BLKÖ:Schröckinger, Karl Johann Nepomuk Franz Xaver
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 31 (1876), ab Seite: 316. (Quelle) | |||
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Ulrich Speckmoser, sowie seiner Schulgenossen dadurch, daß er die Aufgaben zur Uebung im deutschen Style meistens in gereimten Versen ausarbeitete, während die Lösung derselben den Letzteren selbst in schlichter Prosa nicht immer leicht wurde. Als er 1813 in die philosophische Facultät übergetreten war, erwarb er sich bald die aufmunternde Gunst des damaligen Professors der Geschichte, Julius Franz Schneller [s. d. S. 45 dies. Bds.], widmete sich insbesondere unter der Anleitung des feingebildeten Professors Justus Zedler mit allem Eifer dem Studium der Classiker, zumal der Griechen, und machte sich allmälig auch mit der italienischen, französischen, englischen und spanischen Sprache und Literatur bekannt. Großes Aufsehen erregte er, als er, damals noch nicht 18 Jahre alt, mit dem fünfactigen Trauerspiele: „Alix Gräfin von Toulouse“ öffentlich auftrat, welches am 10. August 1816 im ständischen Theater zu Gratz zur Darstellung kam und bei aller Unreife doch den Genius von ungewöhnlicher dichterischer Begabung verrieth. Diesem folgte auf derselben Bühne schon am 14. Februar 1817: „Gilles, Prinz von Bretagne“, ein Schauspiel in 5 Aufzügen; [317] später: „Der Hirtenknabe“, ein Drama in 2 Acten; und am 18. Jänner 1819: „Der Fluch“, eine Tragödie in 5 Aufzügen. Diese Letztere, in üppiger Bildersprache in gereimten Trochäen, erntete am meisten Beifall und fand sich K. Goedeke veranlaßt, sie in seinem „Grundrisse zur Geschichte der deutschen Dichtung“ (Bd. III, S. 382, Nr. 11) unter den „Schicksals-Tragödien“ anzuführen. Die beiden mittleren Stücke sind verloren gegangen und wahrscheinlich beim großen Brande des Schauspielhauses in Gratz 1823 vernichtet worden. Schröckinger dichtete außer den eben genannten in rascher Folge, noch drei andere Dramen und schrieb nebenher auch für mehrere der beliebtesten Tagblätter und Almanache jener Zeit gern gelesene prosaische Erzählungen, sowie viele lyrische Gedichte und Balladen, voll Gefühl und Phantasie. Da sich der junge Dichter vorzugsweise, und zwar mit fast leidenschaftlicher Vorliebe dem dramatischen Fache zuwendete, so wurde ihm der Zwang einer Erziehungsanstalt, deren Hausgesetze den Besuch des Theaters streng verboten, endlich unerträglich; er trat daher, als er im Herbste 1817 die Rechtsstudien begann, mit Gutheißung seines Vaters, der ihn sehr liebte, aus dem Convicte und bezog nun ein bescheidenes Dachstübchen, in dessen ebenerdigem kleinen Hause in der damals noch ganz ländlich gelegenen Naglergasse, an welches ein dazu gehöriger Gartengrund stieß, der den Aufenthalt dort noch anheimelnder machte. Hier im Kreise seiner Familie, wo ihm die zweite Gemalin seines Vaters, Elise geborne von Lierwald, eine stets liebevolle Mutter war, verlebte er ein paar Jahre in stiller Zufriedenheit und eifrigem poetischen Schaffen. Die Schulferien brachte er meistens zu Göß bei Leoben zu, wo eine Schwester seiner eben erwähnten Pflegemutter als Gattin des dortigen k. k. Hofrichters Bitterl von Tessenberg [Bd. I, S. 414] ihren Wohnsitz hatte, und deren liebenswürdige Tochter im Herzen des gefühlvollen Poeten eine zärtliche Neigung erregt zu haben scheint. Ungeachtet dieser glücklichen Verhältnisse fühlte aber S. doch einen mächtigen Drang nach der Residenz, wo man seinen poetischen Leistungen bereits wohlwollende Theilnahme zugewendet hatte und er eher als in den immerhin engeren Verhältnissen der Provinzstadt hoffen durfte, bald zu höherer literarischer Geltung gelangen zu können. So begab er sich denn im September 1819 nach Wien, nicht nur, um dort seine juridischen Studien fortzusetzen, sondern auch und vorzüglich, um dort seine Dramen, deren er schon sieben vollendet hatte, auf einer oder der anderen Bühne allmälig zur Aufführung zu bringen. Er hatte hiezu auch um so mehr Hoffnung, als er mit mehreren einflußreichen Männern, wie A. Freiherr von Prokesch-Osten, I. F. Castelli[WS 1], Chr. Kuffner, F. C. Weidmann[WS 2] u. A. befreundet war, und mit dem allgemein geachteten Redacteur der „Wiener Zeitschrift“, Joh. Schickh, sowie mit dem damals das große Wort führenden Herausgeber der Theater-Zeitung, Adolph Bäuerle, als gesuchter Mitarbeiter ihrer Tagblätter in näherer Verbindung stand. Leider sollte Alles anders kommen. Ein organisches Brustübel, welches sich schon vor längerer Zeit gezeigt hatte, verschlimmerte sich nämlich bald nach seiner Ankunft in der Kaiserstadt so sehr, daß er, der in der großen Residenz Fremde, es am gerathensten fand, sich zu geeigneter Behandlung und Pflege in das allgemeine Krankenhaus bringen zu [318] lassen. Hier ward ihm auch die sorgfältigste Hilfeleistung von Aerzte und eine wahrhaft mütterliche Pfleg von der Wärterin Julie Friedrich; allein menschliche Kunst und Bemühung vermochte nicht mehr seine Tag zu fristen. Als er erkannte, daß es keine Rettung für ihn gab, widmete er mit echter Dichterliebe seine ganze Sorge seinen Werken. Er berief seine Freunde an sein Sterbelager, bat sie, seine zerstreuten Arbeiten zu sammeln, eine Gesammtausgabe derselben zu veranstalten und dabei „auf Correctheit, deutlichen Druck und weißes Papier“ zu sehen. Bis zu seiner letzten Stunde arbeitete und schrieb er. Der heiße Wunsch des Dichters und Jünglings, nicht vergessen zu werden, erfüllte seine Seele. Am Abend des 23. December 1819 entschlief er sanft. Sein Jugendfreund und Schulgenosse Heinrich Hüttenbrenner, selbst nicht ohne poetisches Talent und später Professor der Rechte zu Gratz, dessen Bruder, der rühmlich bekannte Tondichter Anselm Hüttenbrenner [Bd. IX, S. 406], der gefeierte Liedercompositeur Franz Schubert und einige andere Befreundete begleiteten den Sarg des allzufrüh hingeschiedenen Sängers nach dem Kirchhofe in Währing. Sein Grab, das anfangs eine Trauerweide zierte, blieb außerdem spitalsmäßig unbezeichnet; aber die Studentenschaft von Gratz, aufgefordert von Prof. Schneller, widmete ihm eine Gedenktafel aus vaterländischem Gußeisen. Sie wurde an der Nordseite der gothischen Leechkirche, einem stillen Lieblingsplätzchen des jungen Dichters, in die Außenwand eingefügt und zeigt außer einer goldenen Leier, deren erste Saite abgerissen ist, folgende Inschrift: „Manibus | Caroli Schröckinger | juvenis candida virtute | lyraque inter Styros clari | sodales Lycei Graecensis | MDCCCXIX | Viennae obiit annos natus XXI. | Blatt und Saame wird zerstreuet |Und die Blüthen fallen ab | Doch sie lächeln bald erneuet | Aus dem grünen Hoffnungsgrab | Schröckinger“. Aglaja von Enderes, seine Tante mütterlicher Seits, bemerkt bezüglich derselben: „Es ist charakteristisch für die Menschen, dieses Landes (Steiermark), daß sie ihrem Dichter diese Stätte zur Erinnerung geweiht; mitten in der Stadt (Gratz), mitten in das Herz ihres eigenen Lebens haben sie das Gedächtniß an den Mann gerückt, der ihnen angehörte und auf den sie einst die schönsten Hoffnungen, die ein Volk hegen kann, mit Recht gebaut.“ Dem Ausspruche Goedeke’s: „eine Auswahl aus S.’s Nachlasse halte ich für wünschenswerth schon im psychologischen Interesse, mehr noch literargeschichtlichen“, wird wohl Mancher beistimmen. Außer den bereits genannten dramatischen Arbeiten S.’s sind noch zu nennen: „Propertia Rossi“, Drama in 2 Aufz.; – „Der Liebe Kampf und Opfer“, romantisches Schauspiel in 5 Aufz. – und „Der Fall von Hohenstaufen“, Trauerspiel in 5 Aufz.; – die gedruckten Erzählungen: „Der Henneberg. Volkssage“, in der „Wiener Theater-Zeitung“ 1817, Nr. 136; – „Das Spital im Zerrewalde“, ebenda 1818; – „Die Haarlocke“, romantische Erzählung“, in J. Schickh’s „Wiener Zeitschrift“ 1819, Nr. 139. Lyrische Gedichte und Balladen finden sich aber viele einzeln abgedruckt in Bäuerle’s „Wiener Theater-Zeitung“ 1817–1819; in Schickh’s Wiener Zeitschrift“ 1819–1821; in Hormayr’s „Archiv“ 1818; im „Hesperus (Prag) 1821, Beilage; im Gratzer „Aufmerksamen“ 1817–1819; in der [319] Klagenfurter „Carinthia“ 1816–1819; hingegen im Taschenbuche „Aglaja“ 1818, wie Goedeke erwähnt, wie auch in anderen Jahrgängen dieses berühmten Taschenbuches, habe ich keine Arbeiten Schröckinger’s gefunden. Daß seine Werke, wie es sein Wunsch gewesen, nicht herausgegeben wurden, lag wohl zunächst an dem Drucke, der noch von den Tagen der französischen Invasion auf Oesterreich lastete, Kunst, Wissenschaft und Literatur vermochten nicht den Alp der Ungunst der Zeit von sich abzuwälzen. Eine Auswahl seiner Gedichte und Balladen liegt, wie mir der österreichische Dichter Gottfried Ritter von Leitner, dem ich Mehreres über Schröckinger verdanke, mittheilt, druckfertig vor.
Schröckinger, Karl Johann Nep. Franz X. (österreichischer Poet, geb. zu Gratz laut pfarrämtlichem Taufschein am 16. November 1798, gest. zu Wien am 23. December 1819). Er war der erstgeborne Sohn des damaligen k. k. Staatsbuchhaltungs-Beamten und späteren Gubernial-Registranten Cajetan Schröckinger aus dessen erster Ehe mit Therese Widerkehr zu Widersbach; die Mutter verlor er schon in wenigen Jahren. 1807 trat S. in das Gymnasium seiner Vaterstadt und erhielt drei Jahre darauf einen Stiftungsplatz im dort bestandenen k. k. Convicte. Schon in der ersten Humanitätsclasse erregte er die Aufmerksamkeit des Professors der Poesie,- Quellen zur Biographie und literarischen Beurtheilung. Münch (Ernst). Julius Schneller’s Lebensumriß und Briefe (1834), Bd. I, S. 10, dann 25–27.[„Wir haben ihn gekannt, geschätzt, geliebt. In lateinischer Inschrift denke ich (auf seinem Denkmale) auszudrücken des Jünglings heitern Ernst, seine Beharrlichkeit, seine Sprachkenntniß, seine Auszeichnung als Dichter. J. Schneller.“] – Der Aufmerksame (Grätz) 1816, Nr. 97; 1817, Nr. 26; 1819, Nr. 10: Todesnachruf von Fr. Guggitz; – derselbe 1820, Nr. 2. – Goedeke (Karl), Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1859 u. f., L. Ehlermann, 8°.) Bd. III, S. 859, Nr. 499 [nach diesem geb. 16. December 1798). – Kehrein (Jos.), Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhunderte (Zürch, Stuttgart, Würzburg 1871, L. Wörl, gr. 8°.) Bd. II, S. 138. – Deutsche Zeitung (Wiener polit. Parteiblatt) 1872, Nr. 215, im Feuilleton: „Spaziergange durch Gratz“, von Aglaja von Enderes. – Der Gesellschafter. Von Gubitz (Berlin, 4°.) 1819, Nr. 153. – Oesterreichische Gartenlaube (Gratz, 4°.) II. Jahrg. S. 239: „Die Leechkirche in Gratz“, von Franz Tiefenbacher.