Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section | |
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lang als Kloster benutzt worden sei ist unrichtig, und der Beweis dafür durch das Vorhandensein einer Kapelle (die sich in allen bedeutenderen Schlössern vorfindet), und des dahinführenden Mönchgangs nicht von Belang. Wie lange die Landesherrschaft Liebstadt besessen habe ist nicht genau zu bestimmen, doch mag es in der Mitte oder zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts bereits an die reiche Familie von Bünau gekommen sein, obgleich dieselbe urkundlich erst 1513 daselbst genannt wird, wo Günther von Bünau in der Ortskirche ein Chor und eine Sakristei anlegte und einen neuen Thurm bauen liess. Die Herren von Bünau besassen Liebstadt bis zum Jahre 1655, zu welcher Zeit ein Günther von Bünau dasselbe an seinen Stiefvater, den Obersten Detlev von Wedelbusch, überliess, dessen Wittwe, eine geborene von Bünau, es 1691 an ihren Schwiegersohn Cuno Christoph von Birkholz verkaufte, der königlich Polnischer und churfürstlich Sächsischer General war. Dessen Sohn, der Kammerherr Johann Georg von Birkholz hinterliess die Besitzung seiner Wittwe und es entstand nunmehr ein rascher Wechsel der Herrschaft. Frau von Birkholz überliess Liebstadt dem Assessor im Landgerichte des Markgrafthums Niederlausitz Dr. Wolfgang Albrecht Behrisch, der viel an dem Schlosse baute und die Besitzung an den Schiffsherrn und Handelsmann zu Pirna Johann Christoph Hamisch abtrat. Dessen Nachfolger war der Commissionsrath Johann Siegfried Franke, unter dessen Sohne das Gut subhastirt werden musste. Dasselbe erstand 1775 der Kreiscommissarius Hans Carl August von Carlowitz, welcher die schöne Besitzung mit dem ihm gehörigen Rittergut Grosshartmannsdorf bei Freiberg in ein Majorat verwandelte. Ihm folgte im Besitze dieser Güter der königliche Preussische General Carl Adolf von Carlowitz, und nach ihm der Legationsrath und Kammerherr Friedrich Paul Emil von Carlowitz. Zur Zeit ist Majoratsherr auf Liebstadt und Grosshartmannsdorf Herr Georg Carl von Carlowitz.
Das Stadt- und Marktrecht zu Liebstadt mag sehr alt sein. Herzog Georg der Bärtige verstattete Liebstadt auf Veranlassung seines Rathes Heinrich von Bünau am Freitage nach Cathedra Petri 1492 zu Dresden einen freien Wochenmarkt, welcher jedoch später eingegangen ist und an dessen Stelle der Wochenmarkt zu Pirna benutzt wird. Die Erwähnung Heinrichs von Bünau beweist die schon oben erwähnte ausgesprochene Behauptung, dass Liebstadt bereits im funfzehnten Jahrhundert Eigenthum der Familie von Bünau war. Die beiden auf Maria Magdalene und Nicolai stattfindenden Jahrmärkte sollen nach alten Nachrichten mit dem Verschwinden des Ablasses und Papstthums abgekommen sein, wurden jedoch vom Churfürsten August 1576 neuerdings privilegirt und werden jetzt Montags nach Apostel Theilung und nach dem zweiten Advente abgehalten. Sie gehören zu den besuchtesten der Gegend. In früherer Zeit hatten mehrere benachbarte Dörfer die Verpflichtung ihren Bedarf an Bier und Salz aus Liebstadt zu beziehen, nachgehends aber fand zwischen Liebstadt und Lauenstein eine Erbverbrüderung statt, nach welcher die Dörfer beider Herrschaften von diesem Zwange befreit wurden. Vor etwa zwanzig Jahren erbaute die Bürgerschaft der Brauerei gegenüber ein ansehnliches Malzhaus, auch ist damals ein Felsenkeller in den Schlossberg gebrochen und eine steinerne Brücke über die Seidewitzbach gebaut worden. Das Stadtbuch von 1495 gedenkt auch einer Badestube die auf einem Hause im Niederstädtchen ruhte und der Commun einen Jahreszins von vierundzwanzig Groschen einbrachte. Einer hier befindlichen Schützengilde gedenken alte Nachrichten schon 1492; sie wurde 1569 mit Zustimmung des damaligen Erbherrn Rudolph von Bünau erneuert, 1721 wiederum hergestellt und bestand bis in die neueste Zeit. – Das Wappen der Herrschaft Liebstadt zeigt sieben weisse Lilien im rothen Felde. Das hiesige Rathhaus wurde von der Herrschaft erkauft und in einen Gasthof (zum schwarzen Kleeblatt) umgewandelt, seit welcher Zeit die Ratssitzungen immer im Hause, des regierenden Bürgermeisters abgehalten werden. Nach dem schon erwähnten alten Stadtbuche hatte Liebstadt damals die Jurisdiction und Ausübung des peinlichen Halsgerichts. Liebstadt ist von gar mancherlei Schicksalen betroffen worden. In der Fehde des Ritters von Körbitz mag der Ort nicht wenig gelitten haben, auch wurde derselbe im Hussitenkriege mehrfach von streifenden Partheien heimgesucht. Im Jahre 1596 brannten im unteren Theile des Städtchens fünfundzwanzig Häuser und zwei Scheunen ab, und 1632 starben 148 Menschen an der Pest. Ein hitziges Fieber, das 1693 ausbrach, grassirte den ganzen Sommer hindurch. Die Leute wurden vor allzu grosser Hitze ganz unsinnig, sie schwollen auf, wurden ganz matt und starben, so dass dieser Seuche 240 Personen zum Opfer fielen. Am 2. April 1692 kamen die Schweden unter General Banner hierher, plünderten die Häuser, tödteten viele Einwohner und führten einige derselben als Gefangene hinweg, auch brach zu gleicher Zeit eine schreckliche Hungersnoth aus. Am 5. August desselben Jahres kamen 300 feindliche Reiter aus Pirna in Liebstadt an, die abermals alles ausplünderten, welches Schicksal die Stadt auch am 1. und 4. Januar 1643 betraf. Als die Hatzfeldischen Truppen im März 1643 vierzehn Tage lang in hiesiger Gegend einquartirt waren, unternahmen sie einen Sturm auf das Schloss Kuckukstein, eroberten dasselbe und wütheten mit nicht zu beschreibender Bestialität. Ein unvorsichtig abgefeuerter Schuss, welchen ein herrschaftlicher Diener 1745 nach einer Taube richtete, legte die ganze Niederstadt in Asche. Grosse Drangsale verursachte auch der Napoleonische
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/102&oldid=- (Version vom 3.6.2018)