu sein schienen. Etwas Suppe in den Bart eines Menschen geschmiert, erscheint widerlich, trotzdem daß natürlich nichts Widerliches in der Suppe selbst ist. Ich vermuthe, daß dies aus der sehr [236] starken Association der beiden Eindrücke in unserer Seele, nämlich des Anblicks der Nahrung, wie sie auch sonst beschaffen sein mag, und der Idee des Essens derselben, folgt.
Da die Empfindung des Abscheus ursprünglich in Verbindung mit dem Acte des Essens oder Schmeckens entsteht, so ist es natürlich, daß die Ausdrucksformen für denselben hauptsächlich in Bewegungen rund um den Mund bestehen. Da aber Abscheu gleichzeitig auch Ärger verursacht, so wird er gewöhnlich von einem Stirnrunzeln begleitet und häufig auch durch Geberden, als wollte man den widerwärtigen Gegenstand fortstoßen oder sich gegen denselben verwahren. In den beiden Photographien (Figur 2 und 3 auf Tafel V.) hat Mr. Rejlander diesen Ausdruck mit ziemlichem Erfolge dargestellt. Was das Gesicht betrifft, so wird mäßiger Abscheu auf verschiedenem Wege dargestellt: dadurch daß der Mund weit geöffnet wird, als wollte man einen widrigen Bissen herausfallen lassen, durch Spucken, durch Blasen, aus den vorgestreckten Lippen heraus, oder durch einen Laut als reinigte man sich die Kehle; derartige Gutturale werden geschrieben: „ach“ oder „uch“ und ihre Äußerung wird zuweilen von einem Schauder begleitet, wobei die Arme dicht an die Seite gepreßt und die Schultern in derselben Weise erhoben werden, als wenn Entsetzen gefühlt würde.[7] Äußerster Abscheu wird durch Bewegungen rings um den Mund ausgedrückt, welche mit denen identisch sind, die für den Act des Erbrechens vorbereitend sind. Der Mund wird weit geöffnet, die Oberlippe stark zurückgezogen, welches die Seiten der Nase in starke Falten bringt, und die Unterlippe vorgestreckt und so viel als möglich umgewendet. Diese letztere Bewegung erfordert die Zusammenziehung der Muskeln, welche die Mundwinkel herunterziehen.[8]
Es ist merkwürdig, wie leicht und augenblicklich entweder bloßes Würgen oder wirkliches Erbrechen bei manchen Personen durch die bloße Idee herbeigeführt wird, an irgend einer ungewöhnlichen Nahrung theilgenommen zu haben, wie an einem Thiere, welches gewöhnlich [237] nicht gegessen wird, trotzdem nichts in einer derartigen Speise vorhanden ist, was den Magen veranlassen könnte, sie wieder auszuwerfen. Erfolgt Erbrechen als eine Reflexthätigkeit aus irgend einer wirklichen Ursache — so in Folge zu reichlicher Nahrung oder verdorbenen Fleisches oder in Folge eines Brechmittels — so erfolgt es nicht augenblicklich, sondern gewöhnlich nach einem beträchtlichen Zeitraume. Um daher das Würgen oder Erbrechen, welches so schnell und leicht durch eine bloße Idee erregt wird, erklären zu können, entsteht die Vermuthung, daß unsere Urerzeuger früher die Fähigkeit gehabt haben müssen (ähnlich wie die, welche die Wiederkäuer und einige andere Thiere besitzen) willkürlich Nahrung, welche ihnen nicht zusteht, oder von welcher sie glauben, daß sie ihnen nicht bekommt, auswerfen zu können. Und wenn nun auch diese Fähigkeit verloren gegangen ist, soweit der Wille dabei in Betracht kommt, so wird sie doch zu unwillkürlicher Thätigkeit gerufen und zwar durch die Kraft einer früher wohlbefestigten Gewohnheit, sobald der Geist vor der Idee zurückschreckt, irgend eine gewisse Art von Nahrung oder irgend etwas Widerwärtiges überhaupt genossen zu haben. Diese Vermuthung erhält durch die Thatsache, welche mir Mr. Sutton versichert hat, Unterstützung, daß sich die Affen im zoologischen Garten häufig erbrechen, während sie doch in vollständiger Gesundheit sich finden, was genau so aussieht, als wäre der Act völlig willkürlich. Wir können nun wohl verstehen, daß ein Mensch im Stande ist, durch die Sprache seinen Kindern und Andern eine Kenntnis der Speisearten mitzutheilen, welche vermieden werden sollen, und daß er in Folge dessen nur wenig Veranlassung gehabt haben wird, die Fähigkeit des willkürlichen Auswerfens anzuwenden; hierdurch wird dann diese Fähigkeit leicht in Folge von Nichtgebrauch verloren gegangen sein.
Da der Geruchssinn so innig mit dem des Geschmacks in Verbindung steht, so ist es nicht überraschend, daß ein äußerst schlechter Geruch bei manchen Personen Würgen oder Erbrechen eben so leicht erregen kann, als der Gedanke an eine widerwärtige Speise es thut, und daß als eine weitere Folge davon ein mäßiger widerwärtiger Geruch die verschiedenen für den Abscheu ausdrucksvollen Bewegungen verursachen kann. Die Neigung in Folge eines fauligen Geruchs zu würgen wird in einer merkwürdigen Weise unmittelbar durch einen gewissen Grad von Gewohnheit verstärkt, dagegen sehr bald durch [238] ein längeres Bekanntsein mit der Ursache des Widerwärtigen und durch willkürliches Bekämpfen verloren. So wollte ich z. B. das Skelet eines Vogels reinigen, welches nicht hinreichend macerirt war; der Geruch davon brachte meinem Diener und mir selbst (wir hatten Beide nicht viel Erfahrung in derartigen Arbeiten) so heftige Würganfälle herbei, daß wir gezwungen waren, es aufzugeben. Während der vorausgehenden Tage hatte ich einige andere Skelete untersucht, welche unbedeutend rochen und doch afficirte mich der Geruch nicht im Allergeringsten. Dagegen brachten mich diese selben Skelete später für mehrere Tage, sobald ich dieselben in die Hände nahm, zum Würgen.
Aus den Antworten, welche ich von meinen Correspondenten erhalten habe, geht hervor, daß die verschiedenen Bewegungen, welche jetzt als Verachtung und Abscheu ausdrückend beschrieben worden sind, durch einen großen Theil der Welt hindurch vorkommen. So antwortet mir z. B. Dr. Rothrock mit einer entschiedenen Bejahung in Bezug auf gewisse wilde Indianerstämme von Nord-America. Crantz sagt, daß wenn ein Grönländer irgend etwas mit Verachtung oder Entsetzen verneint, er seine Nase aufwirft und einen leisen Laut durch sie ausstößt.[9] Mr. Scott hat mir eine graphische Beschreibung des Gesichts eines jungen Hindus beim Anblicke von Ricinusöl geschickt, welches derselbe gelegentlich zu nehmen gezwungen war. Auch hat Mr. Scott denselben Ausdruck auf dem Gesichte Eingeborener höherer Kasten gesehen, welche sich gewissen verunreinigenden Gegenständen zu sehr genähert hatten. Mr. Bridges sagt, daß „die Feuerländer Verachtung durch Vorstrecken der Lippen und Zischen durch dieselben und durch Aufwerfen der Nase ausdrücken.“ Die Neigung, entweder durch die Nase zu schnüffeln oder einen Laut, der sich durch „uch“ oder „ach“ ausdrücken läßt, auszustoßen, wird von mehreren meiner Correspondenten bemerkt.
Ausspucken scheint beinahe ein ganz allgemeiner Ausdruck der Verachtung oder des Abscheues zu sein und offenbar stellt das Spucken das Ausstoßen von irgend etwas Widerwärtigem aus dem Munde dar. Shakespeare läßt den Herzog von Norfolk sagen: „Ich spei’ ihn an, Nenn ihn verläumderische Memm’ und Schurke.“ [Richard II., Act I., Scene I.]; so ferner Falstaff: „Ich will dir was sagen, Heinz, — wenn [239] ich dir eine Lüge sage, so spei’ mir in’s Gesicht.“ [Heinrich IV., I. Theil, Act II., Scene IV.] Leichhardt bemerkt, daß die Australier „ihre Rede durch Spucken oder durch Ausstoßen eines Geräusches wie puh, puh! unterbrechen, allem Anscheine nach als Ausdruck ihres Abscheus.“ Capitain Burton spricht von gewissen Negern als vor „Abscheu auf die Erde spuckend“.[10] Capitain Speedy theilt mir mit, daß dies auch bei den Abyssiniern der Brauch ist. Mr. Geach sagt, daß bei den Malayen von Malacca der Ausdruck des Abscheus „dem Spucken aus dem Munde entspricht,“ und bei den Feuerländern ist nach der Angabe des Mr. Bridges „das Anspucken Jemandes das höchste Zeichen der Verachtung.“
Ich habe niemals Abscheu deutlicher ausgedrückt gesehen, als auf dem Gesichte eines meiner Kinder im Alter von fünf Monaten, als es zum ersten Male etwas kaltes Wasser, und dann noch einmal einen Monat später, als es ein Stück einer reifen Kirsche in den Mund gesteckt bekam. Es zeigte sich dies dadurch, daß die Lippen und der ganze Mund eine Form annahmen, welche dem Inhalte gestattete, schnell herauszulaufen oder zu fallen. Gleichzeitig wurde die Zunge vorgestreckt. Diese Bewegungen waren von einem geringen Schauder begleitet. Es war um so komischer, als ich zweifle, ob das Kind wirklich Abscheu oder Widerwillen fühlte. Die Augen und die Stirn drückten großes Erstaunen und Erwägung aus. Das Vorstrecken der Zunge, um einen widrigen Gegenstand aus dem Munde fallen zu lassen, dürfte es erklären, woher es kommt, daß das Ausstrecken der Zunge allgemein als ein Zeichen der Verachtung oder des Hasses dient.[11]
Wir haben nun gesehen, daß Hohn, Geringschätzung, Verachtung und Abscheu auf viele verschiedenartige Weise ausgedrückt werden, durch Bewegung des Gesichts und durch verschiedene Geberden, und daß diese über die ganze Erde dieselben sind. Sie bestehen alle aus Handlungen, welche das Zurückweisen oder Ausstoßen irgend eines wirklichen Gegenstandes ausdrücken, den wir nicht gern haben oder verabscheuen, welcher aber keine anderen starken Gemüthserregungen einer gewissen Art, wie Wuth oder Schrecken, in uns erregt; durch die Gewalt der Gewohnheit und der Association werden dann ähnliche [240] Handlungen ausgeführt, so oft irgend welche analoge Empfindungen in unserer Seele entstehen.
Eifersucht, Neid, Geiz, Rache, Argwohn, List, Schlauheit, Schuld, Eitelkeit, Eingebildetsein, Ehrgeiz, Stolz, Demuth u. s. w. — Es ist zweifelhaft, ob die größere Zahl der eben erwähnten complicirten Seelenzustände durch irgend welchen feststehenden Ausdruck, der hinreichend deutlich wäre, um beschrieben oder gezeichnet zu werden, verrathen wird. Wenn Shakespeare von dem Neide als „hohläugig“ oder „schwarz“ oder „blaß“ und von der Eifersucht als „dem grünäugigen Ungeheuer“ spricht, und wenn Spenser den Argwohn als „faul, misgünstig und grimmig“ beschreibt, so müssen sie diese Schwierigkeit empfunden haben. Nichtsdestoweniger können die erwähnten Empfindungen — wenigstens viele von ihnen — durch die Augen entdeckt werden, z. B. Eingebildetsein. Wir werden aber häufig in einem höheren Grade, als wir vermuthen, durch unsere vorausgehende Kenntnis der Personen oder der Umstände geleitet.
Meine Frage, ob der Ausdruck der Schuld oder der List unter den verschiedenen Menschenrassen wieder erkannt werden kann, beantworten meine Correspondenten beinahe einstimmig bejahend; ich verlasse mich auch auf ihre Antwort, da sie allgemein verneinen, daß die Eifersucht in dieser Weise erkannt werden kann. In den Fällen, wo Einzelnheiten mitgetheilt werden, wird beinahe immer auf die Augen Bezug genommen. Von einem schuldigen Menschen wird gesagt, daß er es vermeide, seinen Ankläger anzusehen, oder daß er ihm nur verstohlene Blicke zuwerfe. Von den Augen wird gesagt, daß sie „schräg hinschielen“ oder daß sie „von einer Seite zur andern schwanken,“ oder daß die Augenlider gesenkt und theilweise „geschlossen“ sind. Letztere Bemerkung hat Mr. Hagenauer in Bezug auf die Australier und Gaika in Bezug auf die Kaffern gemacht. Die ruhelosen Bewegungen der Augen sind allem Anscheine nach, (wie dann noch erklärt werden wird, wenn wir von dem Erröthen sprechen werden), eine Folge davon, daß der Schuldige es nicht aushält, den Blick seines Anklägers zu ertragen. Ich will noch hinzufügen, daß ich bei einigen meiner eigenen Kinder in einem sehr frühen Alter einen Ausdruck der Schuld beobachtet habe ohne einen Schatten von Furcht. In einem Beispiele war der Ausdruck bei einem zwei Jahre und sieben Monate alten Kinde unverkennbar deutlich und führte zur [241] Entdeckung seiner kleinen Missethat. Er wurde, wie ich in meinen zu der Zeit niedergeschriebenen Bemerkungen notirt habe, durch ein unnatürliches Glänzen der Augen und durch eine merkwürdige, affectirte, unmöglich zu beschreibende Art und Weise dargestellt.
Auch die Schlauheit wird, wie ich glaube, hauptsächlich durch Bewegungen um die Augen dargestellt. Denn diese sind weniger unter der Controle des Willens in Folge der Gewalt lang andauernder Gewohnheit, als die Bewegungen des Körpers. Mr. Herbert Spencer,[12] bemerkt „wenn ein lebhaftes Verlangen vorhanden ist, etwas auf der einen Seite des Gesichtsfeldes zu sehen, ohne die Vermuthung aufkommen zu lassen, daß man es sieht, so tritt die Neigung ein, die auffallende Bewegung des Kopfes zu verhindern und die nothwendige Richtung ausschließlich den Augen zu überlassen, welche daher sehr stark nach der einen Seite hingewendet werden. Wenn folglich die Augen nach einer Seite gewendet werden, während das Gesicht nicht nach derselben Seite gedreht wird, so erhalten wir die natürliche Sprache dessen, was man Schlauheit nennt“.
Von allen den obengenannten complicirten Seelenbewegungen ist vielleicht der Stolz die am deutlichsten ausgedrückte. Ein stolzer Mensch drückt sein Gefühl der Überlegenheit über Andere dadurch aus, daß er seinen Kopf und Körper aufrecht hält. Er ist erhaben („haut“ oder hoch) und macht sich selbst so groß als möglich aussehend, so daß man metaphorisch von ihm sagt, er sei vor Stolz geschwollen oder ausgestopft. Man sagt zuweilen, daß ein Pfauhahn oder ein Truthahn, der mit aufgerichteten Federn umherstolzirt, ein Sinnbild des Stolzes sei.[13] Ein arroganter Mensch blickt auf Andere herunter und läßt sich kaum dazu herab, sie mit gesenkten Augenlidern anzusehen, oder er kann auch seine Verachtung durch unbedeutende Bewegungen ausdrücken wie die vorhin beschriebenen um die Nasenlöcher oder die Lippen herum. Der Muskel, welcher die untere Lippe vorzieht, ist daher der Musculus superbus genannt worden. In einigen Photographien von Patienten, die an der Monomanie des Stolzes litten und die mir Dr. Crichton Browne geschickt hat, wurde [242] der Kopf und der Körper aufrecht getragen und der Mund fest geschlossen. Diese letztere Thätigkeit, die für die Entschiedenheit ausdrucksvoll ist, ist, wie ich vermuthe, eine Folge davon, daß der stolze Mensch vollständiges Selbstvertrauen in sich fühlt. Der ganze Ausdruck des Stolzes steht in directem Gegensatze zu dem der Demuth, so daß hier von dem letzteren Seelenzustande nichts weiter gesagt zu werden braucht.
Hülflosigkeit; Unfähigkeit: Zucken mit den Schultern. — Wenn Jemand auszudrücken wünscht, daß er etwas nicht thun, oder daß er nicht verhindern kann, daß etwas geschehe, so erhebt er oft mit einer schnellen Bewegung beide Schultern. Wenn die ganze Geberde vollkommen ausgeführt wird, so biegt er zu derselben Zeit seine Ellenbogen dicht nach innen, erhebt seine offenen Hände und dreht dieselben nach auswärts mit auseinander gespreizten Fingern. Häufig wird der Kopf etwas nach einer Seite gewendet, die Augenbrauen werden erhoben, was dann wieder Falten quer über die Stirn verursacht. Meistens wird dabei der Mund geöffnet. Ich will hierbei noch erwähnen, um zu zeigen, wie unbewußt die Gesichtszüge hier beeinflußt werden, daß, obschon ich häufig absichtlich mit meinen Schultern gezuckt hatte, um zu beobachten, wie sich meine Arme stellen würden, ich doch durchaus mir dessen nicht bewußt wurde, daß meine Augenbrauen gehoben und mein Mund geöffnet wurde, bis ich mich selbst im Spiegel betrachtete; und seit der Zeit habe ich dann dieselben Bewegungen auch auf den Gesichtern anderer Leute bemerkt. In den beistehenden Figuren 3 und 4 auf Tafel VI. hat Mr. Rejlander mit vielem Erfolg die Geberde des Zuckens mit den Schultern dargestellt.
Engländer sind im Ganzen viel weniger demonstrativ als die Menschen der meisten andern europäischen Nationen es sind, und sie zucken mit ihren Schultern viel weniger häufig und energisch als es Franzosen und Italiener thun. Die Geberde äußert sich in allen möglichen Graden von der complicirten eben beschriebenen Bewegung bis zu einem momentanen und kaum bemerkbaren Erheben beider Schultern, oder wie ich es bei einer in einem Lehnstuhle sitzenden Dame beobachtet habe, bis zu dem bloßen unbedeutenden Seitwärtswenden der offenen Hände mit ausgespreizten Fingern. Ich habe niemals gesehen, daß ganz kleine englische Kinder ihre Schultern [243] gezuckt hätten. Doch wurde der folgende Fall sorgfältig von einem Professor der Medicin und ausgezeichneten Beobachter beobachtet und mir von ihm mitgetheilt. Der Vater des in Rede stehenden Herrn war ein Pariser und seine Mutter eine Schottin. Seine Frau ist nach beiden Seiten von britischer Abkunft und mein Berichterstatter glaubt nicht, daß sie jemals in ihrem Leben mit den Schultern gezuckt hätte. Seine Kinder sind in England erzogen worden, und die Wärterin ist eine Vollblutengländerin, welche man niemals die Schultern hat zucken sehen. Nun wurde beobachtet, daß seine älteste Tochter im Alter zwischen sechzehn und achtzehn Monaten mit ihren Schultern zuckte, wobei zu der Zeit ihre Mutter ausrief: „Seht die kleine Französin, wie sie mit den Schultern zuckt!“ Anfangs that sie dies häufig, zuweilen dabei ihren Kopf ein wenig nach hinten und auf eine Seite werfend. Soweit aber beobachtet wurde, bewegte sie ihre Ellenbogen und Hände nicht in der gewöhnlichen Weise. Die Gewohnheit verlor sich allmählich wieder und jetzt, wo sie etwas über vier Jahre alt ist, sieht man nie, daß sie sie äußerte. Vom Vater sagt man daß er zuweilen seine Schultern zuckte, besonders wenn er mit irgend Jemand disputirte. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, daß seine Tochter ihm in einem so frühen Alter nachgeahmt hätte; denn wie mein Berichterstatter bemerkt, kann sie unmöglich häufig diese Geberde bei ihm gesehen haben. Wenn übrigens die Gewohnheit durch Nachahmung erlangt worden wäre, so ist es nicht wahrscheinlich, daß sie sobald schon wieder freiwillig von diesem Kinde und, wie wir sofort sehen werden, noch von einem zweiten Kinde aufgegeben worden wäre, trotzdem der Vater noch immer mit seiner Familie lebte. Es mag noch hinzugefügt werden, daß dieses kleine Mädchen ihrem Pariser Großvater im Gesichte in einem beinahe lächerlichen Grade ähnlich ist. Sie bietet noch eine andere und sehr merkwürdige Ähnlichkeit mit diesem dar, nämlich, daß sie eine eigenthümliche kleine Angewohnheit hat. Wenn sie ungeduldig irgend etwas zu haben wünscht, so streckt sie ihre kleine Hand aus und reibt geschwind den Daumen gegen den Zeige- und Mittelfinger, und diesen selben kleinen Zug bot unter denselben Umständen ihr Großvater sehr häufig dar. Die zweite Tochter desselben Herrn zuckte auch ihre Schultern vor dem Alter von achtzehn Monaten und gab später die Gewohnheit wieder auf. Es ist natürlich möglich, daß sie ihrer ältern Schwester nachgeahmt haben kann, aber sie fuhr noch mit dieser Bewegung fort, [244] nachdem ihre Schwester die Gewohnheit bereits verloren hatte. Anfangs war sie ihrem Pariser Großvater in einem mindern Grade ähnlich als ihre Schwester in demselben Alter es war. Jetzt ist sie es aber in einem noch größeren Grade. Auch sie übt noch bis heute die eigenthümliche Gewohnheit aus, wenn sie ungeduldig etwas verlangt, ihren Daumen und ihre zwei Vorderfinger aufeinander zu reiben.
In diesem letztern Falle liegt ein gutes Beispiel vor für die in einem frühern Capitel gegebene Thatsache von der Vererbung eines Zuges oder einer Geberde. Denn ich vermuthe doch, daß Niemand eine so eigenthümliche Gewohnheit wie diese, welche dem Großvater und zweien seiner Enkelkinder gemeinsam war, die ihn nie gesehen hatten, einem bloß zufälligen Zusammentreffen zuschreiben wird.
Betrachtet man alle diese Verhältnisse in Bezug auf den Umstand, daß diese Kinder mit ihren Schultern zuckten, so läßt sich kaum bezweifeln, daß sie diese Gewohnheit von ihren französischen Vorfahren geerbt hatten, trotzdem sie nur ein Viertel französischen Blutes in ihren Adern hatten und trotzdem ihr Großvater nicht häufig mit seinen Schultern zuckte. Darin, daß diese Kinder durch Vererbung eine Gewohnheit in früher Kindheit erlangt und dann wieder aufgegeben haben, liegt nichts sehr Ungewöhnliches, wenn auch die Thatsache interessant ist. Denn es ist eine bei vielen Arten von Thieren häufig vorkommende Thatsache, daß gewisse Charactere eine gewisse Zeit lang von den Jungen beibehalten, dann aber verloren werden.
Da es mir eine Zeit lang in hohem Grade unwahrscheinlich erschien, daß eine so complicirte Geberde wie das Zucken mit den Schultern in Verbindung mit den dasselbe begleitenden Bewegungen angeboren sein sollte, so war ich begierig, zu ermitteln, ob die blinde und taube Laura Beidgman, welche die Angewohnheit nicht durch Nachahmung erlernt haben kann, sie ausübte. Und ich habe nun durch Dr. Innes von einer Dame, welche noch kürzlich das Kind unter ihrer Pflege hatte, gehört, daß sie mit ihren Schultern zuckt, ihre Ellenbogen nach innen dreht und ihre Augenbrauen in derselben Weise wie andere Leute und unter ähnlichen Umständen erhebt. Ich war auch begierig, zu erfahren, ob diese Geberde von den verschiedenen Menschenrassen ausgeführt würde, besonders von denen, welche niemals irgend welchen bedeutenden Verkehr mit Europäern gehabt hatten, und wir werden sehen, daß sie diese Bewegung ausführen. [245] Es scheint aber, daß die Geberde zuweilen bloß auf das Erheben oder Zucken der Schultern beschränkt ist, ohne daß die andern Bewegungen gleichzeitig mit ausgeführt würden.
Mr. Scott hat diese Geberde häufig bei den Bengalesen und Dhangars (die letzteren bilden eine besondere Rasse) gesehen, welche im botanischen Garten in Calcutta beschäftigt werden; so wenn sie z. B. erklärten, daß sie irgend eine Arbeit, wie das Erheben einer schweren Last, nicht thun könnten. Er befahl einem Bengalesen, auf einen hohen Baum zu klettern. Der Mann sagte aber mit einem Zucken seiner Schultern und einem Seitwärtsschütteln seines Kopfes, er könne es nicht. Mr. Scott wußte, daß der Mann faul war, glaubte, er könne es doch und bestand darauf, daß er es versuche. Sein Gesicht wurde nun bleich, seine Arme hiengen schlaff an den Seiten herunter, sein Mund und seine Augen wurden weit geöffnet, und nun blickte er, den Baum nochmals abmessend scheu von der Seite auf Mr. Scott hin, zuckte mit den Schultern, wendete seine Ellenbogen nach innen, streckte seine offenen Hände aus und erklärte mit einigen schnellen seitlichen Schwenkungen seines Kopfes, er wäre es nicht im Stande. Mr. H. Erskine hat gleichfalls die Eingebornen von Indien mit ihren Schultern zucken sehen; er hat aber nie gesehen, daß sie die Ellenbogen so weit nach innen drehten, als wir es thun; und während sie mit ihren Schultern zuckten, legten sie zuweilen ihre Hände kreuzweise über die Brust.
Bei den wilden Malayen des Innern von Malacca und bei den Bugis (echte Malayen, obschon sie eine verschiedene Sprache sprechen) hat Mr. Geach häufig diese Geberde gesehen. Ich vermuthe, daß sie vollständig ausgeführt wird, da Mr. Geach in Beantwortung auf meine Frage, in welcher die Bewegungen der Schultern, Arme, Hände und des Gesichts beschrieben werden, bemerkt, sie werden in einem wunderschönen Style ausgeführt. Ich habe leider einen Auszug aus einer wissenschaftlichen Reise verloren, in welcher das Zucken der Schultern bei einigen Eingebornen (Mikronesiern) des Carolinen-Archipels im stillen Ocean sehr gut beschrieben wurde. Capitain Speedy theilt mir mit, daß die Abyssinier mit den Schultern zucken, geht aber in keine Einzelnheiten ein. Mr. Asa Gray sah einen arabischen Dragoman in Alexandrien genau so sich bewegen, wie es in meiner Frage beschrieben war, als ein alter Herr, dem derselbe aufwartete, nicht in der gehörigen Richtung gehen wollte, die ihm bezeichnet worden war.
[246] Mr. Washington Matthews sagt in Beziehung auf die wilden Indianerstämme des westlichen Theils der Vereinigten Staaten: „Ich habe bei einigen wenigen Gelegenheiten gefunden, daß die Leute ein unbedeutendes entschuldigendes Zucken zeigten, aber das Übrige jener bezeichnenden Geberde, welche Sie beschreiben, habe ich nicht gesehen.“ Fritz Müller theilt mir mit, daß er die Neger in Brasilien mit ihren Schultern habe zucken sehen. Es ist indeß natürlich hier möglich, daß sie dies durch Nachahmung der Portugiesen gelernt haben. Mrs. Barber hat diese Geberde niemals bei den Kaffern von Süd-Africa gesehen, und Gaika hat, nach seiner Antwort zu urtheilen, nicht einmal verstanden, was mit meiner Beschreibung gemeint war. Mr. Swinhoe ist gleichfalls zweifelhaft in Bezug auf die Chinesen. Er hat aber gesehen, daß sie unter Umständen, welche uns veranlassen würden, mit den Schultern zu zucken, ihren rechten Ellenbogen an die rechte Seite drückten, ihre Augenbrauen erhoben, ihre Hand mit der Fläche nach der angeredeten Person hinstreckten und sie von rechts nach links schüttelten. Was endlich die Australier betrifft, so beantworten vier meiner Correspondenten die Frage einfach verneinend und einer einfach bejahend. Mr. Bunnett, welcher ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung an den Grenzen der Colonie Victoria gehabt hat, antwortet auch mit einem „Ja“ und fügt hinzu, daß die Geberde „in einer bescheideneren und weniger demonstrativen Art ausgeführt wird, als es bei civilisirten Nationen der Fall ist“. Dieser Umstand dürfte es erklären, daß sie von vier meiner Correspondenten nicht bemerkt worden ist.
Diese Angaben, welche sich auf die Europäer, Hindus, die Bergstämme von Indien, die Malayen, Mikronesier, Abyssinier, Araber, Indier von Nord-America und offenbar auch auf Australier beziehen — und viele dieser Eingebornen haben kaum irgend welchen Verkehr mit Europäern gehabt — sind wohl genügend, um zu beweisen, daß das Zucken mit den Schultern, in manchen Fällen von den übrigen eigenthümlichen Bewegungen begleitet, eine der Menschheit natürliche Geberde ist.
Dieser Geberde liegt eine nicht beabsichtigte oder unvermeidliche Handlung unsererseits zu Grunde oder eine, welche wir nicht ausführen können, oder auch eine Handlung, die irgend eine andere Person ausführt, welche wir nicht verhindern können. Sie begleitet derartige Redensarten wie: „es war nicht meine Schuld“, „es ist mir unmöglich, [247] diese Vergünstigung zu gewähren“, „er muß seinen eigenen Gang gehen, ich kann ihn nicht aufhalten“. Das Zucken mit den Schultern drückt gleichfalls Geduld oder die Abwesenheit irgend welcher Absicht zu widerstehen aus. Daher werden die Muskeln, welche die Schultern erheben, wie mir ein Künstler mitgetheilt hat, zuweilen die „Geduldmuskeln“ genannt. Der Jude Shylok sagt:
- „Signor Antonio, viel und oftermals
- Habt ihr auf dem Rialto mich geschmäht
- Um meine Gelder und um meine Zinsen;
- Stets trug ich's mit geduld'gem Achselzucken.“
- Kaufmann von Venedig, Act 1, Scene 3.
Sir Ch. Bell hat eine lebensgetreue Abbildung eines Mannes gegeben,[14] welcher vor irgend einer fürchterlichen Gefahr zurückschreckt und im Begriffe ist, in verlorener Angst aufzuschreien. Er ist dargestellt mit seinen Schultern beinahe bis zu den Ohren erhoben und dies deutet sofort an, daß kein Gedanke an Widerstand vorhanden ist.
Da das Zucken mit den Schultern allgemein den Sinn hat: „ich „kann dies oder das nicht thun“, so drückt es zuweilen durch eine unbedeutende Änderung aus: „ich will es nicht thun“. Die Bewegung drückt dann einen festen Entschluß aus, nicht zu handeln. Olmsted beschreibt[15] einen Indianer in Texas, welcher stark mit seinen Schultern zuckte, als ihm mitgetheilt wurde, daß eine Partie Reisende Deutsche wären und nicht Americaner, womit er ausdrücken wollte, daß er nichts mit ihnen zu thun haben wollte. Bei mürrischen und trotzköpfigen Kindern kann man sehen, wie sie ihre beiden Schultern hoch emporhoben. Diese Bewegung wird aber nicht von andern begleitet, welche allgemein ein echtes Schulterzucken begleiten. Ein ausgezeichneter Beobachter[16] sagt, als er einen jungen Mann beschreibt, welcher entschlossen war, dem Wunsche seines Vaters nicht nachzugeben: „er steckte seine Hände tief in die Tasche und zog die Schultern bis an die Ohren in die Höhe; dies war ein deutliches Zeichen dafür, daß, mag es recht oder unrecht sein, dieser Fels aus seiner festen Stellung nur dann fortbewegt würde, sobald es Jack wollte, und daß irgend welche Vorstellung über die Sache vollständig vergebens [248] sei. Sobald der Sohn seinen Willen erlangt hatte, brachte „er seine Schultern in ihre natürliche Lage.“
Resignation wird zuweilen dadurch gezeigt, daß die offenen Hände eine über der andern auf den untern Theil des Körpers gelegt werden. Ich würde diese kleine Geberde nicht einmal einer vorübergehenden Notiz für werth gehalten haben, hätte nicht Dr. W. Ogle gegen mich bemerkt, daß er sie zwei- oder dreimal bei Patienten beobachtet habe, welche sich unter der Einwirkung des Chloroforms auf Operationen vorbereiteten. Sie zeigten keine große Furcht, schienen aber durch diese Stellung der Hände zu erklären, daß sie sich nun entschlossen hätten und sich in das Unvermeidliche ergeben würden.
Wir können nun untersuchen, warum Menschen in allen Theilen der Welt, wenn sie fühlen (mögen sie nun dieses Gefühl zu zeigen wünschen oder nicht), daß sie irgend etwas nicht thun können oder nicht thun wollen, oder daß sie, wenn etwas von einem Andern geschieht, nicht widerstehen wollen, mit ihren Schultern zucken, zu derselben Zeit häufig ihre Ellenbogen nach innen biegen, die offenen Flächen ihrer Hände mit ausgespreizten Fingern zeigen, häufig ihren Kopf ein wenig auf die eine Seite werfen, ihre Augenbrauen erheben und ihren Mund öffnen. Diese Seelenzustände sind entweder einfach passiv oder zeigen die Entschiedenheit, nicht zu handeln, an. Keine der erwähnten Bewegungen sind von dem geringsten Nutzen. Die Erklärung liegt, wie ich nicht zweifeln kann, in dem Principe des unbewußten Gegensatzes. Dieses Princip scheint hier so deutlich in's Spiel zu kommen wie in dem Falle mit dem Hunde, welcher, wenn er sich böse fühlt, sich in die gehörige Stellung zum Angriffe versetzt und sich seinem Gegner so fürchterlich erscheinend macht als möglich, sobald er sich aber zuneigungsvoll gestimmt fühlt, seinen ganzen Körper in eine direct entgegengesetzte Stellung wirft, obgleich das von keinem directen Nutzen für ihn ist.
Man beachte, wie ein indignirter Mensch, welcher empfindlich ist und sich einem Unrechte nicht unterwerfen will, seinen Kopf aufrecht trägt, seine Schultern zurückwirft und seine Brust ausdehnt. Er ballt häufig seine Fäuste und bringt einen oder beide Arme in die Höhe zum Angriff oder zur Vertheidigung, wobei die Muskeln seiner Gliedmaßen steif sind. Er runzelt die Stirn — d. h. er zieht seine Augenbrauen zusammen und senkt sie — und da er entschlossen ist, schließt er seinen Mund. Die Handlungen und die Stellungen [249] eines hülflosen Menschen sind in jedem einzelnen dieser Punkte genau das Umgekehrte. Auf Tafel VI. können wir uns vorstellen, daß eine der Figuren auf der linken Seite eben gesagt hat: „was wollen Sie damit sagen, daß Sie mich beleidigen?“ und eine der Figuren auf der rechten Seite würde antworten: „ich konnte wahrhaftig nicht anders!“ Der hülflose Mensch zieht unbewußterweise die Muskeln seiner Stirne zusammen, welche Antagonisten derjenigen sind, welche das Stirnrunzeln bewirken, und hierdurch hebt er seine Augenbrauen in die Höhe. Zu gleicher Zeit erschlafft er die Muskeln um den Mund, so daß der Unterkiefer herabhängt. Der Gegensatz ist in jeder Einzelnheit vollständig, nicht bloß in der Bewegung der Gesichtszüge, sondern auch in der Stellung der Gliedmaßen und der Haltung des ganzen Körpers, wie in der beistehenden Tafel zu sehen ist. Da der hülflose oder sich entschuldigende Mensch häufig wünscht, seinen Seelenzustand zu zeigen, so handelt er dann in einer auffallenden oder demonstrativen Art und Weise.
In Übereinstimmung mit der Thatsache, daß das feste Einstemmen der Ellenbogen und das Ballen der Fäuste Geberden sind, welche durchaus nicht bei Menschen aller Rassen allgemein sind, wenn sie sich indignirt fühlen und vorbereitet sind, ihren Feind anzugreifen, so scheint es fast, als würde ein hülfloser oder entschuldigender Seelenzustand in vielen Theilen der Erde einfach durch das Zucken mit den Schultern ausgedrückt, ohne daß die Ellenbogen nach innen gedreht und die Hände geöffnet würden. Ein Mensch oder ein Kind, welches halsstarrig ist, oder einer, der irgend einem großen Unglücke gegenüber resignirt ist, hat in beiden Fällen keine Idee, durch active Mittel Widerstand leisten zu wollen, und er drückt diesen Seelenzustand dadurch aus, daß er einfach seine Schultern erhoben hält; oder er kann auch möglicherweise seine Arme über der Brust zusammenschlagen.
Zeichen der Bejahung oder Billigung und der Verneinung oder Misbilligung: Nicken und Schütteln des Kopfes. — Ich war begierig, zu ermitteln, wie weit die gewöhnlichen Zeichen der Bejahung und Verneinung, wie wir sie gebrauchen, über die Erde verbreitet sind. Es sind in der That diese Zeichen in einem gewissen Grade für unsere Gefühle ausdrucksvoll, da wir ein senkrechtes Nicken der Billigung mit einem Lächeln unsern Kindern gegenüber machen, wenn wir ihr Betragen billigen, und unsern Kopf seitwärts [250] mit einem Stirnrunzeln schütteln, wenn wir dasselbe misbilligen. Bei kleinen Kindern besteht der erste Act der Verneinung in einem Zurückweisen der Nahrung, und ich habe wiederholt bei meinen eignen Kindern bemerkt, daß sie dies durch ein seitliches Wegziehen ihres Kopfes von der Brust oder von irgend etwas, was ihnen in einem Löffel angeboten wurde, ausdrückten. Bei der Annahme von Nahrung und dem Einnehmen derselben in ihren Mund neigen sie ihren Kopf vorwärts. Seitdem ich diese Beobachtungen machte, ist mir mitgetheilt worden, daß auf dieselbe Idee auch Charma[17] gekommen ist. Es verdient Beachtung, daß bei dem Annehmen oder Aufnehmen der Nahrung nur eine einzelne Bewegung des Kopfes nach vorwärts gemacht wird, und ein einfaches Nicken schließt eine Bejahung ein. Verweigern andererseits Kinder Nahrung, besonders wenn sie ihnen aufgenöthigt werden soll, so bewegen sie ihren Kopf häufig mehrmals von Seite zu Seite, wie wir es thun, wenn wir in der Verneinung unsern Kopf schütteln. Überdies wird im Falle eines Zurückweisens der Kopf nicht selten zurückgeworfen oder der Mund geschlossen, so daß diese Bewegungen gleichfalls dazu gelangen könnten, als Zeichen einer Verneinung zu dienen. Mr. Wedgwood bemerkt über diesen Gegenstand,[18] daß „wenn die Stimme mit geschlossenen Zähnen oder Lippen zum Tönen gebracht wird, sie den Laut der Buchstaben n „oder m hervorbringt. Wir könnten daher den Gebrauch der Partikel ,ne‘ um die Verneinung auszudrücken und möglicherweise auch das griechische μή in demselben Sinne hieraus erklären.“
Daß diese Zeichen angeboren oder instinctiv sind, wenigstens bei Angelsachsen, wird dadurch in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, daß die blinde und taube Laura Bridgman beständig ihr Ja mit dem gewöhnlichen affirmativen Nicken und ihr Nein mit unserm negativen Schütteln des Kopfes begleitete. Hätte nicht Mr. Lieber das Gegentheil angegeben,[19] so würde ich gemeint haben, daß sie diese Geberde erlangt oder gelernt hätte, besonders in Anbetracht ihres wunderbar feinen Gefühlssinnes und der scharfen Wahrnehmung der Bewegungen Anderer. Bei mikrocephalen Idioten, welche so geistig verkümmert [251] sind, daß sie niemals zu sprechen lernen, schildert Vogt,[20] daß einer von ihnen, wenn er gefragt wurde, ob er mehr Essen oder Trinken zu haben wünsche, durch ein Neigen oder Schütteln seines Kopfes antwortete. Schmalz nimmt in seiner merkwürdigen Abhandlung über die Erziehung der Taubstummen ebenso wie der Kinder, die nur einen Grad höher als die Idioten stehen, an, daß sie immer beiderlei Zeichen sowohl der Bejahung als Verneinung machen und verstehen können.[21]
Wenn wir die verschiedenen Menschenrassen betrachten, so sehen wir nichtsdestoweniger, daß diese Zeichen nicht so allgemein angewendet werden, als ich es erwartet haben würde. Sie scheinen aber doch zu allgemein zu sein, um durchaus für conventionell oder künstlich gelten zu können. Meine Correspondenten behaupten, daß beide Zeichen von den Malayen, von den Eingebornen von Ceylon, den Chinesen, den Negern der Küste von Guinea und, der Angabe Gaika's zufolge, von den Kaffern von Süd-Africa angewendet werden, obschon bei diesem letztern Volke Mr. Barber niemals ein seitliches Schütteln des Kopfes als Zeichen der Verneinung hat anwenden sehen. In Bezug auf die Australier stimmen sieben Beobachter darin überein, daß ein Nicken als Bejahungszeichen gegeben wird; fünf sind einstimmig darüber, daß ein seitliches Schütteln als Verneinung dient und zwar in Begleitung irgend eines Wortes oder ohne ein solches. Aber Mr. Dyson Lacy hat dieses letztere Zeichen in Queensland niemals gesehen, und Mr. Bulmer sagt, daß im Gipp's-Land eine Verneinung dadurch ausgedrückt wird, daß der Kopf ein wenig rückwärts geworfen und die Zunge ausgestreckt wird. Am nördlichen Ende des Continents in der Nähe der Torres-Straße schütteln die Eingebornen, wenn sie eine Verneinung ausdrücken, nicht mit dem Kopfe, sondern halten die rechte Hand in die Höhe und schütteln diese, indem sie sie zwei oder dreimal halb herum und wieder zurück drehen“.[22] Das Zurückwerfen des Kopfes mit einem Schnalzen der Zunge wird, wie man sagt, als Verneinungszeichen von den Neu-Griechen und Türken gebraucht, während das letztere Volk das Ja durch eine Bewegung ausdrückt, wie die von uns gemachte, wenn wir den Kopf schütteln.[23] Wie mir Capitain Speedy mittheilt, drücken die Abyssinier eine Verneinung [252] durch ein Werfen des Kopfes nach der rechten Schulter hin aus, wobei gleichzeitig ein leichtes Schnalzen bei geschlossenem Munde gemacht wird. Eine Bejahung wird dadurch ausgedrückt, daß der Kopf zurückgeworfen und die Augenbrauen für einen Augenblick erhoben werden. Die Tagalen von Luzon im Archipel der Philippinen werfen, wie ich von Dr. Adolph Meyer höre, wenn sie Ja sagen, gleichfalls ihren Kopf zurück. Nach der Angabe des Rajah Brooke drücken die Dyaks von Borneo eine Bejahung durch Erhebung der Augenbrauen und eine Verneinung durch ein leichtes Zusammenziehen derselben in Verbindung mit einem eigenthümlichen Blicke der Augen aus. In Bezug auf die Araber am Nil kamen Professor und Mrs. Asa Gray zu dem Schlusse, daß ein Nicken als Bejahung selten war, während ein Schütteln des Kopfes als Verneinung niemals gebraucht und nicht einmal von ihnen verstanden wurde. Bei den Eskimos[24] bedeutet ein Nicken „Ja“ und ein Blinzeln mit den Augen „Nein“. Die Neu-Seeländer erheben „den Kopf und das Kinn an der Stelle einer nickenden Zustimmung“.[25]
In Bezug auf die Hindus kommt Mr. H. Erskine nach Erkundigungen, die er bei erfahrenen Europäern und bei gebildeten Eingebornen angestellt hat, zu dem Schlusse, daß die Zeichen für die Bejahung und Verneinung abändern. Es wird zwar zuweilen ein Nicken und ein seitliches Schütteln, so wie wir es thun, gebraucht; eine Verneinung wird aber häufiger dadurch ausgedrückt, daß der Kopf plötzlich nach hinten und ein wenig nach einer Seite geworfen und ein leichtes Schnalzen mit der Zunge ausgestoßen wird. Was die Bedeutung dieses Schnalzens mit der Zunge sein mag, welches bei verschiedenen Völkern beobachtet worden ist, kann ich mir nicht vorstellen. Ein gebildeter Eingeborner sagt, daß die Bejahung häufig durch ein Werfen des Kopfes nach der linken Seite hin ausgedrückt würde. Ich bat Mr. Scott, besonders auf diesen Punkt zu achten, und nach wiederholten Beobachtungen glaubt er, daß ein senkrechtes Nicken von den Eingebornen nicht für gewöhnlich als bejahend gebraucht wird, sondern daß der Kopf zuerst nach rückwärts, entweder nach der linken oder rechten Seite, und dann nur einmal schräg nach vorn geworfen wird. Diese Bewegung würde vielleicht von einem [253] weniger sorgfältigen Beobachter als ein seitliches Schütteln beschrieben worden sein. Er führt auch an, daß bei der Verneinung der Kopf gewöhnlich nahezu aufrecht gehalten und mehrere Male geschüttelt wird.
Mr. Bridges theilt mir mit, daß die Feuerländer mit ihrem Kopfe senkrecht in der Bejahung nicken und ihn bei der Verneinung seitlich schütteln. Nach der Angabe des Mr. Washington Matthews ist bei den wilden Indianern von Nord-Africa das Nicken und Schütteln des Kopfes von den Europäern gelernt worden und wird nicht naturgemäß verwendet. Sie drücken die Bejahung dadurch aus, „daß sie mit der Hand (wobei alle Finger mit Ausnahme des Zeigefingers eingebogen sind) nach abwärts und auswärts vom Körper eine Curve beschreiben, während die Verneinung durch eine Bewegung der offenen Hand nach auswärts mit der Handfläche nach innen gekehrt ausgedrückt wird“. Andere Beobachter geben an, daß das Zeichen der Bejahung bei diesen Indianern ein Erheben des Zeigefingers ist, welcher dann gesenkt und nach dem Boden gerichtet wird, oder die Hände werden gerade nach vorn von dem Gesichte aus bewegt. Das Zeichen der Verneinung ist dagegen ein Schütteln des Fingers oder der ganzen Hand von einer Seite zur andern.[26] Diese letztere Bewegung stellt wahrscheinlich in allen Fällen das seitliche Schütteln des Kopfes dar. Die Italiener sollen in gleicher Weise den aufgehobenen Finger von rechts nach links bewegen als Zeichen der Verneinung, wie es in der That auch zuweilen Engländer thun.
Im Ganzen finden wir eine beträchtliche Verschiedenheit in den Zeichen der Bejahung und Verneinung bei den verschiedenen Menschenrassen. Wenn wir in Bezug auf die Verneinung annehmen, daß das Schütteln des Fingers oder der Hand von einer Seite zur andern ein symbolischer Ausdruck für die seitliche Bewegung des Kopfes ist, und wenn wir ferner annehmen, daß die plötzliche Bewegung des Kopfes nach hinten eine der häufig von kleinen Kindern ausgeübten Handlungen darstellt, wenn sie Nahrung verweigern, so findet sich eine bedeutende Einförmigkeit über die ganze Erde in den Zeichen der Verneinung, und wir können auch sehen, wie sie entstanden sind. Die am schärfsten ausgesprochenen Ausnahmen werden von den Arabern, [254] Eskimos, einigen australischen Stämmen und den Dyaks dargeboten. Bei den letzteren ist ein Stirnrunzeln das Zeichen der Verneinung, und auch bei uns begleitet ein Stirnrunzeln häufig ein seitliches Schütteln des Kopfes.
In Bezug auf das Nicken als Zeichen der Bejahung sind die Ausnahmen im Ganzen noch zahlreicher, nämlich bei manchen Hindus, bei den Türken, Abyssiniern, Dyaks, Tagalen und Neu-Seeländern. Zuweilen werden die Augenbrauen bei der Bejahung emporgehoben, und da eine Person, wenn sie ihren Kopf nach vorn und unten beugt, natürlich zur Person, welche sie anredet, aufblickt, so wird sie auch leicht ihre Augenbrauen erheben, und dieses Zeichen dürfte in dieser Weise dann als Abkürzungszeichen entstanden sein. Ferner könnte vielleicht bei den Neu-Seeländern das Aufheben des Kinnes und Kopfes in der Bejahung in einer abgekürzten Form die Bewegung des Kopfes nach oben repräsentiren, nachdem derselbe bei dem Nicken vorwärts und rückwärts bewegt worden war.
- ↑ [233] De la Physionomie et de la Parole, 1865, p. 83
- ↑ Physionomie Humaine, Album, Légende VIII, p. 35. Gratiolet spricht auch (De la Physionomie, 1865, p. 52) von dem Wegwenden der Augen und des Kopfes.
- ↑ Dr. W. Ogle weist in einem interessanten Aufsatze über den Geruchssinn (Medico-chirurgical Transactions, Vol. LIII, p. 268) darauf hin, daß wir, wenn wir etwas sorgfältig riechen wollen, statt eine tiefe Inspiration durch die Nase zu machen, die Luft durch eine Reihe kurzer schneller schnüffelnder Bewegungen einziehen. Wenn „die Nasenlöcher während dieses Processes beobachtet werden, so wird man sehen, daß sie sich, weit davon entfernt erweitert zu werden, bei jedem Schnüffeln factisch zusammenziehen. Die Zusammenziehung umfaßt nicht die ganze vordere Öffnung, sondern nur den hintern Theil.“ Er erklärt dann die Ursache dieser Bewegung. Wenn wir auf der andern Seite irgend einen Geruch auszuschließen wünschen, so betrifft, wie ich vermuthe, die Zusammenziehung nur den vordern Theil der Nasenlöcher.
- ↑ „Mimik und Physiognomik“, 1867, S. 84, 93. Gratiolet (a. a. O. p. 155) hat nahezu dieselbe Ansicht wie Dr. Piderit in Betreff des Ausdrucks der Verachtung und des Abscheus.
- ↑ Hohn setzt eine starke Form von Verachtung voraus; und eine der Wurzeln des englischen Wortes „scorn“ bedeutet nach Mr. Wegdwood (Dictionary of English Etymology, Vol. III, p. 125) Koth oder Schmutz. Eine Person, welche verhöhnt wird, wird wie Schmutz behandelt.
- ↑ Early History of Mankind, 2. edit., 1870, p. 45.
- ↑ s. hierüber Mr. Hensleigh Wedgwood's Einleitung zu dem Dictionary of English Etymology, 2. edit., 1872, p. XXXVII.
- ↑ Duchenne glaubt, daß bei dem Umstülpen der Unterlippe die Winkel von den Depressores anguli oris herabgezogen werden. Henle (Handbuch d. System. Anatomie des Menschen, Bd. I, 1858, S. 151) kommt zum Schlusse, daß dies durch den Musculus quadratus menti bewirkt wird.
- ↑ Citirt von Tylor, Primitive Culture, Vol. I, 1871, p. 169.
- ↑ Diese beiden Citate werden von Mr. H. Wedgwood, On the Origin of Language, 1866, p. 75, mitgetheilt.
- ↑ Mr. Tylor (Early History of Mankind, 2. edit., 1870, p. 52) gibt an, daß dies der Fall ist; er fügt hinzu: „es ist nicht recht klar, warum dies so sein muß.“
- ↑ Principles of Psychology, 2. edit., 1872, p. 552.
- ↑ Gratiolet (De la Physionomie, p. 351) macht diese Bemerkungen und theilt auch einige gute Bemerkungen über den Ausdruck des Stolzes mit; s. auch Sir Ch. Bell (Anatomy of Expression, p. 111) über die Thätigkeit des Musculus superbus.
- ↑ Anatomy of Expression, p. 166.
- ↑ Journey through Texas, p. 352.
- ↑ Mrs. Oliphant, The Brownlows, p. 206.
- ↑ Essai sur le langage, 2. edit., 1846. Ich bin Miss Wedgwood für diese Mittheilung sowie für einen Auszug aus diesem Werke sehr verbunden.
- ↑ On the origin of Language, 1866, p. 91.
- ↑ On the vocal sounds of Laura Bridgman: Smithsonian Contributions, Vol. II, 1851, p. 11.
- ↑ Mémoire sur les Microcéphales, 1867, p. 27.
- ↑ citirt von Tylor, Early History of Mankind, 2. edit., 1870, p. 38.
- ↑ Mr. J. B. Jukes, Letters and Extracts etc., 1871, p. 248.
- ↑ F. Lieber, On the vocal sounds etc., p. 11. Tylor a. a. O. p. 5.
- ↑ Dr. King, Edinburgh Philos. Journal, 1845, p. 313.
- ↑ Tylor, Early History of Mankind, 2. edit., 1870, p. 53.
- ↑ Lubbock, The Origin of Civilization, 1870, p. 277. Tylor a. a. O. p. 38.
Lieber (a. a. O. p. 11) erwähnt das Zeichen der Verneinung bei Italienern.
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