Zum Inhalt springen

ADB:Wenck, Helfrich Bernhard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wenck, Helfrich Bernhard“ von Karl Robert Wenck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 703–709, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenck,_Helfrich_Bernhard&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:49 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Welz, Robert von
Nächster>>>
Wenck, Johann
Band 41 (1896), S. 703–709 (Quelle).
Helfrich Bernhard Wenck bei Wikisource
Helfrich Bernhard Wenck in der Wikipedia
Helfrich Bernhard Wenck in Wikidata
GND-Nummer 117284033
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|703|709|Wenck, Helfrich Bernhard|Karl Robert Wenck|ADB:Wenck, Helfrich Bernhard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117284033}}    

Wenck: Helfrich Bernhard W., Schulmann und Historiker, Sohn von J. M. W., wurde am 19. Juni 1739 zu Idstein geboren. Ueber seinen Bildungsgang ist wenig bekannt. Er besuchte das Darmstädter Pädagogium, dessen Rector sein Vater war, und studirte seit 1757 anderthalb Jahr in Gießen und ebensolange in Göttingen, vorzugsweise Theologie, ohne doch Theologe im eigentlichen Sinne zu werden. Wohl hat er noch in späteren Jahren bisweilen gediegene und erfolgreiche Predigten gehalten, aber als Schulmann hat er gegen den bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts herrschenden theologischen Zuschnitt des Gymnasiums, gegen die Bevormundung durch theologische „Scholarchen“ stetig und erfolgreich gewirkt. Seine Vorliebe für historische Forschung, in der er Ausgezeichnetes geleistet hat, wird ihm vom Vater vererbt und anerzogen sein. Wenige Monate vor dessen Tod, gleich nach seiner Rückkehr von der Universität im August 1761 wurde er am Darmstädter Pädagogium als Collaborator angestellt, 1766 rückte er zum Subconrector, 1768 zum Prorector auf und schon 1769 wurde ihm das Rectorat mit dem Titel eines Professor übertragen. Er hatte sich in schwerer Zeit, unter einem unwürdigen Nachfolger seines Vaters, als eine Säule der Anstalt bewährt und durch seine Hingebung und den Schwung seines Unterrichts die rasche Beförderung verdient. Welches Vertrauen man ihm entgegenbrachte, zeigt, daß die „große Landgräfin“ Henriette Karoline ihn seit 1766 zur Vorbereitung ihres hochbegabten Sohnes des Erbprinzen Ludwig (seit 1790 Landgraf) für die Universität heranzog. Nachdem er 1774 seine Auffassung von den Aufgaben und Zielen einer deutschen Landesgeschichte und der hessischen insbesondere in einem Gymnasialprogramm entwickelt hatte, erhielt er 1775 das Amt des Historiographen des fürstlichen Hauses, 1777 [704] das des Hofbibliothekars, auf das er schon seit 1767 Anwartschaft besaß, 1778 wurde ihm der Titel eines „Directors“ zu theil, der ihn über die auch Rectoren benannten Vorsteher der Stadtschulen hinaushob, mehr aber wollte es sagen, daß er gleichzeitig zum wirklichen Consistorialrath mit Sitz und Stimme und dem Specialdepartement aller Schulangelegenheiten im Consistorium ernannt wurde. Die darin ausgesprochene Anerkennung seiner Verdienste schätzte er hoch ein, nicht des Titels wegen, sondern weil ihm diese Ernennung die ersehnte Unabhängigkeit in der Leitung des Pädagogiums gewährte. Eben noch hatte er freimüthig Klage darüber geführt, daß „Macht und Ansehen eines Rector nur auf dem Papiere stünden“, daß er infolge des bureaukratischen Geschäftsganges „von allen Ecken und Enden subaltern“ sei. Nun war ihm endgültig geholfen, und er wünschte, daß „diese Einrichtung auf alle Zeiten beibehalten werden möge“. Noch weitere Ehren wurden ihm in seinen letzten Lebensjahren zu theil, indem er am 7. November 1801 zum Oberschulrath und geheimen Consistorialrath ernannt wurde. W. war eine harmonische Natur, „er hatte Alles, „was das Leben angenehm machen kann“, schreibt seine Schwester nach seinem Tode, nur die Kinderlosigkeit seiner Ehe, in die er sich aber schon längst ergeben hatte, bringt sie in Abzug. W. war reich und vielseitig begabt. Man hat ihn einen genialen Mann genannt. Er besaß nicht nur die Talente des Gelehrten, die ihn auf dem Gebiet der Geschichtsforschung für seine Zeit Hervorragendes haben leisten lassen, nicht nur das Geschick des Verwaltungsmannes, das sich in der Leitung des Pädagogiums und der Hofbibliothek als vorzüglich bewährt hat, sondern er war auch ein kräftiger, lauterer, unabhängiger Charakter und in geselligen Beziehungen ein treuer Freund, ein fröhlicher Gesellschafter voll Witz und heiterer Laune. Wenn wir aus den Ergebnissen seiner schriftstellerischen Thätigkeit schließen dürfen, hat er in den ersten dreizehn Jahren seiner schulmännischen Wirksamkeit seine große Arbeitskraft ausschließlich in den Dienst der Schule und pädagogischer Fragen gestellt. Die Schulprogramme dieser Zeit sind mannichfaltigen Inhalts: neben Proben von Uebersetzungen aus Homer’s Ilias und der alttestamentlichen Litteratur finden sich philosophische Abhandlungen, ein Erstling historischer Studien („Versuch eines synchronist. Entwurfs der allgem. europ. Staats- u. Kirchengeschichte“, 1765), namentlich aber pädagogische Erörterungen. Aus eigenem Antrieb und infolge der Mahnungen des Ministers Friedrich Karl v. Moser ging W. an eine Reform der Unterrichtsverfassung. Dabei war er durchaus nicht gesonnen der herrschenden Zeitströmung, welche die classischen Sprachen zurückdrängen und auf der Schule Vielwisserei pflegen wollte, sich ganz in die Arme zu werfen, er fand es „nicht nöthig, rathsam und thunlich, etwa einer Neumodischen Philanthropiesucht zu Gefallen, die bisher gewöhnliche Gymnasialform im Ganzen zu verlassen: es war genug, sie nur möglichst zu vervollkommnen“, er tadelte den Realismus, der „die Linnäische Botanik, Schnecken und Papillonsysteme und den ganzen Reichthum der Experimentalphysik zum Eigenthum der Schulen zu machen begehre und die Schüler (statt sie zu Gelehrten zu bilden) eher frühzeitig gewöhne mit den Wissenschaften zu spielen, als ernstliches Geschäft daraus zu machen, an der Thüre stehen zu bleiben und kaum ins Haus hineinzuschauen“. Aber er erklärte es doch auch für unleugbar, „daß unsere ehemaligen Schulverfassungen zu lateinisch waren, daß sie nur auf den Gelehrten, und unter diesen hauptsächlich auf den Theologen gerichtet waren, die übrigen Stände des bürgerlichen Lebens aber, den beliebten lateinischen Terminus ausgenommen, ziemlich leerer Hand davonkamen“. Es entsprach Wenck’s großer Selbständigkeit und seiner lebhaften Abneigung gegen pädagogische Projectenmacherei, daß er, wenigstens in der Theorie, nur mit Vorbehalt und zögernd der herrschenden neumodischen Richtung folgte, daß er aber ebenso der [705] bald eintretenden Reaction gegenüber „den nöthigen Realunterricht“ hoch hielt und das Geschrei derer, die über Versäumniß der alten Sprachen und Hochverrath an der soliden Gelehrsamkeit klagten, gering achtete. Dem gegenüber meinte er 1786 die Statuten des Pädagogiums von 1778 hätten die richtige Mitte getroffen. Eine spätere Zeit hat freilich anders darüber geurtheilt. Die Verbannung des griechischen Unterrichts in Nebenstunden, die Vernachlässigung der lateinischen Prosodie, die Ungründlichkeit der Interpretation aus dem Lateinischen, die sich aus Wenck’s Vorschriften ergab, sind mit Recht getadelt worden, er legte großes Gewicht auf den Unterricht in Mathematik, Deutsch, Geographie und Geschichte, aber er hätte es auch gern gesehen, wenn ein Jurist am Gymnasium angestellt worden wäre und den künftigen Juristen im letzten Jahre vor dem Uebergang zur Universität „eine juristische Encyclopädie lesen könnte“. Hat W. also unzweifelhaft das philologische Element im Gymnasialunterricht zu sehr zurückgedrängt und wunderlich genug allerlei technische Fächer, z. B. auch Befestigungskunst und Tactik, den Schülern selbst mit hingebendem Eifer vorgetragen, so hat er doch, selbst von Liebe zu den Alten durchdrungen, die besseren Schüler mit Begeisterung für die classischen Studien zu erfüllen gewußt und manche Mängel der herrschenden Lehrmethode durch Geist und Witz, wie durch Aufmunterung des Privatfleißes, ausgeglichen. Wenn er seinem Lieblingsfache, der Geschichte, zu viel Zeit in den Lehrstunden einräumte und man ihm vorwerfen konnte, „daß er oft, wo er beim Horaz und Plato seine Gedanken zusammennehmen sollte, den Kopf voll habe von katzenellenbogischen Grafen und Umstädter Zehnten“, so scheint dieser Vorwurf doch wesentlich nur für die mittlere Zeit berechtigt zu sein. Seit der Mitte der siebziger Jahre beschäftigen ihn die Arbeiten für „das riesenhafte Werk, die Hessische Landesgeschichte“, durch das er nach einem Worte von Wilh. Arnold (1875) „der Vater aller neueren Landesgeschichte“ geworden ist. Ihre Eigenthümlichkeit besteht darin, daß W. nicht die Lücken, welche die Landesgeschichte bei der üblichen schnellen Zusammenraffung eines rohen Haufens von Materialien behalten mußte, durch umfangreiche Anleihen bei der allgemeinen deutschen Geschichte zu verdecken suchte, sondern vielmehr von unten aufbauend „Länderentwickelung“ geben wollte, „die Geschichte der einzelnen Theile und ihrer Besitzer, aus denen das Ganze (der Landesstaat) entstanden, Ursprung ihrer Verfassung, Rechte und Privilegien, Fortgang ihrer Cultur, ihrer Gewohnheiten, Sitte und Gesetze“. Er stellte den Satz auf, daß wie die Vorbedingung einer gründlichen Kenntniß der allgemeinen deutschen Geschichte die Kenntniß einzelner Landesgeschichten sei, so erfordere die landesgeschichtliche Forschung, daß man die Geschichte der einzelnen kleineren Länder, der Grafschaften, Herrschaften und anderer geringerer Districte, aus denen dann die einzelnen Provinzen erwachsen sind, unter Benutzung aller archivalischen Hilfsmittel ans Licht stelle. Er wollte die Geschichte der kleinsten Kreise vor ihrer Einverleibung in das größere Gemeinwesen mit dem Aufgebot aller Gelehrsamkeit erforschen und er wollte „nicht bloß Regentengeschichte, sondern Landesgeschichte“ schreiben. Die Nothwendigkeit häufiger Wiederholungen des Gleichartigen, die sich bei folgerichtiger Durchführung dieses Planes für ein größeres mannichfaltig zusammengesetztes Territorium ergeben müßte, ist an W. nicht sonderlich herangetreten, da er im ersten Bande, in der „Geschichte der Grafschaft Katzenellenbogen“ (bis ins 16. Jahrhundert) ein Territorium zu behandeln hatte, das außerhalb des hessischen Stammesgebietes lag, während er im zweiten und dritten Band die Geschichte „der eigentlichen ursprünglich hessischen Länder“ zunächst von den Römerzeiten bis ins 9. Jahrhundert und weiter der einzelnen Grafschaften und Herrschaften dieser Lande vom [706] 9. Jahrhundert je bis zum Erlöschen der herrschenden Geschlechter darstellte. Diese drei Bände betrachtete er als ein Ganzes, sie umfassten „die Geschichte der Länder, aus denen das heutige Hessen erwachsen“, soweit sie ihm vor der Spaltung des Hauses Brabant in die Kasseler und Darmstädter Linie zugefallen waren, allerdings würde, selbst wenn W. nicht am Ende vom Tode überrascht die zweite Hälfte des dritten Bandes und damit den Abschluß der „Geschichte Hessens unter Grafen und Dynasten“ schuldig geblieben wäre, noch die allgemeine Geschichte Hessens von dem Zeitpunkte „da der größte Theil von Hessen durch eine Gudensberger Erbtochter dem ersten Landgrafen von Thüringen zufiel“ gefehlt haben. Er dachte in seinem letzten Lebensjahre daran nach Abschluß der drei Bände „ein populäres jedermann faßliches Buch, einige Octavbände stark zu schreiben, das erstlich einen sehr allgemeinen Auszug aus der Hessischen Landesgeschichte und dann die Landgrafengeschichte als Fortsetzung enthielte“, er erkannte, daß „die vollständige Ausführung der Hessischen Geschichte nach dem Umfang, den er ihr gegeben, für ein Menschenalter zu groß sei“, aber auch auf die Ausführung jenes beschränkten Planes wagte er nicht mehr mit Sicherheit zu hoffen. Wenn nun auch nach mehrfacher Hinsicht das Werk Wenck’s ein Torso geblieben ist, so liegt in den weit über dreitausend Seiten zählenden Quartbänden doch eine ganz außerordentliche Arbeitsleistung vor, die um so größer erscheint, wenn man die vielseitige Amtsthätigkeit des Verfassers bedenkt. Sein unermüdlicher Fleiß verschaffte ihm große Massen bisher unbenutzten Materials, nach Dilthey’s Zählung hat er 1200 bisher noch gar nicht oder nur in schwer zugänglichen Werken veröffentlichte Urkunden in der „Landesgeschichte“ zum Abdruck gebracht, aber auch den chronikalischen Quellen hat er intensive Arbeit zugewandt, der beste Kenner der hessischen Historiographie am Ausgang des Mittelalters, J. Pistor, bemerkt (1892), daß Wenck’s bezügliche Ausführungen („von den Quellen der hessischen Geschichten“ Bd. I) auch heute noch hohen Werth haben. Mit unermüdlichem Fleiß aber verband W. nüchterne gesunde Kritik, eine scharfsinnige Combinationsgabe und eine unbefangene Auffassung. Charakteristisch ist, was er gegenüber dem Servilismus des braunschweigischen Historikers Chstn. Ludwig Scheidt Bd. I, 474 bemerkt: „Ich für mein Theil sehe nicht, wozu ein so überspannter Patriotismus dienen soll; die Fürsten hilft er nichts, das Urtheil der Kenner besticht er nicht, und der Wahrheit der Geschichte ist er sehr nachtheilig.“ Es ist noch nicht bekannt geworden, daß W. vor der Herausgabe seines ersten Bandes (Vorwort vom 4. März 1783) im J. 1780 durch die Launenhaftigkeit des Ministers Fr. K. v. Moser, der doch selbst seine Ernennung zum Geschichtsschreiber des hessischen Hauses veranlaßt und sein Werk von der Censur befreit hatte, wegen des damals bereits fertig gedruckten Katzenellenbog’schen Urkundenbuchs in schroffer Form von der Regierung zur Rechenschaft gezogen und die Veröffentlichung des Urkundenbuches aus politischen Bedenken beanstandet wurde. „Die neuesten Auftritte der Pohlnischen Theilung und Bayrischer Erbfolge bewähren, welche Gewitter über einen ganzen Staat durch eine einzige Urkunde herbeigezogen werden können“ schrieb Moser am 14. Januar 1780. Indessen ließ sich Moser nach einigen Weiterungen von der Ungefährlichkeit des Urkundenbuchs durch das Verantwortungsschreiben Wenck’s überzeugen und befürwortete selbst am 5. Juni 1780, also wenige Tage vor Einreichung seines Entlassungsgesuchs die Aufhebung jeder Censur auch für den darstellenden Theil, von dem nach Wenck’s Worten im Januar 1780 „noch kein Blatt fertig außer einigen Heften zu den originibus Cattameliboc., das Buch ruhe in seinem Kopf und in seinen Collectaneis“. Ein kaum merkbarer Nachklang dieses Kampfes, dessen Einzelheiten manches Interesse bieten, findet sich in bezüglichen Auslassungen [707] der Vorrede zum ersten Bande (ersch. 1783), auf der letzten Seite des ersten und der ersten Seite des zweiten Bogens. Uebrigens hatte W. den Druck der Landesgeschichte (zunächst des Katzenellenb. Urkbs.) 1778 auf eigene Kosten unternommen, dazu aber vom Landgrafen ein Gnadengeschenk von 1000 fl. für die nöthigen Vorbereitungsarbeiten erhalten, auch war ihm mündlich noch weitere Unterstützung für die folgenden Theile versichert worden, und wie die Widmungen des ersten und letzten Bandes bezeugen, blieb dem Werke die Gunst des Landesherrn bis zum Ende erhalten. Ein Recensent des zweiten Bandes (Götting. gel. Anz. 1789, S. 1490) äußert, daß der bescheidene Titel vielleicht dem schnelleren Abgang etwas schaden werde, hofft aber, daß es doch gewiß von den meisten Recensenten nicht unbemerkt bleiben werde, „welche schöne Aufklärungen der allgemeinen älteren Geschichte Deutschlands bei der planmäßigsten Rücksicht auf Hessische Landesgeschichte in diesem Werke enthalten sind und wie mannichfach künftighin für jeden deutschen Geschichtsforscher und Liebhaber der Gebrauch desselben sein wird“. Diese Voraussagung hat sich in reichstem Maße bewährt. Die Hessische Landesgeschichte gehört nicht nur unbedingt unter die besten Leistungen der deutschen Geschichtsforschung im vorigen Jahrhundert – Dilthey wollte ihr aus der geschichtlichen Litteratur der deutschen Provinzialgeschichten noch 1829 nur Schöpflin’s Werke zur Seite stellen – sondern sie ist wohl auch heute noch das meistcitirte deutsche Geschichtswerk des vorigen Jahrhunderts. Freilich hat sie dies nicht zum wenigsten auch dem Umstande zu verdanken, daß Hessen im Herzen von Deutschland gelegen ist und die Gegensätze zwischen dem Norden und Süden, dem Westen und Osten Deutschlands in der hessischen Geschichte zum Ausdruck gelangen. Hervorgehoben zu werden verdient Wenck’s Interesse für historische Geographie, das sich in seinen gaugeographischen Untersuchungen und in der Beigabe so mancher Karte ausspricht. C. v. Moser nennt (polit. Wahrheiten II, 247) die beiden ersten Bände „geographisch-historische Landesgeschichte“. Endlich zeichnet sich Wenck’s Werk auch durch eine lebendige, klare, anziehende Darstellung aus, der heitere, ästhetische Sinn des Verfassers, dessen bedeutende und sympathische Gesichtszüge ein Kupferstich auf dem Titelblatte des dritten Bandes widergibt, scheint sich darin zu spiegeln. – Von den übrigen schriftstellerischen Leistungen Wenck’s seien hier nur zwei genannt, die lateinische Sprachlehre oder Grammatik für Schulen, die zuerst 1791 erschien und durch praktische Vorzüge mehr als durch innere Gediegenheit und Originalität eine sehr große Verbreitung gewann (Ge. Fr. Grotefend veröffentlichte 1814–16 eine umgearbeitete und erweiterte Ausgabe als 7. Auflage des ursprünglichen Werkes) – und sodann die Biographie seines besten Freundes, des Juristen L. J. F. Höpfner. In einer edlen, kräftigen Sprache, die das Buch noch heute zu einer sehr anziehenden Lectüre macht, setzte W. noch im Todesjahre Höpfners, 1797, dem Dahingeschiedenen ein Denkmal, das zugleich für die humane, allem Guten und Schönen offene Natur des Verfassers ein volles Zeugniß ablegt und uns werthvolle Beiträge liefert zur Kenntniß des geistigen und geselligen Lebens, das der um Joh. Heinr. Merck vereinigte Darmstädter Freundeskreis führte. Von der geist- und gemüthvollen, heiteren, witzigen Art, die W. den Freunden gegenüber an den Tag legte, geben Proben Briefe an Frau Höpfner und Merck, sowie ein Gedicht an Höpfner, die K. Wagner, Briefe aus dem Freundeskreise von Goethe, Herder, Höpfner und Merck (Lpz. 1847, S. 175, 234, 254) mitgetheilt hat; als auswärtige Freunde, die Wenck’s mit Sympathie und Hochachtung gedenken, lernen wir aus Wagner’s Briefsammlungen Matthias Claudius und Nicolai kennen. Mit ganz besonderer Wärme gedenkt seiner Ge. Christoph Lichtenberg, der 1791 aus Göttingen an seinen Darmstädter Vetter schreibt: „Ich kann Dir nicht sagen, wie sehr Wenck mir gefallen hat, [708] das wäre ganz mein Umgang. Ich habe dieses auch meinem Bruder declarirt. Es denken auch andre Leute hier so von ihm.“ (Lichtenberg’s vermischte Schriften, Göttingen 1847, VIII, 41, vergl. S. 44.) Als 1772 Merck bei seinen Freunden die Gründung der „Frankfurter gelehrten Anzeigen“ anregte, hatte er in W. „einen geschickten Mitarbeiter an seiner Seite“. Welche Beiträge W. der neuen Zeitschrift lieferte, ist nicht bekannt. Daß W. gegen die litterarischen Schöngeister eine gewisse Abneigung hatte, ließ ihn Merck in der „Matinee eines Recensenten“ (Merck-Briefe II, 59) aussprechen. Seine geselligen Neigungen, sein Wunsch, das Haus für Freunde offen zu halten, wurden unterstützt durch seine gleichgestimmte Gattin, eine Pfarrerstochter von Rüsselsheim (zwischen Mainz und Frankfurt), Carolina Polyxena Christina Schad, die er am 23. April 1776 heirathete. Sie war zehn Jahr jünger als er, hat ihn aber dann nur um Monate überlebt. Ideal wird uns Wenck’s Verhältniß zu den Lehrern und Schülern seiner Anstalt geschildert. Eine gewisse Derbheit gegen die Schüler war „der Abdruck kräftiger Liebe, die sich lieber in Thaten bewähren, als in Liebeserklärungen zerschmelzen will“. Mannichfache Zeugnisse bestätigen uns, wie seine Schüler ihm ein dankbares und verehrungsvolles Andenken bewahrt haben. So erinnerte J. W. Ch. Steiner 1827, als er die Biographie des Landgrafen Georg I. nach Wenck’s Vortrag aus seiner Niederschrift herausgab „wie anziehend und kräftig dieses Mannes Geschichtsvortrag war, wie wir auf seine Worte gespannt, Ideen und Erzählungsart uns zu eigen machen suchten“. Gervinus führt die Thatsache, daß sein Vater ein sehr belesener Mann war, darauf zurück, daß er „in seiner Jugend das Gymnasium unter dem trefflichen W. besucht hatte, den er im ehrenvollsten Andenken hielt“. Warmes Lob spendet einer seiner Nachfolger am Pädagogium, Dilthey, seiner trefflichen Verwaltung der Schulbibliothek und ein Nachfolger an der Hofbibliothek, Ph. A. F. Walther, nennt ihn ebenso hervorragend als Bibliothekar wie als Geschichtsschreiber. „Er entfaltete als solcher eine Art von Thätigkeit, wie sie gewiß nur sehr wenigen Bibliothekaren in jener Zeit nachgerühmt werden kann.“ Für Aufstellung und Katalogisirung der Bibliothek, für ihre vermehrte Nutzbarmachung und für die Erweiterung mit beschränkten Mitteln hat er, lange Zeit unter bureaukratischer Bevormundung, deren Nachtheile er durch vorläufige Gelegenheitskäufe auf eigene Rechnung zu mildern suchte, ganz Vorzügliches geleistet. Die Anerkennung des Landgrafen für Wenck’s Verdienste erhielt einen sinnigen Ausdruck in der Ueberlassung eines sehr großen und schönen Gartens auf Lebenszeit. Dieser Garten war in den letzten Lebensjahren, als vielfache Kränklichkeit (Gicht) ihn geschwächt hatte „noch sein einziges Vergnügen“. So schreibt die trauernde Schwester an den überlebenden Bruder. Mit rührender Aufopferung aber stellte W. bis zuletzt seine geminderten Kräfte in den Dienst der Schule und der Wissenschaft. Im Winter 1802/3 beendigte er die erste Hälfte des dritten Bandes der „Landesgeschichte“ „und schadete sich gewiß dadurch“. Das Vorwort datirt vom 1. März 1803. Von seiner letzten Schulstunde (21. April) mußte er die Treppe hinabgeführt werden. Sechs Tage darnach, am 27. April Nachmittags drei Uhr starb er unter Fieberphantasien, „vom Hof und der ganzen Stadt beklagt“. Die von W. hinterlassenen Materialien für die Fortsetzung der Hessischen Landesgeschichte kamen in die Hände des Gießener Theologen Joh. E. Chstn. Schmidt, der nach ihm zum hessischen Historiographen ernannt wurde, sich aber nach vielen Jahren (1819) wegen Unterlassung der Fortsetzung mit der „gegenwärtigen Lage des deutschen Buchhandels“ entschuldigte.

Joh. Ge. Zimmermann, über Wenck’s Verdienste um das Gymnasium zu Darmstadt. 1803. – J. F. K. Dilthey, Gesch. des großherzogl. Gymnasiums zu Darmstadt. 1829. S. 96–149; D. gibt auch ein Verzeichniß [709] und Würdigung seiner Schriften. – W. Uhrig, Gesch. des großherzogl. Gymnasiums zu Darmstadt. 1879, S. 44–54, S. 95 u. 101. Diese drei Abhandlungen sind Darmstädter Gymnasialprogramme. – Ph. A. F. Walther, Beiträge z. näheren Kenntniß der Großherzogl. Hofbibliothek zu Darmstadt. Darmstadt 1867, S. 19–25. – F. W. Strieder’s Grundlage zu einer hess. Gelehrten- und Schriftstellergeschichte. XVI. Bd. herausg. von L. Wachler, Marburg 1812, S. 528–32. – Ge. Zimmermann, Joh. Heinr. Merck, seine Umgebung und seine Zeit. Frankfurt 1871, S. 27–30. – Handschriftliche Nachrichten aus Idsteiner und Darmstädter Kirchenbüchern und aus den von H. Heidenheimer für seine Moserbiographie gesammelten Materialien des Darmstädter Archivs. – Anderes wurde schon im Text angeführt.