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ADB:Georg I. (Landgraf von Hessen-Darmstadt)

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Artikel „Georg I., Landgraf von Hessen-Darmstadt“ von Philipp Walther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 673–674, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_I._(Landgraf_von_Hessen-Darmstadt)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:35 Uhr UTC)
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Georg I., Landgraf von Hessen-Darmstadt, genannt der Fromme, vierter und jüngster Sohn Philipps des Großmüthigen, war geb. am 10. Sept. 1547, während der Gefangenschaft seines Vaters, und wurde während dieser väterlichen Gefangenschaft am Hofe seines Schwagers Moritz von Sachsen, dann aber mit 10 jungen Adlichen seines Alters in Ziegenhain erzogen, bis er 1562 nach Marburg gerufen wurde, wo während der Herstellung des Schlosses zu Cassel der Hof sich aufhielt. Nach dem Ableben des Landgrafen Philipp des Großmüthigen im J. 1567 vollzogen seine Söhne die von ihm angeordnete Landestheilung. Der jüngste derselben, G., bekam in der Theilung die obere Grafschaft Katzenelnbogen, nahm seinen Sitz in Darmstadt und ward so Stifter der darmstädtischen Linie. Der Staat war damals von sehr geringem Umfange und bestand nur aus den Aemtern Darmstadt, Auerbach, Dornberg, Lichtenberg, Reinheim, Rüsselsheim, Homberg und einem Theile des Amts Butzbach; später, nach dem Tode Landgraf Philipps von Hessen-Rheinfels (1583), fiel, da dieser keine Nachkommen hatte, noch Homburg vor der Höhe nebst den Aemtern Schotten und Stornfels ihm zu. An der Stelle des 1546 durch den General Beuern oder Büren zerstörten Katzenelnbogener Schlosses erbaute sich G. ein neues. Als er die Regierung antrat, war er noch nicht ganz 20 Jahre alt, allein er zeigte sich dessenungeachtet als kluger und kraftvoller Regent und leitete mit viel Sorgfalt, Einsicht und Thätigkeit die Regierungsgeschäfte selbst. Jedem, der in eigenen oder fremden Angelegenheiten ihm etwas vorzutragen hatte, gab er Gehör, untersuchte alles selbst und wußte seinen Meinungen und Ansichten bei Berathung mit seinen Beamten durch Klarheit und Gründlichkeit ein solches Uebergewicht zu verleihen, daß wol nicht leicht anders als nach seinem Urtheile entschieden wurde. Mit einer für damalige Zeit seltenen Aufmerksamkeit sorgte er für Verbesserung [674] und Verbreitung der Landwirthschaft und Obstbaumzucht und half dadurch seinem durch die letzten Kriege etwas verarmten Lande wieder empor. Durch Anlegung eines Kanals, des sogen. Landgrabens, machte er einen bisher wegen Sümpfen unbrauchbaren Landstrich zu fruchtbaren Gefilden, und eröffnete den Bewohnern seines Landes dadurch, daß er den Weinbau anfangen ließ, eine neue Quelle des Erwerbs. Selbst Versuche zum Seidenbau, die er begünstigte, gaben theilweise einen erwünschten Erfolg. Um die Gewerbe auf alle Weise in Aufnahme zu bringen, ertheilte er einigen Orten Marktgerechtigkeit und andere Gerechtsame, und vermehrte durch Anlegung von Bergwerken nicht allein die Staatseinkünfte, sondern verschaffte dadurch zugleich vielen Menschen ihren Lebensunterhalt. Auch für die Volksbildung sorgte er durch Errichtung von Freischulen, führte 1582 den Gebrauch des gregorianischen Kalenders ein, und wenn er wegen Vertreibung der Juden aus seinem Lande getadelt wird, so muß man zu seiner Entschuldigung anführen, daß nicht religiöse Unduldsamkeit sein Beweggrund war, sondern das Gebahren der Juden im Handelsverkehr mit den Christen. Wahrhafte Bewunderung verdient seine geordnete und sparsame Haushaltung, durch welche es ihm, trotz seiner beschränkten Einnahme, möglich wurde, ohne daß man ihm kleinliche Einschränkung, Mangel an Freigebigkeit oder Verletzung des fürstlichen Anstands zum Vorwurf machen konnte, nicht nur bedeutende Besitzungen, als: Stockstadt, Wolfskehlen, Bischofsheim, Gehaborn, Sensfeld, Kranichstein u. a. m. durch Kauf an sich zu bringen, sondern auch kostspielige Gebäude, wie das Schloß in Darmstadt, das Jagdschloß Kranichstein aufführen zu lassen. Auch die Landesverbesserungen, davon wir Erwähnung gethan, erforderten nicht unbedeutende Ausgaben; er bewerkstelligte alles, ohne das Land mit Abgaben zu drücken und ohne Schulden zu hinterlassen, ja er hinterließ sogar einen für damalige Zeiten gewiß bedeutenden Schatz von einer halben Million Gulden. G. besaß viele Kenntnisse, besonders in der Geschichte, in alten und lebenden Sprachen und war dabei sehr religiös und wahrhaft frommen Gemüths. Mit zärtlicher Sorgfalt widmete er sich der Erziehung seiner Kinder, und die Resultate dieser Erziehung waren die günstigsten. Unterstützt wurde er dabei durch seine treffliche Gemahlin, Magdalene, eine geborene Gräfin von der Lippe. Zu früh für sein Land, dessen Bestes ihm warm am Herzen lag, starb er, 49 Jahre alt, am 7. Febr. 1597.