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BLKÖ:Müller, Adam von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Müller
Band: 19 (1868), ab Seite: 322. (Quelle)
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1. Müller, Adam von (Schriftsteller und Publicist, geb. zu Berlin 30. Juni 1779, gest. zu Wien 17. Jänner 1829). Sein ganzer Name lautet: Adam Heinrich Müller Ritter von Nitterdorf, unter dem einfachen, Adam von Müller, ist er am bekanntesten geworden und in die Literatur aufgenommen. Hie und da erscheint er mit dem Prädicate von Ritterdorf, im neuen preußischen Adels-Lexikon sogar mit dem Prädicate von Rittersberg; beide sind unrichtig und „von Nitterdorf“ das wahre. Erziehung und wissenschaftliche Ausbildung erhielt er in Berlin von seinem Großvater mütterlicher Seits, dem als Orientalisten und Uebersetzer des Hiob und Josias bekannten Prediger Cube, der ihn für das Studium der Theologie vorbereitete. Der vorübergehende Aufschwung, den damals das Studium der Philosophie nahm, weckte auch in M. das Interesse für dieselbe, jedoch wurde er bald durch seine Bekanntschaft mit Gentz davon ab- und der Beobachtung der politischen Umwälzungen, die eben damals statthatten, zugewendet. 19 Jahre alt, bezog er die Göttinger Hochschule, wo er mit allem Eifer dem Studium der Rechtswissenschaften oblag und dabei insbesondere Lehensrecht, deutsches Recht, britisches Privatrecht und römisches Recht auf das Angelegentlichste studirte. In seinem Eifer und Drange, von den Ergebnissen seiner Studien Anderen mitzutheilen, hielt er – erst 21 Jahre alt – in einem Kreise von Freunden Vorlesungen, welche – eine für sein Alter jedenfalls bemerkenswerthe Erscheinung – nichts Geringeres zum Zwecke hatten, als für die alte Ordnung der Dinge in Europa eine Lanze einzulegen und gegen die durch die französische Revolution eingeweihte neue Aera der Zeit einen entschiedenen Protest zu erheben. Eigenthümlich genug, ging er nun zu naturwissenschaftlichen Studien über. Es ist hier nicht am Platze, diese sprunghaften Wandlungen im Lebensgange des Jünglings zu erörtern, der als Mann nichts weniger als Saltomortale und Luftsprünge liebte. Gewiß ist es, daß M. nachdem er aus Göttingen nach Berlin zurückgekehrt war, sehr viel mit Naturforschern verkehrte und zwei Jahre [323] naturwissenschaftliche Studien trieb, wodurch er seiner eigentlichen Aufgabe und der Aussicht in seinem bürgerlichen Fortkommen ferner denn je gerückt wurde. Wieder war es Gentz, der ihn auf eine andere Bahn zurücklenkte, und M. nahm Dienste als Referendarius der kurmärkischen Kammer in Berlin. Dieser Dienst vermochte jedoch den Wissensdurst und Studientrieb des jungen Mannes nicht zu löschen. Er machte vorerst eine Reise nach dem Norden, auf welcher er längere Zeit in Schweden und Dänemark verweilte, dann ging er nach Polen, wo er ein paar Jahre völlig in ländlicher Zurückgezogenheit verlebte, und in einer Selbstschau seine politischen, religiösen und wissenschaftlichen Ueberzeugungen prüfte, mit einander verglich und in Uebereinstimmung zu bringen suchte. Der erprobte Freund Gentz sollte ihm auch in dieser keineswegs leicht auszuführenden Aufgabe rathend zur Seite stehen, und M. machte sich auf den Weg nach Wien. Es war im Jahre 1805, in welchem M. die Kaiserstadt zum ersten Male besuchte und in derselben den Entschluß reifen ließ, zur römisch-katholischen Kirche zu übertreten, was am 31. April 1805[WS 1] erfolgte. Ist schon jeder Religionswechsel an und für sich ein Beweis sittlicher Schwäche, und entspringt ein solcher nur in den seltensten Fällen aus Ueberzeugung, sondern meist aus Selbstsucht, weltlichen Vortheils wegen, so ist er bei Männern von so geläuterter Denkungsart, wie Müller, um so bedenklicher, wenn damit auch nicht gesagt sein will, daß Müller sich von eigennützigen Motiven bei diesem Schritte habe leiten lassen. Gewiß aber ist es, daß eben dieser Uebertritt ihm erst den Zutritt in Kreise eröffnete, welche später seine Aufnahme in kaiserlich österreichische Dienste vermittelten und ermöglichten. Aus Wien begab sich M. unmittelbar nach seinem Uebertritte zur katholischen Religion in seinen ländlichen Aufenthalt nach Polen zurück, und verlebte die traurige Zeit der deutschen Schmach und Bedrückung durch Frankreich in freiwilliger Zurückgezogenheit, beschäftigt mit speculativ-politischen Studien, durch die er sich für die praktische Wirksamkeit, die sich ihm alsbald eröffnete, ganz tüchtig vorbereitet hatte. Nun begab er sich nach Dresden, wo er wieder mit Gentz zusammentraf und mehrere Jahre mit ihm gemeinschaftlich verlebte. In Dresden hielt M. öffentliche Vorlesungen, und zwar begann er im Jahre 1806 solche über deutsche Literatur, denen er im Jahre 1807 deren über dramatische Poesie, im Jahre 1808 über die Idee der Schönheit und 1809 über das Ganze der Staatswissenschaften folgen ließ. Sie erschienen in der Folge auch gedruckt. [M.’s Schriften werden auf S. 324 u. d. f. aufgezählt.] Die Art und Weise, wie M. damals seine Ansicht über den Zustand der Dinge in Deutschland öffentlich aussprach, machte sein längeres Verbleiben in Sachsen bedenklich, und er begab sich im Jahre 1809 von Dresden nach Berlin, wo ihm zwar von Seite der Staatsmänner, welche zu jener Zeit die Geschicke Preußens lenkten, ein ehrenvoller Empfang, aber doch nicht das, dessen er bedurfte, eine Anstellung, wurde. Ueber zwei Jahre verweilte M. in Berlin, ohne daß es ihm gelungen wäre, dort festen Fuß zu fassen. Er verließ nun Berlin und ging im Mai 1811 nach Wien. Dort fand M. im Hause des Erzherzogs Ferdinand d’Este gastliche Aufnahme und verblieb daselbst zwei Jahre, welche er in einem Kreise gleichgesinnter Freunde verlebte. Im Frühlinge des Jahres 1812 hielt er [324] öffentliche Vorträge über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland, die auch im Drucke erschienen sind; so ward sein Eintritt in öffentliche Dienste vermittelt, welcher im Jahre 1813 erfolgte. Als k. k. Landescommissär begab sich M. zuvörderst nach Tirol und machte als tirolischer Schützen-Major den denkwürdigen Befreiungskrieg in diesem Alpenlande mit. Im folgenden Jahre wurde er Regierungsrath und als erster Referent in allen Organisirungsarbeiten dieses Landes verwendet. Im April 1815 berief ihn Fürst Metternich nach Wien, und von da folgte er dem Kaiser in’s Feldhoflager nach Heidelberg und Paris. In Paris ernannte ihn der Kaiser zu seinem Generalconsul in Sachsen, welche Stelle er durch zwölf Jahre – bis 1827 – bekleidete. Zugleich war er kaiserlich österreichischer Geschäftsträger an den herzogl. anhalt’schen und fürstl. schwarzburgischen Höfen. Zu Leipzig redigirte er auch seine 1816 begonnenen und 1818 geschlossenen Staatsanzeigen; schließlich wohnte er im Jahre 1819 den Ministerial-Conferenzen in Karlsbad, später denen in Wien bei. Bei seiner im Jahre 1827 erfolgten Abberufung von Leipzig wurde er zum k. k. Hofrath ernannt und der geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei in außerordentlichem Dienste zugetheilt, nachdem er früher schon – 1826 – in den erbländischen Ritterstand erhoben worden war. In der letzten Zeit war er schon sehr leidend und besonders von einem schlagartigen Anfalle, der ihn auf seiner in Begleitung seiner Tochter von Leipzig nach Wien unternommenen Reise getroffen, konnte er sich nicht mehr erholen. Es waren ihm eine Schwäche und Reizbarkeit der Nerven geblieben, wodurch auch sein Tod veranlaßt wurde. Am 17. Jänner 1829 nämlich brachte man ihm in der schonendsten Weise die Nachricht von Schlegel’s am 12. Jänner in Dresden erfolgten Ableben bei, bald darauf berichtete ihm Gentz in einem Billet den Tod der Fürstin Metternich. Von diesen Nachrichten wurde er so sehr ergriffen, daß er, von einem Nervenschlage getroffen, niedersank und alsbald seinen Geist aufgab. M. war, als er starb, erst fünfzig Jahre alt. Er wurde zu Groß-Enzersdorf bei Brunn, in der Nähe Wiens, neben Zacharias Werner begraben. Die von Adam Müller herausgegebenen Schriften sind in chronologischer Folge: „Die Lehre von Gegensätzen. 1. Bändchen. Der Gegensatz“ (Berlin 1804, Reimer, gr. 8°.); – „Vorlesungen über deutsche Wissenschaft und Literatur“ (Dresden 1806, n. A. ebenda 1807, Arnold, 8°.); – „Von der Idee der Schönheit in Vorlesungen, gehalten zu Dresden im Winter 1807 und 1808“ (Berlin 1809, Dümmler, 8°.); – „Von der Idee des Staates und ihren Verhältnissen zu der populären Staatstheorie“ (Dresden 1809, Walther, 4°.); – „Die Rückkehr des Königs in seine Hauptstadt“ (Berlin 1809, Sander, 8°.); – „Zum Gedächtniss der verewigten Königin“ (ebd. 1810, gr. 4°.); – „Die Elemente der Staatskunst in Vorlesungen“, 3 Theile (ebd. 1810, 8°.); – „Vorlesungen über Friedrich II. und die Natur, Würde und Bestimmung der preussischen Monarchie“ (ebd. 1810, 8°.); – „Die Theorie der Staatshaushaltung und ihre Fortschritte in Deutschland und England seit Adam Smith“, 2 Bände (Wien 1812, Schaumburg u. Comp., gr. 8°.); – „Vermischte Schriften über Staat, Philosophie und Kunst“, 2 Bände (ebd. 1812, Heubner, 8°.); – „Versuch einer neuen Theorie des Geldes. Mit besonderer Rücksicht auf Grossbritannien“ (Leipzig 1816, Brockhaus, gr. 8°.); – „Etwas, was Goethe gesagt, beleuchtet“ (ebd. 1817, 8°.): – „Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren [325] Verfall in Deutschland, gehalten zu Wien im Frühjahre 1812“ (ebd. 1817, Göschen, gr. 8°.); – „An den Sprecher der Stadt und Landschaft Coblenz“ (ebd. 1818, Voß, gr. 8°.); – „Von der Nothwendigkeit einer theologischen Grundlage der gesammten Staatswissenschaften und der Staatswirthschaft insbesondere“ (ebd. 1820, W. Vogel, gr. 8°.); – „Die Gewerbe-Polizei in Beziehung auf den Landbau. Eine staatswirthschaftliche Abhandlung“ (ebd. 1824, Reclam, gr. 8°.); – „Vorschlag zu einem historischen Ferien-Cursus“ (Wien 1829, Mechitaristen-Congregation, Lex. 8°.); dieß war Adam von Müller’s letzte selbstständig ausgegebene Schrift, in welcher sich schon jene merkwürdige Richtung gipfelt, welche seine Schule vergeblich gangbar zu machen suchte. Denn in diesem „Feriencursus“ stellt M. ausdrücklich den Satz auf: daß der Lehrer der Geschichte weder logische noch moralische Kritik bedarf, und daß in der Geschichte nur jene Thatsachen merkwürdig sind, welche die katholische Kirche für wahr erkennt! Das war Müller’s Schwanengesang. Wenn man dieß gelesen, begreift sich leichter sein in Folge von Nervenreizbarkeit eingetretener vorschneller Tod. Außer obigen selbstständigen Schriften gab M. noch Schriften Anderer und Zeitschriften in Gemeinschaft mit Anderen heraus, und zwar im Jahre 1808: „Phöbus, ein Journal für Kunst“, in Gemeinschaft mit Heinrich v. Kleist, wovon nur ein Jahrgang (Dresden, bei Walther, 4°., mit K. K.) erschien; – in den Jahren 1816–1818: „Deutsche Staatsanzeigen“, 3 Bände (Leipzig, Voß, gr. 8°.) und Heinrich von Kleist’s „Amphitrion, Lustspiel nach Molière“ (Dresden, n. A. 1818, Arnold, 8°.). Vieles schrieb Müller für Journale und Fachzeitschriften, darunter besonders anzuführen sind in der Berliner Monatschrift 1801 (December, S. 436): „Ueber einen philosoph. Entwurf von Fichte: Der geschlossene Handelsstaat“; – in der Abendzeitung 1806, Nr. 34 u. 35: „Charakteristik einiger Goethischen Werke“. – ebenda, Nr. 36: „Vergleichungen zwischen Goethe und Schiller“; – in Hormayr’s Archiv für Geographie, Geschichte u. s. w. 1811, im September: „Idee eines Seminariums der Staatswirthschaft für die österreich. Staaten“ – ebenda, October: „Von den Vortheilen der Errichtung einer Nationalbank f. d. österr. kais. Staaten“; – in Fr. v. Schlegel’s Deutsches Museum (Wien 1811). Jänner und Februar: „Agronomische Briefe“; – in den Brockhaus’schen „Zeitgenossen“ 1806, Heft 1: „Kaiser Franz I. von Oesterreich“, unter der Chiffre von T–Z; – 1818, Heft 8: „Franz Horner, Esq. Mitglied des britischen Parlaments“; – in der Zeitung für die elegante Welt 1817, Nr. 80 u. f.: „Aus Spekbacher’s Leben“; – in den Oelzweigen: „Ueber Johannes von Müller“. Ferner schrieb er für den österreichischen Beobachter, für Friedrich v. Schlegel’s „Concordia“, für Gräffer’s „Wiener Conversationsblatt“, für das „Conversations-Lexikon“ u. s. w. Kurz vor seinem Tode trug er sich mit der Idee der Herausgabe einer katholischen Zeitschrift, welche eben durch sein Ableben unterblieb. Adam von Müller besaß eine ausgezeichnete Redegabe. „Es war“, schreibt der alte Gräffer, sein Zeitgenoß, „ein Hochgenuß, diesen Mann reden zu hören, es sey über was immer. Leicht, blühend, scheinbar gewählt und doch höchst populär; sicher, glücklich, effectvoll, nicht die entfernteste Spur oratorischer Absicht. So wie er sprach, schrieb er. Er hatte mit Herder gemein, [326] nichts auszubessern.“ Der ein Decennium nach seinem Tode gemachte Versuch seine Schriften zu sammeln und herauszugeben, blieb beim ersten Bande stecken, denn von seinen „Gesammelten Schriften“ (München 1839, Georg Franz, 8°.) erschien nur der erste Band. Die Zeit war für Ideen, wie sie Müller und Gentz zu ihrer Zeit mit solchem Erfolge entwickelten, nicht mehr angethan. In jener Zeit, in welcher die französische Revolution alles Bestehende umgestürzt und auf dem Staatsboden tabula rasa gemacht hatte, und das durch mancherlei Formen, aus denen aller Geist gewichen war, beengte gedrückte Menschengeschlecht sich nach Freiheit sehnte, in einer solchen Zeit waren auch Männer mit Ideen, wie sie Gentz und Müller predigten, dankenswerthe Persönlichkeiten. Die Menge konnte damals weder die Negation alles Bestehenden begreifen, noch die Entwickelung, die sich aus der Lagerung der aufgewühlten Elemente allmälig ergeben würde, voraussehen. Es war in der That eine schlimme, eine grauenerweckende Zeit: „Die Ehrfurcht vor der persönlichen Freiheit, vor der localen und provinziellen Berechtigung, vor der Nationaleigenthümlichkeit war verschwunden, die momentane Pöbelmajorität von einer Stimme schlug allen Andersdenkenden die Köpfe ab; Religion, Wissenschaft, Moral, Kunst war der Beurtheilung der Majorität verfallen; es wurde im National-Convente abgestimmt, ob ein Gott sei oder nicht. Jegliche Achtung für individuelle, sittliche, religiöse Freiheit ging unter in dem juristischen Abwägen der Stimmen“. Aber es war eben ein neuer Geist erwacht, ein neuer Geist, der sich in den alten Formen nicht zurecht zu finden wußte und sie gewaltsam sprengte, wo sie ihn beengten. Jetzt erst, nachdem wir die Früchte der freien Bewegung allmälig kennen gelernt und heranreifen gesehen, jetzt erst beginnen wir den Gang der Weltgeschichte zu erkennen, den die mitten in der Verwirrung und im allgemeinen Chaos Lebenden kaum ahnen mochten. Wir aber verfluchen jene Zeit, die nothwendig geworden war, nicht mehr, aber wir verurtheilen auch jene nicht, die, in Schrecken über pietätlose Willkür sich dagegen auflehnten, die das Kind mit dem Bade verschütteten, und die in der vollständigen Rückkehr zu den früheren Zuständen allein noch Heil erblickten. Mag eine solche kurzsichtige beschränkte Auffassung einer ungeheueren Weltbegebenheit uns auch in Verwunderung setzen, mag uns hier eben dieselbe Willkür, dieselbe Pietätlosigkeit gegen den Gott in der Geschichte, welche jene mit Recht an den Revolutionärs tadeln, mit einem gewissen Widerwillen erfüllen – wollen wir billig sein, so können wir diese Erscheinung erklären und entschuldigen; und jedenfalls müssen wir erkennen, daß eine solche Reaction nothwendig war, daß es der Vorsehung gefällt, Extreme durch Extreme zu bekämpfen, bis diese in allmäligem schwächer werdenden Auf- und Abwogen sich zuletzt zu gemäßigten und gesunden Lebenspolen herabstimmen. Adam von Müller ist einer der geistreichsten Bekämpfer der revolutionären Ideen und war für seine Zeit eine ebenso nothwendige Erscheinung, wie es der Aufruhr, die chaotische Verwirrung in der ganzen sittlichen Welt war, die endlich auch solche Käuze zu Tage förderte. Dieser Adam Müller’sche Geist – leider in abgeschwächter Form – spuckt aber auch heute noch in der Welt und insofern bleiben solche Erscheinungen immer interessant. Es bleibt dabei nur immer wichtig zu unterscheiden, ob der Uebertritt zu anderen religiösen und politischen Glaubenssystemen, [327] wie das bei Müller der Fall war, aus Ueberlegung stattfand, bei denen der Uebertretende sich vorherrschend von dem kalt berechnenden Kopfe oder aber von einem warm fühlenden Herzen leiten läßt. Gentz selbst, der so wesentlichen Einfluß auf Adam von Müller’s Geschicke, wie oben bemerkt worden, gehabt, nennt Müllern einen Lobredner der Freiheit und der Bewegung und zugleich einen Feind der Revolution, der wohl von unserer Zeit wenig und zum Theile nicht verstanden werden dürfte. Für die fanatischen Parteien unserer Tage ist er zu vielseitig, zu geistig, und materielle Brocken und staatsweise Regeln, die, einseitig befolgt, zum Ziele führen könnten, sind bei ihm nicht zu finden, „Ich könnte es beklagen“, schreibt Gentz, „daß die weisen und klugen Lenker und Mitlenker der Gemeinwesen diesen Propheten unseres Elendes, wie ich ihn nennen möchte, diesen Propheten mit seiner heilenden Weisheit nicht begriffen und nicht gehört haben. Doch so ist es fast immer, das Schlechte wird studirt und befolgt und das Gute und Heilsame ist ein verborgener Schatz. Wenn irgend ein Mann Heilmittel gegen den falschen Communismus unserer Tage und gegen den Socialismus der Irrreligion darbietet, so ist es Müller. Wie spottet die Welt über ihn!“ – Gewiß, auch diese Ansicht Gentzen’s über Müller hat ihre Berechtigung, aber auch nicht mehr als dieß. Die Correspondenz dieser beiden Männer, welche durch die drei ersten Jahrzehnde dieses Jahrhunderts gedauert, ist in neuerer Zeit erst im Drucke erschienen: „Briefwechsel zwischen Fr. Gentz und Adam Heinrich Müller. 1800–1829“ (Stuttgart 1857, Cotta, 8°.). Es wurde in der Lebensskizze bemerkt, daß Müller im Jahre 1826 in den erbländischen Ritterstand erhoben wurde. In seinem Diplom steht es ausdrücklich, daß diese Standeserhöhung „über Vortrag des Haus-, Hof-, und Staatskanzlers Fürsten von Metternich erfolgte“. Adam von Müller’s Tochter Cäcilia war die Gemalin des berühmten Professors Stephan Endlicher [Bd. IV, S. 44], die, 53 Jahre alt, in Wien am 7. Jänner 1864 starb. Die Witwe E. war eine der geistvollsten Frauen Wiens und zählte ihr Salon viele Jahre zu den wenigen, wo eine Vereinigung der Gelehrten und Literaturfreunde statthatte. Nach dem unglücklichen Ende ihres Gatten lebte sie in gänzlicher Zurückgezogenheit.

Ritterstands-Diplom vom 28. Jänner 1826. [Am Schlusse der obenstehenden Lebensskizze steht bemerkt, daß Adam von Müller’s Erhebung in den Ritterstand über Vortrag des Fürsten Metternich erfolgte. Dieser Vortrag lautet wörtlich: „Unter den Geschäftsmännern, welche sich im diplomatischen Dienste Euerer Majestät befinden, gehört der Geschäftsträger bei den herzoglich Anhaltischen Häusern und zugleich General-Consul in Leipzig, Regierungsrath Adam Müller, unter diejenigen, welche ihr Talent als Schriftsteller in den letzten zwanzig Jahren für das Gute und Rechte, für das monarchische Princip und für die Religion in solchem Maße verwendeten, daß, wenn dadurch auch nicht auf die große Masse des Volkes ein entschiedener Erfolg erreicht worden ist, doch mit Zuversicht behauptet werden kann, daß hierdurch mancher Wankende befestigt, mancher Verirrte zurückgeführt und wohl auch Mancher für die gute Sache gewonnen worden ist, der ohne das eindringende Wort der Wahrheit sich an die unermüdet thätige Parthey der Neuerer gehalten haben würde. Als General-Consul Euerer Majestät für das commercielle Interesse des österreichischen Kaiserstaates thätig besorgt, und auf dem wichtigen litterärischen Platze zu Leipzig zugleich Wächter über die leider nicht aufmerksam genug in’s Auge zu fassenden Preßunfuge in Deutschland, als Geschäftsträger bei den Euerer Majestät ergebenen Anhaltischen Häusern seinen Einfluß im standesgemäßen Sinne benützend, hat der Reg. Rath Adam Müller sich nach meiner Ueberzeugung [328] gerechten Anspruch auf ein Merkmahl der allerhöchsten Gnade erworben, und ich erlaube mir, an Euere Majestät um die taxfreie Verleihung des Ritterstandes für denselben das ehrerbietige Ansuchen zu stellen, da eine Auszeichnung dieser Art nicht nur in seinem mir bekannten persönlichen Wunsche liegt, sondern auch für seine Stellung bey den Höfen, an welchen er akkreditirt ist, mir die angemessenste erscheint und er hierin nur eine neue Aufmunterung zur Fortsetzung seines Eifers und seiner Verwendung im allerh. Dienste finden wird.“ Wien den 28. Jänner 1826.“ – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, B. Fr. Voigt, kl. 8°.) VII. Jahrg. (1829), I. Theil, S. 102, Nr. 37. – Brunner (Sebastian), Clemens Maria Hoffbauer (Wien 186., 8°.) S. 125. – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren u. s. w. (Wien 1845, Fr. Beck, 8°.) Bd. II, S. 67. – Frankl (L. A. Dr.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrg. (1843), S. 152. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 723. – BrockhausConversations-Lexikon, 10. Auflage, Bd. X, S. 712. – Nouvelle Biographie générale … publiée par MM. Firmin Didot frères, sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1850 et s., 8°.) Tome XXXVI, p. 905. – Eichendorff (Joseph Freiherr von), Ueber die ethische und religiöse Bedeutung der neueren romantischen Poesie in Deutschland (Leipzig 1847, A. G. Liebeskind, 8°.) S. 85 u. 86. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XXII, S. 334, Nr. 19. – Menzel (Wolfgang), Die deutsche Literatur (Stuttgart 1836, Hallberger, 8°.) Zweite verm. Auflage, Theil I, S. 307. – Gottschall (Rudolph), Die deutsche Nationalliteratur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Literarhistorisch und kritisch dargestellt (Breslau 1861, Trewendt, 8°.) Zweite verm. u. verb. Auflage, Bd. I, S. 448 u. 449; S. 300 [als Nachfolger von Fr. Schlegel]; S. 404 [M.’s Einfluß auf Kleist] Bd. II, S. 33 [Beziehung zu Rachel]. – Laube (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur (Stuttgart 1840, Hallberger, gr. 8°.) Bd. III, S. 150, 187, 427; Bd. IV, S. 87 [Verkehr mit Kleist]. – Kurz (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig 1859, A. G. Teubner, Lex. 8°.) Bd. III, S. 5, 24, 464, 637, 712, 715,742 u 773. – Literarische und Kritische Blätter der Börsenhalle (Hamburg, 4°.) 1839, Nr. 1754, 1755. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1840, Nr. 259 u. 260. – Frankfurter Konversationsblatt 1859, Nr. 128–130 [über seinen Briefwechsel mit Gentz]. – Literaturblatt. Redigirt von Wolfgang Menzel, 1840, Nr. 85. – Zugabe zur deutschen Volkshalle (Cöln, 4°.) 1854, Nr. 238 bis 244: Mittheilungen aus dem ungedruckten Briefwechsel Adam Müller’s mit Gentz. – Porträt. Dasselbe befindet sich vor seinem Briefwechsel mit Gentz. – Wappen. Ein in ein schwarzes Schildeshaupt aufsteigender goldener Schild mit rothem Schildesfuß. Im goldenen Felde befindet sich ein weißer, in einem geflochtenen Korbe von natürlicher Farbe im Neste mit seinen Jungen sitzender bluttriefender Pelikan. Im rothem Schildesfuße schwebt eine querliegende aufwärts gekehrte eiserne Sichel mit einem linksgestellten braunen hölzernen Stiele. Auf dem Schilde erheben sich zwei zueinandergekehrte gekrönte Turnierhelme. Auf der Krone des rechten Helms steht ein doppelter schwarzer Adler mit offenem Schnabel, roth ausgeschlagener Zunge, ausgespannten Flügeln und von sich gestreckten Krallen; auf der Krone des linken Helms befindet sich der beschriebene Korb mit dem Pelikan. Die Helmdecken sind rechts schwarz mit Gold, links roth mit Silber.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Irriges Datum. Der April hat 30 Tage.