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Burney Tagebuch 3/Anmerkungen zum zweyten Bande

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Zusätze Tagebuch einer musikalischen Reise (1773) von Charles Burney
Anmerkungen zum zweyten Bande
Anmerkungen zum dritten Bande


[288]
Anmerkungen
zum zweyten Bande.


S. 23. (Wenn es indessen erlaubt wäre) u. s. w. Dieses tiefe Kompliment an den Herrn Marmontel wird um desto mehr ins Licht gesetzt, wenn man im dritten Bande bemerkt, daß der Verfasser, bei Gelegenheit da er von Lessings Emilia Galotti und Weissens Romeo und Julie spricht, nicht einmal an den Huth greift. Aber das sind freilich auch nur Deutsche. Und – deutsch versteht Herr Burney gewiß nicht.

S. 33. (Zu der Note auf dieser Seite.) Ueber die Einfalt derer, welche alte Musik darum, verachten, weil sie alt ist. – Ueber die geringe Selbstliebe solcher Tonkünstler, die wirklich Genie haben, und dennoch glauben können, wirkliche Originalschönheiten der Musik wären eben so gut dem Veralten unterworfen, als Flitterstaat und tändelnde Künsteleyen; – Ueber die kriechenden Nachahmer, über die kalten Nachbeter, [289] die nur immer nach dem neuesten Modekrame haschen – u. s. w. hatte einer meiner Freunde, eine Abhandlung skitzirt, die aber für dieses Buch unvollendet geblieben ist. Indessen ist die Materie reichhaltig genug um Stoff zu so viel Bogen zu geben, daß sie allein, oder auch in Gesellschaft von einigen andern Aufsätzen von verwandtem Inhalte erscheinen kann.

S. 50. (Zur Note.) Herr Simon ist gewiß nicht der erste Erfinder des Pedals an der Harfe; bereits vor zwanzig Jahren habe ich in Braunschweig Herrn Hochbrucker darauf gehört. Dieser geschickte Mann hat sich schon 1730 im Kampement bey Mühlberg vor beyden Königen auf der Pedalharfe hören lassen. Er kam darauf nach Leipzig, woselbst ihn Herr Bach gekannt hat. Ich kann itzt nicht einmal gewiß behaupten, ob Herr Hochbrucker der erste Erfinder sey; aber wohl, daß schon vor mehr als funfzehn Jahren, in Thüringen Pedalharfen auf den Kauf gemacht sind. Und dennoch ists leicht möglich, daß nächstens einer oder der andre von unsern Nachbarn der Welt bekannt macht, daß er so glücklich gewesen, eine Pedalharfe zu erfinden! –

S. 52. (Lüttich.) Hier ist Gretry der Operettenkomponist gebohren; Also in Frankreich ein Fremder.

[290] S. 53. (Gothischen Buchstaben im Drucken gewahr.) Der Verfasser hätte nun freylich eher gothischen Buchstaben sehen können, die in England noch täglich als eine Zierde gebraucht werden; allein es wäre dennoch zu wünschen, daß durchgängig einerley Buchstaben zum Drucken und Schreiben eingeführt wären. Nicht sowohl des Vorwurfs des Gothischen wegen, sondern wegen der Zeit, die bey der Erziehung, und wegen des Geldes, das auf den Buchdruckereyen dadurch erspart würde.

S. 66. Diese ganze Seite zeigt ganz deutlich was man in England von den Deutschen, in Ansehung der Musik, für einen Begriff haben muß. Ein Doktor der Kunst, der schon längst auf eine allgemeine Geschichte der Tonkunst Vorbereitungen gemacht hat, erstaunt daß die deutsche Sprache sich zur Musik schicke! der welsche Tonkünstler, dessen Herr Wieland im deutschen Merkur, im zweyten Bande, Seite 223 redend einführt, war freyer von Vorurtheilen. Es wäre zu wünschen, daß alle deutsche Komponisten diese Stelle im Merkur recht beherzigten, und sich hernach wenig darum bekümmerten, ob Fremde auch noch ferner die wichtige Frage aufwerfen: Ist die deutsche Sprache zum Singen geschickt? Wenn der Fremde nun gar ein Engländer wäre, der [291] in seiner Sprache Singen hören möchte! – Aber der Herr Verfasser giebt auf eben dieser Seite eine Verwundrung zu erkennen, die an einem allgemeinen Geschichtschreiber der Musik unbegreiflich ist. Wir haben schon seit so langer Zeit komische Opernkomponisten, daß Herr Burney sie hätte in England schon kennen mögen, und nicht erst erfahren müssen, als er tiefer in Deutschland kam, daß Herr Hiller in Deutschland, wie Herr Doktor Arne in London komische Opern komponirt habe. Herrn Burney hätten billig die Namen: Hiller, Fleischer, Schweizer, Neefe, Reichhard und Wolf in England schon bekannt seyn sollen. – Wenn man von diesem Musikgelehrten Engländer auf die übrigen schließt, so darf man wohl annehmen, daß sie dafür halten, der deutsche Musikus müsse nicht viel werth seyn, der nicht nach der Königinn der Städte, nach London kommt! –

S. 69 und 70. Herr Burney sagt zwar, daß er nicht für unglimpfliche Anmerkungen über ganze Nationen sey, macht aber in demselben Athem eine über die Deutsche, als ob er recht wüßte, was ein wahrer Deutscher sey. Und diese Galle schüttet er über uns aus, weil er glaubt, er habe für uns eine Nationalangelegenheit übernommen, (wie er Seite 80 ausdrücklich sagt,) und nun [292] müsse auch ein jeder Musikus schon wissen, wann er ankommen würde, und worin er ihm behülflich seyn könne: Diese Forderung – hm – ja – war – ganz glimpflich zu sprechen – unüberlegt!

S. 80. (Geld zu verdienen sondern es zu verzehren.) Das ist sehr großmüthig gegen die deutsche Nation, wenn wir nur nicht ein wenig langsam wären, es zu glauben. Es ist also auch wohl aus blosser Großmuth um Geld zu verthun und nicht zu verdienen, daß Herr Burney zwey Bände von seiner deutschen Reise drucken lassen. Daß er so so oft und häufig Auszüge aus denselben in die öffentlichen Blätter rücken läßt, ist wohl gar nicht sein Buch zu verkaufen, sondern um dem Zeitungsverleger die Gebühren zu verdienen zu geben. Daß er auf die allgemeine Geschichte Pränumeriren läßt, ist auch wohl gar nicht, um zu verdienen! Wozu dergleichen Vorrückungen: „Der Musikus reise gemeiniglich um Geld zu verdienen?“ Ist ihm das zu verdenken? Eben so wenig als dem Manne, der reiset um zu schreiben, und dadurch zu verdienen.

Bey dieser Gelegenheit muß ich auch mein Befremden bezeigen, daß Herr Burney nichts von der schwäbischen Musik sagt, die doch in verschiedener Betrachtung Original ist.

[293] S. 84. Hier kommt etwas vor, welches schon in einem Tagebuche einer Reise nicht stehen sollte, wenn es sich aber gar in die allgemeine Geschichte schliche! – „Ulm pflegte wegen seiner Kompagnie der Minnesänger oder Laudisti, gleich der zu Florenz, berühmt zu seyn, sie besteht aber nicht mehr.“ Aus dem ersten Bande Seite 173 und 175, erhellet, was die Laudisti in Florenz sind. Die Minnesänger aus dem 12 und 13 Jahrhunderte, lebten zum Theil in Schwaben; sie schrieben Liebeslieder, (daher der Name) Ritterbücher u. s. f. Es waren ihrer unsäglich viele; aber in Thüringen u. s. w. nicht minder, als in Schwaben. Es waren Kaiser, Könige, Fürsten und Grafen darunter. Bodners Ausgabe ihrer vortreflichen Gedichte, und die kritischen Briefe, mögen dem Verfasser übrigens eines bessern belehren. Zur Geschichte der Musik gehören mehr die Meistersänger, welche im 15 und 16 Jahrhunderte im Gange waren, und deren Handwerkszunft noch in Nürnberg im Schwange seyn soll. Sie hatten in Ulm, Straßburg, Augsburg, Regensburg und Nürnberg, noch zu Ende des vorigen Sekuli ihr Wesen. Von ihrer Singart und Musik giebt unter anderm Wagenseil in seinem Buche: De civitate Norimbergensi, [294] Alt. 1697. 4to, umständliche Nachricht. – Einen halb so aufmerksamen Leser, als es ein Uebersetzer Amtshalber seyn muß, wird es auffallen, daß Herr Burney bey jeder Gelegenheit gar gern vergleicht. Und daß ihm seine Vergleichungen oft verunglücken; wie Minnesänger und Laudisti, und so:

S. 85. (Schnemus). Damit liesse sich nun wohl besser die galante leichtfliessende Musik vergleichen; das andre ist lauter Pumpernickel und roher Schinken, worin man sich leicht den Magen verderben kann, zumal wenn es nicht gahr ist. Daß itzt die Sucht nach harten, schwankenden und gezwungenen Modulationen über ganz Deutschland herrsche, ist wohl nicht so völlig richtig. Olim sic erat; itzt herrscht eine ganz andre Sucht.

S. 86. (Seifarth ein berühmter Sänger!) Möchte bezweyfelt werden. Es war eben eine Sängerinn da, von dieser ward dem Herrn B. aus Hamburg geschrieben. Uebrigens ist Herr Seyfarth noch vorigen Winter gestorben.

S. 133. (D. Franklins Bette.) Wenn man diese Stelle und die andre im dritten Bande, Seite 226. zusammen hält; so muß man, um gelinde zu urtheilen, sagen, Herr Burney hat nicht allemal Zeit gehabt zu überlegen, was [295] er niederschrieb, wie könnte er sonst das Unterlassen des Thurmbauens tadeln!

S. 156. (Gotteslästerliches Fluchen.) Diese Bemerkung ist von einem Engländer die lustigste im ganzen Buche. Ohne der Nation des Verfassers einen Vorwurf der Immoralität ihres Theaters machen zu wollen, kann man doch zuversichtlich und mit Wahrheit behaupten, daß das Unsrige moralischer und züchtiger sey. Wenn der Deutsche sagt, der Teufel hohl mich, und der Engländer G-damn your Soul, so sind das Sitten einer gewissen Klasse von Leuten, wodurch eine oder die andre Nation beym Tausche wenig gewinnen würde.

S. 158. (Orchester zu Wien) Wer gerne wissen möchte, wie es besetzt ist, der kann es in Müllers genauen Nachrichten von beyden Kayserl. Königl. Schaubühnen in Wien. 1772. namentlich finden. Auch wird man das Wiener Theater aus Sonnenfels Dramaturgie und vielen andern in Wien herausgekommenen Streitschriften und Schmidts Excerpten besser kennen lernen, als hier.

S. 166. (Metastasio.) Hieß eigentlich Trapasso. Als ihn Gravine adoptirte, nannte er ihn, à la grecque, Metastasio.

S. 173. (Hasse.) Sein Verdienst geht weiter, als das er der natürlichste, eleganteste [296] und einsichtsvolleste sei. Kenner glauben, daß er gerade an der Gränze des Schmucks stehe, den die Werke der Musik vertragen können, ohne das Ausdruck und Genie darunter leiden. Als den simpelten ihn zu rühmen, deucht ihnen auch nicht richtig. Sie sagen vielmehr, er habe simple Eleganz im höchsten Grade. Im Urtheile und Geschmack gehe er über alle Italiäner, wie an Reichthum; nicht immer aber an Größe - und Stärke der Gedanken.

Wie weit Hasse geht, alle Neuerungen für unerlaubt zu halten, und ob er den Chev. Gluck mit einschliesse, (woran er wirklich Unrecht hätte) weiß ich nicht. Aber Metastasio sollte sich nicht über Neuerungen beklagen, denn nach ihm leidet der poetische Theil der Oper zu viel. – Inzwischen hat Hasse seinem Piramo & Tisbe selbst manches zu neuern gesucht, und viel mehr Simplicität angebracht, als er sonst pflegte. Hoffentlich werden es Deutsche seyn, die eine wohlverstandne Simplicität wieder in der Musik allgemeiner machen.

S. 184. – Eine Untersuchung, wie weit das Ohr, und welche Ohren (gebildete oder ungebildete, verwöhnte oder unverwöhnte u. s. w.) im Oberappellationsgerichte der Musik sitzen sollten, wäre ein Werk eines gefühlvollen und philosophischen Kenners der Musik. [297] Warum sind doch diese beyden Dinge so selten beisammen! Warum ist noch gar nichts über den einzigen wahren guten Geschmack in der Musik geschrieben, das durchgängig Stich hielte? Sollte es wohl nicht daran liegen, daß unsre Musiker selten Philosophen sind, und unsre Philosophen es selten der Mühe werth halten, Musik zu studiren?

S. 193 95. Von Gluck ist Alceste und Elena e l’aride in Wien in Partitur gedruckt. Von seinem Orfeo sind in London verschiedene Arien zugleich mit andern von J. C. Bach und Guglielmi in Kupfer gestochen. Die Cabala, die in London so gut beschäftigt ist, wie anderwärts, (Siehe 272.) hat, wofern ich mich recht erinnere, die gluckischen Arien aus dem Londener Orfeo fast gänzlich verdrängt. Von seiner Alceste siehe Sonnenfels Dramaturgie. Herr Gluck hat die Bardengesänge aus Hermansschlacht von Klopstock, auch verschiedene von dessen Oden, theils im Bardentone, theils auch in einem modernern komponirt. Seine französische Oper, Iphigenia, wird er zufolge Zeitungsnachrichten, selbst in Paris aufführen.

S. 248. (Abhandlung über die Singekunst fehlt.) Ob Herr B. Tosi’s Anleitung zur Singekunst in Agricola’s Uebersetzung, mit [298] des letzten Erläuterungen und Zusätzen gesehen, mit Herrn Mancinis Buche verglichen, und nach dieser Vergleichung geschrieben hat, „daß es der Welt noch immer an einer so gut geschriebenen, durch gedachten und zugleich so praktischen Abhandlung über die Singekunst fehle“, weiß ich zwar nicht. Aber das weiß ich, daß man mit Herrn Agricolas Uebersetzung des Tosi, sehr weit kommen kann; und das Uebrige wird sich zeigen, wenn Signor Mancini’s Buch erst erscheint. Die Erwartung ist durch Herrn Burney wenigstens ziemlich hoch gespannt.



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