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ADB:Vonbun, Franz Josef

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Artikel „Vonbun, Franz Josef“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 288–290, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vonbun,_Franz_Josef&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Vonbun: Franz Josef V., Sagenforscher und Dialektdichter, wurde am 28. November 1824 in Latz, einem zu der Gemeinde Nüziders gehörigen Weiler in der Nähe von Bludenz im Vorarlbergischen geboren. Sein Vater Franz Josef V. war ein schlichter, unbemittelter Bauersmann, während seine Mutter Maria Katharina geb. Martin in dem Ruf stand, eine gescheite Frau zu sein und sich durch Witz und Schlagfertigkeit auszuzeichnen. Da V. das sechste Kind war – drei weitere folgten noch auf ihn – gaben ihn die Eltern im Alter von vier Jahren zu einem kinderlosen Vetter Namens Johann Martin zu Raggâl im Walserthal in die Pflege, wo er von seinem 6. Jahre an die Volksschule des Dorfes besuchte. Die großen Fortschritte, die er in ihr machte, lenkten die Aufmerksamkeit des Pfarrers Johann Baptist Rinderer auf ihn. Er ertheilte V. Unterricht im Lateinischen und sorgte dafür, daß sein Zögling im Herbste 1836 Aufnahme in dem Gymnasium zu Feldkirch fand, in welchem sich V. während seines sechsjährigen Schulbesuches nicht nur eine gründliche Kenntniß der alten Sprachen, sondern auch eine ziemlich umfassende Belesenheit in der deutschen Litteratur aneignete. Im Herbste 1842 bezog er das Lyceum zu Innsbruck, um an ihm die Philosophie zu absolviren. Hier gewann der als Philologe und Aesthetiker rühmlich bekannte Professor Alois Flir großen Einfluß auf V. Durch ihn wurde er in seiner Vorliebe für die Dichtkunst bestärkt. V. rief damals die Gesellschaft „Aurora“ ins Leben, der sich die besten und begabtesten Studenten, die zu jener Zeit in Innsbruck zusammenlebten, anschlossen. Durch Zingerle angeregt, fing V. schon in Innsbruck an, sich mit der sagenhaften Ueberlieferung seiner engeren Heimath eingehend zu beschäftigen und einzelne Bruchstücke in poetischer Form für den „Tirolerboten“ zu bearbeiten. Auch übte er sich fleißig im Schaffen von kleineren Dialektpoesien, von denen nur wenige erhalten sind, wobei Hebel sein Vorbild war. Auch äußerlich befand er sich in Innsbruck wohl, da er eine Hofmeisterstelle bei dem Professor der Rechte Hieronymus v. Scari erhalten hatte, mit dessen Familie er im Sommer nach Südtirol übersiedelte. Als nach Abschluß des Sommersemesters 1844 die Nothwendigkeit der Berufswahl an ihn herantrat, entschloß er sich für das Studium der Medicin. Er wandte sich daher nach Wien, wo er bei seinem Landsmann, dem als Geschichtsforscher bekannten Josef Bergmann, thatkräftige Unterstützung fand. Seiner Vermittlung verdankte er die Hofmeisterstelle bei dem Baron Johann Vesque von Püttlingen, durch die sein Fortkommen materiell gesichert war. Der Umgang mit Bergmann und die Bekanntschaft mit Jakob Grimm’s Arbeiten, die er in Wien machte, bestärkten ihn in dem Vorsatz, die Sagen seiner Heimath in Prosa niederzuschreiben, ehe sie durch die Zeit in Vergessenheit geriethen. Schon im J. 1847 ließ er ein Bändchen unter dem Titel: „Volkssagen aus Vorarlberg, gesammelt von J. F. Vonbun“ erscheinen, das er als [289] eine vorläufige Probe angesehen wissen wollte. Er übersandte das unansehnliche Heftchen Jakob Grimm mit der Bitte, ihm eine neue, vermehrte Ausgabe zueignen zu dürfen, und hatte die Freude, daß Grimm sein Anliegen günstig aufnahm und ihm seine Anerkennung für seine „einfache und treue Sammlung“ aussprach. Da die Ereignisse des Jahres 1848, an denen V. wenigstens innerlich als freiheitsbegeisterter Jüngling regen Antheil nahm, ein geordnetes Studium in Wien unmöglich machten, bezog V. im Herbste 1848 die Universität München, um sein Fachstudium mit größerem Nachdruck betreiben zu können. Nach Ablauf des Wintersemesters aber kehrte er nach Wien zurück, wo er bereits zu Ende des Jahres 1849 promovirte. Er ließ sich nunmehr in Feldkirch als praktischer Arzt nieder, siedelte aber, da er hier keine genügende Praxis fand, schon im Juli 1850 nach dem lieblichen Schruns im Montavon über, das seitdem sein bleibender Wohnsitz war, und wo er sich sehr bald allgemeiner Beliebtheit erfreute, „obwohl er dem medicinischen Aberglauben des Volkes schärfer entgegentrat, als seinem Beutel frommte“. In demselben Jahre veröffentlichte er die zweite, vermehrte Auflage seiner Volkssagen, die er Jakob Grimm widmete, mit einem eingehenden Vorwort versah und durch einen besonderen Abschnitt über „Aberglauben und Gebräuche“ sowie durch „Worterklärungen“ bereicherte. Obwol er in Schruns jeder Anregung durch mündlichen Verkehr mit gleichstrebenden und wissenschaftlich gebildeten Männern entbehrte, fuhr V. doch unermüdlich in seinen Studien zur Mythologie und Sagengeschichte fort. Diese Bestrebungen brachten ihn mit den hervorragendsten Vertretern dieses Faches in Deutschland in Verbindung, z. B. mit J. W. Wolf, Karl Simrock, Franz Pfeiffer, Moritz Haupt, Wilhelm Grimm und Karl Frommann. V. lieferte Beiträge für Wolf’s Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde (Bd. II), für Haupt’s Zeitschrift (Bd. XI) und für Frommann’s Deutsche Mundarten (Bd. II–VI), die Jakob Grimm „lobenswerth“ nannte. Im J. 1858 erschien eine dritte Auflage der „Sagen Vorarlbergs“, die aber nicht als solche auf dem Titel bezeichnet war. In ihr ist die Zahl der Sagen auf mehr als auf das Doppelte vermehrt und ein entschiedener Fortschritt nach der wissenschaftlichen Seite hin zu bemerken. Im J. 1862 folgte ein vollständig neues Werk, die „Beiträge zur deutschen Mythologie, gesammelt in Churrhätien“, die von den Fachgenossen gleichfalls mit Anerkennung aufgenommen wurden. Indessen interessirte sich V. nicht bloß für die Vergangenheit Vorarlbergs, sondern es lag ihm auch daran, die landschaftlichen Schönheiten und das eigenthümliche Culturleben seiner engeren Heimath einem größeren Publicum bekannt zu machen. Zu diesem Zweck wandte er sich an die „Gartenlaube“, in der er im J. 1864 (S. 794 ff.) einen Aufsatz „Der fahrende Krautschneider“ und im J. 1865 einen zweiten (anonymen) mit dem Titel: „Ein verstecktes Paradies“ (d. i. Montavon) veröffentlichte, die von dem damals noch unbekannten Maler Matthias Schmid illustrirt wurden. Aus demselben Bestreben ging im J. 1868 sein „Führer für Feldkirch und seine Umgebungen“ hervor, den V. als eine „historisch-topographische Skizze“ bezeichnete und den er zu einem großen Werk über die Naturschönheiten Vorarlbergs, das für Amthor’s Verlag in Gera bestimmt war, das aber wegen seines Todes unvollendet blieb, zu erweitern gedachte. Die Liebe zu seiner Heimath bestimmte V. ferner, ein lebhaftes Interesse für die Hebung der Viehzucht im Vorarlbergischen an den Tag zu legen und seine Feder auch in den Dienst des dortigen Landwirthschafts-Vereins zu stellen, wofür ihm die Anerkennung des kaiserlichen Ackerbau-Ministeriums durch Verleihung einer Staatsmedaille zu theil wurde. – V., der seit dem Herbste 1869 an einem Nervenleiden gelitten hatte, starb am 17. März 1870 infolge eines Schlaganfalles.

[290] Vgl. Wurzbach LI, 288. – Der Alpenfreund, hrsg. von Ed. Amthor. Gera 1870. I, 256. – E. Winder, Die vorarlbergische Dialektdichtung. Innsbruck 1890. S. 73–93. – F. J. Vonbun, Die Sagen Vorarlbergs. 2., vermehrte Aufl. Nach der hinterlassenen Handschrift des Verfassers und anderen Quellen erweitert und mit einem Lebensabrisse Vonbun’s versehen von Hermann Sander. Innsbruck 1889. S. VII–XCVI.