Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section | |
|
uns die Chronik, dass im Jahre 1711 eine ziemliche Quantität Holz, das die Regierung in dem Liebstädter Walde gekauft hatte, auf der Seidewitzbach bis Pirna geflösst werden konnte. Von den am Schiesshause gestandenen sieben uralten Kreuzen (die Schwedenkreuze genannt) riss das Gewässer des Baches im Jahre 1804 vier aus der Erde und schwemmte sie fort. – Die reizendsten Punkte der Umgebung Liebstadts sind: der Niedergrund, der Molkengrund, der Ziegenrücken, der Hutberg, der rothe Berg, der Teufelsstein und die wüste Mühle in Tröbnitzgrund, der Schlottwitz- oder Müglitzgrund, der Bürgerboden und Hofboden. Von den Höhen geniesst man unbeschreiblich reizende Aussichten auf das Städtchen Liebstadt, in die Gegend von Dresden und Meissen, das Sächsische Hochland und weit hinauf nach Böhmen.
Die Sage berichtet, dass Liebstadt seinen Namen von den frommen Pilgern erhalten habe, die theils hier durch, theils an der sogenannten weissen Marter vorüber, nach Böhmen wanderten. Die weisse Marter war ein Heiligenbild (Marthasäule), dessen Denkstein am Ende des hiesigen Pfarrgutes am rothen Busche noch jetzt vorhanden ist. Die Pilger fanden hier immer eine gastliche Aufnahme, weshalb sie den Ort die „liebe Stadt“ nannten, und vor Jahren stand vor dem Pfarrhause ein alter steinerner Tisch, an welchem die Wallfahrer gespeist worden sein sollen. Was an dieser Sage Wahres sein mag lässt sich nicht ermitteln, dagegen ist soviel gewiss, dass nach Unterjochung der hier hausenden Slaven und Ausrottung eines grossen Theiles der hier vorhandenen Waldungen, zur Zeit Kaiser Heinrichs I. das Schloss Kuckukstein entstand. Dieses altehrwürdige Gebäude liegt auf einem felsigen Berge, umgeben von Bäumen und Gesträuchen, ist in halbgothischem Style erbaut und besteht aus fünf Flügeln, welche durch zwei kleine Höfe mit einander verbunden und von einem viereckigen Thurme überragt sind. Am Fusse des Schlosses entstand nach und nach das Städtchen, dessen Benennung mit der Zeit den Namen der alten Kuckuksburg verdrängte. – Die Wirthschaftsgebäude des Rittergutes liegen am Fusse des Schlossberges, sowie auch der terrassenförmig sich erhebende herrschaftliche Garten, in welchem unter andern ein grosses Gebäude, die Reitbahn, sich befindet.
In ganz früherer Zeit ging die Burg Kuckukstein bei der Krone Böhmen zur Lehn, doch fehlen aus den ersten Jahrhunderten nach ihrer Entstehung alle Nachrichten. Zwar wird in einem Thüringischen Kaufkontrakte vom Jahre 1221 ein Henricus de Libenstedt, albus Dapifer, als Zeuge erwähnt, doch ist nicht nachzuweisen, dass er Herr auf der Burg Kuckukstein gewesen sei. Im dreizehnten Jahrhundert wird dagegen das Schloss gar nicht selten genannt, und zwar häufig als ein festes und gefährliches Raubschloss, dessen Bewohner die Strasse nach Böhmen unsicher machten und unter dem Schutze der mächtigen Burggrafen von Dohna standen, bei denen sie auch zur Lehn gingen. Zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts gehörte Liebstadt den Burggrafen von Dohna, die in einer 1286 ausgestellten Urkunde sich verpflichten, dass sie und ihre Nachkommen nicht wie bisher Stadt und Schloss von der Krone Böhmen, sondern von dem Bischof zu Meissen in Lehn nehmen wollten, und zwar als Ersatz dafür, dass sie dem Hospitale St. Materni zu Dresden zwei Weinberge geschenkt hatten, die Meissnisches Lehn waren.
Die Burggrafen von Dohna waren mit der Zeit so mächtig geworden, dass sie selbst um ihre Landesherren, den König von Böhmen und den Markgrafen von Meissen, sich wenig mehr kümmerten. In weitem Kreise um ihre Stammburg Dohna lagerten die ihnen gehörigen Vesten Königstein, Wesenstein, Kuckukstein und viele andere feste Schlösser und Herrenhöfe und weit hin an den Ufern der Elbe dehnte sich ihr Gebiet. Noch trägt das alte Wappen der Neustadt Dresden (bis zum Brande vom Jahre 1685 Altstadt Dresden genannt) den Dohnaischen Hirsch im Schilde, denn die mächtigen Burggrafen waren Herren dieses Marktfleckens, der erst 1403 Stadtgerechtigkeit erhielt, und noch erzählt eine Sage, dass sie das Recht hatten den gejagten Hirsch bis auf die Elbbrücke zu verfolgen. Da bot sich den Markgrafen von Meissen und dem König Wenzel von Böhmen eine günstige Gelegenheit sich von den gefürchteten, fehdelustigen Burggrafen von Dohna zu befreien, indem durch einen zwischen Jeschke von Dohna und Rudolf von Körbitz auf Meusegast bei einem Adelstanze zu Dresden entstandenen Streit eine blutige Fehde entstand. Burggraf Jeschke hatte die Gemahlin des Ritters von Körbitz etwas vertraulicher behandelt als der Eheherr billigte, und dieser stellte deshalb dem von Wein und Lust aufgeregten Jeschke beim Tanze ein Bein, worauf die verhängnissvolle Ohrfeige fiel, welche Hunderten das Leben und den Dohna’s ihre Besitzungen kostete. Nach langem Kampfe, während dessen der alte Burggraf Otto Heyde von Dohna im Gefängnisse starb, Burggraf Maul beim Hammerwerke Fichte und sein Bruder Heyde bei Burkhardtswalde erschossen worden waren und Jeschke zur Flucht nach Böhmen gezwungen wurde, stürmte Markgraf Wilhelm am 19. Juni 1402 die Burg Dohna und liess sie von Bergleuten demoliren. Während der Fehde musste Liebstadt den Burggrafen vierzig reisige Männer stellen.
Nachdem Liebstadt durch Vertreibung der Burggrafen von Dohna in Besitz des Markgrafen von Meissen gekommen war, scheint derselbe die Stadt nicht, gleich andern Dohnaischen Gütern, an einen seiner Edelleute verliehen, sondern zu den Krongütern geschlagen zu haben. Die Annahme, dass der Kuckukstein nach der Dohnaischen Fehde eine Zeit
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/101&oldid=- (Version vom 3.6.2018)