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ADB:Ernst II. (Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha)

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Artikel „Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha“ von Max Berbig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 403–413, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernst_II._(Herzog_von_Sachsen-Coburg_und_Gotha)&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:10 Uhr UTC)
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Ernst II.: Ernst August Karl Johannes Leopold Alexander Eduard, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, geboren am 21. Juni 1818 auf Schloß Ehrenburg in Coburg, † am 22. August 1893 im Lustschloß Reinhardsbrunn, war der Sohn des Herzogs Ernst I. von Coburg-Saalfeld (seit 1826 von Coburg und Gotha, s. A. D. B. VI, 313) und der Herzogin Luise, der einzigen Tochter des Herzogs August von Gotha-Altenburg. Seine früheste Jugend wurde dadurch getrübt, daß zwischen seinen Eltern allerlei Mißhelligkeiten entstanden, welche im Jahre 1826 zu einer Lösung der Ehe führten. Wie zu Idealgestalten blickte er zu seinem Vater und seinem Oheim [404] Leopold, dem späteren König der Belgier, auf und mit rührender Liebe hing er an seinem einzigen Bruder Albert, dem nachmaligen Prinz-Gemahl von England. Der Vater selbst überwachte gewissenhaft die Erziehung, welche ein treuergebener Diener des herzoglichen Hauses, der Rath Florschütz leitete.- Dieser selbst ertheilte auch den Unterricht in der lateinischen Sprache. Griechisch wurde, abweichend vom Gymnasiallehrplan, nicht getrieben, dafür aber dem Unterrichte in Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mathematik, den Professor Hassenstein gab, ein weiter Spielraum eingeräumt. Der englische und französische Sprachunterricht wurde, auch der Sitte der Zeit entgegen, ziemlich spät begonnen. Den Religionsunterricht ertheilte der einer ziemlich strengen Richtung angehörende Hofprediger Jacobi, in der herzoglichen Familie selbst aber herrschten die freieren Ansichten, welche Generalsuperintendent Bretschneider in Gotha vertrat. Am Palmsonntage 1835 wurden die beiden Prinzen Ernst und Albert confirmirt und kurz nach Ostern jenes Jahres nahm sie ihr Vater mit nach Schwerin zum Regierungsjubiläum des Großherzogs, wo sie die erste Bekanntschaft mit der officiellen Welt Europas machten. Bereits am 25. November 1826 hatten sie an einem für ihr Haus wichtigen Ereigniß, dem Einzug in Gotha und der Besitzergreifung von jenem Lande durch ihren Vater, theilgenommen und mit ihm auch 1832 dem Oheim Leopold in Belgien einen Besuch abgestattet.

An die Schweriner Festtage schlossen sich nun Besuche an den Höfen in Berlin, Dresden und Wien, sowie ein längerer Aufenthalt in Teplitz, während des dort tagenden Fürstencongresses. Im Mai 1836 ward dann eine Reise nach Holland und England angetreten, von der man nach anregendem Aufenthalt in London und einem Abstecher nach Paris im Juni wieder in Brüssel anlangte, wo nun die Prinzen zu ihrer weiteren Ausbildung längere Zeit verweilen sollten. Als Mentor stand noch Rath Florschütz zur Seite, für die äußere Repräsentation ward ein Baron Wichmann zugetheilt, als Lehrer in den Staatswissenschaften war Professor Quételet thätig. Bei den Malern Wappers und Madou wurde gezeichnet und gemalt, Unterricht in den Kriegswissenschaften ertheilten die Obersten Bormann und Prodzinsky. Nachdem die Prinzen im April 1837 wieder den Berliner Hof besucht hatten, schickte sie ihr Vater – ein einzig dastehender Fall in jener Zeit – nach Bonn, wo sie drei Semester studiren sollten. Hier galt ihr erster Besuch Ernst Moritz Arndt. Der Aufenthalt auf der Universität sagte ihnen außerordentlich zu. Neben Jura und Finanzwirthschaft wurde Philosophie, Geschichte, Kunstgeschichte, französische Litteratur, Naturgeschichte und sogar auch viel Musik getrieben. Die Herbstferien wurden zu einer Reise in die Alpen und nach Oberitalien benutzt und dann wurden die Studien in Bonn fortgesetzt. Auch am studentischen Leben ward theilgenommen und nach einem Preisfechten, aus welchem Prinz Ernst als Sieger hervorging, ward ihm ein Ehrendegen überreicht. Nach dem Schlusse des Sommersemesters 1838 mußten sich nun die Brüder trennen: während Albert den Winter in Italien zubrachte, widmete sich E. dem Militärdienst und trat als Rittmeister in das kgl. sächsische Gardereiterregiment in Dresden ein. Am königlichen Hofe daselbst wurde er sehr wohlwollend aufgenommen. Wie in Bonn zu A. W. Schlegel, so trat er hier zu Tieck, Tiedge und Graf Baudissin, vor allem aber zu Capellmeister Reißiger, Mendelssohn und Schumann, die häufig von Leipzig herüberkamen, in nähere Beziehung. Am 21. Juni 1839 erfolgte in Coburg unter großer Feierlichkeit die Volljährigkeitserklärung der beiden Prinzen und im Herbste desselben Jahres unternahmen sie eine Reise nach England, welche zur Verlobung des Prinzen Albert mit der Königin Victoria führte. Nachdem Prinz E. [405] anfangs Februar 1840 der Vermählung des hohen Paares beigewohnt hatte, unternahm er am 8. Mai von England aus eine Reise nach Spanien und Portugal und kehrte über Marseille und die Schweiz in die Heimath zurück. Mittlerweile war in Preußen Friedrich Wilhelm IV. zur Regierung gelangt und Prinz E. begab sich nach Berlin, um ihn als König zu begrüßen und mit ihm über den Umtausch des seit 1815 coburgischen Fürstenthums Lichtenberg am Rhein gegen Domänen in der Provinz Sachsen zu verhandeln, der mit Friedrich Wilhelm III. ziemlich abgeschlossen war. Bei Berührung dieser Angelegenheit wurde der König jedoch sehr zornig und brach in die Worte aus: „Glauben Sie wohl, daß ich alle Dummheiten, welche mein Vater geschehen ließ, fortsetzen werde?“ so verliefen die Verhandlungen ohne Resultat. Im Herbste wohnte Prinz E., der mittlerweile zum Oberst avancirt war, den bairischen Manövern bei Nürnberg und den badischen bei Schwetzingen bei. Hier sah er zum ersten Male die älteste Tochter des Großherzogs von Baden, Alexandrine, mit welcher er sich im Januar 1842 verlobte. Schon am 3. Mai fand die Vermählung statt. Im Juli besuchte das junge Paar die verwandten Höfe von Brüssel und London und im April 1843, bei Gelegenheit der Vermählung des Prinzen August von Coburg-Kohary mit der Prinzessin Clementine, der Tochter Louis Philipp’s, stellte Prinz E. seine Gemahlin am französischen Hofe vor. Seine Hofhaltung richtete er dann auf Lustschloß Kallenberg bei Coburg ein, wo er mit seiner Gemahlin ein Jahr in idyllischer Zurückgezogenheit verbrachte.

Da starb unerwartet am 29. Januar 1844 Herzog Ernst I. und Erbprinz E. kam zur Regierung. Zunächst griff er nicht in den Gang der Regierungsmaschine ein, nur nahm er gemeinsam mit den Herzögen von Meiningen und Altenburg im April jenes Jahres den Titel „Hoheit“ statt des bisherigen Prädicats „Durchlaucht“ an. Doch auch diese Maßregel erregte schon Unwillen, denn Friedrich Wilhelm IV. erließ eine Ordre an die Armee, daß den sächsischen Herzögen nur das Prädicat „Durchlaucht“ zu geben sei. Die Reformen im eigenen Lande begann der Herzog damit, daß er durch Verordnungen vom 24. Juli und 1. August eine Trennung des herzoglichen Privat- und des Staatsvermögens im Herzogthum Coburg herbeiführte. Infolge dessen entstand ein lebhafter Streit über die Coburger Domänenfrage, der erst durch den Landtagsabschied vom 5. Juli 1847 geschlichtet wurde, indem man festsetzte, „daß das Einkommen aus den Domänen nach einem angemessenen Verhältniß auch zur Deckung der Staatsverwaltungskosten mit beitragen solle“. Der Einführung einer in Wahrheit constitutionellen Verfassung in Coburg widersetzte sich besonders der Minister v. Lepel, dem der Herzog „zu sehr nach der liberalen Seite neigte“ und sie gelangte daher erst nach seinem Weggange zur Durchführung. Als der Herzog dann auch dem Herzogthum Gotha eine Verfassung geben wollte, stieß er auf eine geschlossene Opposition des Adels und der Bureaukratie, welche in dem Herzog „den einzigen Demokraten des Landes“ erblickten. So sah er zwar seine besten Absichten einstweilen vereitelt, aber unermüdlich arbeitete er weiter an dem Wohle seiner Unterthanen, förderte zur Hebung der Gewerbes und Handelsinteressen den Bau der Thüringischen, sowie der Werra-Eisenbahn und gestattete seinen Unterthanen schon jetzt eine Reihe von Freiheiten, welche die übrigen deutschen Fürsten mit Entsetzen erfüllten. Die Presse war frei von jedem Drucke und auf dem thüringischen Sängerbundsfeste im Juli 1844 in Coburg durften hell die deutschen Freiheits- und Einheitslieder erklingen. Sein politisches Verhalten in den allgemeinen deutschen Angelegenheiten kennzeichnet ein Wort, welches er damals an seinen Onkel Leopold schrieb: „Wir [406] müssen wieder ehrlich deutsch werden und alle Streitfragen zu Grabe tragen“. Mit klarem Auge erkannte er das Herannahen eines gewaltigen politischen Sturmes und sah ein, daß Deutschlands Zukunft von Preußen abhänge, aber ebenso war er sich bewußt, daß Friedrich Wilhelm IV. nicht der Mann war, ein geeintes deutsches Reich ins Leben zu rufen.

Die Stimmung in Oesterreich lernte der Herzog im J. 1847 bei Gelegenheit einer Reise durch Oesterreich und Ungarn kennen und auch hier schien alles den drohenden Zerfall anzudeuten. Da er aber in seinem eigenen Lande alles gethan hatte, um gefährlichere Strömungen in ein ruhiges Bett abzuleiten, so durfte er es wagen, trotz der allgemeinen Gährung mit seiner Gemahlin eine Reise nach Spanien und Portugal zu unternehmen. In Lissabon hielt er unter den Kämpfen einer ausbrechenden Revolution eine längere Rast. Auf der Rückreise über London traf ihn die Nachricht von der Vertreibung Louis Philipps. Am 7. März traf der Herzog wieder in Gotha ein und noch an demselben Abende unterzeichnete er ein Decret, welches die Aufhebung jeder Censur in Preßangelegenheiten verfügte, ein anderes vom 15. März verhieß dem Herzogthum Gotha eine Repräsentativverfassung. Die Einberufung einer constituirenden Abgeordnetenversammlung geschah durch eine Verordnung vom 19. März, am 26. wurden die Bundesausnahmegesetze vom 20. September 1819, 30. Mai, 28. Juni und 8. November 1832, sowie die Beschlüsse der geheimen Ministerialconferenzen von 1834 aufgehoben. In Coburg hatte die sogenannte Mannheimer Adresse Veranlassung zu einer Petition gegeben, in welcher man ein deutsches Parlament, Preßfreiheit, Volksbewaffnung und Geschworenengerichte verlangte. Der Herzog beantwortete dieselbe in einer beruhigenden Proclamation, trotzdem nahmen die Unruhen zu. Mehrere mißliebige Beamte in Gotha, z. B. Oberpolizeicommissar Eberhardt, Staatsrath Heß u. A. mußten entfernt werden, und da man Attentate auf das Zuchthaus und Leihhaus befürchtete, wurden an die Bürgergarde scharfe Patronen vertheilt. Durch sein muthiges persönliches Auftreten in Zella St. Blasii gelang es dem Herzog, eine Revolte im Keime zu ersticken und die vertriebenen Beamten zurückzuführen. In einem Briefe an seinen Bruder schrieb er damals: „Wir Fürsten wackeln sehr, da wir unter uns zu wenig Intelligenz, Muth und Verständniß des Zeitgeistes hatten“. Einen Putsch, der von dem Orte Finsterbergen aus geplant war, vereitelte der Herzog ebenfalls durch energisches Eingreifen und in kurzer Zeit schlug dann die Stimmung so zu seinen Gunsten um, daß nichts mehr zu befürchten war. Um den Wünschen des Volkes entgegenzukommen, ließ der Herzog aus seinem Titel die Worte „Von Gottes Gnaden“ weg und nahm sie nie wieder in denselben auf. Zum Verdruß des Adels beseitigte er auch die Patrimonialgerichtsbarkeit und das Institut der adeligen Kammerjunker. Am 18. Juni trat in Gotha die constituirende Ständeversammlung zusammen und brachte innerhalb 5 Tagen ein Wahlgesetz zu Stande, nach welchem mit Ausschluß aller ständischen Gliederung auf je 5000 Landeseingeborne durch allgemeine aber indirecte Wahl ein Abgeordneter kommen sollte. Der neue, aus zwanzig Mitgliedern bestehende Landtag wurde auf den 2. October einberufen und faßte bald eine Menge weitgehender Beschlüsse, unter anderen auch den, daß alles Domänenvermögen Staatsvermögen sein solle. Hiergegen legten jedoch die herzoglichen Agnaten, besonders der Prinz-Gemahl, sofort entschiedenen Protest ein. Ein Wunsch des Herzogs, eine vollständige Verschmelzung seiner Herzogthümer herbeizuführen, scheiterte an dem Widerstande beider Landtage. Bei den in Altenburg ausgebrochenen Unruhen trat der Herzog als Vermittler ein und seinem mannhaften Auftreten gelang es, bald wieder geordnete Verhältnisse dort herbeizuführen. Als [407] die Idee einer Vereinigung der übrigen thüringischen Staaten mit dem Königreich Sachsen oder mit Weimar auftauchte, war der Herzog eifrig bemüht, die Existenz seines Staates zu retten, weil mit der Gründung eines solchen Mittelstaates der Einheit Deutschlands nichts genützt, sondern nur particularistischen Bestrebungen Vorschub geleistet worden wäre. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte er dagegen die inzwischen in Fluß gekommene deutsch-nationale Bewegung, obgleich er bald erkannte, daß bei der herrschenden Unklarheit und Zerfahrenheit des Frankfurter Parlamentes nicht viel dabei herauskommen werde. Den 6. August, der dadurch zu einer öffentlichen Huldigung für die Frankfurter Centralgewalt werden sollte, daß alle deutschen Truppen die schwarz-roth-goldene Cocarde anlegten, gestaltete er für die Bewohner des Herzogthums Gotha zu einem Volksfeste auf dem Bocksberge unweit der Stadt.

Nachdem er sich aber in Frankfurt persönlich von der Unfruchtbarkeit der Verhandlungen überzeugt hatte, widerte ihn das politische Treiben so an, daß er ganz aus demselben hinwegzukommen suchte und – der einzige regierende deutsche Fürst – um eine Commandostelle in dem jetzt eben zum Reichskriege gewordenen Kampfe gegen Dänemark bat. Nach Beseitigung zahlreicher Bedenken wurde ihm der Oberbefehl über die Reservebrigade übertragen, die an der Kieler Bucht zusammengezogen werden sollte. Hier war ihm das Glück insofern außerordentlich günstig, als wenige Tage nach Antritt seines Commandos, am 5. März 1849, unter seinem Oberbefehl der Sieg bei Eckernförde erfochten wurde. Derselbe bestand darin, daß zwei große dänische Kriegsschiffe, „Christian VIII.“ und „Gefion“, welche sich zu weit in die Bucht gewagt und festgefahren hatten, trotz ihrer weit überlegenen Artillerie zur Capitulation gezwungen wurden. Es war dies nach den Freiheitskriegen der erste Sieg, den deutsche Waffen erfochten hatten und so erweckte er eine ungeheure Begeisterung. Herzog Ernst hat das Ereigniß stets als einen „Glücksfall“ bezeichnet und sich nie einen ausschlaggebenden Antheil daran zugeschrieben, trotz der bescheidenen Darstellung des Ereignisses in seinen Lebenserinnerungen hat er aber doch deshalb heftige Angriffe erfahren müssen. Im weiteren Verlaufe des Krieges ward dem Herzog keine Gelegenheit gegeben, sich auszuzeichnen, und als die Schleswig-Holsteiner von Deutschland im Stich gelassen wurden, mußte auch er mißmuthig in die Heimath zurückkehren. Hier hatte mittlerweile die Politik des Frankfurter Parlaments vollständig Schiffbruch gelitten und gerade in Gotha waren vom Rest dieser Körperschaft die letzten Beschlüsse gefaßt worden. Weit fruchtbarer schien dem Herzog das jetzt entstehende Dreikönigsbündniß und die Union werden zu können und so trat er mit großem Eifer in und für dieselbe ein. In seinen Entschließungen bestärkte ihn auch sein neuer Minister, Herr v. Seebach, der ihm fortan 40 Jahre lang treu zur Seite stand. Der Erfurter Reichstag wurde einberufen und durch ein Memorandum, welches der Herzog gemeinsam mit seinem Bruder verfaßte, suchte er dahin zu wirken, daß bei dem wankelmüthigen preußischen Könige die Gegner der Bewegung nicht einen zu großen Einfluß gewännen. „Preußen wird bestimmt nicht verlassen, wenn es sich selbst und Deutschland nicht verläßt“, versicherten ihm Beide. Mit „blutendem Herzen“ sah er aber auch jetzt seine Pläne scheitern. Um den Machinationen Oesterreichs, „der dem Fortschritt sowie der Entwickelung einer deutschen Nationalität feindlichen Macht“, zuvor zu kommen, veranlaßte er den König von Preußen, die deutschen Fürsten zu einem Congreß nach Berlin einzuladen. Derselbe tagte vom 8.–16. Mai 1850, allein er vermochte das angefangene Werk nicht zu vollenden. Oesterreich wurde immer kecker, von Frankfurt aus wurde künstlich die hessische Frage ins Leben [408] gerufen, der Kaiser von Rußland mischte sich auf den Warschauer Conferenzen in die deutschen Angelegenheiten – und Preußen unterlag. „Es giebt kein Deutschland mehr, nur ein kleines gedemüthigtes Preußen“, klagte Herzog E. in seinen Briefen an seinen Bruder. Noch einmal eilte er nach Berlin, um zu retten, was vielleicht noch zu retten war. Allein er vermochte die Schmach von Olmütz nicht aufzuhalten und tief enttäuscht kehrte er zurück. Der alte Bundestag lebte wieder auf, Hessen wurde Hassenpflug ausgeliefert, Schleswig-Holstein den Dänen preisgegeben, der Herzog von Augustenburg gegen alles Völkerrecht seiner Güter beraubt und vertrieben. Er fand allein Aufnahme bei Herzog E. in Gotha, dessen Land damals als ein Asyl aller politischen Flüchtlinge – ich erinnere an G. Freytag – galt. In Frankfurt war nur einer für den Herzog Friedrich eingetreten, der erste Secretär der preußischen Bundestagsgesandtschaft, Herr v. Bismarck. Trotzdem Herzog Ernst dessen conservative Anschauungen nicht theilte, freute er sich doch über seinen Muth, welcher Garantie bot, daß nun die Zeit vorbei war, wo Preußen am Bundestage lediglich klein beizugeben hatte. Offen bekennt der Herzog später, daß er sich anders gegen Bismarck verhalten haben würde, wenn er erkannt hätte, daß dieser mit ihm nach demselben Ziele strebe. Mittlerweile begann es auch im Hexenkessel der europäischen Politik wieder zu brodeln. In Frankreich machte sich Louis Napoleon zum Kaiser, Rußland schnitt die orientalische Frage an und reizte durch sein brüskes Verhalten die Westmächte zum Krieg, in Italien herrschte eine unheimliche Gährung. Als Herzog Ernst 1853 in London einen Besuch machte, traf er dort auch den Prinzen Wilhelm von Preußen und Beide lernten sich so schätzen, daß sie fortan die treuesten Freunde blieben. – Bei dem ausbrechenden Krimkriege trieb den Herzog Ernst seine ganze Vergangenheit zu den Westmächten hin und so knüpfte er besonders mit Napoleon Beziehungen an. Viele Jahre blieb er fortan mit ihm im regen Verkehr. Der Herzog reiste nun unablässig bald nach Wien, bald nach Berlin, um die deutschen Großmächte zu veranlassen, mit den Westmächten sich gegen Rußland zu wenden, den Krieg zu verhindern und aus der augenblicklichen politischen Constellation möglichsten Vortheil zu ziehen. Leider war der russische Einfluß zu mächtig und die meisten seiner Bemühungen blieben resultatlos. Die nächsten Jahre verliefen in politischer Beziehung ruhiger, brachten aber für die coburgischen Familienbeziehungen insofern eine bedeutende Erweiterung, als sich Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Friedrich; mit des Herzogs Nichte, Victoria von England, vermählte, während die verwandtschaftlichen Beziehungen zum preußischen Königshause auch durch die Verheirathung des Großherzogs von Baden, des Herzogs Schwager, mit der Prinzessin Luise engere wurden. Als er auf der Reise zur Hochzeit der Prinzessin Victoria einige Tage Napoleon’s Gast in Paris war, wäre Herzog Ernst beinahe ein Opfer des Attentates Orsini’s geworden. Eine aufopfernde diplomatische Thätigkeit entwickelte er, als der Krieg zwischen Oesterreich und Sardinien resp. Frankreich im J. 1859 drohte. Er durchschaute das verhängnißvolle Treiben Napoleon’s und wußte, was Deutschland von diesem drohte, wenn er Oesterreich gedemüthigt habe. Der Krieg brach aus, ohne daß der Herzog etwas erreicht hätte, und als endlich Preußen mobil machte, schloß Oesterreich den übereilten Frieden von Villafranca. Nunmehr nahm Herzog Ernst die deutsch-nationale Agitation offen und rückhaltlos in seinen Schutz. Am 15. September 1859 ward der Nationalverein gegründet und als die Stadt Frankfurt es ablehnte, der Sitz desselben zu sein, machte er Coburg dazu. In den Sänger-, Turn- und Schützenvereinen sorgte er dafür, dem patriotischen Gedanken die weiteste Verbreitung zu geben. So fand [409] am 7.–11. Juli 1861 ein allgemeines deutsches Schützenfest in Gotha statt, zu dem aus 236 Städten und Dörfern von der Ostsee bis zu den Alpen Theilnehmer erschienen waren und wo sich überall die verpönten schwarz-roth-goldenen Flaggen zeigten. Der Herzog wußte durch eine zündende Rede, in welcher er als Hauptziel den Schutz des großen geeinten Vaterlandes hinstellte, die Massen zur größten Begeisterung fortzureißen. Er selbst hatte kurz zuvor einen hochbedeutsamen Schritt zur deutschen Einigung gethan, indem er, der erste unter allen deutschen Fürsten, am 1. Juni 1861 eine Militärconvention mit Preußen abgeschlossen hatte. Leider sollte das Jahr 1861 nicht vorübergehen, ohne dem Herzog noch persönlich einen höchst schmerzlichen Verlust zu bringen. Sein Bruder, der Prinz-Gemahl, starb nach kurzer Krankheit am 14. December. Herzog E. wohnte am 23. December der Beisetzungsfeier bei, war aber durch diesen Todesfall und die gerade damals entdeckte Untreue eines Dieners so verstimmt, daß er dringend einer Ablenkung bedurfte. Eine solche sollte ihm eine Reise nach Afrika bringen, welche er am 21. Februar 1862 in Begleitung seiner Gemahlin und 20 anderer Personen, darunter Fürst Hermann von Hohenlohe, Prinz Eduard von Leiningen, der bekannte Reisende Friedrich Gerstäcker, der Zoologe Alfred Brehm, der Maler Kretschmer,[WS 1] antrat. Man besuchte Kairo und fuhr dann nach Massaua, von wo aus eine Reise in das Innere des Landes unternommen wurde. Am 30. Mai trafen die Reisenden wieder in Triest ein. An Stelle seines verstorbenen Bruders mußte nun der Herzog bei der Vermählung seiner Nichte Alice mit dem Großherzog Ludwig von Hessen[WS 2] am 1. Juli in Osborne die Honneurs machen, dann begab er sich nach Frankfurt, um vom 12.–16. Juli am deutschen Schützenfeste theilzunehmen. Hier erreichte er den Gipfelpunkt seiner Popularität: wo er sich sehen ließ, ward er mit unendlichem Jubel begrüßt und seine Feinde wurden darüber so erbittert, daß sie sich mit dem Gedanken trugen, ihn, den „Schützenherzog“, als geistesgestört zu denunciren. Andere begrüßten es mit Freuden, als man ihm gegen den Schluß des Jahres, nach der Vertreibung des Königs Otto, die griechische Königskrone anbot, da sie meinten, ihn auf diese Weise aus Deutschland herauszubekommen. Er lehnte jedoch die Krone, die so leicht zur Dornenkrone werden konnte, ab und ging unentwegt auf dem betretenen Wege weiter. Der Fürstencongreß in Frankfurt im J. 1863, der hauptsächlich infolge seiner Anregung stattfand, verlief leider resultatlos. Durch den Tod Friedrich’s VII. von Dänemark wurde jetzt die schleswig-holsteinsche Frage wieder angeregt. Herzog Ernst zögerte nicht, den Herzog von Augustenburg officiell als Herzog von Schleswig-Holstein anzuerkennen, war ihm bei der Bildung einer Regierung behülflich und gestattete ihm sogar im Gothaischen die Ausrüstung eines Truppenkörpers. Das Bündniß Oesterreichs und Preußens und das Einrücken von deren Truppen in Holstein verhinderte jedoch, in Deutschland weitere Schritte in der Angelegenheit zu thun.

Aber nun erkannte der weitblickende Fürst auch, daß, seitdem Bismarck an der Spitze der Regierung in Preußen stand, dessen Ernennung zum Ministerpräsidenten er schon im J. 1862 „ein welthistorisches Ereigniß“ genannt hatte, die deutsche Frage mit raschen Schritten einer Lösung entgegenging, die, wie er Bismarck kannte, eine gewaltsame werden würde. Auf seinem Jagdschloß Hinterriß in Tirol verfaßte er daher im October 1864 ein Memoire für seinen Vetter, den österreichischen Minister Grafen Mensdorff, welches in den Forderungen gipfelte: „Preußen tritt an die Spitze der rein deutschen Staaten, es übernimmt die Leitung des Heeres und die Vertretung nach außen; es beruft ein deutsches Parlament. Mit Oesterreich tritt es in eine bleibende Allianz, [410] in ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß“. In Oesterreich hörte man nicht auf diese wohlgemeinten Vorschläge und so trieben die Ereignisse immer mehr dem Kriege zu.

Mittlerweile nahmen auch einige Familienereignisse den Herzog in Anspruch: am 26. August 1865 ward in Gegenwart von 24 Gliedern des herzoglichen Hauses ein Denkmal für den verstorbenen Prinz-Gemahl in Coburg enthüllt und am 10. October desselben Jahres starb der vom Herzog so hoch verehrte Oheim und väterliche Berather König Leopold I. von Belgien.

Als im folgenden Frühjahre die Kriegsaussichten immer näher rückten, wandte sich der Herzog noch einmal in einer längeren Ausarbeitung an den König Wilhelm und bat ihn, den Bruderkrieg zu vermeiden, und dieser antwortete ihm, er werde es thun, solange es die Ehre seines Landes gestatte. Bismarck war über des Herzogs Vorstellungen wenig erfreut und erst das söhnte ihn wieder mit demselben aus, daß der Herzog am 28. Mai 1866 auf eine Anfrage sofort erklärte, seine Truppen stünden im Kriegsfalle zur Verfügung Preußens. Damals schon machte auch Herzog Ernst sowol den König als auch den Kronprinzen auf die außerordentlichen militärischen Fähigkeiten Blumenthal’s[1] aufmerksam, welche ihm aus den Manövern, denen er beigewohnt hatte, bekannt waren. Als vom Bundestage in Frankfurt die Aufforderung an den Herzog erging, seine Truppen in die Bundesfestung Rastatt zu schicken, wußte er unter allerlei Vorwänden deren Abmarsch so lange zu verzögern, bis der Krieg erklärt war. Sein Coburger Contingent ließ er am 18. Juni, damit es nicht von den Baiern aufgehoben würde, nach Gotha kommen und hierher auch die Locomotiven und den Wagenpark der Werra-Bahn flüchten. Doch nun näherten sich vom Norden her die Hannoveraner und standen nur noch drei Stunden von Gotha. Durch allerlei geschickte Maßregeln suchte jetzt der Herzog den Schein zu erwecken, als stünde ihnen eine bedeutende preußische Truppenmacht gegenüber und zu gleicher Zeit bemühte er sich, wenn auch vergebens, den König von Hannover schon jetzt zu einer Capitulation zu veranlassen. Infolge dieser Verhandlungen nahm später der hannöversche Regierungerath Onno Klopp Veranlassung, den Herzog und seinen Minister v. Seebach auf das heftigste anzugreifen. Endlich kam es am 27. Juni zum Treffen bei Langensalza. Auf die Kunde vom Beginn eines Gefechtes eilte der Herzog auf das Schlachtfeld, traf jedoch die vereinigten Preußen und Coburg-Gothaer bereits im vollen Rückzuge an. Als zwei Tage später die Hannoveraner trotzdem die Waffen strecken mußten, begab er sich nun nach Böhmen, holte jedoch das Heer erst ein, als die Schlacht bei Königgrätz schon geschlagen war. Nun nahm er aber regen Antheil an den sich entspinnenden diplomatischen Verhandlungen. Mit Bismarck war er der Ansicht, daß sich die Einigung Deutschlands nur dann verwirklichen lasse, wenn diejenigen Dynastien, welche seither den Bestrebungen Preußens stets feindlich gegenüber gestanden hatten, von der Bildfläche verschwinden würden. Der Herzog benutzte seinen Einfluß bei dem Kronprinzen, diesen für die Idee geneigt zu machen und dieser wieder übernahm es, den König dafür zu gewinnen. Der Plan gelang. Bereits am 26. Juli wurden die Friedenspräliminarien unterzeichnet und am 29. verabschiedete sich Herzog Ernst von dem König. Tiefgerührt sagte dieser zu ihm: „Dein entschlossenes Auftreten für unsere Sache hat mich im entscheidenden Moment von dem drückenden Gefühle befreit, unter den deutschen Fürsten allein und isolirt zu stehen. Ich werde es nie vergessen!“ Als Belohnung für seine Thätigkeit im J. 1866 erhielt der Herzog die schmalkaldischen Staatsforsten geschenkt. Er nahm dieselben als fideicommissarisches Privateigenthum des herzoglichen Gesammthauses an, decretirte aber [411] zugleich, daß die Hälfte des Reingewinnes aus jenen Forsten seinem Lande zu gute kommen müsse.

Der Verbrüderungsgedanke, den der Herzog so viele Jahre lang gepflegt hatte, trug jetzt nach dem Kriege herrliche Früchte, denn er ließ die Wunden rasch vernarben, die jener geschlagen hatte. Aber Herzog Ernst kannte den Ehrgeiz Napoleon’s zu gut, um zu wissen, daß Deutschland nun von Frankreich her die größte Gefahr drohe. Als harmloser Besucher der Weltausstellung begab er sich deshalb 1867 nach Paris, hauptsächlich aber kam es ihm darauf an, die Stimmung in den dortigen maßgebenden Kreisen zu sondiren. Er fand Napoleon über den Sieg von Sadowa zwar ziemlich aufgebracht, meinte aber doch, daß die Rache noch längere Zeit aufgeschoben bleiben werde und berichtete in diesem Sinne nach Berlin.

Am 29. Januar 1869 war es dem Herzoge vergönnt, sein fünfundzwanzigjähriges Regierungsjubiläum zu feiern. Den Vertretern des Landes erklärte er bei dieser Gelegenheit, er werde auch in Zukunft nicht der Letzte sein, wenn es gälte, den Ausbau des Vaterlandes zu vollenden und Opfer dazu beizusteuern.

Während er sich im Juli 1870 auf einer Reise nach Italien befand, brach der Krieg aus. Sofort kehrte er heim und stellte sich dem König Wilhelm zur Verfügung. Dieser theilte ihn der Armee des Kronprinzen zu und bei derselben machte er, wenn auch ohne selbständiges Commando, den ganzen Feldzug mit. Nach der Schlacht bei Sedan war es ihm nun vergönnt, auf seinen alten Lieblingsplan: „ein einiges Deutschland unter Preußens Führung und mit seinem König als deutschem Kaiser an der Spitze“ zurückzukommen. In diesem Sinne verfaßte er schon Anfang October ein Memoire an Bismarck und hatte die Freude, von ihm die Antwort zu erhalten, daß die in jener Denkschrift enthaltenen Gedanken seit langer Zeit die seinigen seien. Nun trat Herzog E. mit den Großherzögen von Baden und Weimar und mit dem Kronprinzen in Verbindung, um den König von Baiern zu veranlassen, den Schritt zu thun, der König Wilhelm bestimmen würde, die Kaiserkrone anzunehmen. Als das Werk gelungen war, hatte Herzog E. die Genugthuung, daß Kaiser Wilhelm, als er am 18. Januar 1871 in Versailles zur Kaiserproclamation schritt, sich zuvor vor den versammelten deutschen Fürsten an ihn wandte und die denkwürdigen Worte sprach: „Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages Deinen Bestrebungen mit zu danken habe“. – Am 3. Mai 1871 kehrte der Herzog aus Frankreich zurück, um nun, am Ziele seines politischen Wirkens nach außen hin, sich ganz den Interessen seines kleinen Landes, seinen Neigungen zu Kunst und Wissenschaft und der von ihm so geliebten Jagd zu widmen. Nur nach dem Tode Kaiser Friedrich’s ward er im politischen Leben noch einmal viel genannt, weil man in ihm den Verfasser einer Broschüre: „Auch ein Programm der 99 Tage“ vermuthete und er auch das letzte Werk Gustav Freytag’s über Kaiser Friedrich veranlaßt haben sollte. Inwiefern jene Vermuthungen auf Wahrheit beruhen, ist nicht ermittelt worden.

Bei der Regierung seiner Herzogthümer hatte der Herzog den Grundsätzen vernunftgemäßer Aufklärung nicht nur theoretisch gehuldigt, sondern ihnen in Kirche und Schule Raum und Eingang verschafft, so daß sein Land als eines der freisinnigsten in Deutschland galt. An die Spitze des Kirchenregiments berief er dem Fortschritt huldigende Geistliche, wie z. B. Karl Schwarz; der Volksschule Gothas gab er bereits 1863 ein Volkschulgesetz, welches u. a. die geistliche Schulaufsicht beseitigte. Die Landwirthschaft suchte er durch Einrichtung einer Musterwirthschaft, der „Ernstfarm“ auf dem Kallenberge [412] bei Coburg, durch Beförderung der Grundstückszusammenlegung, durch Einführung einer rationellen Pferdezucht, durch Gründung des Rennvereins für Mitteldeutschland u. s. w. zu dienen. Die Waldwirthschaft erfreute sich seiner besonderen Förderung, so daß sie bisher noch nie erreichte Erträge lieferte. Handel und Gewerbe wurden durch Anlegung guter Straßen und mehrerer Eisenbahnen gehoben, und die Gründung industrieller Etablissements wurde begünstigt.

Vor allem aber erfreuten sich Kunst und Wissenschaft seiner Pflege, da der Herzog ein fein entwickeltes Kunstverständniß besaß und selbst die verschiedensten Zweige der Kunst ausübte. Namentlich erregten seine Leistungen auf musikalischem Gebiete berechtigtes Aufsehen. Außer zahlreichen Hymnen, Cantaten, Duetten u. s. w., welche er componirte, sind zu nennen seine Opern „Zayre“, „Tony“, „Santa Chiara“, „Diana von Solange“; seine Operetten „Der Schuster von Straßburg“ (unter dem Pseudonym Otto Wernhard) und „Alpenrosen“ (Pseudonym K. v. N.); seine Hymnen „Die deutsche Trikolore“ und „Hymne auf die Macht des Gesanges“, sein „Fackeltanz“ etc. Bereits frühzeitig versuchte er sich auch auf dem Gebiete der Poesie und schrieb drei Hefte Romanzen und ein Bändchen lyrische Dichtungen, letzteres unter dem Titel: „Aus frühen Tagen. Gedichte von E. H. z. S. Als Manuscript gedruckt“. Als geistvoller Beobachter und trefflicher Schilderer zeigte sich der Herzog in seinem Werke: „Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha nach Aegypten und den Ländern der Habab, Mensa und Bogos“. Die Krone seiner litterarischen Thätigkeit aber ist das große dreibändige Memoirenwerk: „Aus meinem Leben und aus meiner Zeit“, welches durch seine eigenartige Beleuchtung der Personen und Ereignisse während des größten Theiles des 19. Jahrhunderts für alle Zeiten als eine reiche Fundgrube für historische Studien gelten wird. Selbst in der dramatischen Kunst versuchte sich der Herzog und trat vor einem auserwählten Publicum unter Friedrich Haase’s Leitung im alten Schloßtheater zu Gotha in verschiedenen Stücken auf. In sportlicher Beziehung war er ein unübertrefflicher Schütze und, wenigstens in seiner Jugend, ein verwegener Reiter. Sein Interesse an der Kunst bethätigte der Herzog in seinem Lande endlich durch Bereicherung der Kunstsammlungen auf der Veste Coburg, durch Erbauung des stattlichen Museums in Gotha und durch reiche Unterstützung von Kunstjüngern und Kunstjüngerinnen. Im Jahre 1893 veranstaltete er noch eine Reihe Aufführungen von Musteropern. Kurz nach der letzten jener Aufführungen warf ihn ein Schlaganfall in seinem Lustschloß Reinhardsbrunn auf das Krankenlager und am 22. August 1893 Nachts 11 Uhr 34 Minuten verschied er. Er wurde in dem Mausoleum, welches er in Coburg als Grabstätte für seine Eltern hatte erbauen lassen, beigesetzt.

Die äußere Erscheinung Herzog Ernst’s war groß und stattlich, trotzdem aber nichts weniger als steif, sondern von eleganter Beweglichkeit. Ein Zug von Ritterlichkeit lag in seinem ganzen Wesen. Ehrlichkeit und Offenheit, ja eine gewisse Derbheit, die zuweilen verblüffend wirkte, waren hervortretende Eigenthümlichkeiten seines Charakters, dabei zeigte er jedoch auch soviel Wohlwollen, daß er mit Leichtigkeit die Herzen gewann. Sein Wissen und Können war auf vielen Gebieten ein außerordentliches. Als Glied des coburgischen Fürstenhauses, dem während seiner Regierungszeit eine ganze Anzahl der europäischen Throne gehörte, wurde er veranlaßt, sich viel mit der großen Politik zu beschäftigen. Da er besonders den englischen Anschauungen zuneigte, erwuchsen ihm unter den Fürsten, die Rußland und der heiligen Allianz anhingen, zahlreiche Widersacher. Vielen der kleineren deutschen Fürsten [413] war er unangenehm wegen seiner freieren Denkungsweise und seines energischen Eintretens für den deutschen Einheitsgedanken. Andere Gegner erwuchsen ihm am Abend seines Lebens deshalb, weil er nicht ganz in das fortschrittliche Lager überging. Der Haß gegen ihn äußerte sich dadurch, daß man die kleinen persönlichen Fehler – und welcher große Mann hätte solche nicht – ins ungemessene vergrößerte und andererseits seine Verdienste zu verkleinern und ihnen persönliche Motive unterzuschieben suchte. Allein alle diese Machinationen sind vergebliche gewesen. Thaten, wie der Abschluß der Militärconvention mit Preußen im J. 1861, sein Verhalten im J. 1866 konnten keinen andern Grund haben, als den deutschen Einheitsgedanken zu verwirklichen, wie des Herzogs Auftreten bei den Sänger- und Schützenfesten nur dazu dienen sollte, ihn zu pflegen und zu fördern. Erst späteren Zeiten wird es vorbehalten sein, das edle und aufopfernde Streben dieses deutschesten der deutschen Fürsten recht zu würdigen.

Des Herzogs Ehe war kinderlos und so wurde bei seinem Tode der zweite Sohn des Prinz-Gemahls von England, Herzog Alfred von Edinburg, sein Nachfolger.

Vgl. Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Von Ernst, Herzog zu Sachsen-Coburg-Gotha. – Schmidt-Weißenfels, Der Herzog von Gotha und sein Volk. – A. Ohorn, Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha. – C. Beyer, Herzog Ernst II. – M. Berbig, Heil unserm Herzog! u. v. a.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Robert Kretschmer (1818–1872), deutscher Maler
  2. Ludwig IV. war bei seiner Hochzeit Erbprinz und erst ab 1877 Großherzog von Hessen.
  1. gemeint ist wohl Leonhard Graf von Blumenthal (1810-1900), den Herzog Ernst wohl schon aus dem schleswig-holsteinischen Krieg von 1848/50 kannte; preußischer Offizier, zuletzt Generalfeldmarschall.