Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section | |
|
Das Rittergut Giesenstein liegt zwischen den beiden Städten Berggiesshübel und Gottleube in einem reizenden Thale, welches östlich von dem dürren Berge, südwestlich von der Rennplan und nordwestlich von dem Hohensteine begrenzt ist, von welchem letzteren ein hoher Felsen unbeschreiblich schöne Aussichten bietet. Zu dem Gute gehören hübsche, massive Wirthschaftsgebäude, ein stattliches Herrenhaus, ansehnliche Brauerei und Schäferei, eine Mahl- und Schneidemühle, einige Beigüter, sowie die Dörfer Oberhartmannsbach und Niederhartmannsbach mit dreiundzwanzig Bauergütern, einem Erbgerichte, zwei Mühlen, sieben Gartennahrungen und einigen Häusern. Das Areal des Rittergutes Giesenstein besteht aus beinahe dreihundert Ackern Landes, und zeichnet sich durch die Vortrefflichkeit des Bodens, äusserst ergiebige Wiesen und bedeutende Waldungen aus. Auf Giesensteiner Grund und Boden liegt auch ein Theil des durch Gellert und Rabener, die oft in dem Bade zu Berggiesshübel verweilten, sogenannten Poetenganges. Eine Freundin Gellerts schrieb diesem am 3. Juli 1768: „Hier bin ich nun seit vierzehn Tagen mit ein Paar geliebten Personen, meiner Mutter und meiner Schwester im Bade, wie Sie vor vier bis fünf Jahren. Noch nirgends habe ich ein so ähnliches Urbild zu der Idee gefunden, die ich von Arkadien habe, als hier!“ – Dieser herrliche Spazierweg führt zwischen uralten Buchen, Eichen, Linden und Ahornbäumen dahin und glich vor einigen Jahren einer ungeheuern Laube, durch die kaum ein Sonnenstrahl zu dringen vermochte, in neuerer Zeit aber hat man die Bäume etwas gelichtet, wodurch überraschende Aussichten auf die reizenden Wiesenparthieen der Gottleube und die nahen waldigen Felsen erlangt worden sind. Fast in Mitten des Ganges befindet sich ein mit Wehmuthskiefern umpflanztes Denkmal, eine steinerne Tafel über einem Steinsitze, mit der Inschrift:
„Der Sänger frommen Lieds, der heitre Fabeldichter,
Und Deutschlands Juvenal, der feine Sittenrichter,
Sie pflegten hier zu ruhn im Zwiesprach ernst und traut.
Noch tönet Gellerts Ruhm, noch Rabners Name laut.
Auf ihrem Schattensitz lasst ihrem Angedenken
Uns treue Dankbarkeit zu Deutschlands Ehre schenken.“
1767. Th. Hell. 1829.
Den Namen Giesenstein hat das Gut, wie auch das nahe Berggiesshübel, von den schon in frühester Vorzeit hier befindlichen Gusshütten. Nach einem alten „Giesshübelium redivivum“ betitelten Buche galten die hiesigen Eisenhütten für die ältesten im Meissner Lande, und das namentlich auch deshalb, weil dieselben vor allen Andern „besonders begnadigt“ waren. Das hier gewonnene Eisen hatte schon in früher Zeit als sogenanntes pirnaisches Eisen einen weitverbreiteten Ruf, den Namen aber führt es von der „churfürstlichen Eisenkammer zu Pirna“ wie denn die Pirnaische Hammerordnung bis zur neuesten Zeit gültig blieb. Es waren in hiesiger Gegend an dreizehn Eisenhütten, darunter Giesenstein, Haselberg, Bienenhof, Fichte, Kratze, Kleppisch, Bahre, Reichstein und eine bei Liebstadt. Die Hammerherren hatten in den nahen Waldungen besondere Gebiete und entrichteten für den Korb Kohlen nur acht Pfennige, lebten aber dabei unter einander in unaufhörlichem Unfrieden, wie die noch vorhandenen Stösse der Streitacten solches hinreichend beweisen. Der Bergbau beschäftigte damals über dreihundert Bergleute und das Bergamt zu Giesshübel war noch vor hundert Jahren unter unseren vaterländischen Bergämtern keines der geringsten, auch stand unter dem hiesigen Bergmeister das Bergamt zu Glashütte. Im Jahre 1783 wurden beide genannte Bergämter mit dem zu Altenberg vereinigt und der Bergbau sank endlich dergestalt, dass sämmtliche Gusshütten erloschen und nur noch ein einziger Bergmann am Communstollen die halbe Tranksteuer von Berggiesshübel und Gottleube verbaute. Da beschloss im Jahre 1818 die Gräflich Einsiedel’sche Hüttenadministration zu Lauchhammer auf des Oberfactors Trautschold Anregung den hiesigen Bergbau wieder aufzubringen, aber viele Tausende kostete das Unternehmen ehe die Ausbeute erheblich erschien. Da entdeckte 1820 der Obersteiger Hengst in einem Kalkbruche bei Nenntmannsdorf Rotheisenstein und diese Fundgrube liefert zur Zeit an 350 Fuder reichen weichen Eisenstein, sowie vorzüglichen Eisenrahm und schönen Rubinglimmer. Bald darauf wurden neue Entdeckungen gemacht und namentlich ein sehr schätzbarer Magneteisenstein gefunden, worauf man die Gründung eines neuen Hüttenwerkes beschloss. Zur Zeit ist der Bergbau zu Giesshübel wieder im Aufblühen begriffen, und hauptsächlich hat der Aufbau des neuen Einsiedel’schen Eisenwerkes
Meissner Kreis, 9tes Heft, oder 47stes der ganzen Folge.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/098&oldid=- (Version vom 3.6.2018)