ADB:Rothbart, Ferdinand
H. L. Petersen im Gebiete des Kupferstichs und der Radirung schöne Kenntnisse und praktische [568] Uebung. Mit aller Kraft versuchte er sich mit der Illustration und lieferte für verschiedene Buchhändler und Verleger allerlei Arbeiten von eigener Erfindung und Composition. Später wagte er die Uebersiedelung nach Stuttgart, wo er für die von Guhl und Caspar edirten „Denkmäler der Kunst“ viele treffliche Platten sauber und verständnißinnig radirte, sein Wissen und Können täglich erweiternd. Im Auftrage der Königin Olga malte er sehr schöne Genrebilder mit architektonischem, landschaftlichem Hintergrunde, Illustrationen zu Uhland’s Dichtungen und Volksliedern, welche, wie der „Schweizerbub“, der „Deserteur“, „Die Nonne“, „Der Ziegenhirt“, „Badende Kinder“, in Stahlstichen von E. Dertinger und A. Schultheiß erschienen. Dadurch erregte R. die Aufmerksamkeit des Verlegers G. Scheitlin, welcher ihn mit Illustrationen zu den 1854 von Isabella Braun (s. A. D. B. XLVI, 198) begründeten „Jugendblättern“ in Anspruch nahm. R. lieferte für dieses Unternehmen durch viele Jahre eine stattliche Reihe mit höchst ansprechenden Aquarellen, ebenso zu den anmuthenden „Der grüne Wald“, „Das liebe Brod“ betitelten Büchlein dieser alsbald sehr beliebten Schriftstellerin, welche eine neue sehr zeitgemäße Richtung in der Jugendlitteratur anbahnte und über ihr Lebensende hinaus glückhaft bewährte. R. bethätigte sich auch an den weltbekannt gewordenen „Münchener Bilderbogen“ (bei Braun und Schneider) mit dem Märchen von den „Sternthalern“ (Nr. 225) und Beiträgen zur „Geschichte der Costüme“ im XIV. und XV. Jahrhundert, zeichnete Titelblätter zu Wieland’s sämmtlichen Schriften (Lpz. 1853–58 in 36 Bändchen), zu Schiller’s Werken (Stuttg. 1853 in 12 Bänden), zu Goethe’s „Götz“ (Berlin bei Grote) und Hebel’s „Erzählungen des Rheinischen Hausfreundes“. Auch entstanden die drei meisterhaften Blätter zu Adolf Böttger’s „Dichtergarben“, zu N. Ducros’ „Parnasse Français“ (beide gestochen von C. Geyer) und der „British Lyric“ von W. O. Elwell (gestochen von A. Schultheiß, sämmtlich im Verlage von George Westermann in Braunschweig), wobei R. ebenso wie bei G. Scherer’s „Deutschem Dichterwald“ (1857) die nationale Charakteristik der betreffenden Dichtungen zum prägnantesten Ausdruck brachte. – Der erste größere Auftrag erwuchs für R. in Coburg: Im Laubengang der herzoglichen Veste malte er das jeden Besucher so angenehm überraschende und erfreuliche große Fresco mit dem „Brautzug des Herzog Casimir“, eine sehr gelungene Leistung. Nebenbei katalogisirte er auch die reiche Sammlung von Kupferstichen, Handzeichnungen und Autographen des kunstsinnigen Herzogs Ernst. Dann wurde R. mit Frescobildern für die historische Galerie des Münchener National-Museums betraut und zwar mit den wirklich dankenswerthen Stoffen: wie Johann Capistran zu Nürnberg gegen Luxus und Kleiderpracht predigt (1452), Albrecht Pister zu Bamberg die erste Buchdruckerei gründet (aus welcher die Incunabel von Boner’s „Fabeln“ 1461 hervorging) und Kaiser Ludwig der Baier die Stadt Nürnberg (1322) mit neuen wichtigen Rechten begnadet. R. löste seine Aufgabe in so glücklicher Weise, daß ihm noch drei weitere Bilder übertragen wurden, welche er jedoch ablehnen mußte, da seine Gesundheit durch wiederholten Blutsturz erschüttert war, so daß ein längerer Aufenthalt im Süden dringend geboten schien. Gleichzeitig war die edelmüthige Stiftung des Bildhauers Joh. Martin v. Wagner (s. A. D. B. XL, 515) flüssig geworden und R. erhielt als erster Stipendiat einen dreijährigen Aufenthalt für Italien, insbesondere in Rom, wo der Künstler Genesung fand. Dankbaren Herzens sendete er in die Sammlungen der Universität Würzburg, der Patronin der „Martin v. Wagner-Stiftung“ ein von ihm sorgfältig ausgeführtes „Noli me tangere“ betiteltes Oelbild. Zu Rom katalogisirte R. auch die Bibliothek der „Villa Malta“. Nach seiner Rückkehr zeichnete R. viele Illustrationen, [569] z. B. zu Lessing’s „Nathan“ (Berlin 1868), Goethe’s „Faust“, zu Lenau’s „Gedichten“, Schiller’s „Don Carlos“, zu Georg Scherer’s „Deutschen Volksliedern“, für Lohmeyer’s „Monatshefte“ und vier große Cartons mit den „Evangelisten“, ausgeführt in der Glasmalereianstalt L. Faustner’s (siehe A. D. B. XLVIII, 504) als Kirchenfenster nach Darley bei Glasgow (vgl. Lützow’s „Zeitschrift“ 1874, IX, 610); auch einen Carton mit der Kirchhofscene aus „Hamlet“ für ein Glasbild F. X. Zettler’s. – Im J. 1871 wurde ihm die Stelle eines Conservators am kgl. Kupferstich- und Handzeichnungs-Cabinet (jetzt „Graphische Sammlung“) übertragen, welche er bis 1885 begleitete. Aus den unerschöpflichen Schätzen dieser Anstalt veröffentlichte R. seltene Handzeichnungen, Radirungen und Stiche älterer Meister, in dem von Obernetter-Albert erfundenen photographischen Lichtdruck mit einem großen Prachtwerke (1876) und leitete die von Obernetter besorgte Reproduction der Kleinmeister des XVI. und XVII. Jahrhunderts, wodurch die kostbarsten Blätter in billigen Copien als Vorlagen zum Gemeingut für das Kunstgewerbe wurden. Im J. 1885 trat R. infolge seiner asthmatischen Beschwerden in den wohlverdienten Ruhestand, in verschiedenen klimatischen Curorten Linderung seiner Leiden suchend, die sich erst in den letzten Lebensjahren langsam verzogen. In freieren Pausen griff er wieder zu Pinsel und Palette, zu Stift und Feder und trug sich mit neuen Compositionen und Oelbildern, ohne damit in die Oeffentlichkeit zu treten. Für König Ludwig II. malte er einen culturhistorischen Tanz aus der Zeit Ludwig XIV. Hatte er früher schon für das „Malerische Baiern“ (im Verlag bei Georg Franz in München) viele Blätter mit landschaftlichen Aufnahmen und Städteansichten geliefert, so liebte er jetzt allerlei Reiseeindrücke mit gewandter Feder festzuhalten, z. B. über „Pappenheim“ oder „Kelheim und seine Umgebung“ (Regensburg 1888), wobei auch kleinere Sachen für Seb. Düll’s „Jugendlust“ (Nürnberg 1889 ff.) und Rebele’s „Kinderfreund“ (Augsburg 1891 ff.) abfielen. – R. war ein tiefgemüthvoller, zartbesaiteter Charakter, eine echte und vornehme Künstlernatur, ein unverbrüchlich edelmüthiger Freund, mit einem Worte: ein guter Mensch im schönsten Sinne des Wortes! So lange es seine Gesundheitsverhältnisse gestatteten, nahm er den innigsten Antheil an allen Fragen und Angelegenheiten der Münchener Kunstgenossenschaft; besonderen Dank verdiente er ob seiner umsichtigen Geschäftsführung des Künstler-Unterstützungsvereins. Zu vielen festlichen Gelegenheiten, bei Maientagen und Carnevalabenden lieferte R. Zeichnungen, heitere Beiträge und stellte lebende Bilder, so z. B. eine mit Wilhelm Lichtenheld (s. A. D. B. LII, 693) inscenirte „Schusterwerkstätte“, voll jovialen Humors. In seinen Kinderbildern zeigte er innige Verwandschaft mit Ludwig Richter, Oskar Pletsch und Albert Hendschel; bei seinen Oelgemälden und Fresken war die Freundschaft mit Arthur v. Ramberg (siehe A. D. B. XXVII, 208) und Ferdinand Piloty (s. A. D. B. LIII, 61) in coloristischer Beziehung fühlbar. – In früheren Jahren zeigte sein schön modellirter Kopf eine überraschende Aehnlichkeit mit dem durch A. van Dyck gemalten Portrait des Kupferstechers Lukas Vorstermann. R. war nicht verheirathet; sein ganzer zahlreicher artistischer Nachtrag wurde nicht versteigert, sondern unter den Verwandten in pietätvoller Weise vertheilt.
Rothbart: Ferdinand R., Radirer, Illustrator, Historienmaler, Conservator des kgl. Kupferstich- und Handzeichnung-Cabinets, geboren am 3. October 1823 zu Roth am Sand, † am 31. Januar 1899 in München, kam in früher Kindheit mit den Eltern nach Nürnberg, wo er nach dem Tode des Vaters, welcher eine Drahtflechterei besaß, eine an schweren Erfahrungen reiche Jugend verbrachte. Der kleine Ferdinand wäre, wie er in einer leider verlorenen Autobiographie berichtete, „gerne Schneider geworden, aber die vielen Thränen, welche auf das Nähezeug der Mutter und Schwester fielen, ließen ihm diese Arbeit als eine recht traurige erscheinen.“ Ein wohlwollender Vormund brachte ihn und den Bruder Georg Rothbart (geboren 1817, † am 3. September 1896 als herzoglicher Oberbaurath und Geh. Hofrath zu Coburg) in das Waisenhaus, wo die Beiden, obwohl in unsäglich gedrückter Stimmung, doch eine gute Erziehung und feste Grundlage zu weiterem, gedeihlichen Fortkommen fanden. Das mechanische Coloriren von Landkarten und Bilderbogen weckte die Liebe zur Kunst; das anregende Beispiel des älteren Bruders wirkte befeuernd. Es ging rasch vorwärts. Bald erwarb der junge Ferdinand in der Technik der Lithographie und bei- Vgl. Fr. v. Bötticher, 1898, II, 474. – Nekrologe in Nr. 32 d. Allg. Ztg. v. 1. Febr. 1899 u. Kunstvereins-Bericht f. 1899. – Luise v. Kobell, König Ludwig II. u. d. Kunst, 1898, S. 262. – Bettelheim, Jahrbuch, IV, 169.