ADB:Thomae, Johannes (sächsischer Staatsmann)
Christian Thomasius, zunächst durch Privatlehrer unterrichten und übergab sie 1636 dem Gymnasium in Gera. 1640 bezogen sie die Wittenberger Hochschule. Dort lag Johannes Th. neben rechtswissenschaftlichen auch eifrig geschichtlichen Studien ob und besuchte hierauf, während sein Bruder in Wittenberg zurückblieb, allein noch die Universitäten Leipzig (1641) und Jena (1644), überall bestrebt, durch häufige Disputationen sich in der Kunst gewandter Rede weiterzubilden. Auf der letzteren Hochschule übernahm er zudem eine Hofmeisterstelle bei Hermann v. Wolframsdorf, späterem kursächsischem Oberhofmarschall und Geheimrath, erhielt nach zwei Jahren von der juridischen Facultät die Erlaubniß, Vorlesungen zu halten und als Präses Disputationsübungen zu leiten, erwarb sich 1648 den Grad eines Doctors der Rechte und wurde 1650 zum ordentlichen Professor und zum Assessor des Hofgerichtes und des Schöppenstuhles ernannt. Ungemein thätig in seinem Lehramt – er las täglich fünf bis sechs Stunden – wie als Referent bei dem letzteren Gerichte, genoß er die Hochachtung seiner Collegen und gewann in reichem Maße den Beifall der Studirenden; denn „er las nicht vor leeren Bänken, nicht, wie viele, vor den neun Musen, sondern vor einer Menge von Zuhörern, die der Hörsaal kaum fassen konnte“. – Nur ungern entsagte er diesem stillen und fruchtbaren Wirkungskreise, um als Hof- und Justizrath einem Rufe des Herzogs Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg zu folgen; nachdem er aber einmal (26. Januar 1652) in die staatsmännische Laufbahn eingetreten war, verfolgte er sie mit gewohnter Ausdauer und mit fast gänzlichem Verzicht auf die bisher geübte litterarische Thätigkeit. Zwar veröffentlichte er noch eine Abhandlung „de noxa animalium“ (1653), aber eine umfänglichere Arbeit, eine mit Beziehung auf die neuere Zeit unternommene Sammlung kirchenrechtlicher Gesetze, gelangte nicht mehr zum Abschluß. Sehr bald erwarb er sich das Zutrauen des Herzogs, sodaß ihn dieser schon zu Anfang 1653 neben dem coburgischen Kanzler Aug. Carpzov als Reichstagsgesandten nach Regensburg schickte und ihn im Sommer des nächsten Jahres zum alleinigen Gesandten beim Reichsdeputationstag in Frankfurt a. M. bestellte. Hier erlebte er nach dem Tode Ferdinand’s III. (23. Mai 1658) die Wahl und Krönung des neuen römischen Kaisers Leopold I. (8. und 22. Juli), verfaßte nach den Wünschen der Kurfürsten die vorzulegende Wahlcapitulation und siedelte 1659 mit den anderen Gesandten zur Fortsetzung des Deputationstages wieder nach Regensburg über, wo er nach beendigten Verhandlungen seinen Posten beim Reichstage, jetzt ohne Carpzov’s Mithülfe, von neuem versah. Von seinem Fürsten am 29. November des gleichen Jahres durch die Beförderung zum Consistorialpräsidenten geehrt, empfing er im Mai 1660 zu Wien vom Kaiser die Reichslehen für Altenburg und Coburg und bereiste, wieder nach Regensburg zurückgekehrt, 1662 das benachbarte südliche Deutschland. In München fand er bei dem bairischen Kurfürsten Ferdinand Maria eine huldvolle Aufnahme, wie man denn auch von anderer Seite die Verdienste des Staatsmannes und Rechtsgelehrten [60] wohl zu schätzen wußte. So verlieh ihm der Kaiser 1664 eine goldene Gnadenkette mit seinem Bildniß und drückte ihm in einem Schreiben vom 13. September 1665 seine „große Achtung“ aus; so übertrug ihm in jenem Jahre Herzog Moritz von Sachsen-Naumburg-Zeitz das hennebergische Votum, dessen Director er damals war, und Markgraf Friedrich das baden-durlachische und hochbergische bei den Abstimmungen des Reichstages. Schon im Juli 1657 hatte ihn die Wittenberger Hochschule für eine ordentliche Professur der Rechte zu gewinnen gesucht, und 1661 waren ihm nacheinander zwei Vicekanzlerstellen angetragen worden. Für sein treues Ausharren dankte ihm der Herzog, indem er ihn am 6. Februar 1668 an Stelle des verstorbenen Geheimrathes, Kanzlers und Obersteuerdirectors Wolf Konrad v. Thumshirn zu dessen Nachfolger erhob. In der neuen Würde eines Kanzlers geleitete er dann die Herzogin Magdalena Sibylle zur letzten Ruhestätte und hielt im Kirchensaale des Altenburger Schlosses die Abdankungsrede, unterschrieb und besiegelte auch am 21. März mit neun anderen hohen Staats- und Hofbeamten die letztwillige Verfügung seines Fürsten. Sie bestimmte den Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen und den Herzog Moritz von Sachsen-Naumburg-Zeitz zu Obervormündern des noch minderjährigen einzigen Prinzen, während Th. mit dem damaligen Consistorialpräsidenten Hans Dietrich v. Schönberg (s. A. D. B. XXXVI, 781 ff.) und drei anderen die Untervormundschaft führen sollte. Als der altenburgische Herzog am 22. April 1669 gestorben war, trat diese Verfügung in Kraft, dauerte aber nur bis nach dem Tode des erst fünfzehnjährigen Herzogs Friedrich Wilhelm III. († am 14. April 1672). Einen drohenden Erbfolgestreit der Häuser Weimar und Gotha verhinderte der friedliebende nächste Agnat, Ernst der Fromme, durch die Erklärung, daß er sich mit drei Viertheilen des altenburg-coburger Landes begnügen wolle. Nach einem gütlichen Vergleiche (16. Mai 1672) und nach dem Rücktritt der Vormünder erschien Ernst’s des Frommen ältester Sohn, Friedrich (I.), in Altenburg, um im Namen seines kränklichen Vaters die Regierung des Landes zu übernehmen, empfing für ihn die Erbhuldigung und bestätigte außer den übrigen bewährten Beamten auch den Kanzler in den bisherigen Aemtern, wobei er dem letzteren zugleich die abgegebenen Schlüssel und Siegel der Kanzlei und des Archives wieder einhändigte. Im folgenden Jahre begab sich Th. auf Befehl des neuen Regenten zur Entgegennahme der Reichslehen für Altenburg und Coburg nach Wien, mußte sich aber krankheitshalber bei dem feierlichen Acte (24. November) durch den brandenburg-culmbachischen Kanzler Karl v. Stein vertreten lassen. Nach dem Ableben Ernst’s des Frommen nahm er am 4. Juni 1675 zu Gotha an dessen feierlicher Bestattung in der Margarethenkirche theil und ging im October 1676 als Gesandter der Fürstenthümer Gotha, Altenburg und Coburg auf den vom sächsischen Kurfürsten ausgeschriebenen Kreistag in Leipzig, wo man über die nöthigen Mittel für die Stabspersonen der beiden obersächsischen Regimenter, über Beschaffung der erforderlichen Munition für die Feldartillerie und über andere militärische Bedürfnisse zu berathen hatte. – Was seine Familienverhältnisse betrifft, so hatte er sich am 25. September 1653 in erster Ehe mit Marie Elisabeth, der einzigen Tochter des Reichshofrathes Joh. Philipp v. Bohn auf Birkenau und Weinheim, vermählt. Zwei ihm geborene Söhne starben schon in früher Jugend; von den beiden Töchtern heirathete die ältere, nach der Mutter benannte den altenburgischen Hof- und Justizrath, nachmaligen Kanzler Joh. Kaspar v. Hendrich, die jüngere, Magdalena Sibylle, am 23. Mai 1678 den damaligen gothaischen Hofrath und späteren Freiherrn und Geheimrathsdirector Joh. Friedrich Bachoff v. Echt (s. A. D. B. I, 754). Nach dem Tode der ersten Gattin (19. April 1664) schloß Th. am 28. Febr. 1671 eine neue Verbindung mit Susanna geb. Schröter, der Wittwe des sachsen-naumburgischen [61] Hof- und Justizrathes Paul Hornigk. Von den beiden Söhnen, welche ihm diese schenkte, überlebte ihn nur der jüngere, Joh. Adam. Seit längerer Zeitan Steinbeschwerden leidend, verschied er, nachdem noch ein Schlagfluß eingetreten war und die rechte Seite gelähmt hatte, am 2. März 1679, erst 541/2 Jahre alt. Bis zum letzten Augenblick der Besinnung mächtig, hatte er kurz vor seinem Hintritt noch eine „Abschiedsode“ an die Seinigen verfaßt, die der Leichenpredigt (S. 72) beigedruckt ist. Nach der Schilderung der Zeitgenossen war er ein allzeit schlagfertiger Redner und befähigt, selbst die verwickeltsten Geschäfte mit Leichtigkeit zu entwirren, fromm und gottesfürchtig, ein treuer Anhänger seiner Kirche – in Regensburg schrieb er 1666 eine „Confessio fidei orthodoxa“ zur Widerlegung des Jesuiten Jacob Masenius –, in seinem Hause musterhaft und hülfreich gegen Arme und Nothleidende. So überließ er, als ihm Herzog Friedrich Wilhelm II. das Rittergut Naundorf geschenkt hatte, den ganzen erstjährigen Ertrag von dessen Feldern der bedürftigen Kirche in Bobeck bei Eisenberg. – Als akademischer Lehrer hatte er eine Reihe geschätzter Abhandlungen und Disputationen verfaßt. Mehrere sind später neugedruckt, andere erst nach seinem Tode herausgegeben worden. Außer der oben angeführten seien hier noch genannt: „de monopoliis“ (1650), „de successione feudali“ (1651), „de juribus majestatis circa religionem in genere et in specie de episcopalibus et principatus“ (1693). Nach den Blättern f. Hymnologie, 1888, S. 141 ist Th. auch der Verfasser des Sterbeliedes „Fleuch, mein Seelgen, auf zu Gott“.
Thomä: Johannes Th., Staatsmann, auch Thomas und latinisirt Thomasius, wie denn die Angehörigen des Geschlechtes unter den Trauergedichten der Leichenrede sich aller drei Namensformen bedienen, wurde am 28. August 1624 als jüngerer Sohn des Anwaltes und städtischen Consulenten Michael Th. in Leipzig geboren und verlor früh seine Eltern, worauf die Großmutter, Martha Schultheß, die Wittwe eines Advocaten und kursächsischen Rathes, sich der Erziehung der beiden verwaisten Knaben treulich annahm. Sie ließ den jüngeren und seinen Bruder Jakob († 1684), den nachherigen Vater des berühmten- Joh. Christfried Sagittarius, Wahrer Christen Sichere Schlaff- Stete u. Ruhe … Als Der weiland … Hr. Thomas … in seine Ruhe-Kammer ward beygesetzet. Altenburg o. J. (1679). Fol. Mit Thomä’s Bildn. in Kupferstich. [Herzogl. Bibliothek in Gotha. – Biographisches: S. 33–44: Christlicher Lebens-Lauff; wiederholt in: Denkmal groser (so!) u. verdienstvoller Staatsmänner (herausgeg. von Chr. H. L. W. Spiller v. Mitterberg), Coburg 1797, S.97–122; S. 71 (72)–82: Casp. Sagittarius, Programma, quo ad audiendam orationem panegyricam laudibus … Joh. Thomae sacram … invitat; verkürzt und meist wörtlich bei J. C. Zeumer, Vitae Professorum …, Jena 1711, Classe II, S. 154–161; S. 83 (84)–108: Casp. Sagittarius, Oratio panegyrica Joh. Thomae … laudibus consecrata; S. 109 (110)–120: Paul Mart. Sagittarius, Statua triceps memoriae … Joh. Thomae dedicata; S. 122 f.: Veit Ludw. v. Seckendorf, Latein. Trauergedicht in 46 Hexametern.] – Henning Witte, Diarium biographicum (Tom. I), Danzig 1688, zum 2. März 1679. – Fr. G. Gotter, Elogia clar. virorum, qui Altenburgum … illustrarunt, Jena 1713, S. 54–56 (eigentl. 64–66, da die Seiten verzählt sind). – Zedler’s Universal-Lexikon, 43. Bd. (1745), Sp. 1495. – Jöcher IV (1751), 1142. – Joh. Fr. Jugler, Beiträge zur jurist. Biographie, 5. Bd., 1. Stück, Leipzig 1779, S. 1–10. – Joh. Fr. Graf v. Beust, Altenburgs Kanzler, Dresden 1821, S. 15 f. – Joh. Günther, Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena, Jena 1858, S. 60 f. – A. Beck, Ernst der Fromme, 2. Th., Weimar 1865, S. 68 f.; dazu 1. Bd., S. 298 f., 307 f., 599 f., 602. (Beck’s Quellenverzeichniß II, 69 ist nach dem hier gegebenen zu berichtigen u. außerdem J. A. Strubberg’s Diarium Salanum, das schon Zedler anführt, zu streichen). – Vgl. auch: Adrian Beier, Syllabus Rectorum et Professorum …, Jena 1659, S. 608. – J. S. Müller’s Annales des Chur- und fürstl. Hauses Sachsen, Weimar 1701 (s. im Register).