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ADB:Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm

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Artikel „Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm“ von Carl Schüddekopf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 634–641, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zachariae,_Justus_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:59 Uhr UTC)
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Band 44 (1898), S. 634–641 (Quelle).
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Zachariae: Just Friedrich Wilhelm Z., Dichter, wurde der Ueberlieferung nach am 1. Mai 1726 in Frankenhausen am Kyffhäuser als drittes Kind des Regierungsadvocaten Friedrich Sigismund Z. († am 17. Juli 1747) und seiner Frau Martha Elisabeth († am 5. Juni 1772), ältesten Tochter des Registrators Heinrich Gottfried Müller, geboren und laut Kirchenbuch am 11. Mai getauft. Auch sein Großvater Johann Balthasar Z. hatte als Kammercommissarius in fürstlich schwarzburgischen Diensten gestanden; und wie sein Vater als Gelegenheitsdichter in Frankenhausen beliebt war, so hat auch unser Z. die heimische Geschichte verherrlicht in einem Singspiel „Günther, oder die Schwarzburgische Tapferkeit auf dem Kaiserthrone“, das er als Student dem Fürsten Johann Friedrich widmete. Seine erste Bildung erhielt Z. auf der fürstlichen Landschule seiner Vaterstadt unter dem Rector Borck, dessen Nachfolger Schumann er in einer „Abendmusick“ und einem „epischen Drama“ ebenfalls von Leipzig aus besang. Hier wurde Z. siebzehnjährig am 22. Mai 1743 als Jurist immatriculirt und in den drei Jahren seines dortigen Aufenthalts empfing er die nachhaltigsten Einwirkungen für sein ganzes Leben. Von seinem Fachstudium sich bald abwendend folgte er seiner früh erwachter Neigung zur schönen Litteratur und schloß sich dem Kreise junger Dichter an, den die Litteraturgeschichte nach ihrem Hauptorgane unter dem Namen der Bremer Beiträger [635] zusammenzufassen pflegt. Mit ihnen unterstützte er anfangs die von Schwabe herausgegebenen und dem Leipziger Dictator Gottsched ergebenen Belustigungen des Verstandes und Witzes, in denen er in den Monatsheften von Januar bis Juni 1744 seinen ersten größeren Versuch, den „Renommisten“, ein komisches Heldengedicht, erscheinen ließ, das seinen Namen auf die Nachwelt bringen sollte. Mit ihnen fiel er im Sommer 1744 von dem herrschsüchtigen und streitbaren „großen Duns“ ab und betheiligte sich an den unparteiischen und auf gegenseitiger Kritik begründeten Bremer Beiträgen, für deren ersten Band er ein größeres episches Gedicht „Die Verwandlungen“ beisteuerte. In der Folge hat er nur noch wenige lyrische Stücke und ein weiteres scherzhaftes Heldengedicht „Die Lagosiade“ in die Sammlung vermischter Schriften von den Verfassern der Bremischen Beiträge gegeben, wie er denn als einer der Ersten im Herbste 1746 den Kreis der Leipziger Genossen verließ, der bald in die Welt zerstreut wurde. Nach kurzem Aufenthalt in der Heimath, den er zur Erlernung des Generalbasses benutzte, setzte Z. seine Studien in Göttingen fort, wo er am 12. Mai 1747 unter Albrecht v. Haller’s Prorectorat immatriculirt wurde. In die hier seit 1738 bestehende „Deutsche Gesellschaft“ war Z. bereits früher auf Grund seines Renommisten als auswärtiges Mitglied aufgenommen worden; in ihrem Namen gratulirte er 1748 dem Conrector J. M. Heinze zu seiner Berufung nach Lüneburg. In Göttingen schloß Z. Freundschaft mit dem Freiherrn Eberhard Friedrich v. Gemmingen (s. A. D. B. VIII, 557), dem er die erste Sammlung seiner Gedichte von 1754 mit einer Ode widmete, in der er Haller und Klopstock unter den Dichtern am höchsten stellte. Durch die eigenmächtig veranstaltete Ausgabe der Gedichte Gemmingen’s vom Jahre 1769 zerfiel er später mit dem Freunde, der, schon 1753 durch Gottsched ähnlich gemißhandelt, eine geharnischte Erklärung (in der Allg. Deutschen Bibliothek VIII, 2, 321 und im Almanach der deutschen Musen 1770, S. 55) gegen ihn erließ. Mit Gemmingen verehrte Z. in dem benachbarten Gelliehausen eine Frau, die noch eine spätere Dichtergeneration, Boie und Gotter, Bürger und Miller angeschwärmt und besungen haben: Anna Katharina Elisabeth Liste, die Gemahlin des Hofraths Liste, der als Uslarscher Gerichtshalter Bürger’s Vorgänger war. Sie besang er als Lucinde, später als Seline, correspondirte mit ihr und rühmte von ihr in einem ungedruckten Briefe an J. A. Schlegel vom 26. December 1749: „Wenn ich Ihnen Ihren Carackter machen wollte, so würde ich Ihnen mit den grösten Lobeserhebungen ein Frauenzimmer beschreiben müßen, von dem Sie glauben würden, daß so viel Tugend und so viel Vollkommenheit in keiner menschlichen Seele wohnen könnte“. – Seine Bekanntschaft mit dem damaligen „Aeltesten“ der Deutschen Gesellschaft, dem Juristen J. C. Claproth, wurde die Veranlassung zur Berufung Zachariae’s nach Braunschweig, wo er den Hauptplatz seines Wirkens finden und sein Leben beschließen sollte. Claproth empfahl ihn dem Propst Jerusalem für das 1745 in Braunschweig gegründete Collegium Carolinum, eine Schöpfung des Herzogs Karl I., die, zwischen Gymnasium und Universität stehend, die höheren Berufsarten „bon sens und guten Geschmack“ lehren sollte. Hier wurde der Candidatus Z. am 18. April 1748 als Hofmeister mit 150 Thalern Gehalt angestellt; den früheren Herausgeber der Bremer Beiträge, Karl Christian Gärtner (s. A. D. B. VIII, 381), fand er bereits als gräflich Schönburg’schen Hofmeister vor, und am 14. Mai 1748 wurde auch dieser zum Docenten an derselben Anstalt, am 22. Januar 1749 zum Professor befördert. Ihnen folgte ebenfalls zu Ostern 1748 ein anderer Leipziger Genosse, Johann Arnold Ebert (s. A. D. B. V, 586) als Hofmeister, und so erstand in Braunschweig eine Nachblüthe des Leipziger Dichterbundes. Auch Gellert und Klopstock, der bis zu seiner Uebersiedlung nach Dänemark öfters in Braunschweig weilte, versuchte man dort zu fesseln; [636] Nicolaus Dietrich Giseke (s. A. D. B. IX, 192) war um 1750 Erzieher in Jerusalem’s Hause, Konrad Arnold Schmid wurde 1761 berufen (s. A. D. B. XXXI, 686) und die benachbarten Freunde, Gleim in Halberstadt, Johann Andreas Cramer in Quedlinburg, Besucher wie Uz (1750) und Cronegk (1751) vervollständigten den Kreis, der Braunschweig für mehrere Jahrzehnte zu einem Mittelpunkte des geistigen Lebens machte. In dieser anregenden Umgebung entfaltete auch Z. eine erfolgreiche Thätigkeit. 1754 erschien die erste Sammlung seiner „Scherzhaften Epischen Poesien nebst einigen Oden und Liedern“, die außer den beiden Jugendwerken zwei weitere komische Heldengedichte, das Schnupftuch und den Phaeton, und vier Bücher Oden und Lieder enthält. In einer Anzeige dieser Sammlung im „Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit“ 1754, Herbstmonat, S. 683 ff. benutzte Gottsched die Gelegenheit, sich an seinem ehemaligen Schüler für den Abfall von seiner Partei, für die Hinneigung zu den Schweizern und zu Klopstock und für den Gebrauch des verhaßten Hexameters zu rächen. Z. blieb „dem großen Duns“ die Antwort in einem Gedichte zum Gedächtniß des am 28. October 1754 verstorbenen Hagedorn nicht schuldig und wurde von Lessing in der Vossischen Zeitung aufs schneidigste secundirt, sodaß Gottsched sich bei der braunschweigischen Regierung über Z. beschwerte. Dieser vertheidigte sich am 23. Januar 1755 in einer umfangreichen und sehr geschickten Denkschrift, der Jerusalem in einem Promemoria zur Seite trat; die Regierung scheint die Sache niedergeschlagen zu haben, bewies aber aufs deutlichste, daß sie Z. nichts nachtrug, indem sie ihn am 30. Januar 1761 zum Professor ordinarius Poëseos am Collegium Carolinum ernannte. In der Oeffentlichkeit, wenn auch anonym, rächte sich Z. an Gottsched durch eine Satire in Alexandrinern „Die Poesie und Germanien“ (Berlin 1755); auf weitere Anzapfungen der Gottschedianer Schönaich im „Sieg des Mischmasches“ und Reichel’s in der „Freimüthigen Anzeige einiger Irrthümer“ konnte er schweigen, denn sein Gegner war ein litterarisch todter Mann. – Als Lehrer hatte Z. einen großen Erfolg; zu seinen Schülern gehörte der spätere preußische Minister v. Zedlitz, dem Z. 1760 die „Schöpfung der Hölle“ widmete und Goethe’s Jugendgenosse in Wetzlar, Goué, der ihm in seinem „Notuma“ ein Denkmal setzte. Z. hielt in jedem Semester zwei regelmäßig wiederkehrende Vorlesungen, eine vierstündige über Dichtkunst meist nach Batteux, und eine zweistündige über Mythologie, nach eigenen Heften. Dazu trat seit der Reorganisation des Collegs im Herbst 1774 eine für die Anstalt sehr charakteristische Vorlesung: ein sogenanntes „Zeitungscollegium“. Ohne Zweifel stand diese Neuerung mit Zachariae’s redactioneller Thätigkeit in Zusammenhang, die er seit Ende 1760 an den „Gelehrten Beiträgen“, einem Beiblatt zu den Braunschweigischen Anzeigen, und seit 1768 an der Neuen Braunschweigischen Zeitung ausübte. Daneben wurde ihm 1767 die Leitung der Waisenhausbuchhandlung, der Druckerei und des Intelligenzwesens übertragen, an die sich eine Leihbibliothek anschloß. Auf allen diesen Gebieten bewies Z. einen frischen Unternehmungsgeist und kaufmännische Geschicklichkeit; die Waisenhausbuchhandlung erfreute sich unter seiner Leitung mit Recht eines guten Rufes und verlegte eine ganze Reihe bedeutender Werke; die Anzeigen und die Neue Zeitung, für die auch Lessing mitarbeitete, spielten um 1770 eine beachtenswerthe Rolle in der deutschen Kritik. Doch erwuchsen für Z. aus der vielseitigen Thätigkeit pecuniäre Schwierigkeiten, die ihm noch auf seinem Todtenbette Sorgen machten und ihn bei der Umgestaltung des Collegium Carolinum im J. 1774 bewogen, von der Leitung dieser Anstalten zurückzutreten. – Seine weit ausschauende buchhändlerische Thätigkeit führte Z. auch öfters auf Reisen, so zur Ostermesse 1767 nach Leipzig. Hier lernte er an dem Schönkopf’schen Mittagstische, dem ein jüngerer Bruder, vermuthlich Georg Ludwig Friedrich, [637] geboren am 5. März 1735, angehörte, den Studiosus Goethe kennen, der ihn längst verehrte, die Lieder aus Zachariae’s „Sammlung einiger musicalischer Versuche“ seinem Käthchen am Clavier sang und unter seinem Einflusse dichtete (vgl. Werner im Anzeiger für deutsches Alterthum 8, 244; Leitzmann im Euphorion 4, 803). Nach seiner Abreise richtete Goethe an ihn eine Ode (Buch Annette, Weimarische Ausgabe 37, 36; verändert im Leipziger Musenalmanach 1777 S. 21, der junge Goethe I, 86), die ihn als Nachahmer von Uz und Ramler zeigt (Minor im Goethe-Jahrbuch 8, 228). Bei demselben Besuche, im Mai 1767, zeichnete sich Z. in das Stammbuch Joh. Georg Eck’s (siehe A. D. B. V, 602) mit fünffüßigen Jamben ein (Grenzboten 1879, 4, 326), die ebenso wie ein Widmungsgedicht an Meinhard (Euphorion 4, 677) in seinen Werken fehlen. Im Sommer desselben Jahres lernte er in Bad Lauchstedt den Gegner Lessing’s, Klotz, und seinen Schüler Joh. Georg Jacobi kennen, den er vergebens zur Fortsetzung der in seiner Handlung erschienenen Versuche Meinhard’s zu bereden versuchte. Seine geschäftlichen Unternehmungen blieben auch auf seine eigene dichterische Thätigkeit nicht ohne Einfluß. Nicht nur erschienen in den von ihm redigirten Zeitungen eine Reihe von Gelegenheitsgedichten, die ihm leicht von der Hand gingen, sondern er suchte auch für seine Buchhandlung gangbare Verlagsartikel zu schaffen, indem er Romane übersetzte, Anthologien zusammenstellte und fremde Gedichte herausgab. Auch seine eigenen Werke suchte er geschäftsmäßig so gut wie irgend möglich zu verwerthen, indem er öfters als nöthig neue Ausgaben veranstaltete, Freunde und Bekannte zu der damals beliebten Pränumeration aufforderte und sogar den bedenklichen Buchhändlerkniff nicht verschmähte, eine Titelausgabe als neue, verbesserte Auflage zu bezeichnen. Ueberhaupt war sein Dichterruhm, wie seine früher gerühmte „Walfischgesundheit“ im Niedergang, als er sich noch in späten Jahren entschloß, sich mit der 37jährigen Henriette Sophie Elisabeth Wegener, Tochter des Gasthofsbesitzers „Zum großen Weghause“ in Klein-Stöckheim, halbwegs zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel, zu vermählen. Ueber die Hochzeit, die auf dem Weghause, dem beliebten Rendezvous der Schriftsteller aus beiden Städten, wo Z., der „Punschapostel“, oft verkehrte, am 6. Januar 1773 gefeiert wurde, berichtet Lessing, der Z. mit seinen Sarkasmen nicht verschonte, an Eva König. Die späte Ehe war nur von kurzer Dauer. Am 15. April 1775 vom Herzog Karl I. mit einem Kanonikat am Stifte St. Cyriaci bei Braunschweig beschenkt, wurde Z. durch ein anhaltendes Fieber an den Rand des Grabes gebracht, und nach kurzer Besserung durch eine Badecur in Pyrmont und Meinberg im folgenden Sommer erlag er am 30. Januar 1777, erst 51jährig, der Wassersucht. Seine Wittwe überlebte ihn um fast ein halbes Jahrhundert und starb erst am 4. März 1825 als die letzte von zehn Geschwistern. Kinder sind aus ihrer Ehe, wie es scheint, nicht hervorgegangen; die Angabe des Herausgebers einer von Hosemann illustrirten Ausgabe des „Renommisten“ (Berlin 1840), er sei ein Enkel des Dichters, ist vermuthlich eine scherzhafte Mystification. Demnach wird auch der werthvolle Nachlaß des Dichters, den Eschenburg noch in Händen hatte, verloren gegangen sein.

Als Schriftsteller gehört Z. zu der nicht geringen Zahl derer, die mit ihrem Erstlingswerke sogleich den Gipfelpunkt ihres dichterischen Könnens erreichten. Im „Renommisten“ hat er mit frischem Jugendmuth sein Bestes geleistet und zugleich der deutschen Dichtung ein neues Gebiet erobert, das bald von zahllosen Nachahmern überlaufen wurde, die komische Epopöe. Wenn auch nicht ohne Vorgänger in Deutschland, unter denen Pyra’s „Bibliotartarus“ voransteht (vgl. Waniek, Immanuel Pyra, Leipzig 1882, S. 165), ist der „Renommist“ doch das erste komische Heldengedicht der neueren deutschen Litteratur, das [638] diesen Namen wirklich verdient und den verwandten Werken der Italiener, Franzosen und Engländer an die Seite treten darf. Von den letzteren hat Z. Voileau’s „Chorpult“ und Pope’s „Lockenraub“ – diesen in der gleichzeitig erscheinenden Uebersetzung der Frau Gottsched – als Vorbilder in formaler Hinsicht benutzt, aber sein Werk erhält allein durch den ewig jungen Stoff vom deutschen Studenten einen originalen Charakter. Der Gegensatz zwischen dem alten, rohen, rauflustigen Burschen, wie er in Jena seinen Hauptsitz hatte, und dem modernen, zierlichen, galanten Petit-Maitre, den Z. in Leipzig selbst am besten studiren konnte, ist mit überlegenem Humor und mit großer, culturgeschichtlich interessanter Treue dargestellt. Die glückliche Wahl des Metrums nach Pyra’s Vorgange, des gereimten, feierlich-schwerfälligen Alexandriners, trägt viel zur komischen Wirkung des Ganzen bei, und es ist unbegreiflich, wie Z. diese von ihm meisterhaft gehandhabte Versart in seinen späteren Epopöen mit einem lottrigen Hexameter vertauschen, vereinzelt sogar zur Prosa zurückkehren konnte. Die 1754 erschienene stark umgearbeitete Auflage seines Jugendwerkes zeigt Z. unter größerem Einfluß von Pope, den er erst in Göttingen im Original kennen lernte, und von Uzens „Sieg des Liebesgottes“. Im allgemeinen hat sein Werk in dieser Umarbeitung durch Einschränkung der Episoden, einheitliche Gestaltung der Grundmotive und Ausmerzung von Gleichnissen beschreibenden Charakters gewonnen; nur durch stärkeres Herausarbeiten des lehrhaften Elements begab sich der Dichter auf eine abschüssige Bahn, die seiner künstlerischen Entwicklung gefährlich werden sollte. In seinen späteren Werken tritt das Beiwerk immer aufdringlicher hervor. Schon das zweite, 1745 in den Bremer Beiträgen erschienene komische Epos „Die Verwandlungen“, das nach Ovid’s Metamorphosen auf einer weitverzweigten litterarischen Tradition beruht (vgl. Minor in der Zeitschrift für deutsche Philologie 19, 219), zeigt eine nüchterne Moral und eine schablonenhafte Satire auf die verschiedenen Stände, die an Geschlossenheit und Frische weit hinter dem Renommisten zurücksteht. Wie in den Verwandlungen eine Menge einzelner Züge Pope nachgebildet sind, so ahmt Zachariä’s nächstes Epos „Das Schnupftuch“ in seiner ganzen Composition den „Lockenraub“ nach; hier ist eine der Heldin geraubte Locke, dort ein der gleichnamigen Belinde geraubtes Schnupftuch das Hauptmotiv. Die ermüdende Breite der Darstellung sucht Z. durch litterarische Anspielungen und Parodierungen des ernsten Epos zu unterbrechen – ein Hülfsmittel, das in dem 1754 erschienenen, in Hexametern abgefaßten „Phaeton“ einen noch größeren Raum einnimmt. In dieser Parodie auf die Ovidische Erzählung im zweiten Buch der Metamorphosen sind Fabel und Handlung so unsäglich einfach, ja dürftig, daß es der ganzen Kleinkunst und der sorgfältigsten Feile des Dichters bedurfte, um das Werk den Zeitgenossen so schätzbar zu machen, wie es merkwürdiger Weise war. – Die späteren Epopöen zeigen immer deutlicher, daß Zachariae’s Erfindung vollständig erschöpft war und sich stets im alten Kreise bewegte. Der ebenfalls in Hexametern geschriebene „Murner in der Hölle“ (1757) ist eine Travestie auf den Tod Elpenor’s im elften Buch der Odyssee, eine recht witzlose Geschichte vom Tod eines Katers, der im ganzen Hause spukt, bis sein Cadaver feierlich bestattet wird; das vom Dichter selbst hoch eingeschätzte Werk wurde sogar 1771 als „Aeluarias“ von Benedict Christian Avenarius ins Lateinische übersetzt. In der „Lagosiade oder Jagd ohne Jagd“ war Z. inzwischen (1749) zur Prosa zurückgekehrt und nahm dadurch der Darstellung den letzten Reiz; das alberne Abenteuer eines seiner englischen Zuhörer, Namens Shore, die Erlegung eines Hasen mit dem Spazierstock, hat kaum als Gelegenheitsspaß einen Werth. Noch weniger verdient „Hercynia“ (1763) den Namen eines komischen Heldengedichts, denn diese Harzreise im Winter ist nichts als eine [639] trockene Beschreibung in salopper Prosa mit eingestreuten Versen, die den hergebrachten allegorisch-mythologischen Apparat rein äußerlich verwendet. Eine „Batrachomyomachie“ in Knittelversen endlich gedieh nicht über den Anfang des ersten Gesanges hinaus, den Eschenburg erst nach Zachariae’s Tode herausgab.

In dieser langen, abwärts führenden Reihe von epischen Dichtungen hat Z. sich Ein unbestreitbares Verdienst gewahrt: die gelungene poetische Schilderung, gehoben durch frische Anschaulichkeit und glücklichen Humor. Diese Eigenschaften treten auch in seinen beschreibenden Gedichten vortheilhaft hervor. Kleist’s Versuch, die Jahreszeiten Thomson’s in seinem „Frühling“ nachzubilden, ließ Z. nicht ruhen; in den „Tageszeiten“ (1755), einem Gedicht in vier Büchern und Hexametern, unternahm er es, diese beiden Vorbilder in der Genremalerei zu überbieten (vgl. Sauer, Ewald v. Kleist I, 161). Kein Wunder, daß er im Detail erstickt, da er die Schilderung der vier Tageszeiten dazu benutzt, eine Fülle von litterarischen, künstlerischen und zeitgeschichtlichen Fragen zu berühren; so gibt er eine Uebersicht über die gleichzeitige deutsche Litteratur, spricht bei Erwähnung der Salzdahlumer Galerie über bildende Kunst, spielt auf die jüngsten Kriegsereignisse an, ja er fordert sogar eine deutsche Flotte und deutsche Colonien! Der vierte Gesang „Die Nacht“ ist besonders von Young’s „Nachtgedanken“ beeinflußt, dem Z., wie seinem Uebersetzer Ebert, mit begeisterten Worten huldigt (vgl. Barnstorff, Young’s Nachtgedanken und ihr Einfluß auf die deutsche Litteratur, Bamberg 1895, S. 30). – Ein zweites beschreibendes Gedicht in Hexametern „Die vier Stufen des weiblichen Alters (1757) zeigt noch weniger Selbständigkeit in der Erfindung. Es ist eine Nachahmung der „Vier Stufen des menschlichen Alters“ von Johann Rodolf Wertmüller in Zürich, die Z. zuerst in der lateinischen Uebersetzung des Balthasar Oltrocchi (1714–1797) kennen lernte; erst ein Brief des Verfassers machte ihn auf das deutsche Original aufmerksam. – Wie Z. Pope und Thomson nachahmte, so theilte er überhaupt das Interesse des Braunschweigischen Litteraturkreises für englische Dichter, das hauptsächlich von Ebert gefördert wurde. Wie dieser den Young und Glover, so übersetzte Z. Milton’s „Verlorenes Paradies“ und zwar in Hexametern, nachdem ein erster Versuch in fünffüßigen Jamben liegen geblieben war (vgl. Schlösser in der Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte 6, 119; dazu Gerstenberg im zwölften der Schleswigischen Litteraturbriefe). Die 1760 und 1763 in zwei Theilen erschienene Uebersetzung des für die deutsche Litteratur so ungemein wichtigen Epos führt über die zahlreichen früheren Verdeutschungsversuche (vgl. die ganz ungenügende Untersuchung von Jenny, Miltons verlorenes Paradies in der deutschen Litteratur des 18. Jahrh., St. Gallen 1890) nicht weit hinaus; vor allem ist die Verstechnik äußerst unbeholfen und schwerfällig – unbegreiflich bei Zachariae’s musikalischen Kenntnissen –, aber auch von der Wucht und Würde der Sprache des Originals ist wenig geblieben, sodaß Gerstenberg urtheilen durfte: „Es ist kaum Milton’s Gespenst“. Aehnlich sprachen sich Haller, Herder und vor allem Nicolai aus, ohne daß Z. in späteren Umarbeitungen seine Uebersetzung ernstlich gebessert hätte. Vielmehr ließ er sich durch diese Verdeutschung zu eigenen Versuchen im biblischen Epos verleiten. Schon 1760 gab er zwei Bruchstücke eines großen religiösen Epos heraus, das jedoch in den Anfängen stecken blieb, „Die Schöpfung der Hölle“ und „Die Unterwerfung gefallner Engel und ihre Bestimmung zu Schutzgeistern der Menschen“. Die Erfindung beider Fragmente ist, wie wiederum Nicolai’s scharfe Kritik in den Literaturbriefen nachwies, völlig mißrathen. Milton und Klopstock gaben den ersten Anstoß und verschiedene Motive zu dem ersteren Gedicht; das zweite enthielt eigentlich nur eine neue, nicht eben glückliche Wendung des Abbadonamotivs (vgl. Muncker, Klopstock, S. 183). Zwei moralische Gedichte, die Z. [640] diesen Fragmenten beifügte, sind ebenfalls dem Englischen nachgebildet; „Die Vergnügungen der Melancholey“, in Hexametern, sind aus dem Thomas Warton, einem Nachahmer Young’s, übersetzt, und von dem zweiten, den „Unterhaltungen mit seiner Seele“, in gereimten Jamben, sagt Z. selbst, daß sich verschiedene Stellen aus den Pleasures of Imagination des Thomas Akenside darin nachgeahmt fänden. – Ein selbständiger Versuch im ernsten, geschichtlichen Epos ist Z. gleichfalls nicht geglückt und nicht zu Ende gediehen; von einem auf 24 Gesänge berechneten Gedicht „Die Eroberung von Mexico“ sind 1766 nur vier Gesänge unter dem Titel „Cortez“ erschienen, in reimlosen fünffüßigen Jamben mit durchweg männlichem Ausgang abgefaßt. Der Stoff, aus Antonio de Solis’ Leitfaden entnommen, erinnert in seinem summarischen Entwurfe an Bodmer’s „Colombona“; die ausgeführten Partien sind mehr von Klopstock beeinflußt, zeigen aber im Gebrauch des Wunderbaren, in der ganzen Maschinerie der Engel und gefallnen Geister solche epische Mängel, daß es leicht erklärlich ist, wenn eine spätere Umarbeitung des Ganzen unvollendet blieb. Erfreulicher ist Zachariae’s letzter epischer Versuch, der noch in seinem Todesjahr erschien, betitelt „Tayti oder die glückliche Insel“, in welchem er nach Bougainville’s Reisebeschreibung die Entdeckung dieser Insel beschrieb und in Rousseau’s Geiste die Einfalt der Eingebornen pries. Auch hier handhabt Z. den fünffüßigen Jambus mit großer Meisterschaft, unter dessen Vorkämpfern ihm ein Ehrenplatz gebührt.

Versuche in anderen Dichtungsarten fallen für Zachariae’s poetische Eigenart wenig ins Gewicht. Ein kleines Nachspiel von 1771 „Der Adel des Herzens oder die ausgeschlagene Erbschaft“, welches die Freunde Lessing und Bode für ihren Hamburger Verlag in Aussicht nahmen, zeichnet sich nach gleichzeitigen Recensionen durch eine hübsche Sprache aus. In seiner Lyrik steht Z. durchaus auf dem Boden der Bremer Beiträge; nach dem Vorbilde des französischen Baudeville und Hagedorn’s versucht er sich mit Vorliebe im Refrainliede, ahmt die reimlosen Strophen der älteren und die Anakreontik der jüngeren Hallischen Schule nach, antikisirt mit Klopstock und zeigt auch hier seine spätere Vorliebe für den reimlosen Jambus der Engländer. Seine musikalische Bildung kam ihm bei Verfertigung von Cantaten, wie „Die Pilgrime auf Golgatha“ (1756) und „Das befreyete Israel“ (1761) zugute und führte ihn zu eigenen Compositionen, die 1760/61 in zwei Theilen erschienen und mit Beifall aufgenommen wurden. Auch den Knittelvers handhabte Z. in Gelegenheitsgedichten mit vielem Geschick; dagegen war es ein Mißgriff, daß er in demselben Versmaß (1772) „Zwey schöne neue Mährlein“ von der edlen Melusine und der untreuen Braut im Romanzenton parodirte, wie es durch Gleim Mode geworden war.

Endlich sind Zachariae’s litterarhistorische Sammlungen, Uebersetzungen und Ausgaben fremder Schriften wenigstens kurz zu erwähnen. Die „Auserlesenen Stücke der besten deutschen Dichter von M. Opitz bis auf gegenwärtige Zeiten“ reihen sich den Bestrebungen der Schweizer und Berliner um Wiedererweckung der älteren deutschen Poesie würdig an; die beiden ersten Bände (1766–71) bringen eine Anthologie aus Opitz, Flemming und Scultetus mit kurzen Einführungen und Erläuterungen, ein dritter von Eschenburg 1778 herausgegebener Band wies zuerst wieder auf Schwieger’s „Geharnschte Venus“ hin. Eine schwache Leistung sind dagegen die „Fabeln und Erzählungen in Burkard Waldis’ Manier“ (anonym 1771, vermehrt von Eschenburg 1777), die den alten Fabeldichter vergeblich zu modernisiren versuchen. – Von gleichzeitigen Dichtungen gab Z., außer den bereits erwähnten „Poetischen und Prosaischen Stücken“ des Freiherrn v. Gemmingen heraus: „Olint und Sophronia“ von seinem früh verstorbenen Schüler Gottlob Sebastian v. Lucke (1767), „Das Glück der Liebe“ von dem [641] Bremer Beiträger Nikolaus Dietrich Giseke (1769) und endlich die zweite Auflage von Johann Nikolas Meinhard’s „Versuchen über den Charakter und die Werke der besten Italiänischen Dichter“ (1774) mit werthvollen Nachrichten über das Leben Meinhard’s. – Wahrscheinlich ist Z. auch mit Gärtner gemeinsam der Herausgeber des „Spanischen Theaters“ in drei Bänden (Braunschweig 1770–71), einer Uebersetzung von Linguet’s „Théâtre Espagnol“, die zuerst spanische Stücke nach Deutschland verpflanzte; von beiden Herausgebern soll auch ein weiterer „Beitrag zum spanischen Theater“ (Hamburg und Riga 1771) stammen. Dagegen ist die zweite Auflage der Bremer Beiträge in zwei Bänden (Braunschweig 1768) nicht von Z., sondern von Gärtner besorgt, wie jener selbst in seinem Bericht über die Waisenhausbuchhandlung angibt; und auch die „Kleine Chronik des Königreichs Tatojaba, von Herrn Wieland dem ältern“ (1777), wird, wie die „Cantaten zum Scherz und Vergnügen“ (1761), mit Unrecht Z. zugeschrieben. Die Uebersetzung beliebter Romane endlich, wie „Die schöne Russinn oder wunderbare Geschichte der Azema“ (1766) und „Die Fliegenden Menschen oder Wunderbare Begebenheiten Peter Wilkins“ (1767) aus dem Französischen sind nur veranlaßt durch das Bestreben, seiner Buchhandlung gangbare Verlagsartikel zu verschaffen; und diese massenhafte, schnell fertige und fast geschäftsmäßige Production hat nicht wenig dazu beigetragen, seinen schriftstellerischen Ruf schon bei seinen Zeitgenossen zu untergraben. Es fehlte ihm eben im Leben wie im Dichten die nachhaltige Kraft und der Ernst, ohne die auch die glücklichste Begabung nicht zur vollen Wirkung kommt.

Eschenburg vor den Hinterlassenen Schriften von F. W. Zachariä. Braunschweig 1781, S. III–XXIX. – C. Schiller, Braunschweig’s schöne Litteratur in den Jahren 1745 bis 1800. Wolfenbüttel 1845, S. 49–62. – Goedeke, Grundriß IV2, 34. – F. Muncker in Kürschner’s Nationallitteratur Bd. 44, 243–260. – Hans Zimmer, Zachariä und sein Renommist. Leipzig 1892 (dazu R. Rosenbaum im Anzeiger f. deutsches Alterthum 19, 257). – Erich Petzet, Die deutschen Nachahmungen des Popeschen Lockenraubes (Zeitschrift f. vergl. Litteraturgeschichte, N. F. 4, 409). – Paul Zimmermann, F. W. Zachariä in Braunschweig. Wolfenbüttel 1896 (Nachträge dazu vom Unterzeichneten im Braunschweigischen Magazin 1898 Nr. 19 f.).