Zum Inhalt springen

Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section/H09

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Heft 8 des Meissner Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 9 der Section Meissner Kreis
Heft 10 des Meissner Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Giesenstein
  2. Kuckukstein
  3. Miltitz
  4. Neustruppen


[65]
Giesenstein.


Das Rittergut Giesenstein liegt zwischen den beiden Städten Berggiesshübel und Gottleube in einem reizenden Thale, welches östlich von dem dürren Berge, südwestlich von der Rennplan und nordwestlich von dem Hohensteine begrenzt ist, von welchem letzteren ein hoher Felsen unbeschreiblich schöne Aussichten bietet. Zu dem Gute gehören hübsche, massive Wirthschaftsgebäude, ein stattliches Herrenhaus, ansehnliche Brauerei und Schäferei, eine Mahl- und Schneidemühle, einige Beigüter, sowie die Dörfer Oberhartmannsbach und Niederhartmannsbach mit dreiundzwanzig Bauergütern, einem Erbgerichte, zwei Mühlen, sieben Gartennahrungen und einigen Häusern. Das Areal des Rittergutes Giesenstein besteht aus beinahe dreihundert Ackern Landes, und zeichnet sich durch die Vortrefflichkeit des Bodens, äusserst ergiebige Wiesen und bedeutende Waldungen aus. Auf Giesensteiner Grund und Boden liegt auch ein Theil des durch Gellert und Rabener, die oft in dem Bade zu Berggiesshübel verweilten, sogenannten Poetenganges. Eine Freundin Gellerts schrieb diesem am 3. Juli 1768: „Hier bin ich nun seit vierzehn Tagen mit ein Paar geliebten Personen, meiner Mutter und meiner Schwester im Bade, wie Sie vor vier bis fünf Jahren. Noch nirgends habe ich ein so ähnliches Urbild zu der Idee gefunden, die ich von Arkadien habe, als hier!“ – Dieser herrliche Spazierweg führt zwischen uralten Buchen, Eichen, Linden und Ahornbäumen dahin und glich vor einigen Jahren einer ungeheuern Laube, durch die kaum ein Sonnenstrahl zu dringen vermochte, in neuerer Zeit aber hat man die Bäume etwas gelichtet, wodurch überraschende Aussichten auf die reizenden Wiesenparthieen der Gottleube und die nahen waldigen Felsen erlangt worden sind. Fast in Mitten des Ganges befindet sich ein mit Wehmuthskiefern umpflanztes Denkmal, eine steinerne Tafel über einem Steinsitze, mit der Inschrift:

„Der Sänger frommen Lieds, der heitre Fabeldichter,
Und Deutschlands Juvenal, der feine Sittenrichter,
Sie pflegten hier zu ruhn im Zwiesprach ernst und traut.
Noch tönet Gellerts Ruhm, noch Rabners Name laut.
Auf ihrem Schattensitz lasst ihrem Angedenken
Uns treue Dankbarkeit zu Deutschlands Ehre schenken.“
1767.       Th. Hell.       1829.

Den Namen Giesenstein hat das Gut, wie auch das nahe Berggiesshübel, von den schon in frühester Vorzeit hier befindlichen Gusshütten. Nach einem alten „Giesshübelium redivivum“ betitelten Buche galten die hiesigen Eisenhütten für die ältesten im Meissner Lande, und das namentlich auch deshalb, weil dieselben vor allen Andern „besonders begnadigt“ waren. Das hier gewonnene Eisen hatte schon in früher Zeit als sogenanntes pirnaisches Eisen einen weitverbreiteten Ruf, den Namen aber führt es von der „churfürstlichen Eisenkammer zu Pirna“ wie denn die Pirnaische Hammerordnung bis zur neuesten Zeit gültig blieb. Es waren in hiesiger Gegend an dreizehn Eisenhütten, darunter Giesenstein, Haselberg, Bienenhof, Fichte, Kratze, Kleppisch, Bahre, Reichstein und eine bei Liebstadt. Die Hammerherren hatten in den nahen Waldungen besondere Gebiete und entrichteten für den Korb Kohlen nur acht Pfennige, lebten aber dabei unter einander in unaufhörlichem Unfrieden, wie die noch vorhandenen Stösse der Streitacten solches hinreichend beweisen. Der Bergbau beschäftigte damals über dreihundert Bergleute und das Bergamt zu Giesshübel war noch vor hundert Jahren unter unseren vaterländischen Bergämtern keines der geringsten, auch stand unter dem hiesigen Bergmeister das Bergamt zu Glashütte. Im Jahre 1783 wurden beide genannte Bergämter mit dem zu Altenberg vereinigt und der Bergbau sank endlich dergestalt, dass sämmtliche Gusshütten erloschen und nur noch ein einziger Bergmann am Communstollen die halbe Tranksteuer von Berggiesshübel und Gottleube verbaute. Da beschloss im Jahre 1818 die Gräflich Einsiedel’sche Hüttenadministration zu Lauchhammer auf des Oberfactors Trautschold Anregung den hiesigen Bergbau wieder aufzubringen, aber viele Tausende kostete das Unternehmen ehe die Ausbeute erheblich erschien. Da entdeckte 1820 der Obersteiger Hengst in einem Kalkbruche bei Nenntmannsdorf Rotheisenstein und diese Fundgrube liefert zur Zeit an 350 Fuder reichen weichen Eisenstein, sowie vorzüglichen Eisenrahm und schönen Rubinglimmer. Bald darauf wurden neue Entdeckungen gemacht und namentlich ein sehr schätzbarer Magneteisenstein gefunden, worauf man die Gründung eines neuen Hüttenwerkes beschloss. Zur Zeit ist der Bergbau zu Giesshübel wieder im Aufblühen begriffen, und hauptsächlich hat der Aufbau des neuen Einsiedel’schen Eisenwerkes [66] im Zwieselthale dazu ungemein viel beigetragen. Dasselbe wurde am 6. Juli 1836 eingeweiht.

Nicht unerwähnt bleiben darf hier das mit dem Bergbau der hiesigen Gegend eng zusammenhängende Mineralbad „Johann-Georgenbad“ genannt, welches mit vielem Erfolge gegen chronische Nervenschwäche, Gichtleiden und besonders Hypochondrie und Hysterie, angewendet wird. Der Johann-Georgenbrunnen fliesst aus dem dürren Berge und ist ein alter Stollen, welchen Johann Georg II. anlegen liess. Das Mundloch des Stollens befindet sich in einer Wiese nach dem Walde zu. Eine alte Lindenallee führt zuerst nach einem kleinen Obelisken, von etwa fünfundzwanzig Fuss Höhe, ohne Inschrift, mit Sitzen umgeben, und sehr freundlicher Aussicht, auf dem sich ein aus neuerer Zeit stammender Halbmond befindet, der sich auf das Wappen des Besitzers, Generalleutnant von Leyser, bezieht. Hier war früher ein Sammelplatz der Badegäste, die früher auch tranken, während man jetzt nur badet. Die Säule soll, der Sage nach, zur Todtenfeier einer Mecklenburgischen Prinzessin, der Aebtissin des nahen Klosters, errichtet worden sein, und heisst deshalb die Prinzessinsäule. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass diese Säule zu dem gegenüber liegenden Kloster Dirnenhof in irgend einer Beziehung gestanden haben mag, auch soll dessen Calvarienberg der Dürrenberg (Dirnenberg?) gewesen sein. Oberhalb der Säule führt der Weg in das Gehölz und dann links hinein zur Wiese und der gemauerten Stollenöffnung des Brunnens, der jedoch jetzt noch einige Schritte höher gefasst ist. Das reichlich fliessende Brunnenwasser wird 1800 Ellen durch Röhren ins Badehaus geleitet und hier geheizt. Es enthält etwas Mittelsalze und Schwefellebergas. Ein zweiter 1722 entdeckter Brunnen, der Friedrichs- oder Sauerbrunnen genannt, enthält Bitter-, Koch- und Laugensalz, und ein dritter 1818 aufgefundener, der Augustusbrunnen, befindet sich dem Badehause gegenüber am Wehr der Gottleube. Bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts war das Bad Giesshübel so zahlreich besucht, dass die Gäste oft auf den umliegenden Dörfern ein Unterkommen suchen mussten.

Reichbegütert war früher in dieser Gegend die alte adlige Familie von Bünau, und auch Giesenstein gehörte zu deren Besitzthümern. Zu Anfange des siebzehnten Jahrhunderts wohnte auf hiesigem Schlosse Rudolf von Bünau, dessen Sohn, ebenfalls Rudolph genannt, es noch 1649 besass. Das Gut muss zu Ende des siebzehnten oder bald nach Beginn des achtzehnten Jahrhunderts von den Bünau’s weggekommen sein, denn 1714 gehörte es einem Herrn von Schönberg, von dem es an den Oberconsistorialpräsidenten von Globig gelangte, der auch Zehista besass und 1779 starb. Nach ihm war wiederum ein Consistorialpräsident von Globig Eigenthümer von Giesenstein, der dieses Gut seinem Sohne, dem Kammerherrn von Globig vererbte, worauf das Gut an Herrn Amtmann J. F. Pfau, den jetzigen Besitzer kam.

Das Rittergut Giesenstein erhielt durch Rescript vom 11. Juli 1771 die Altschriftsässigkeit und ist, trotzdem dass es viel näher an Berggiesshübel liegt, nach Gottleube eingepfarrt.

O. M.     




Kuckukstein
(das Schloss zu Liebstadt).


Liebstadt, in Urkunden auch Liebestadt, Liebenstadt und Libstadt geschrieben, ist ein Vasallenstädtchen des Meissner Kreises mit einem altschriftsässigen Rittergute und liegt zwischen der Gersdorfer, Lauensteiner, Bärensteiner, Reinhardsgrimmaer und Giesensteiner Herrschaft, drei Stunden südlich von Pirna und ebensoweit von der Böhmischen Grenze entfernt (1150 Fuss über dem Meere) in drei sich durchkreuzenden Thälern an der Seidewitzbach, welche sich, mit dem Molkengrund und der Gauersbach vereinigt, hier in die Gottleube ergiesst, die bei Pirna in die Elbe fällt. Das Städtchen hat mit Einschluss der geistlichen Gebäude beinahe hundert Häuser und eine Bevölkerung von etwa neunhundert Menschen, grösstentheils Handwerkern, Feldarbeitern und Strohflechtern. Trotz des steinigen Bodens ist der Feldertrag ein günstiger und Wasser und Luft sind, vorzüglich auf den Höhen, sehr rein und gesund. Die kleine unscheinbare Seidewitzbach erreicht nach anhaltendem Regen oft eine derartige Strömung, dass sie nicht selten bedeutenden Schaden anrichtet und als Beweis ihrer Wassergewalt meldet [67] uns die Chronik, dass im Jahre 1711 eine ziemliche Quantität Holz, das die Regierung in dem Liebstädter Walde gekauft hatte, auf der Seidewitzbach bis Pirna geflösst werden konnte. Von den am Schiesshause gestandenen sieben uralten Kreuzen (die Schwedenkreuze genannt) riss das Gewässer des Baches im Jahre 1804 vier aus der Erde und schwemmte sie fort. – Die reizendsten Punkte der Umgebung Liebstadts sind: der Niedergrund, der Molkengrund, der Ziegenrücken, der Hutberg, der rothe Berg, der Teufelsstein und die wüste Mühle in Tröbnitzgrund, der Schlottwitz- oder Müglitzgrund, der Bürgerboden und Hofboden. Von den Höhen geniesst man unbeschreiblich reizende Aussichten auf das Städtchen Liebstadt, in die Gegend von Dresden und Meissen, das Sächsische Hochland und weit hinauf nach Böhmen.

Die Sage berichtet, dass Liebstadt seinen Namen von den frommen Pilgern erhalten habe, die theils hier durch, theils an der sogenannten weissen Marter vorüber, nach Böhmen wanderten. Die weisse Marter war ein Heiligenbild (Marthasäule), dessen Denkstein am Ende des hiesigen Pfarrgutes am rothen Busche noch jetzt vorhanden ist. Die Pilger fanden hier immer eine gastliche Aufnahme, weshalb sie den Ort die „liebe Stadt“ nannten, und vor Jahren stand vor dem Pfarrhause ein alter steinerner Tisch, an welchem die Wallfahrer gespeist worden sein sollen. Was an dieser Sage Wahres sein mag lässt sich nicht ermitteln, dagegen ist soviel gewiss, dass nach Unterjochung der hier hausenden Slaven und Ausrottung eines grossen Theiles der hier vorhandenen Waldungen, zur Zeit Kaiser Heinrichs I. das Schloss Kuckukstein entstand. Dieses altehrwürdige Gebäude liegt auf einem felsigen Berge, umgeben von Bäumen und Gesträuchen, ist in halbgothischem Style erbaut und besteht aus fünf Flügeln, welche durch zwei kleine Höfe mit einander verbunden und von einem viereckigen Thurme überragt sind. Am Fusse des Schlosses entstand nach und nach das Städtchen, dessen Benennung mit der Zeit den Namen der alten Kuckuksburg verdrängte. – Die Wirthschaftsgebäude des Rittergutes liegen am Fusse des Schlossberges, sowie auch der terrassenförmig sich erhebende herrschaftliche Garten, in welchem unter andern ein grosses Gebäude, die Reitbahn, sich befindet.

In ganz früherer Zeit ging die Burg Kuckukstein bei der Krone Böhmen zur Lehn, doch fehlen aus den ersten Jahrhunderten nach ihrer Entstehung alle Nachrichten. Zwar wird in einem Thüringischen Kaufkontrakte vom Jahre 1221 ein Henricus de Libenstedt, albus Dapifer, als Zeuge erwähnt, doch ist nicht nachzuweisen, dass er Herr auf der Burg Kuckukstein gewesen sei. Im dreizehnten Jahrhundert wird dagegen das Schloss gar nicht selten genannt, und zwar häufig als ein festes und gefährliches Raubschloss, dessen Bewohner die Strasse nach Böhmen unsicher machten und unter dem Schutze der mächtigen Burggrafen von Dohna standen, bei denen sie auch zur Lehn gingen. Zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts gehörte Liebstadt den Burggrafen von Dohna, die in einer 1286 ausgestellten Urkunde sich verpflichten, dass sie und ihre Nachkommen nicht wie bisher Stadt und Schloss von der Krone Böhmen, sondern von dem Bischof zu Meissen in Lehn nehmen wollten, und zwar als Ersatz dafür, dass sie dem Hospitale St. Materni zu Dresden zwei Weinberge geschenkt hatten, die Meissnisches Lehn waren.

Die Burggrafen von Dohna waren mit der Zeit so mächtig geworden, dass sie selbst um ihre Landesherren, den König von Böhmen und den Markgrafen von Meissen, sich wenig mehr kümmerten. In weitem Kreise um ihre Stammburg Dohna lagerten die ihnen gehörigen Vesten Königstein, Wesenstein, Kuckukstein und viele andere feste Schlösser und Herrenhöfe und weit hin an den Ufern der Elbe dehnte sich ihr Gebiet. Noch trägt das alte Wappen der Neustadt Dresden (bis zum Brande vom Jahre 1685 Altstadt Dresden genannt) den Dohnaischen Hirsch im Schilde, denn die mächtigen Burggrafen waren Herren dieses Marktfleckens, der erst 1403 Stadtgerechtigkeit erhielt, und noch erzählt eine Sage, dass sie das Recht hatten den gejagten Hirsch bis auf die Elbbrücke zu verfolgen. Da bot sich den Markgrafen von Meissen und dem König Wenzel von Böhmen eine günstige Gelegenheit sich von den gefürchteten, fehdelustigen Burggrafen von Dohna zu befreien, indem durch einen zwischen Jeschke von Dohna und Rudolf von Körbitz auf Meusegast bei einem Adelstanze zu Dresden entstandenen Streit eine blutige Fehde entstand. Burggraf Jeschke hatte die Gemahlin des Ritters von Körbitz etwas vertraulicher behandelt als der Eheherr billigte, und dieser stellte deshalb dem von Wein und Lust aufgeregten Jeschke beim Tanze ein Bein, worauf die verhängnissvolle Ohrfeige fiel, welche Hunderten das Leben und den Dohna’s ihre Besitzungen kostete. Nach langem Kampfe, während dessen der alte Burggraf Otto Heyde von Dohna im Gefängnisse starb, Burggraf Maul beim Hammerwerke Fichte und sein Bruder Heyde bei Burkhardtswalde erschossen worden waren und Jeschke zur Flucht nach Böhmen gezwungen wurde, stürmte Markgraf Wilhelm am 19. Juni 1402 die Burg Dohna und liess sie von Bergleuten demoliren. Während der Fehde musste Liebstadt den Burggrafen vierzig reisige Männer stellen.

Nachdem Liebstadt durch Vertreibung der Burggrafen von Dohna in Besitz des Markgrafen von Meissen gekommen war, scheint derselbe die Stadt nicht, gleich andern Dohnaischen Gütern, an einen seiner Edelleute verliehen, sondern zu den Krongütern geschlagen zu haben. Die Annahme, dass der Kuckukstein nach der Dohnaischen Fehde eine Zeit [68] lang als Kloster benutzt worden sei ist unrichtig, und der Beweis dafür durch das Vorhandensein einer Kapelle (die sich in allen bedeutenderen Schlössern vorfindet), und des dahinführenden Mönchgangs nicht von Belang. Wie lange die Landesherrschaft Liebstadt besessen habe ist nicht genau zu bestimmen, doch mag es in der Mitte oder zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts bereits an die reiche Familie von Bünau gekommen sein, obgleich dieselbe urkundlich erst 1513 daselbst genannt wird, wo Günther von Bünau in der Ortskirche ein Chor und eine Sakristei anlegte und einen neuen Thurm bauen liess. Die Herren von Bünau besassen Liebstadt bis zum Jahre 1655, zu welcher Zeit ein Günther von Bünau dasselbe an seinen Stiefvater, den Obersten Detlev von Wedelbusch, überliess, dessen Wittwe, eine geborene von Bünau, es 1691 an ihren Schwiegersohn Cuno Christoph von Birkholz verkaufte, der königlich Polnischer und churfürstlich Sächsischer General war. Dessen Sohn, der Kammerherr Johann Georg von Birkholz hinterliess die Besitzung seiner Wittwe und es entstand nunmehr ein rascher Wechsel der Herrschaft. Frau von Birkholz überliess Liebstadt dem Assessor im Landgerichte des Markgrafthums Niederlausitz Dr. Wolfgang Albrecht Behrisch, der viel an dem Schlosse baute und die Besitzung an den Schiffsherrn und Handelsmann zu Pirna Johann Christoph Hamisch abtrat. Dessen Nachfolger war der Commissionsrath Johann Siegfried Franke, unter dessen Sohne das Gut subhastirt werden musste. Dasselbe erstand 1775 der Kreiscommissarius Hans Carl August von Carlowitz, welcher die schöne Besitzung mit dem ihm gehörigen Rittergut Grosshartmannsdorf bei Freiberg in ein Majorat verwandelte. Ihm folgte im Besitze dieser Güter der königliche Preussische General Carl Adolf von Carlowitz, und nach ihm der Legationsrath und Kammerherr Friedrich Paul Emil von Carlowitz. Zur Zeit ist Majoratsherr auf Liebstadt und Grosshartmannsdorf Herr Georg Carl von Carlowitz.

Das Stadt- und Marktrecht zu Liebstadt mag sehr alt sein. Herzog Georg der Bärtige verstattete Liebstadt auf Veranlassung seines Rathes Heinrich von Bünau am Freitage nach Cathedra Petri 1492 zu Dresden einen freien Wochenmarkt, welcher jedoch später eingegangen ist und an dessen Stelle der Wochenmarkt zu Pirna benutzt wird. Die Erwähnung Heinrichs von Bünau beweist die schon oben erwähnte ausgesprochene Behauptung, dass Liebstadt bereits im funfzehnten Jahrhundert Eigenthum der Familie von Bünau war. Die beiden auf Maria Magdalene und Nicolai stattfindenden Jahrmärkte sollen nach alten Nachrichten mit dem Verschwinden des Ablasses und Papstthums abgekommen sein, wurden jedoch vom Churfürsten August 1576 neuerdings privilegirt und werden jetzt Montags nach Apostel Theilung und nach dem zweiten Advente abgehalten. Sie gehören zu den besuchtesten der Gegend. In früherer Zeit hatten mehrere benachbarte Dörfer die Verpflichtung ihren Bedarf an Bier und Salz aus Liebstadt zu beziehen, nachgehends aber fand zwischen Liebstadt und Lauenstein eine Erbverbrüderung statt, nach welcher die Dörfer beider Herrschaften von diesem Zwange befreit wurden. Vor etwa zwanzig Jahren erbaute die Bürgerschaft der Brauerei gegenüber ein ansehnliches Malzhaus, auch ist damals ein Felsenkeller in den Schlossberg gebrochen und eine steinerne Brücke über die Seidewitzbach gebaut worden. Das Stadtbuch von 1495 gedenkt auch einer Badestube die auf einem Hause im Niederstädtchen ruhte und der Commun einen Jahreszins von vierundzwanzig Groschen einbrachte. Einer hier befindlichen Schützengilde gedenken alte Nachrichten schon 1492; sie wurde 1569 mit Zustimmung des damaligen Erbherrn Rudolph von Bünau erneuert, 1721 wiederum hergestellt und bestand bis in die neueste Zeit. – Das Wappen der Herrschaft Liebstadt zeigt sieben weisse Lilien im rothen Felde. Das hiesige Rathhaus wurde von der Herrschaft erkauft und in einen Gasthof (zum schwarzen Kleeblatt) umgewandelt, seit welcher Zeit die Ratssitzungen immer im Hause, des regierenden Bürgermeisters abgehalten werden. Nach dem schon erwähnten alten Stadtbuche hatte Liebstadt damals die Jurisdiction und Ausübung des peinlichen Halsgerichts. Liebstadt ist von gar mancherlei Schicksalen betroffen worden. In der Fehde des Ritters von Körbitz mag der Ort nicht wenig gelitten haben, auch wurde derselbe im Hussitenkriege mehrfach von streifenden Partheien heimgesucht. Im Jahre 1596 brannten im unteren Theile des Städtchens fünfundzwanzig Häuser und zwei Scheunen ab, und 1632 starben 148 Menschen an der Pest. Ein hitziges Fieber, das 1693 ausbrach, grassirte den ganzen Sommer hindurch. Die Leute wurden vor allzu grosser Hitze ganz unsinnig, sie schwollen auf, wurden ganz matt und starben, so dass dieser Seuche 240 Personen zum Opfer fielen. Am 2. April 1692 kamen die Schweden unter General Banner hierher, plünderten die Häuser, tödteten viele Einwohner und führten einige derselben als Gefangene hinweg, auch brach zu gleicher Zeit eine schreckliche Hungersnoth aus. Am 5. August desselben Jahres kamen 300 feindliche Reiter aus Pirna in Liebstadt an, die abermals alles ausplünderten, welches Schicksal die Stadt auch am 1. und 4. Januar 1643 betraf. Als die Hatzfeldischen Truppen im März 1643 vierzehn Tage lang in hiesiger Gegend einquartirt waren, unternahmen sie einen Sturm auf das Schloss Kuckukstein, eroberten dasselbe und wütheten mit nicht zu beschreibender Bestialität. Ein unvorsichtig abgefeuerter Schuss, welchen ein herrschaftlicher Diener 1745 nach einer Taube richtete, legte die ganze Niederstadt in Asche. Grosse Drangsale verursachte auch der Napoleonische [69] Krieg, indem am 10. Mai 1813 ein Würtembergisches Truppencorps von 17,000 Mann und 150 Polnische Uhlanen hier einquartirt wurden. Am 9. September desselben Jahres um fünf Uhr Nachmittags trafen der Kaiser Napoleon und König Murat mit 40,000 Mann in hiesiger Gegend ein, die theils in Liebstadt Quartier nahmen, theils aber auch im Freien bivouaquirten, auch wurde Liebstadt nach der Schlacht bei Culm von einem französischen Heere berührt. Auf den Fluren bei Nenntmannsdorf und Borna fand ein Treffen zwischen Kosaken und Franzosen statt, und mehrere auf dem Hutberge postirten Kanonen bedrohten Liebstadt mit Vernichtung. Bemerkenswerth ist auch aus jener Zeit, dass der Kaiser Napoleon auf dem Schlosse Kuckuksburg übernachtete, und als er in der Bibliothek das Bild des Generals Moreau erblickte liess er sich ein Messer bringen und trennte von der Uniform des Bildes den Orden der französischen Ehrenlegion ab, wobei er die Dekoration zu Boden warf und eigenhändig an deren Stelle schrieb: le traitre en etait indigne! – Dieses Bild befindet sich noch jetzt unter den verschiedenen Sehenswürdigkeiten des Schlosses.

Die Familie von Carlowitz hat sehr viel für die Verschönerung des Schlosses und seiner Umgebungen gethan, indem es reizende Anlagen, eine reichhaltige Bibliothek, treffliche Gemälde und mancherlei Sehenswürdigkeiten durch sie erhielt. Den Gerichtsbezirk Liebstadts bildeten ausser dem Städtchen die Dörfer Berthelsdorf, Döbra, Göppersdorf, Herbergen und Wingendorf, letzteres mit Ausschluss von vier zum Rittergute Giesenstein gehörigen Häusern; ferner das rothe Vorwerk, der Schaafhof, das Vorwerk Lichtenberg und die Herrenmühle. In früherer Zeit waren auch die Besitzer des im Amte Grüllenburg gelegenen Gutes Braunsdorf verpflichtet, die Lehn bei dem Schlosse Kuckuksburg nachzusuchen und alle Lehnsverbindlichkeiten gegen dasselbe zu erfüllen, wie eine Urkunde vom Jahre 1598 darüber Aufschluss giebt.

Nach dem Schlosse Kuckuksburg ist unbedingt das interessanteste Gebäude Liebstadts die altehrwürdige Kirche, welche dem Schlosse schräg gegenüber auf einem isolirten Hügel liegt. Ueber ihre Gründung fehlen alle Nachrichten, doch weiss man dass sie in grauer Vorzeit nur eine Kapelle war, die mit dem Schlosse durch einen unterirdischen Gang, den Mönchsgang, verbunden gewesen sein soll. Da der ältere kleinere Theil gewölbt, der später angebaute aber mit einer Holzdecke versehen ist, so hat das Gotteshaus offenbar in späterer Zeit, wahrscheinlich im Jahre 1577, einen ziemlichen Umbau erlitten. Ueber den Bau des viereckigen Thurms sagt ein altes Stadtbuch von 1513 dass 1511 „ein chor und thurm, eine gewolbete sacristei vnten im thurme, ein sangkchor, ein gehawener wantstein verdinget und am sundag der kirchmes der erste Grundstein gelegt worden sei.“ – An der Seite der Sakristei, in welche einst bei einem starken Gewitter der berüchtigte Räuber Lips Tullian vergeblich einzubrechen versuchte, sowie hinter dem Altare befinden sich eine Anzahl Todtengrüfte, über denen die Steinbilder der darin Schlummernden aufgerichtet sind. Sie gehören grösstentheils der Familie Bünau an. Unweit der Kirchthür erblickt man das lebensgrosse Bild des Obersten von Wedelbusch, und in der Höhe, dem herrschaftlichen Betstübchen gegenüber, die Contrefeis des Generals von Birkholz, des Obersten von Wedelbusch und des Commissionsraths Franke mit ihren Frauen, sowie zwei alte Kriegsrüstungen und vier Fahnen, einst den beiden genannten Kriegsleuten angehörend. Ein Meisterstück der Bildhauerkunst ist das Denkmal des 1594 verstorbenen Pfarrers Simon. Ob zwei vorhandene Altargemälde wirklich, wie behauptet wird, von Lukas Cranachs Meisterhand herrühren, überlassen wir Kennern. Die Bekleidung des Altars und der Kanzel sind Geschenke des Bauers Schwenke in Wingendorf, der zur Erinnerung an seinen Sohn, der 1818 bei einer in Dresden stattgefundenen Pulverexplosion das Leben verlor, solche der Kirche verehrte. Auf dem Kirchhofe zeichnet sich das Denkmal der im Jahre 1832 zu Liebstadt verstorbenen Frau Generalin von Carlowitz aus.

Eingepfarrt nach Liebstadt sind Herbergen, Göppersdorf, Wingendorf, Saitenhain (mit Beschränkung), das rothe Vorwerk, das Vorwerk Lichtenberg (wozu früher ein im dreissigjährigen Kriege eingeäschertes Dorf gehörte) und die Herrenmühle. Borna ist Filial. Den Gottesdienst verrichten ein Pfarrer und ein Diakonus.

O. M.     




Miltitz
bei Meissen.


Das Dorf Miltitz liegt zwei Stunden von Meissen und ebensoweit von Nossen auf der linken Höhe des Trübischthales, bis zu welchem hinab sich mehrere Häuser und Wirthschaften erstrecken, und besteht aus dem eigentlichen Dorfe Miltitz und dem nordwestlich damit verbundenen Zwuschwitz, [70] welches letztere indessen nur bei kirchlichen und gerichtlichen Angelegenheiten diesen Namen führt, denn da es mit Miltitz in einem Kirchen-, Schul- und Gemeindeverbande steht, so werden beide Dörfer insgemein nur mit dem Namen Miltitz belegt. Der Ort enthält fünfundfunfzig Feuerstätten mit etwa dreihundertsechzig Einwohnern, die sich hauptsächlich von Feldbau, Viehzucht und Obstbau nähren, während die ärmere Classe in einem hier befindlichen bergmännisch betriebenen Kalksteinbruche Beschäftigung erhält, oder in einem andern Bruche, wo ein unter dem Namen Käferstein bekannter Baustein gewonnen wird, Arbeit und Verdienst findet.

Miltitz ist ein von den Sorben gegründeter Ort, und sein Name bedeutet so viel als eine vor Winden geschützte Stätte. Schon im zwölften Jahrhundert war Miltitz ein beträchtlicher Ort, nach dem sich damals bereits ein adeliges Geschlecht nannte. Das hiesige Rittergut gehörte 1186 dem Ritter Dietrich von Miltitz und 1372 besass es Hans von Miltitz von dem noch eine Urkunde vorhanden ist, in welcher er der Pfarrkirche zu Miltitz vier Schock achtundvierzig Groschen Freibergisch, achtunddreissig Hühner und acht Schock Eier jährlichen Zinses, zu Mutzschwitz gelegen, so zur Lehne rühren von der Cathedrale in Meissen, überliess. Für diese Lieferung sollte der Pfarr an der Miltitzer Kirche dem Capitel in Meissen jährlich zwei Schilling Groschen zu Walpurgis und eben so viel zu Martini zu dem Anniversario des Stifters in die Domkirche geben, in der Kirche zu Miltitz aber täglich eine Messe lesen, und dabei des Stifters, Johann von Miltitz, seiner Gemahlin Mechtild und aller seiner Vorfahren Brüder und Erben, der Todten und Lebendigen, Erwähnung thun. Diese Schenkungsurkunde ist datirt Freitags nach Lätare 1372 zu Zelle vom Bischof Conrad II. –

Die Herren von Miltitz besassen ihr Stammgut bis zum Anfange des siebzehnten Jahrhundert, nachdem solches durch den Churfürsten August gegen Erlegung einer Geldsumme in ein Weiberlehn verwandelt worden war. Ihren Besitzesnachfolgern, denen von Luckawen, gehörte das Gut ein ganzes Jahrhundert hindurch, bis Ernst Nikolaus von Luckawens von vier Kindern ihm übrig gebliebene Tochter sich 1710 mit Friedrich Christian von Heynitz auf Dröschkau und Oppitzsch vermählte, wodurch das Gut nunmehr an die Familie von Heynitz gelangte, der es noch jetzt gehört. Ganz besondere Verdienste um Miltitz hat sich der 1801 verstorbene Kammerherr und Berghauptmann von Heynitz erworben, indem derselbe nicht nur die Feldwirthschaft, sondern auch die Viehzucht und Schäferei zu hoher Vollkommenheit brachte, und dabei mit unermüdlicher Thätigkeit für das Beste seiner Unterthanen wirkte. So gründete er im Jahre 1784, um Kindern und armen Leuten Beschäftigung zu geben, auf dem Rittergute eine Baumwollenspinnerei, sowie 1795 eine förmliche Arbeitsschule für Kinder, legte eine Verpflegungskasse an, überliess unbemittelten Einwohnern gegen einen geringen Zins Ländereien und ermunterte unaufhörlich zur Erziehung und Veredlung der Obstbäume, auch gab er dem Dorfe eine höchst praktische Feuerordnung. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts und wol auch noch länger wurde für die Ausbildung der Dorfjugend nur wenig gethan, da man es für überflüssig hielt, dass der Bauer mehr verstehe als seinen Katechismus und einige Bibelsprüche, und so kam es, dass man das Schulamt oft dem Nachtwächter, einem kontrakten Handwerker oder verabschiedeten Soldaten übertrug. Auch in Miltitz war die Stelle eines Schullehrers dreimal mit herrschaftlichen Bedienten ausgefüllt worden, der Berghauptmann von Heynitz aber sorgte dergestalt für die Ausbildung der Miltitzer Jugend, dass die hiesige Schule sehr bald zu den besten Dorfschulen des Landes gehörte. Mit gleicher Güte hat auch die Gemahlin des Berghauptmanns für die Dorfjugend gewirkt, indem sie eine Schulbibliothek gründete. Vor dem Schulhause befinden sich unter schattigen Bäumen zweckmässig eingerichtete Tische und Bänke, so dass an heissen Sommertagen der Unterricht im Freien gehalten werden kann. – Der jetzige Besitzer des Rittergutes Miltitz ist der Herr Kammerherr Gottlob Bruno von Heynitz.

Der Bischof Bruno von Meissen, dessen Andenken in hiesiger Gegend nie erlöschen wird, soll nach der Volkssage in Meissens Umgegend die ersten Kirschen und guten Kastanien (11. Jahrhundert) angepflanzt haben, und so wird auch geglaubt das zu Miltitz befindliche Kastanienwäldchen, welches Stämme von drei Ellen Umfang aufzuweisen hat, verdanke dem frommen Bischöfe seine unmittelbare Entstehung. Richtiger ist indessen wol die andere Behauptung, dass der päpstliche Staatssecretair Carl von Miltitz, ein in der Reformationsgeschichte oft genannter Mann, welcher dem Churfürsten Friedrich dem Weisen im Namen seines Souverains die goldene Rose überbrachte, bei seiner Anwesenheit in Deutschland die edle Kastanie auf dem Stammgute seiner Familie anpflanzte, und so der Schöpfer des genannten Wäldchens wurde.

Die Kirche zu Miltitz, deren Patron der Rittergutsbesitzer ist, dürfte ziemlich zu derselben Zeit entstanden sein wie das Gut. Im Jahre 1372 hatte dieselbe, wie schon oben bemerkt wurde, einen eignen Pfarrer, der gegen eine Schenkung die Verpflichtung übernahm zu Gunsten der reichen, damals die ganze Gegend beherrschenden Familie von Miltitz Seelenmessen zu lesen. Das alte Gotteshaus musste im Jahre 1586 bereits renovirt werden, und unter der Collatur Gottlob Leberechts von Heynitz wurde es abgebrochen und von Grund aus neu aufgebaut, so dass 1740 die Einweihung erfolgen konnte. Aber der zu gleicher Zeit mit erbaute hohe [71] Thurm stand nicht hundert Jahre, denn schon 1815 musste er wegen drohenden Einsturzes abgetragen werden. Der neue Thurm, welcher 1550 Thaler kostete, wurde 1816 vollendet und bei dieser Gelegenheit hatte die Gemeinde wiederum Veranlassung die Wohlthätigkeit der Heynitzischen Familie mit dankbarem Herzen anzuerkennen, da der Kammerherr Gottlob Benno von Heynitz und andere Freunde des Gotteshauses durch Erleichterungen und milde Spenden den Bau bedeutend förderten. Die Kirche, welche ein helles und freundliches Innere zeigt, birgt noch verschiedene alte Steinbilder, welche dem Andenken längst verstorbener Mitglieder der Familie von Miltitz gelten, die namentlich um die Zeit der Reformation lebten. Dass die Miltitze grosse Frömmigkeit besassen beweisen nicht nur die reichlichen Dotationen der Pfarre an Aeckern Wiesen und Waldung, sondern scheint auch daraus hervorzugehen dass sämmtliche geistliche Gebäude auf des Rittergutes Grund und Boden erbaut sind. Uebrigens haben auch die von Luckawen und von Heynitz für die Kirche segensreiche Opfer gebracht, indem sie unter Anderem Legate gründeten, deren Zinsen zum Besten der Kirche und ihrer Diener, sowie der Hausarmen und mittellosen Schulkinder verwendet werden.

O. M.     




Neustruppen.


Wenn man von der Residenzstadt Dresden bis Pirna gelangt ist und den Weg nach der Festung Königstein, oder sonst noch Parthien auf dem linken Elbufer des meissner Hochlandes unternehmen will, betritt man, nachdem man den Hausberg bei Pirna erstiegen hat und an der Heilanstalt Sonnenstein vorüber gegangen ist, eine grosse Hochebene, von wo aus man westlich das Elbthal mit einer weiten Fernsicht, südlich die Anfänge des Erzgebirges und östlich und nördlich die gehobenen Steine und Berghöhen des meissener Hochlandes vor sich hat. Verfolgt man den Weg in der Richtung der Festung Königstein so wird man nach Verlauf einer kleinen Stunde an einen Thaleinschnitt gelangen, welcher seinen Anfang im Elbthale oberhalb Thürmsdorf und seinen Ausgang in den felsigen Parthien des Elbthals bei Vogelgesang hat. Auf der Höhe des Weges, welcher in das Thal führt, wo sich ein schönes überraschendes Bild dem Auge darbietet, führt rechts ein Weg nach dem Rittergut Neustruppen, das auf felsigen Höhen gegenüber dem Staatsgute Kleinstruppen gelegen ist. Beide Güter auf den Thalhöhen beherrschen das Thal; in welchem sich lieblich die drei Dörfer Neustruppen, Struppen und Kleinstruppen mit Kirche, Pfarre und Schule ausbreiten.

Das Rittergut Neustruppen ist keines der älteren Rittergüter im meissener Hochlande, sondern gehört zu den jüngern. Dasselbe hat als Hof vor dem 30jährigen Kriege gar nicht existirt. Das Rittergut Langhennersdorf hat alda eine kleine Fläche Landes besessen, welche zur Schafhutung wahrscheinlich benutzt worden, wo einige Häuser, eine Mühle und ein Ackergut von einer halben Hufe Landes angebaut gewesen ist, welche lehnspflichtige Unterthanengrundstücke von Langhennersdorf waren.

Im Jahre 1644 kaufte der damalige Besitzer von Langhennersdorf und Zehista Artillerie-Oberstleutnant, Amtshauptmann und Inspector des Hauses Sonnenstein Johann Siegesmund von Liebenau zur Vergrösserung seines Grundstücks in Struppen einige wüstgelegene Bauerngüter von Struppen und Keitschwitz und baute wahrscheinlich um diese Zeit einige Wirthschaftsgebäude. Derselbe kaufte auch im Jahre 1654 einige wüste Plätze im Walde von der Brauerei in Struppen, um dadurch eine Verbindung mit dem Rittergute Langhennersdorf herzustellen und dieses Vorwerk in Struppen als ein Schäfereigut zu benutzen. Um diese Zeit ist auch die Erbauung einer Berghütte an dem Struppenbache von der Kirche zu Struppen geschehen, wobei die Uebernahme der Instandhaltung des Weges am Struppenberge der Kirchfahrt zu Struppen mit 200 Mfl. bezahlt wurde.

Dieses Vorwerk in Struppen ist nun bis zum Jahre 1708 bei dem Rittergute Langhennersdorf verblieben, wo denn der damalige Besitzer General Graf von Zinsendorf dieses Grundstück vom Hauptgute getrennt, an die Gebrüder Trömer in Dresden verkauft oder vertauscht hat. Von dieser Zeit ab erscheint es in den Urkunden als Gut Neustruppen, und nachdem die Gebrüder Trömer daselbst ein Wohnhaus, welches jetzt noch steht, und mehrere Wirthschaftsgebäude erbaut haben, ist ihnen auch seit 1713 die Schriftsässigkeit und eigne Gerichtsbarkeit gegeben, obschon das Gut kein Ritterpferd gehabt hat, sondern nur mit Schock- und Quatembersteuern belegt war. Haben nun seit 1720, wo es die Gebrüder Trömer an Hrn. Gasteln verkauft, die Besitzer oft gewechselt und ist dieses Gut einigemal von den Besitzern zu Kleinstruppen und Thürmsdorf besessen und durch Zu- und Verkauf einiger Bauerngüter in Struppen in Areal verändert worden, so wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts weiter nichts Bemerkenswerthes vorgenommen, als dass im Jahre 1722 der Besitzer Kriegscommissar Merbach von dem König in Polen und Churfürsten von Sachsen August dem Starken einen Freibrief zum Vogelstellen und Anlegung eines Vogelheerdes ausgewirkt hat, da die Jagdnutzung zu den Regalien der Krone gehörte.

Zur Zeit des 7jährigen Krieges ist die Umgegend von Pirna so auch Struppen stark belästigt worden, preussisches und später auch Reichs- und Kaiserliches Militair haben die Ortschaften hart bedrängt, so dass [72] eine gänzliche Verarmung stattgefunden hat und die preussische Kriegscontribution nicht hat aufgebracht werden können. Diese Calamität hatte nun Misswachs und Viehsterben im Gefolge und das Rittergut welches nicht wenig dadurch gelitten, hat mehrmals nach dieser traurigen Zeit unfreiwillig seine Besitzer wechseln müssen. Im Jahre 1791 ist das Gut an den Besitzer von Thürmsdorf Hauptmann Daverko verkauft worden, welches derselbe nach 3jährigem Besitz, während dem er die Bergschänke zum Gute brachte, 1794 an den Oberstleutnant Max Hiob von Uechtritz verkaufte. Dieser hat durch Zukauf des am Schlossberge gelegenen Halbhufengutes die Besitzung wesentlich verbessert und vergrössert. Auch scheinen einige Bauanlagen aus dieser Zeit sich herzuschreiben, welche jedoch von keinem Belang sind; dagegen erwähnenswerth erscheint, dass in dieser Besitzperiode die Niederjagd auf den Grundstücken gegen einen Canon von dem Staatsfiskus acquirirt worden ist.

Im Jahre 1798 kaufte Amtshauptmann Moritz von Wilke, auch Besitzer des Ritterguts Ammelshain, das Gut Neustruppen und transferirte von dort ein Lehnsquantum von ca. 20,000 Thlr. auf letzteres. Auch dieser Besitzer hat durch Zukauf die Besitzung vergrössert und durch Abtrennung einiger kleinen Wiesenparzellen unter dem Schlossberge, den Anbau mehrerer Häuser begünstigt und dadurch das Dorf Neustruppen bedeutend vergrössert. Der französische Krieg in den Jahren 1809 bis 1814 hat auch in der Gegend von Pirna gewüthet und die Besitzer von Neustruppen sind namentlich 1813 arg gezüchtigt, ihr Hab und Gut geplündert und die Wirtschaftsgebäude eingeäschert worden, so dass nach den sehr nassen Jahren 1816 und 1817 die Gebrüder von Wilke als Nachfolger ihres Vaters das Gut im Jahre 1821 an den Uhrmacher und Capitain der Nationalgarde in Dresden Samuel Müller verkauften, welches derselbe bis 1830 besessen hat. Derselbe hat durch abermaligen Zukauf eines nahe gelegenen Bauerguts das Areal vergrössert und dem herrschaftlichen Wohnhause durch Erbauung eines schönen Thurmes ein schlossartiges Ansehen gegeben; nicht minder auch aus besonderem Wohlgefallen und zu wesentlichem Nutzen eine gute Schlaguhr daselbst angebracht. Schon im Jahre 1830 verkaufte pp. Müller dieses Gut an den Commissionsrath Heinrich August Blochmann, welcher zu damaliger Zeit Vorsteher des neubegründeten Soldatenknabenerziehungsinstituts auf Kleinstruppen war. Zu bequemer Bewirthschaftung seines Gutes wurde selbiges mit Kleinstruppen durch Verpachtung verbunden, und der Besitzer, als guter Landwirth rühmlichst bekannt, liess es auch an Verbesserung des Ackerbaues und der Viehzucht nicht fehlen, da beides durch die frühere Bewirthschaftungsweise auf einen sehr dürftigen Zustand reducirt worden war. Nächst den Meliorationen im Felde hatte er auch sein Augenmerk auf die Gebäude gerichtet und die Erbauung einer grössern Scheune so wie den Anbau eines Stalles für nöthig erachtet.

Kaum war nun dies einigermaassen hergestellt, so verkaufte derselbe im Jahre 1836 das Gut an den jetzigen Besitzer Chr. Otto Schubart aus Dresden. Es musste nun demselben vor Allem daran gelegen sein die Verbesserung der Felder und Wiesen fortzusetzen, den Culturzustand und mit diesem die Ertragsfähigkeit zu erhöhen, so auch dem Gute eine solche äussere Gestalt zu geben, damit es mit Recht den Namen einer angenehmen Besitzung führen kann. Durch Zukauf einer Holzparzelle vom Rathe zu Pirna und Abtrennung der Bergschänke und sogenannten Hofemühle (welche zu dem im Jahre 1795 erkauften Bauerngute gehörte und verfallen war) an der Struppen-Königsteinerstrasse, wurde dem Areale eine günstige Gestalt gegeben. Der Anbau von Stallungen, so wie die wirthschaftlichen Einrichtungen im Herrenhause und dessen Arrangements in den Wohnräumen, die Anlegung eines Gewächshauses und neuen Hofthores haben wesentlich zur Verschönerung beigetragen nicht minder auch die Bewirthschaftung erleichtert. Um den Hof herum Anlagen von Obstpflanzungen, Erweiterung des Lust- und Gemüsegartens geben den Besitzungen freundliches Ansehen welches durch die Naturschönheiten des Meissener Hochlandes noch gehoben wird.

Gehört auch das Gut zu den kleinsten Rittergütern Sachsens, so gehört es doch gewiss zu denjenigen, welche durch ihre schöne Lage und durch die vorhandene Cultur des Grund und Bodens als sehr anmuthige, interessante und gesunde Aufenthalte bezeichnet werden können. – Hat das Grundstück durch Verbesserung der Oeconomie und Gebäude an Rentabilität gewonnen, so sind nicht minder auch die Vortheile zu erwähnen, welche dasselbe in neuester Zeit errungen hat.

Bei Einführung der neuen Verfassung im Königreich Sachsen 1831 wo das Gut in die Liste der Rittergüter eingetragen wurde, erhielt dasselbe nur die passive Wählbarkeit zu den Landtagen. Durch die im Jahre 1847 angeordnete Revision, welche durch die Einführung der neuen Grundsteuer bedingt wurde, erhielt das Gut die active Wählbarkeit. Ferner ist durch die Neugestaltung der Justizpflege und Verwaltung die Aufhebung der Patrimonial-Gerichte nothwendig geworden; aber schon ehe das Gesetz erschien wurden hier im J. 1848 die Gerichte an den Staat abgetreten und dadurch dem Gute eine Erleichterung verschafft. Bis zu dieser Zeit war auch die Ablösung der Frohnen und sonstiger Prästationen erfolgt, so dass nun nach endlicher Ablösung der Candanien dem Rittergute nur noch die angestammten Rechte verblieben, welche im Jahre 1854 von Regierung und Ständen den Besitzhabern der Rittergüter garantirt worden sind. –

Das Bild, welches dieser Beschreibung beiliegt, lässt Neustruppen von der südöstlichen Seite sehen, von wo aus man eine schöne Aussicht in das Meissener Hochland geniesst.

† † †     




[Ξ]
[Ξ]
[Ξ]
[Ξ]

Anmerkungen (Wikisource)

Heft 8 des Meissner Kreises Nach oben Heft 10 des Meissner Kreises
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.