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ADB:Vondel, Joost van den

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Artikel „Vondel, Joost van den“ von Ernst Martin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 290–295, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vondel,_Joost_van_den&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:22 Uhr UTC)
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Vondel: Joost van den V., der größte Dichter der Blüthezeit Hollands. Der Familienname bedeutet „von dem Brückchen“ und weist darauf hin, daß die Vorfahren an einem Wasserlaufe wohnten. Der Dichter war geboren am 17. November 1587 zu Köln, wohin seine Eltern sich vor der Verfolgung der Wiedertäufer aus Brabant geflüchtet hatten. Die Mutter, Sara Kranen, war sogar als junges Mädchen katholisch getauft worden, weil ihre Mutter nur so vom Feuertode in Antwerpen hatte gerettet werden können. An seiner Geburtsstadt hing der Dichter mit Liebe, und richtete an Gustav Adolf, als man diesen 1632 in Köln erwartete, ein Gedicht, worin er für Köln um Gnade bat. Ebenso widmete er der Stadt Köln sein Trauerspiel von S. Ursula „de Maeghden“ 1639. Etwa 10jährig kam der Knabe nach Amsterdam, wo sein Vater, der bis dahin als Hutmacher seinen Unterhalt gefunden hatte, einen Strumpfladen eröffnete. Joost lernte in der Schule zu Utrecht, wo sein Vater sich aufhielt, ehe er nach Amsterdam kam, nur die Anfangsgründe, während sein Bruder Willem die Rechte studirte, aber früh starb. Nach dem Tode des Vaters heirathete V. Maria (Mayken) de Wolf, aus einer ebenfalls brabantischen Flüchtlingsfamilie, die Schwester seines Schwagers. Die treffliche Frau besorgte nicht nur das Hauswesen, sondern auch das Geschäft ihres Mannes, der sich nun ganz seinen dichterischen Neigungen hingeben konnte.

Früh schon hatte er zu reimen begonnen, stand aber anfangs noch ganz in den Anschauungen und Gewohnheiten der Rederyker, deren schlotteriger Versbau, deren unreine, bald mit niedrigen, bald mit fremdsprachlichen Wörtern gemischte Sprache sich bei Vondel wieder findet. Sein erstes Gedicht, welches erhalten blieb, war ein Hochzeitsgedicht, ein Schriftuerlyck Bruylofts reffereyn von 1605. Dann konnte er in der brabantischen Kammer zu Amsterdam, der Lavendelblume, sein erstes Drama aufführen sehen, welches 1612 auch im Druck erschien mit dem Titel „Het Pascha ofte de verlossinghe … Israels wt Egypten. Tragecomedischer wyse … opt tonneel gestelt“. Hier zeigt sich bereits der Grundzug der Bühnendichtung Vondel’s, ihre Bezüglichkeit auf die politisch-kirchlichen Ereignisse und Zustände. Moses ist Wilhelm von Oranien, der sein Volk aus der spanischen Tyrannei erlöst. Der Druck war mit einer französischen Epistel in Alexandrinern einem reichen Gönner zugeeignet.

Den Einfluß französischer Poesie läßt nun auch die sonstige Dichtung Vondel’s in dieser Zeit erkennen. Insbesondere ist es der Hugenott Saluste du Bartas (1544–1590), dessen auch in Deutschland nachgeahmte Bearbeitung des Alten Testaments V. zum Vorbild diente: s. A. Hendriks, Joost van den Vondel en G. de Saluste Sr du Bartas, Proefschrift, Leiden 1892. Schon im Pascha ist Vieles aus du Bartas entlehnt, den der Dichter in der französischen Epistel rühmt. 1616 ließ er „de Vaderen“, aus der 2. Woche von du Bartas übersetzt, erscheinen, und 1620 „De Heerlyckheid van Salomon“, beides Stücke, die er wohl schon früher verfaßt hatte; er entlehnte eben daher manchen Zug um seine „Helden des A.T.“ zu schmücken. Auch der Hymnus auf den christlichen Ritter 1620 ist dem Triomphe de la Foy vielfach nachgebildet. Ebenso sind in den späteren Gedichten zu Ehren Friedrich Heinrich’s von Nassau noch manche Spuren dieses Einflusses zu finden. Hier konnte V. Manches gebrauchen, [291] was du Bartas an Heinrich IV. von Frankreich gepriesen hatte. Selbst im Palamedes ist der berühmte Chor der Euböer wohl eher aus du Bartas, als aus einem sonst vielfach ähnlichen Stücke von R. Garnier oder aus dem beiden zu Grunde liegenden Chor im Hercules furens des Seneca genommen. Die directen Uebersetzungen sind allerdings nicht ohne Fehler, nicht ohne leere Füllsel; sie sind zuweilen unklar, zuweilen gedehnt. Und das Vorbild des Franzosen konnte zwar Erhabenheit des Ausdrucks, Reinheit in Sprache und Vers lehren, verführte aber auch zum Prunken mit einer Gelehrsamkeit, die sich gelegentlich in natürlichen Dingen zu Plattheit und Rohheit verirrte; zugleich brachte es ein Schwelgen in frostigen Allegorien, eine Spielerei mit neuen Wortbildungen, mit Schallnachahmungen und Verkleinerungsformen mit sich, die auch Vondel’s spätere Werke oft entstellten.

Die nächsten Dichtwerke, welche auf das Pascha folgten, tragen noch dazu theilweise den Stempel der bestellten Waare: es sind Erläuterungen in Alexandrinern, welche sich in Bilderbüchern vorfinden: De Gulden Winckel (der goldne Laden) der konstlievende Nederlanders, Amsterdam 1613, wobei aus einer älteren, u. d. T. Mikrokosmus zu Antwerpen erschienenen Sammlung die Stiche wiederholt wurden; 1617 Vorsteliicke Warande (fürstlicher Thiergarten) der dieren; 1620 De helden Godes des ouwden verbonds (die Gotteshelden des alten Testaments).

Inzwischen aber suchte V. die Lücken seiner litterarischen Bildung eifrig auszufüllen, indem er lateinischen Unterricht nahm. Noch wirksamer erwies sich der Umgang mit den vorzüglichsten Schriftstellern in Amsterdam, wodurch der junge bürgerliche Dichter selbst in das Haus Roemer Visschers und in den um Hooft versammelten vornehmen Kreis Zutritt erhielt. Hier lernte V. vor allem die antiken Dichter näher kennen, deren Muster noch über denen der Renaissancepoesie standen: aus Seneca, später aus Sophokles und Euripides entnahm er seine Vorbilder, die er theilweise durch Uebersetzung sich ganz anzueignen suchte. Von den gleichzeitigen Philologen stand ihm besonders Gerhard Vossius nahe, der ihm über die Form der antiken Tragödie Aufschluß gab. Geradezu in Verbindung mit den Freunden bearbeitete V. die Troades des Seneca, die er nach ihrer Prosaübertragung in Verse gebracht als De Amsteldamsche Hekuba 1625 drucken ließ.

Doch 1620 war er auch als Tragiker noch einem französischen Vorgänger gefolgt. Sein Treurspel: Hierusalem verwoest, worin er die Zerstörung durch Titus darstellt, benutzt vielfach la Troade und Sédécie ou les Juifves von Robert Garnier, wenn schon hier Nebucadnezar als der Eroberer erscheint. Es war das erste Stück, welches V. auch noch in späterer Zeit anerkennen wollte. Um diese Zeit überstand er eine lange krankhafte Schwermuth, nahm dann aber einen um so feurigeren Antheil an dem gerade damals überaus bewegten Leben seines Volkes. Eben war im Streite zwischen Moritz von Oranien und Oldenbarnevelt der Sieg auf die Seite des monarchistischen Princips, des strengen Calvinismus, des Krieges gegen Spanien gefallen. Es war vor allem die confessionelle Engherzigkeit der Dordrechter Synode und ihrer Anhänger gegen die freieren Remonstranten, was den Dichter empörte. Als Diakon der freigesinntesten Gemeinde unter den Wiedertäufern, der Waterlanderen, womit sich übrigens seine Antheilnahme am Theater wohl nicht leicht vereinigt haben mag, war er nicht unmittelbar von diesen Verfolgungen betroffen, zog sie sich aber durch sein Eingreifen in den Streit zu. Der Tod Oldenbarnevelt’s auf dem Schaffot 1619 erschien auch V. als der schändlichste Justizmord. Ein vornehmer Schöffe, Albert Koenraedts Burgh, trieb ihn an, eine Tragödie darüber zu dichten und er benutzte das Schicksal des Palamedes, der vor Troja durch die Verleumdungen des Ulysses und den Haß Agamemnon’s seinen Untergang [292] gefunden haben sollte, zu einem außerordentlich wirkungsvollen Gegenbild jener Zeitereignisse (s. meinen Aufsatz im Archiv für Littgesch. III, 202–224). V. arbeitete an dem Stücke, als Prinz Moritz 1625 auf dem Sterbebette lag. Sein Bruder und Nachfolger, der freisinnige Friedrich Heinrich, nahm am Palamedes weniger Anstoß als die freilich mit den dunkelsten Farben gemalten Vertreter der Priesterschaft und die Verwandten der Ankläger Oldenbarnevelt’s. Ein Haftbefehl ward erwirkt, und wäre V. vor die Richter im Haag geführt worden, so hätte es ihm leicht den Kopf kosten können. Aber er konnte sich auf dem Landgute seines Gönners Laurens Joosten Baeck zu Scheibeck bei Beverwyk verborgen halten, und die Amsterdamer Richter begnügten sich mit einer Geldbuße von 300 Gulden, welche der von V. nicht verrathene Anstifter der Dichtung bezahlte. Noch später fand es V. gerathen, eine eingehende Deutung seines Stückes, die er für den Druck ausgearbeitet hatte, lieber zu verbrennen.

Begreiflich, daß das Schauspiel, welches unter dem Titel: Palamedes of vermoorde onnooselheyd (Ermordete Unschuld) 1625 erschien und in demselben Jahre noch sechs Auflagen erlebte, den Namen des Dichters rasch berühmt machte. Er trat mit dem größten Eifer auch als Lyriker in den Kampf der Parteien. Rührend beklagte er auch in dieser Form Oldenbarnevelt’s Schicksal, u. a. in einem Lied auf das Stöckchen, das den Greis auf das Schaffot begleitet hatte, und jubelnd begrüßte er die Befreiung des Hugo Grotius, der als Wortführer der Remonstranten auf ewig eingekerkert, durch eine List seiner Gemahlin entkommen war; der große Gelehrte und Staatsmann ist zeitlebens ein warmer Lobredner des bürgerlichen Poeten geblieben, dem er für seine Tragödien sachkundigen Rath ertheilte, während V. selbst Werke des Grotius in niederländische Verse brachte.

Scharf dagegen trat V. in Hekeldichten d. h. Satiren den reformirten Prädicanten entgegen, welche allerdings den Pöbel Amsterdams immer von neuem gegen die Anhänger freierer Ansichten aufhetzten. Im Volkston, der auch sehr niedrige Ausdrücke zuließ, verfaßte er 1627 Rommelpot vant Hanekot „Mischtopf des Hühnerhofs“, mit Anspielung auf den Namen des Predigers Hanekop, welcher die Aufruhrstifter getadelt hatte und deshalb vom Kirchenrath abgesetzt ward. 1630 folgten Roskam, Harpoen und Een Otter in’t bolwerk. Seinen ganzen Abscheu vor der harten Lehre Calvin’s von der Gnadenwahl ergoß er in sein Decretum horribile 1631.

Anderseits verherrlichte er den Prinzen von Oranien und dessen siegreiche Feldzüge gegen die spanischen Niederlande, mit der Begroetenis beim Antritt seiner Statthalterschaft 1626, mit der Geboortklock van Willem van Nassau, dem späteren Wilhelm II. 1626, mit der Verovering van Grol 1627 u. a. Friedrich Heinrich erwies dafür dem Dichter keine klingende Dankbarkeit, vielleicht um die strengcalvinistische Partei, seine festeste Stütze, nicht zu verletzen. Als Patriot und Protestant erwies sich V. auch in einem Gedicht an Gustav Adolf von Schweden, welches er 1628 auf einer Reise im Sund abfaßte und worin er dem Könige den Sieg über Oesterreich und Rom prophezeite. Den Fall Magdeburgs beklagte er in seinem Lyckoffer van Maeghdeburg 1631.

Doch nicht lange darauf änderten sich seine Ansichten und zwar so völlig, daß er, um dem Kirchenzwang der Reformirten zu entgehen, sich den Jesuiten ganz in die Arme warf. Als Künstler hatte ihn schon früher die katholische Kirche angezogen, 1620 verfaßte er bereits einen Lofzang op de kuische en godesvruchtige martelaresse St. Agnes. Dann brachte er seine Bewunderung der mittelalterlichen Festpracht zum Ausdruck in einem Stücke, welches zur Einweihung des neuen Theaters, der Schouburg, 1637 aufgeführt wurde und als localpatriotisches Drama noch jetzt alljährlich aufgeführt wird: Gysbreght van [293] Aemstel. Es schildert den Ueberfall von Amsterdam durch die Anhänger des Grafen von Holland am Weihnachtsabend 1296. Die nächtlichen Kämpfe, ja die Kriegslist der Eroberer sind dem II. Buch der Aeneis nachgeahmt. Eine echt holländische Gestalt ist die starkherzige Gattin des Helden. Allerdings wird in anachronistischer Weise die Stadt Amsterdam ungefähr so geschildert, wie sie kurz vor der Reformation war. Der Clarissenchor, der fromme Bischof sind vom Dichter mit vollster Sympathie gezeichnet. Immer deutlicher wird seine Hinneigung zur katholischen Kirche in den Maegheden 1639, der Legende von Ursula und den 11 000 Jungfrauen, in Peter en Pauwels 1641, während De Gebroeders (der Untergang der Söhne Saul’s), Joseph in Dothan und Joseph in Egypten 1640 nur die biblische Geschichte wiedergeben und dabei das Studium der französischen Dichter Garnier und Jean de la Taille verrathen.

Im J. 1640, am Geburtstage Vondel’s fand seine Conversion statt, welche in dem damaligen Berichte der Jesuiten als ein bedeutender Gewinn bezeichnet wird. Außer ihnen und anderen katholischen Geistlichen waren besonders Verwandte des Dichters dafür thätig gewesen. Im Februar 1635 war seine Frau gestorben; seine Tochter Anna zeigte früh katholische Neigungen; eine jüngere weibliche Verwandte trat gleichzeitig mit V. über. Dagegen wird es wohl nur Klatsch sein, wenn Vondel’s Wunsch eine reiche katholische Wittwe heirathen zu können – man dachte in neuerer Zeit an Tesselschade, die Tochter Roemer Visschers, die kurz vorher ihren Gatten verloren hatte – zu seiner Conversion beigetragen haben sollte. Bei seinen bisherigen litterarischen Freunden fand der Uebertritt begreiflicherweise starke Mißbilligung, namentlich Hooft verbot ihm nun seine „Geusentafel“. Allerdings trieb nun V. auch den Ausdruck der neugewonnenen Anschauungen auf die Spitze. Nicht bloß, daß er die Legenden der heiligen Frauen in der Form der Heroiden Ovid’s 1643 behandelte: Brieven der heilige maeghden martelaressen, daß er 1645 die Altaergeheimenissen, eine Deutung der Messe, in drei Büchern veröffentlichte; er suchte nach dem Tode des Grotius in Grotius Testament 1645 aus dessen Schriften zu beweisen, daß der große Gelehrte Katholik gewesen sei.

Die Ausfälle, welche er in Maria Stuart of gemartelde majesteit 1646 gegen den Protestantismus gerichtet hatte, zogen ihm wieder eine Buße von 180 Gulden zu, welche der Buchhändler für ihn bezahlte. Als der Dichter 1644 seine Verscheyde Gedichten, bestaende in Zegezangen, Klinkdichten, Lof- en Eerrymen, Brudoftdichten, Lyk- en Grafdichten, Mengelrijm en Zangen herausgab, und nicht nur die unvollkommene Jugendpoesie, sondern auch die protestantisch gefärbten späteren Gedichte ausschloß, wurden diese gegen seinen Willen als Verscheyde Gedichten, tweede Deel 1647 gesammelt. Der Herausgeber war G. Brandt, der sich damals nur mit dem Buchstaben P. bezeichnete, später aber sich dem Dichter entdeckte und dessen Verzeihung erhielt.

Immerhin wurde wieder ein Stück Vondel’s aufgeführt, als der westfälische Frieden zu feiern war, der für Holland den Schluß des 80jährigen Krieges gegen Spanien und die völlige Anerkennung seiner Unabhängigkeit bedeutete. Es war das Lantspel d. h. Schäferspiel De Leeuwendalers 1648. Mit Benutzung von Guarini’s Pastor fido, den übrigens schon 1616 der Ritter Herman Rodenburg in seinem Drama Troewen Batavier bearbeitet hatte, sowie des Aminta von Tasso wird eine Allegorie auf den vergangenen Zwist und das gehoffte Bündniß von Nord- und Südniederland, Holland und Belgien vorgeführt. Es fehlt nicht an menschlich liebenswürdigen Zügen, wie sie besonders an der jungfräulichen Hageroos, der Vertreterin des Südens hervortreten. Aber das Ganze erhält eben nur durch die Beziehung auf die politischen Verhältnisse vollen Sinn, und es ist nicht zu leugnen, daß der Süden dabei besser wegkommt.

[294] Noch stärker tritt wieder die katholische Auffassung des Dichters hervor in seinem Lucifer 1654, worin das Verhalten des abtrünnigen Erzengels wesentlich auf Wilhelm von Oranien paßt. Daher auch die rasche Beseitigung des Stückes von der Bühne. Um die Theaterverwaltung, welche für Waisenhaus und Spital geführt wurde, für ihre Unkosten bei Anschaffung des Bühnenhimmels zu entschädigen, dichtete V. seinen Salmoneus 1657.

Um diese Zeit trafen ihn harte Schicksalschläge. Von seinen Kindern waren zwei früh gestorben: Constantin und Sara. Dem Knaben hatte der Dichter 1622 ein rührendes Leichengedicht in sanft schwebenden Tönen gewidmet. Den Namen hatte er ihm von Kaiser Constantin gegeben, dem er unter Beirath von H. Grotius ein Epos widmen wollte, ohne es jedoch vollenden zu können, weshalb er auch zuletzt die bereits geschriebenen Stücke wieder vernichtete. Noch ein Sohn war übrig, der nach dem Tode der Mutter das Geschäft übernahm. Leichtsinn und besonders der Einfluß seiner zweiten Frau führten ihn 1657 an den Rand des Bankerotts; er mußte sich nach Ostindien einschiffen, starb aber unterwegs. Der Vater opferte sein Vermögen, 40 000 Gulden. Vergebens suchte er durch Eintreibung alter Ausstände das Geschäft wieder zu heben. Da fand die Verehrung für den Dichter einen Ausweg. Hatten schon 1653 die Maler bei ihrem S. Lucastag V. bekränzt, so sorgte jetzt die kunstliebende Gattin des Bürgermeisters für ein Unterkommen. Er ward 1658 am Leihhaus angestellt, allerdings ein Posten, der ihm wenig gefiel, so daß er anstatt Rechnungen Verse schrieb und darin auch nicht gestört wurde. Noch hatte er Kraft zu lyrischer und dramatischer Production: es folgten sich 1659 Jephta of Offerbelofte (Opfergelübde), bemerkenswerth durch den Gebrauch der vers communs nach Ronsard’s Rath, 1660 Koning David in ballingschap (in der Verbannung) sowie K. D. hersteld (wieder eingesetzt) und Samson of heilige wraeck (Rache), 1661 Adonias of rampsalige Kronzucht (unglückselige Herrschbegier), 1663 Batavische Gebroeders (die Geschichte von Claudius Civilis, welchen V. Nicolaus Burgerhart nannte), 1663 Faeton of reukeloze Stoutheit (ruchlose Kühnheit), 1664 Adam in ballingschap of aller treurspelen treurspel nach H. Grotius’ Adam Exul, 1667 Zungchin of ondergang der Sineesche Heerschappye, ein Gegenstand aus der Zeitgeschichte, endlich 1667 sein letztes Originaldrama Noah of ondergang der erste werelt.

Zu den angeführten Originalstücken kommen noch folgende Uebersetzungen: Hecuba nach Seneca 1625, Sophompaneas 1635 (die Geschichte Joseph’s nach H. Grotius bearbeitet, ebenso wie Adam in ballingschap). Hippolytus of rampsalige Kuysheid nach Seneca 1628, Electra van Sophokles 1639, Koning Edipus uit Sofokles 1660, Ifigenie in Tauren uit Euripides 1666, Euripides Feniciaansche of gebroeders van Thebe 1668 und Sofokles Hercules in Trachin verduitscht 1668.

Im Ganzen sind es 32 Dramen, außer dem einen Lantspel nur Tragödien. Mehr und mehr schloß sich der Dichter eng an die antiken und neulateinischen Vorbilder, wie er auch die darauf gebauten theoretischen Schriften eifrig gelesen hatte. Infolge hiervon sind seine Stücke höchst einfach gebaut: meist Eröffnung durch Monolog, Schluß durch Botenrede; lange Declamationen werden durch die Chöre (Reien) in gereimten Strophen unterbrochen. Die Auseinandersetzung namentlich der theokratischen Ansichten, wozu die biblischen Stücke Gelegenheit darboten, war dem Dichter Herzenssache: von Charakterentwickelung ist wenig zu spüren. Ueber die Nachahmung Seneca’s durch V. handelt J. A. Worp, De invloed van Seneca’s Treurspelen op ons tooneel, Amst. 1892, S. 192–235.

Reicher, leichter Fluß der Rede und des Verses ist auch den Lehrgedichten Vondel’s eigen, von denen besonders im J. 1662 seine Bespiegelingen van Godt en [295] Godtsdienst, sein Joannes de Boetgezant, 1663 De heerlyckheid der kercke, haer ingang, opgang en voortgang in drei Büchern erschienen. Hieran schließen sich seine Uebersetzungen aus den lateinischen Epikern an. Virgil hatte er 1645 in Prosa übersetzt und Huygens gewidmet, der jedoch ebenso wie Barläus darüber absprach; 1660 erschien der ganze Virgil in Alexandrinern, 1671 die Metamorphosen Ovid’s: P. O. Nazoos Herscheppinge.

Weit mehr verdient jedoch Vondel’s Lyrik auch heute noch gelesen zu werden. In ihr spricht sich vor allem der Antheil an den großen Geschicken seines Vaterlandes in seiner Zeit mächtig aus. Namentlich die Seekämpfe mit England zwischen 1650 und 1670 entlockten dem Dichter jubelnde Zurufe an die Admirale Tromp, de Ruiter u. a. Noch 1672 betrauerte er die vom orangistischen Pöbel ermordeten Brüder de Witt. Das letzte Gedicht Vondel’s war ein Hochzeitsgedicht von 1674. Lyrisch sind auch die Reien der Dramen: berühmt ist das Lied vom Schwan im Noah, selbst ein Schwanengesang des Dichters.

Nach zehnjährigem Dienst im Leihhause war er pensionirt worden. Der Greis lebte, vielbesucht von dem jüngeren Geschlecht, noch einige stille Jahre bei den Verwandten. Er starb am 5. Februar 1679. Neidlos, aber mit treffendem Urtheil hatte er wie früher die vornehmen Genossen, insbesondere Hooft, so zuletzt die jüngere Dichterschaar anerkannt. Es waren namentlich G. Brandt, der aus näherem Umgang über Vondel’s Leben 1683 berichtete, R. Anslo, J. Oudaan, J. Vollenhoven, J. Antonides van der Goes. Bei der großen Lesewelt galt allerdings der platte, aber glatte Cats mehr. Bald sollte die Nachahmung des französischen siècle de Louis XIV. auch in Holland den Vorläufer von Corneille in den Hintergrund drängen. Heute ist in Amsterdam dem Dichter ein Park und eine Statue gewidmet; die Züge des Dichters werden durch sein Porträt, welches Filips de Koning 1651 gemalt hatte, der Nachwelt bewahrt. Ein wirksameres Denkmal ist die große Gesammtausgabe: De werken van Vondel in verband gebracht met zijn Leven, en voozien van verklaring en aanteekeningen door Mr. J. van Lennep. Met platen en afbeeldingen. Amsterdam 1855 bis 1869, XII. Volksausgaben hat J. van Vloten veranstaltet 1864 u. ö. Eine von Unger besorgte ist noch im Erscheinen begriffen.

Selbst nach dem Ausland wirkte Vondel’s Dichtung. Zwar sein Einfluß auf Milton ist von G. Edmundson, Milton and Vondel, London 1885, übertrieben worden, wie die Dissertation von Aug. Müller, Berlin 1891, gezeigt hat. Aber in Deutschland fand V. einen Nacheiferer an A. Gryphius, der die Gebroeders als Gibeoniter übersetzte und in der „geliebten Dornrose“, die Leeuwendalers übrigens in geistreicher Weise benutzte: S. R. A. Kollewijn, Ueber den Einfluß des holl. Dramas auf Gryphius, Amersfort (1880). Neuerdings hat Alex. Baumgartner S. J. die Uebersetzung mehrerer Gedichte eingefügt in: J. v. d. V., sein Leben und seine Werke, Freiburg i. B. 1882: seine Schilderung gilt vor allem dem Convertiten.

J. H. W. Unger, Bibliographie van Vondel’s Werken, Amst. 1888. – Die treffendste Würdigung ist wol noch immer die von Jonckbloet, Gesch. d. nl. Letterkunde3 4, 181–345.