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ADB:Salsborch, Hinrik

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Artikel „Salsborch, Hinrik“ von Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 692–699, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Salsborch,_Hinrik&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:59 Uhr UTC)
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Salsborch: Hinrik S., Doctor und Ritter, in Hamburg geboren, 1505 bis 1523 Rath des Herzogs Karl Egmond von Geldern, 1524–1531 Bürgermeister in Hamburg, † am 17. März 1534, war einer der entschiedensten und geistig bedeutendsten Gegner der Reformation, die im J. 1529 in Hamburg ihren Abschluß erreichte. S. war unter den zehn Kindern des gleichnamigen Rathsherrn das älteste. Der Rathsherr war im heutigen Fürstenthum Reuß jüngerer Linie geboren und nannte sich nach der Burg oder dem Städtchen Saalburg a. d. S., wurde Kaufmann in Hamburg, 1475 in den Rath gewählt [693] und starb 1503 mit Hinterlassung eines großen Vermögens. Wenn man annehmen darf, daß der in Rostock 1492 am 26. Mai immatriculirte Student „Hinricus Sadelsborch de Hamborch“ der spätere Bürgermeister ist, so wird seine Geburt in die siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts zu setzen sein. Ihm wird häufig bald der Magistertitel, bald der Doctortitel beigelegt, ohne daß sein Name sich unter den Graduirten Rostocks befindet. Lappenberg bezeichnet ihn als Doctor Juris in den Anmerkungen zu den Niedersächsischen Chroniken (S. 587). Vielleicht ist S. in Köln promovirt worden; denn am Niederrhein begann er seine Thätigkeit. Das erste, was man von Salsborch’s Thätigkeit weiß, ist, daß er 1504 als Syndikus der Stadt Kampen in Lübeck erschien, um Streitigkeiten zwischen Bürgern Lübecks und denen der Städte Kampen, Deventer und Zvolle zu schlichten. Die von S. gemachten Vorschläge wurden auf dem zu Lübeck 1504 stattfindenden wendischen Städtetage angenommen. Im nächsten Jahre wird S. der Rath des Herzogs Karl Egmond von Geldern (s. A. D. B. XV, 288), welcher nur höchst widerwillig die österreichisch-burgundische Herrschaft Philipp’s des Schönen von Spanien und nach dessen Tode wiederum die Kaiser Maximilian’s ertrug. Um sich von dieser Herrschaft zu befreien, verbündete Herzog Karl sich mit Frankreich. Unermüdlich suchte er Oesterreich in den niederländischen Gebieten Feinde zu erwecken, Bundesgenossen suchend, wo er nur hoffen konnte, solche zu finden. Unerschöpflich an List und Tücke, ein befähigter Kriegsmann und Staatsmann, führte er Kriege, die sein eigen Land und die Nachbarländer verheerten. Im Dienste dieses Herrn lernte S. die verschlungenen Pfade der Diplomatie kennen und muß, nach den verschiedensten Aufträgen zu urtheilen, die der Herzog ihm in seiner neunzehnjährigen Dienstzeit ertheilte, sich zweifellos als geschickter und gewandter Unterhändler bewährt haben. „Die vorhandenen Quellen“, schreibt Nirrnheim (s. unten), „gestatten uns nicht, uns auch nur ein annähernd vollständiges Bild von Salsborch’s Thätigkeit zu machen“; aber sie beweisen, wie mannichfaltige und wie verschiedene Dienste S. seinem Herrn leistete.

Im J. 1505 wurde S. mit einem Priester nach Diest in Nordbrabant gesandt, um hier für den Herzog zu wirken. Ein nicht geringes Vertrauen bewies Herzog Karl seinem Rath, indem er mit Reinier, Bastard von Geldern, auch S. zum gefürchtetsten Feinde des burgundischen Hauses, Ludwig XII. von Frankreich, nach Mezières schickte, mit diesem einen Vertrag abzuschließen. Im Mai 1506 kam er zu Stande: der Herzog versprach mit seinen Landen und Unterthanen, dem Könige dienen zu wollen, wogegen ihm der König eine Pension von 15 000 Livres aussetzte und eine Compagnie Lanzenträger zur Verfügung stellte. In dem nun folgenden Kriege zwischen König Ludwig und Herzog Maximilian von Burgund errang Herzog Karl glückliche Erfolge. S. hatte während desselben Truppen zu werben, scheint für seinen Herrn die zweijährige Rechnung über die Kriegsoperationen geführt zu haben und ist stets bereit, den nöthigen Sold für die Truppen herbeizuschaffen; als die Noth einmal recht groß war, tritt er mit einigen anderen Hofleuten selbst helfend ein und zahlt aus seinem eigenen Vermögen etwa 300 Gulden. 1515 war S. Drost im Lande Kessel, ohne aufzuhören, herzoglicher Rath zu sein. Hier hatte S. in der Stadt Horst sein eigenes Haus, gleichwie er ein solches auch in der Stadt Geldern besaß. Ein Beispiel, wie Karl Egmond jede Gelegenheit benutzte, seine Herrschaft zu vergrößern, bietet der Krieg zwischen Ostfriesland unter seinem Grafen Edzard und Westfriesland unter Georg von Sachsen. Es handelte sich wesentlich um den Besitz der Stadt Groningen. Herzog Karl stellte sich auf Seiten Edzard’s und wußte Groningen an sich zu bringen, [694] nachdem schon seit dem Frühjahr 1514 ganz Gelderland in seinem Besitze war. Seine Pläne, zu denen er nun wieder S. brauchte, gingen aber weiter. Da auf Seiten Georg’s von Sachsen auch die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel gekämpft hatten, die mit dem Herzog Heinrich I. von Braunschweig-Lüneburg in Fehde lagen, so suchte er diesen auf seine Seite zu ziehen, indem er um dessen Tochter Elisabeth anhielt. Zum Unterhändler diente S. Nach langen Vorverhandlungen wurde S. im J. 1518 zum Herzog gesandt mit Vollmacht und ausführlicher Instruction ausgerüstet. Im August wurde die Verlobung ausgesprochen und am 5. Februar 1519 begrüßte S. mit anderen Räthen, Adeligen und Geistlichen in Zütphen die junge, mit großem Gefolge einziehende Fürstin als Landesmutter. Nach Kaiser Maximilian’s Tode scheint Herzog Karl den Zeitpunkt günstig erachtet zu haben, um seinen Frieden mit dem Hause Oesterreich zu machen. Im November 1520 schickte er Räthe, unter denen S. und Johannes Veersen namentlich aufgeführt werden, zu Karl V., der ihnen in einem zu Boppard am 22. November ausgestellten Schreiben sicheres Geleit zum Reichstag nach Worms gewährt. Ob die geldernschen Gesandten auf demselben erschienen sind, ist nicht gesagt. Von Interesse wäre es, zu wissen, ob S. daselbst Luther gesehen hat, dessen Anhängern in Hamburg es nach wiederholten Versuchen endlich gelang, S. aus der Rathsstube auszuschließen.

Zunächst harrte seiner ein schwieriger Auftrag seines Herrn, der auf neue Mittel sann, seine Herrschaft in Friesland zu befestigen. S. wurde 1523 nach Lübeck und Hamburg gesandt, um beide Städte für ein Bündniß mit dem Herzoge zu gewinnen und demnach den Westfriesen gegen das unter burgundischer Herrschaft stehende Holland beizustehen. Diese Gesandtschaft wurde verhängnißvoll für S. und führte ihn in neue Lebensbahnen. Lübeck, das schon lange die Fortschritte des holländischen Handels auf der Ostsee argwöhnisch beobachtet hatte, nahm anfangs den Bündnißantrag mit Dank gegen den Herzog zwar an, aber ein Bündniß kam nicht zu Stande. Hamburg aber, wo S. am Palmsonntag angekommen war, hatte vielfach von den friesischen Seeräubern gelitten; „Dockum,“ jetzt unter einem geldernschen Statthalter, „war ein verrufenes Seeräubernest“. Jetzt traf wieder in Hamburg die Nachricht ein, daß die Westfriesen ein Hamburger mit Tuchen beladenes Schiff aufgebracht hätten. Wie stimmte das mit Salsborch’s Bündnißantrag zusammen? Man glaubte ihm einfach nicht. Die Bürgerschaft war erbittert; der Rath schickte mit völliger Ignorirung Salsborch’s zwei seiner Mitglieder nach Dockum, um sich mit dem Statthalter ins Vernehmen zu setzen, die auch nach Amsterdam sich begaben, um die Sicherheit des gegenseitigen Schiffsverkehrs zu verabreden. Der Herzog wurde ungeduldig über Salsborch’s langes Ausbleiben, und S. entschuldigte sich darüber in einem Briefe vom 24. Juni mit körperlichen Leiden, die ihn am Reiten und demnach an der Rückkehr hinderten. Am 13. Juli wiederholt S. in einem Schreiben an den Herzog seine Klagen: er sei ein kranker Mann, habe zu Schiff nach Gröningen oder Dockum zurückkehren wollen und schon Abschied von seinen Verwandten genommen, als ihm vom Rath geboten war, vor ihm zu erscheinen. Der Rath habe ihm eröffnet, daß er vom Rath zu seinem Mitgliede gewählt sei; auf Salsborch’s Einreden dagegen habe er nur die Antwort erhalten: es müßte also sein. Dies geschah am 9. Juli. Nichts mehr wissen wir über diese auffällige Wahl. Erst aus Salsborch’s Briefen an den Herzog, im Reichsarchiv zu Arnheim bewahrt und von Nirrnheim veröffentlicht, ist dies bekannt geworden. Diese Erwählung bildet den Wendepunkt im Leben Salborch’s.

Das Verfahren des [sich selbst ergänzenden] Rathes ist unbegreiflich. [695] Das Stadtrecht von 1497 versagte sowohl hamburgischen als holsteinischen in Hamburg lebenden Beamten den Eintritt in den Rath. Um so weniger konnte ein auswärtiger Gesandter in den Rath gewählt werden. Wie konnte ferner der nunmehrige hamburgische Rathsherr in demselben Briefe vom 13. Juli schreiben: er wolle, „solange er lebe, seiner fürstlichen Gnaden Dienst thun?“ Wie die Verhältnisse zwischen Friesland und Hamburg lagen, mußte ein so erfahrener Diplomat, wie S. war, sich sagen, daß beider Betheiligten Interessen sich völlig widersprachen. Diesem Conflicte aus dem Wege zu gehen, hätte S. sich auf sein Gesandtschaftsrecht berufen müssen, das ihm verbot, ohne vom Herzog entlassen zu sein, in eine fremde Regierung einzutreten. Der Verdacht ist nicht abzuweisen, daß S. die Wahl selbst gewünscht, günstige Umstände benutzt hat, sie herbeizuführen und endlich die Treue gegen seinen Herrn gebrochen hat. Dem Rath mochte es willkommen sein, einen so gewandten Unterhändler für Hamburg zu gewinnen. S. selbst mochte zweifeln, ob er sich in der Gunst des Herzogs erhalten könne. In Hamburg hatte er angesehene Verwandte: seine erste Frau, zwar aus Geldern stammend, war dort gestorben, hatte ihm aber den einzigen Nachkommen hinterlassen, der 1523 eine Tochter des hamburgischen Bürgermeisters Barthold vom Rhine geheirathet hatte. 1516 hatte S. in Hamburg Anna Bockholt, Nichte des Hinrich Bockholt, des letzten katholischen Bischofs von Lübeck (1523–1535) geheirathet. Aus dem väterlichen Nachlaß besaß S. bedeutenden Grundbesitz in und außerhalb der Stadt. Auch dies mochte ihn bestimmen, nicht nach Geldern zurückzukehren. Der Herzog würdigt ihn keiner Antwort und ließ Beschlag auf sein Eigenthum legen durch Jan v. Wittenhorst, der am 30. Juli die Ausführung des Befehls seinem Herzog meldet und dabei bemerkt, daß Salsborch’s Brüder Joachim und Peter, von ihm abgesandt, die Häuser Salsborch’s ausgeräumt und bei Nacht und Nebel sich aus dem Staube gemacht hätten. Zwischen seiner Erwählung in den Rath und dieser Meldung lagen drei Wochen. Danach ist es höchst wahrscheinlich, daß S. schon vor seiner Erwählung auf Mittel gesonnen hat, sein Eigenthum vor herzoglicher Beschlagnahme zu schützen. Und dies bezeugt doch, daß S. bei seinem Eintritt in den Rath kein gutes Gewissen haben konnte. Trotzdem hegte S. die Hoffnung, noch in Hamburg dem Herzog nützen zu können. Selbst 1526 im März bat er den geldrischen Kanzler Dr. Lanck, sich für ihn beim Herzog zu verwenden. Allein der Herzog übertrug seinen Zorn gegen S., den er als Hochverräther ansah, auf Hamburg und ließ Arrest auf Hamburger Schiffe und Waren legen: der geldrische Rath Wynand von Arnheim erließ im Frühjahre 1524 eine Bekanntmachung, in der es hieß: „Die Hamburger soll man anhalten und ihre Güter in Verwahrung nehmen, bis man weiß, ob sie Hinrik Salsborch, den Diener meines gnädigen Herrn, losgeben wollen.“ Für den Schaden, den Hamburger Bürger dadurch erlitten, machten sie noch in späteren Jahren S. wiederholt verantwortlich.

Zunächst begünstigte ihn das Glück: noch nicht drei Vierteljahr dem Rath angehörig, wählte dieser ihn im Februar 1524 zum Bürgermeister und als solcher hatte er gleich Gelegenheit, sich um seine Vaterstadt verdient zu machen, als der vertriebene König Christian II. von Dänemark Pläne schmiedete, sich wieder der Krone zu bemächtigen. Christian II. selbst war nach den Niederlanden, dem Gebiet seines Schwagers Karl’s V., geflohen, und wenn es ihm auch nicht glückte, die Statthalterin Margaretha von Oesterreich für sich zu gewinnen, so zogen doch Kurfürst Joachim von Brandenburg und andere Fürsten Norddeutschlands für ihn Truppen, namentlich gegen Hamburg und Lübeck, zusammen. Denn beide Städte widersetzten sich seiner Rückkehr. Hamburg [696] sah seine Selbständigkeit bedroht, weil der König schon früher versucht hatte, Holstein zu einem dänischen Lehen zu machen; Lübecker Rathssendeboten aber hatten sich gar vernehmen lassen: „Lieber sterben, lieber Türken und Russen herbeirufen, als Christian wieder zurückkehren lassen.“ Diese entschiedene Gegnerschaft Lübecks war veranlaßt durch Christian’s bisherige Politik, Dänemark zur herrschenden Macht des Nordens, besonders der Ostsee, zu machen. Während Hamburg sich zur Vertheidigung gegen die Freunde Christian’s bereitete, verliefen sich aber die feindlichen Truppen, da der Sold ausblieb. Friedliche Verhandlungen, zu denen Kaiser und Papst u. A. im April 1524 ihre Gesandten nach Hamburg geschickt hatten, fanden endlich in Kopenhagen ihren Abschluß durch die Krönung Friedrich’s I. zum König von Dänemark am 7. August 1524. Der Wortführer der Hamburger Rathssendeboten war S. gewesen und wie viel Dank Friedrich I. Hamburg und Lübeck, namentlich den beiden Bürgermeistern S. und Thomas v. Wickede schuldete, beweist der Ritterschlag, der Beiden am Krönungstage zu Theil wurde; „wohl der erste und einzige derartige Fall in der Geschichte der beiden Städte“ (Dietr. Schäfer in A. D. B. XLII, 320).

Mit der Absetzung Christian’s II., der sich auf die burgundischen Niederländer gestützt hatte, hatte S. aber auch dem Herzog von Geldern einen Dienst geleistet, worauf S. sich berufen konnte. In allen Briefen von 1523 bis 1526 unterließ er nicht, seine Dienstbeflissenheit für Herzog Karl zu betheuern und andererseits zu bitten, daß dieser Salsborch’s Rechenschaftsablage annehmen und sein Eigenthum herausgeben möge. Auch muß zu Salsborch’s Rechtfertigung in seinen Privatangelegenheiten bemerkt werden, daß, als auf des Herzogs Befehl von der Kanzel herab diejenigen aufgefordert wurden, sich zu melden, die durch S. geschädigt seien, keiner erschien, wohl aber Privatschuldner des S. Auch Friedrich I. trat für S. ein, indem er einen Abgesandten, Diederich van Rede, zu Gunsten Salsborch’s abfertigte (März 1526), um ihn zu bewegen, „S. zu gnädiger Audienz und Gehör kommen zu lassen“. Allein der Herzog blieb unerbittlich. Hamburg selbst verdankte Salsborch’s Thätigkeit in Kopenhagen außer bedeutenden Handelsprivilegien in Dänemark, Norwegen und Schleswig-Holstein auch die Bereitwilligkeit des Königs mit Hamburg und Lübeck über die Vollendung des Alster-Trave-Canals zu verhandeln. Der für damals großartige Plan war um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts wieder aufgegeben worden, wurde nun aber durch den König von Dänemark gefördert (1525). Um den Bau und die Rechnungsführung zu überwachen, setzte Hamburg eine Commission von vier Rathsherren und sechszehn Bürgern ein; Vorsitzender war S., der in den nächsten Jahren wiederholt mit dänischen Commissaren und holsteinischen Gutsbesitzern zu verhandeln hatte, auch einen Schleusenmeister aus Kampen anstellte, bis endlich um Martini 1529 die ersten Schiffe aus Lübeck in Hamburg landeten. Noch in diesem und dem folgenden Jahre mußte sich S. zum Könige begeben, um wegen Abgaben auf dem „Wassergraben“, wie der Canal genannt wurde, Rücksprache zu nehmen. Auch sonst fehlte es ihm nicht an Reisen in Hansaangelegenheiten nach Lübeck, zum Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, nach Salzwedel, um allerlei Mißverständnisse beizulegen.

So sehr es S. geglückt war, der Stadt Hamburg ersprießliche Dienste zu leisten, so wenig berücksichtigte er die Stimmung der Bürgerschaft, die der kirchlichen Reformation immermehr zuneigte. Schon 1524 hatte der Kirchenvorstand von St. Nikolai Bugenhagen zum Pastor berufen; da aber der Rath Einspruch erhob, konnte Bugenhagen dem Rufe nicht folgen. Neben der Forderung der kirchlichen Reformation erhob die Bürgerschaft auch den Anspruch, [697] größeren Einfluß auf die Verwaltung zu gewinnen. In allen diesen Fällen erwies sich S. unzugänglich gegen die Bürgerschaft. Betrachtet man Salsborch’s harte Worte gegen die römischen Priester nach der 1529 endgültig eingeführten Reformation, so kann man sich nicht gegen den Eindruck verschließen, daß dem langjährigen Diener des Fürsten die kirchlichen Angelegenheiten gleichgültiger waren als die Autorität des regierenden Bürgermeisters.

In den Jahren 1524 bis 1529 wandte sich Hinrik S. zunächst gegen die kirchlichen Neuerungen der Bürgerschaft. Als 1524 selbst das Domcapitel mit dem Rath und vielen Kirchenjuraten gegen den Domherrn Banskow (s. A. D. B. II, 43) entschieden hatten, daß nicht dieser, sondern Bürger die Aufsicht über die von ihnen gegründete und jahrhundertelang erhaltene Nikolaischule zu führen hätten, protestirte S. mit zwei anderen Bürgermeistern gegen diese Einigung. Um Michaelis 1525 nach Bremen gesandt, um in einer Streitfrage zwischen dem katholischen Erzbischof und dem evangelischen Rath der Stadt zu vermitteln, trat S. auf die Seite des ersteren; und bei einer bald darauf stattfindenden Versammlung in Mölln richtete S. an den Rath von Lüneburg die Bitte, den sehr gewandten Dominicaner Augustin v. Getelen (s. A. D. B. XLIX, 336) noch länger in Hamburg zu belassen, wohin er zur Vertheidigung der römischen Lehre als Prediger gesandt worden war. Allein Salsborch’s Bemühungen, die evangelische Strömung aufzuhalten, waren umsonst, nachdem in zwei öffentlichen Disputationen die evangelischen Prediger im Mai 1527 über die Domherren, und im April 1528 über die Dominicaner gesiegt hatten. Von S. erzählte man sich, er habe gesagt: „Man muß das Unkraut ausrotten; etlicher Bürger Köpfe müsse man an die Mauern laufen lassen“. Den evangelischen Predigern sollte er zugerufen haben: „Ihr Herren laßt euer Predigen nicht eher als bis 400 bis 500 auf dem Rücken liegen“. Mag auch manche Uebertreibung bei diesen und noch schlimmeren Gerüchten vorgekommen sein, wie daß die Katholischen, an ihrer Spitze S., sich im Johanniskloster versammelt und verabredet hätten, nachts die evangelischen Prädikanten und ihre Anhänger zu tödten, so wurde doch S. von den Bürgern als das Haupt des katholischen Widerstandes angesehen. Hätte nur irgend eine verfängliche Thatsache diesem Gerüchte von der Verschwörung im Johanniskloster zu Grunde gelegen, so hätten die Bürger dies sicherlich erwähnt in der Eingabe, die sie am 26. August 1528 gegen S. dem Rath überreichten. Sie enthielt achtzehn von 144 angesehenen Kirchenvorständen aufgesetzte Artikel, die sich auf Schutz der Bürger, auf angemessene Verwendung der Klostergüter u. a. beziehen. Der erste Artikel aber, der gleichsam die conditio sine qua non zur Befriedigung der Bürger enthält, fordert, daß Herr Hinrik Salsborch sich so lange des Rathsstuhles enthalte, bis er, nach seinem eigenen Versprechen, die Bürger entschädigt habe, denen um seinetwillen Eigenthum genommen sei; daß er ferner von Bürgern glaubwürdig befundene Briefe und Siegel des Herzogs von Geldern beibringen solle, worin dieser verspricht, niemand Salsborch’s wegen zu schädigen und daß er endlich glaubwürdig Salsborch’s Entlassung aus seinem Dienste und Entbindung von seinem Eide bezeuge. Vor der Hand, so erklärten die Bürger im folgenden Artikel, ehe dies alles geordnet sei, wollten sie selbst einen Bürgermeister erwählen oder zwei Männer namhaft machen aus denen der Rath einen zum Bürgermeister wählen möge. Der Rath antwortete ausweichend und noch gelang es ihm, S. in seinem Amte zu halten. Aber es war eine Folge der ungesetzlichen Erwählung Salsborch’s und der daraus entsprungenen Irrungen zwischen Rath und [698] Bürgerschaft, daß in dem „sogenannten langen Receß vom 15. Februar 1529, der die Einführung der Reformation abschloß, sich Bestimmungen finden, die jenen Forderungen der Bürger auf Schutz genügten. Als sich Rath und Bürgerschaft über die Annahme dieses Recesses geeinigt hatten, hat sich auch S. in diese Neuordnung der Stadt gefunden, denn den Gegnern derselben, jetzt dem Domcapitel, tritt er scharf gegenüber, nachdem er vergeblich versucht hatte, sie zu gewinnen. Als am Schluß einer solchen Besprechung am 8. Juni 1529 der Domherr Kissenbrügge die sonderbare Behauptung aufgestellt hatte, weil Karl der Große die Hamburger Kirche gestiftet hätte und sie demnach älter als die Stadt wäre, so könnte das Kirchenwesen nur vom Kaiser und nicht vom Rath der Stadt verändert werden, sprach S.: „Herr Doctor, wir verstehen Eure Meinung wohl: Ihr wollt den Dorn gern aus Eurem Fuße ausziehen und an unsern Fuß stecken. Wir haben nicht solche Macht, als ihr uns beimeßt. Deshalb, lieber Herr und guten Freunde, wir sehen nicht, was hierbei zu machen ist. Bleibt, wie Ihr seid, die Uhr ist gleich zwölf. Ich gehe zum Essen“. In ähnlichem Tone redete S. vier Wochen später zu allen Clerikern, die, auf das Rathhaus beschieden, sich gegen die Einwilligung sträubten, ihre Lehen, deren Einkünfte sie lebenslang genießen sollten, dem allgemeinen Gotteskasten zu übergeben. Noch am 9. März 1531 hatten S. und Bürgermeister Joh. Wetken (s. A. D. B. XLII, 231) eine Besprechung mit Domherren, in der sie wegen vorgefallener Störung des Gottesdienstes auf Einstellung des Chorgesanges im Dom bis zu einer allgemeinen Reformation in ganz Deutschland drangen und sich bitter über die lügenhaften Anschuldigungen des Domdecans Clemens Grote beschwerten, der bei dem Reichskammergerichte in Speier den Proceß gegen die Stadt anhängig gemacht hatte. Aber trotz dieses Standpunktes mußte S. um Ostern desselben Jahres auf den Rathssitz verzichten. Wenn man die spärlichen Nachrichten über dieses Ereigniß erwägt, so scheint die Ursache desselben in Salsborch’s Verhältniß zu dem noch katholischen Rath in Lübeck zu liegen, dem die dortige evangelisch gesinnte Bürgerschaft bisher vergeblich Widerstand geleistet hatte.

Obgleich S. in Hamburg als Gegner des katholischen Domcapitels gehandelt hatte, sehen wir ihn in Lübeck im Sommer 1530 als hamburgischen Rathssendeboten auf dem Hansetage mit dem katholischen Rathe zusammengehen in einer Procession, die jährlich zum Gedächtniß der Wiederherstellung des alten Raths im Jahr 1416 gefeiert wurde. Die Bürger hatten ihre Theilnahme versagt. Da sich die Gegensätze zwischen Rath und Bürgerschaft verschärften, gelangten im October kaiserliche Mandate nach Lübeck, die die alte kirchliche Ordnung und die politische Macht des Rathes wieder herzustellen befahlen. Um sich mit dem katholischen Herzog Albrecht von Mecklenburg zu verbinden, flohen am Ostersonnabend die beiden Bürgermeister Nikolaus Brömse (siehe A. D. B. III, 352) und Hermann Plönnies aus Lübeck. Hamburg fürchtete, daß hier der Kaiser ebenso vorgehen würde und rüstete sich zur Vertheidigung, wozu der Rath mit Geldforderungen an die Bürgerschaft am Sonnabend nach Ostern, am 15. April 1531, trat. Die Bürgerschaft forderte, ehe sie Geld bewillige zur Vertheidigung gegen äußere Feinde, müsse aller Zwist in der Stadt beseitigt sein und wiederholte ihre Forderungen vom Jahre 1528, daß S. sich von allen gegen ihn erhobenen Beschuldigungen völlig reinigen oder aus dem Rathe ausscheiden müsse. Jenes vermochte S. nicht und der Bürgerschaft Trotz zu bieten wagte er nicht mehr. Seine in vieler Hinsicht ersprießliche Thätigkeit für die Vaterstadt schloß an jenem 15. April 1531. Er lebte hinfort in Zurückgezogenheit; vielleicht aus diesem Umstand, da er die Oeffentlichkeit vermied, hat sich die Sage gebildet, daß er schwachsinnig und kindisch [699] geworden sei, dem aber die nächsten Verwandten nach seinem Tode entschieden widersprochen haben. Aeußerlich lebte S. in glänzenden Verhältnissen. Er war zum dritten Male in die Ehe getreten mit Anna v. Mehre aus angesehener Hamburger Familie. Zu seinem Hamburger Grundbesitz hatte er von dem Propst des Reinbecker Klosters, dem Doctor der Theologie Detlev Reventlow das adlige Gut Wandsbeck käuflich erworben, womit er für sich und seine Erben von König Friedrich I. am 1. Juni 1525 belehnt worden war. Die Kaufsumme war aus dem Eigenthum seiner Frau bestritten, die nebst anderen Beträgen eine ihr von S. geschenkte goldene Kette im Werthe von 800 Mark lübsch hergegeben hatte. Aus diesen Angaben, sowie aus dem Inventar, das 1554 nach dem Tode der Anna v. Mehre über den Nachlaß Salsborch’s aufgenommen wurde, wo u. a. ein ganz mit Silber beschlagenes Schwert, viele Rüstungen und Waffen und kostbare Kleidungsstücke aufgezählt werden, ist ersichtlich, daß sein Lebenszuschnitt dem reich begüterter Adliger glich. Allein sein Lebensabend wurde verdunkelt durch die Aufführung seines einzigen gleichnamigen Sohnes, für dessen Schulden S. wiederholt eintreten mußte, bevor er verschollen ist. Am 17. März 1534 endete des einstmaligen Bürgermeisters Leben, das nicht der Tragik entbehrt. Der Treubruch gegen seinen Herzog ist der wunde Fleck, von dem er sich nicht zu reinigen vermochte und dessen Folgen seine Laufbahn in Hamburg unrühmlich beendeten. Die lateinische Grabschrift, welche ihm der Rathssecretär Ritzenberg widmete, deutet seinen Ehrgeiz an, wenn es da u. a. heißt: „Fahre nun dahin und traue den eitlen, weltlichen Titeln! Die einzige dauernde Ehre ist, Gott gefürchtet zu haben.“ – Die obengenannten Brüder des S., Peter und Joachim, dieser Leichnamsgeschworener (d. h. Gotteskastenverwalter) zu St. Petri starben kinderlos in Hamburg; ein dritter, Johannes S., war im Kriege in Gelderland gefallen; über einen vierten, Albert S., gleichfalls Leichnamsgeschworener s. A. D. B. XXX, 283. Noch vor Schluß des Jahrhunderts war das Salsborch’sche Geschlecht in Hamburg und Köln erloschen.

Dr. H. Nirrnheim, „Bgm. H. Salsborch“ in der Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Bd. 12, Heft 2, S. 261–342. Nirrnheim hat zusammengefaßt und berichtigt, was bisher über Salsborch erschienen ist und auf Grund von Studien in deutschen und niederländischen Archiven wesentlich vermehrt.