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ADB:Johann Georg II. (Kurfürst von Sachsen)

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Artikel „Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 381–383, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Georg_II._(Kurf%C3%BCrst_von_Sachsen)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:48 Uhr UTC)
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Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen seit 1656, des Vorigen ältester Sohn, geb. am 31. Mai / 10. Juni 1613, † am 22. Aug. / 1. Sept. 1680 zu Freiberg, wohin er sich der Pest wegen zurückgezogen hatte. Die Verschwendung und der maßlose Prunk, welche durch ihn am Dresdener Hofe eingebürgert wurden, bilden einen schmerzlichen Gegensatz zu den noch frischen Kriegswunden, aus denen das Land blutete. Der Hofstaat wurde ins Ungemessene vermehrt, Jagden, Löwenhetzen, Turniere, Wirthschaften, Maskeraden, Feuerwerke, Vogelschießen und ähnliche Inventionen lösten einander ohne Unterbrechung ab. Namentlich aber die Musik wußte J., der nicht blos in seiner Jugend während der Blüthezeit der sächsischen Kapelle unter H. Schütz Geschmack und Kunstsinn gebildet hatte, sondern auch selbst componirte, der Verherrlichung seines Hofes dienstbar zu machen, dessen musikalische und theatralische Aufführungen, Ballet, Singspiel und Oper, weit berühmt wurden. Wie er sich schon als Kurprinz in Venedig einen eigenen Factor gehalten hatte, um italienische Instrumentisten und Sänger für seine Kapelle anzuwerben, so war er auch der erste unter den sächsischen Kurfürsten, der Ausländer, Franzosen und mehr noch Italiener, in bedeutender Anzahl an seinen Hof zog, und einzelne Günstlinge unter denselben, wie den Kastraten Sorlisi adeln ließ und mit Aemtern und Titeln bedachte. Dresden wurde dadurch unter ihm ein Hauptpunkt, von dem aus sich der Geschmack an ausländischer Kunst in Deutschland verbreitete; durch ihn erhielt es das erste feste und ordentliche Theater in Deutschland, in welchem hauptsächlich während des Carnevals und bei festlichen Gelegenheiten schon regelmäßige Vorstellungen gegeben wurden. Auch mit anderen Bauwerken stattete seine Prachtliebe die Residenz aus, das Schloß wurde ausgeschmückt, die Kunstkammer vermehrt, der Große Garten angelegt, so daß Dresden damals als die schönste Stadt Deutschlands erschien. Die Kehrseite dieses glänzenden Gemäldes bildet freilich die tiefe Zerrüttung des Kammerwesens, welche den Kurfürsten zu immer neuen Anforderungen an die Landstände veranlaßte, bis diese endlich den für die sächsische Finanzwirthschaft hochwichtigen Steuervergleich vom 19. März 1661 zu Stande brachten, welcher durch Uebernahme eines Theils der Kammerschulden auf die Steuer und Herabsetzung des Zinsfußes für dieselben wenigstens vergleichsweise Ordnung schuf und die dauernde Grundlage des sächsischen Steuerwesens wurde. Die durch das väterliche Testament verursachten Mißverständnisse mit seinen Brüdern schlichtete J. durch den freundbrüderlichen Hauptvergleich zu Dresden 22. April 1657; durch die postulatio perpetua vom 15. Juni 1663 erhielt er die erbliche Administration des meißner Domkapitels. Die bedenklichste Seite von Johanns Regierungsthätigkeit bildet seine auswärtige Politik, die Abhängigkeit von Ludwig XIV., in welche er sich, zum Theil bloß um der Subsidien willen begab. Die erste Veranlassung, welche ihn in nähere Beziehung zu dem Könige brachte, gaben die Vorgänge in Erfurt, welches Kurfürst Johann Philipp von Mainz, vom Kaiser begünstigt, um eine protestantische Stadt in die Hände eines katholischen Fürsten zu bringen, und unter Benutzung der gegen den Rath sich auflehnenden Volkspartei, der ausschließlichen Hoheit des Erzstifts zu unterwerfen und damit dem sächsischen Erbschutze zu entziehen strebte. Ohne die seinem Hause drohende Beeinträchtigung zu durchschauen, hinderte er nicht nur nicht die Aechtung der Stadt und die Uebertragung der Execution an Mainz, sondern ließ sich sogar von dem Abgesandten des Kurfürsten Johann Philipp, dem Kanonikus v. Reiffenberg, durch die Aussicht auf die gleiche Gunst Ludwigs XIV., wie sie jener genoß, auf französische Subsidien und französische Unterstützung der [382] sächsischen Ansprüche auf Jülich verleiten, hinter dem Rücken seiner Brüder, Vettern und Räthe am 20. Nov. 1663 zu Torgau einen geheimen Vergleich einzugehen, durch den er der Execution gegen Erfurt, freien Lauf zu lassen versprach. Im darauf folgenden Januar knüpfte J. mit dem Könige von Frankreich direct an; um aber dies den antifranzösisch gesinnten unter seinen Räthen zu verheimlichen, griff er zu dem seltsamen Auskunftsmittel, Reiffenberg, ohne daß derselbe aus Mainzer Dienst schied, insgeheim zum Präsidenten des kursächsischen Staatsraths für die mainzer und französischen Angelegenheiten zu ernennen, als welcher dieser, 2. April, zu Regensburg ein geheimes Bündniß mit Frankreich auf gegenseitige Unterstützung schloß. So war in der Politik Kursachsens ein Umschlag eingetreten, durch welchen es sich ohne irgend welche zwingende Ursache, mit Beeinträchtigung seines wahren Interesses und mit Verleugnung aller Pflichten gegen das Reich, lediglich um Geldgewinns willen, in die Vasallenschaft Frankreichs begab. Die nächste Wirkung des neuen Verhältnisses zeigte sich darin, daß J. 22. März 1667 formell, jedoch geheim zu Schulpforte gegen 150 000 fl. Entschädigung dem Schutzrecht über Erfurt entsagte. Reiffenberg schöpfte sogar bereits Hoffnung, daß es gelingen werde, den Kurfürsten und seine Gemahlin zur katholischen Kirche zurückzuführen. Aehnliche Gedanken beunruhigten die evangelischen Fürsten, und daß auch die Landstände diese Befürchtungen theilten, bewiesen sie dadurch, daß sie ihre Bewilligungen wiederholt an das Versprechen knüpften, in Religionssachen keine Veränderung vornehmen zu wollen. Die Gegenbestrebungen der antifranzösischen Partei am Dresdener Hofe, zu der auch die Kurfürstin gehörte, brachten zwar in der Haltung der sächsischen Politik einige Schwankungen hervor; seit Juli 1664 unterhandelte J. auch mit dem Kaiser über ein zum Schutze des Reiches gegen Frankreich zu schließendes Bündniß, bot ihm gegen Subsidien Unterstützung an, ja versprach ihm, sich künftig der schlesischen Protestanten, „für die er nur um den Evangelischen nicht suspect zu werden, habe interveniren müssen“, nicht mehr so eifrig anzunehmen. Allein Ludwig, dem Sachsen treffliche Dienste leisten konnte, um den Einfluß des Kaisers und Schwedens auf Norddeutschland zu paralysiren, wußte ihn bald noch viel fester an sich zu ketten, so daß J. sich Sept. 1665 gegen ihn verpflichtete, auch seine Brüder und Vettern in das nunmehr auf ewige Zeiten verlängerte Bündniß aufzunehmen, künftig nur dem Könige angenehme Minister zu wählen und für alle dieses Bündniß betreffenden Angelegenheiten einen besonderen Allianzrath zu ernennen (der jedoch nicht zu Stande kam). Allein die durch Ludwigs Angriff auf die Niederlande verursachte Bedrohung des Reichs und der Unmuth über des Königs gutes Verhältniß zu Brandenburg, durch welches Sachsen um Jülich und Magdeburg gekommen war, lockerten wieder die Verbindung mit Frankreich; ja im J. 1671 war es J., der den Kaiser zu rechtzeitigen Maßregeln gegen den drohenden französischen Angriff antrieb, und am 1. März 1673 schloß er sogar mit demselben ein Bündniß, in Folge dessen 3000 Sachsen an dem Feldzuge gegen Turenne theilnahmen, doch rief er sie schon im nächsten Sommer zurück und ließ sich darauf gegen die Zusage neuer französischer Subsidien in eine Allianz mit Baiern zu Aufrechthaltung des westfälischen Friedens ein, deren eigentlicher Zweck die Niederhaltung des für Sachsen bedenklich kühn aufstrebenden Brandenburg und darum auch die Erhaltung des schwedischen Besitzstandes im Reiche war. Aber in seiner Geldnoth scheute er sich nicht, sich noch weiter an Frankreich zu verkaufen; gegen einmalige 30 000 Thlr. und viermal jährliche 20 000 Thlr. verpflichtete er sich 5. Nov. 1679 insgeheim und ohne Vorwissen seines Geheimen Raths, die Wahl eines Erzherzogs zum römischen König zu hindern und dafür die des Königs oder des Dauphins zu bewirken oder wenigstens im Einverständniß mit Ludwig XIV. zu [383] wählen, was ihn jedoch trotzdem nicht abhielt, sich auch zu Verhandlungen mit Baiern und dem Kaiser über ein Bündniß gegen Frankreich herbeizulassen, und da die deutsche Partei in Dresden mehr und mehr die Oberhand gewann, so blieb jene Uebereinkunft ohne praktische Folgen, und unter seinem Nachfolger hatte das Liebäugeln mit Frankreich ein Ende. Vermählt war J. seit 13. Nov. 1638 mit Magdalene Sibylle v. Brandenburg-Baireuth, † am 20. März 1687, von welcher er außer einem Sohn, Johann Georg III., eine Tochter hatte, Erdmuthe Sophie, vermählt 1662 mit Christian Ernst von Brandenburg-Baireuth.

Leti, Ritratti della casa di Sassonia (1688). – Helbig, Johann Philipp von Mainz und Johann Georg II. von Sachsen während der Erfurter Wirren 1650–67 in v. Weber’s Archiv f. sächs. Gesch. III, 391 ff. – Ders., Die diplomatischen Beziehungen Johann Georg II. von Sachsen zu Frankreich. Ebendas. I, 289 ff.