ADB:Piloty, Ferdinand (Maler)
Lithographen (1786–1844), genoß mit seinem nachmals so gefeierten Bruder Karl v. Piloty (s. A. D. B. XXVI, 140) denselben Studiengang und Unterricht im Atelier des Vaters, bildete sich dann weiter auf der Akademie, insbesondere unter der Leitung seines späteren Schwagers Karl Schorn (siehe A. D. B. XXXII, 382), dessen coloristischen Vorzüge alsbald maßgebend wurden und bestimmend auf die beiden Brüder einwirkten. Nachdem Ferdinand P. schon 1848 mit der Figur eines „hl. Sebastian“ auf der Kunstausstellung die ersten Proben seines Flügelschlages kundgegeben hatte, bethätigte er sich an dem großen Rundgemälde von Jerusalem, welches Ulrich Halbreiter (siehe [62] A. D. B. X, 403), von 1848–50 zur Ausführung brachte, bei den figürlichen Staffagen, während der durch spätere Reisen nach Spanien, Algier und in den Kaukasus und seine interessanten Lebensschicksale so großes Ansehen erregende Schlachtenmaler Theodor Horschelt (s. A. D. B. XIII, 160) die Pferde, Esel und Kameele, und August Löffler (s. A. D. B. XIX, 101) den landschaftlichen Theil auf sich nahm. Schon damals soll der junge P. beim Zusammenarbeiten durch seine kräftige Lichtwirkung die älteren Collegen zu einer helleren Farbengebung veranlaßt haben (Lützow’s Zeitschrift I, 155). In den Kunstverein brachte P. 1849 eine „Wirthsstube“, in welcher ein alter Schnurrant Schmuckwaaren feilbietet; 1850 den „Tod des spanischen Malers Fernandez Arias im Spital“, nachdem derselbe noch kurz vor seinem Ende, wobei der kleine Murillo als Chorknabe assistirt haben soll, durch eine Zeichnung bewiesen hatte, wie unverdient er im höchsten Elend lebte. Dann folgten mehrere, nach dem Vorgang seines Bruders sehr coloristisch behandelte Genrestücke: ein „Aerztlicher Besuch“, die „Heimkehr vom Felde“ und die „Erste Vakanz-Reise“ (1855): drei mit Wanderstab, Ränzlein und Rauch-Utensilien stattlich gerüstete, das schöne Gebirgsland jauchzend begrüßende Studentlein, wobei die wonnigliche Reiselust den landschaftlichen Theil überwog (Julius Grosse in Beilage 124 „Neue Münchener Zeitung“, 25. Mai 1855). In zwei Varianten behandelte P. den „Thomas Morus im Kerker“ (gest. von Schultheiß), wobei der Hauptaccent schon auf die realistische Darstellung der Kerkerwand und der Strohschütte fiel (Eggers’ „Deutsch. Kunstblatt“ 1856, VII, 291). Zwei Scenen (1857) aus „Raphaels Leben“ und dessen „Sterbelager“ geriethen in einen etwas gar zu novellistischen Ton (Jul. Grosse in Bd. 104 „Neue Münchener Zeitung“, Mai 1858). Für das „National-Museum“ mit Fresken betraut, die theilweise sehr unmalerische Stoffe boten, entschädigte sich P. klüglich durch stimmungsvolle Lösung dieser Probleme. Wie wäre denn der „Stiftung eines Spitals“ auf anderem Wege beizukommen? Noch schwieriger war das Thema wie „Der vierzehnjährige Pfalzgraf Georg Johann von Veldenz 1558 bei der Reformation der Heidelberger Universität die Dankrede hält“. Um die Darstellung einer Rede zu ermöglichen, ließ der junge Maler alle Register seiner coloristischen Begabung spielen. Ungleich bessere Motive bot eine Begebenheit aus dem „Bauernkrieg“ (1525), wo die treuen Landleute von Weilersbach einen aufrührerischen Haufen gefangen nahmen. Noch glücklicher war die Aufgabe, die „Blüthezeit der freien Reichsstadt Augsburg im 16. Jahrhundert“ in ein Bild zu bringen. Hier excellirte P. in virtuoser Freskotechnik und überbot alle in dieser historischen Galerie mitwirkenden älteren und jüngeren Zeitgenossen mit seiner glänzenden Manier, womit er ihnen ein selbstbewußtes „anch’ io sono pittore“ vorzureiten schien. Auch der mit Kostümen getriebene Makart-artige Prunkaufwand verblüffte alle Beschauer, obwohl der Opernspektakel der modernen Bühne unverkennbar mitspielte. Als Repräsentanten dieser reichen, kunst- und prachtliebenden Augsburger Mediceer wählte P. den reichen Hans Fugger, welcher in einem offenen Marmorsaale den Besuch der gleichgesinnten Patricierfamilie Franz Welser’s empfängt; der schönen, ihre Eltern begleitenden Philippine bietet der junge Erzherzog Ferdinand eine Rose; im Hintergrund zeigt der alte Holbein den staunenden Frauen ein Tafelbild, davor ist um die klugblickende Herrin des Hauses eine Humanistengruppe placirt; die halboffene Halle gewährt einen Ausblick auf die prächtigen Bauwerke der Stadt. Der Steinfließ des Bodens knallt ordentlich vor Glätte. Manches wäre sicher nicht einwandfrei; am meisten stört die leidige Theater-Convenienz und der faustisch-mephistophelische erzherzogliche Werber um das kokettirende Gretchen. Man denkt an Platen’s Rüge, daß der „Floskelschwall“ [63] vom Publicum „immer als schöne Sprache“ gepriesen“ wird. Das Bild beanspruchte auch eine räumliche Ausdehnung, wie außer dem „Turnier“ Schwolser’s bisher kein Maler im Nationalmuseum eine solche Wandfläche in Anspruch genommen hatte. Es war eine „Conversatione“, wie selbe schon der Urbinate mit der sogenannten „Disputa“ und „Schule von Athen“ inscenirte, Schorn mit der deutschen und englischen Geschichte versuchte, Kaulbach mit der „Reformation“ und mit dem Freskencyklus an der Neuen Pinakothek versinnlichte; Wilhelm Lindenschmidt bearbeitete verschiedene andere Fächer, wie Musik und Gelehrsamkeit, bis Karl v. Piloty mit dem riesigen culturhistorischen Münchener Stadtbild alle seine Vorgänger übertrumpfte. – General v. Spruner (s. A. D. B. XXXV, 325), der intellectuelle Urheber dieser historischen Galerie, welcher seinen Künstlern oft härtere Nüsse aufgab, lieferte als Hodeget unserm Ferdinand P. das nöthigste Material. Schließlich erhielt P. auch noch die „Verteidigung der Festung Gaëta“, wobei sich die Königin Maria von Neapel durch unerschrockenen Heroismus und wahre Charitas auszeichnete, ein Thema, welches als weiteres Prototyp der Piloty-Schule gelten mag. Auch das große, für die historische Galerie des Maximilianeums bestimmte, im bestechendsten Colorit aus geführte Oelbild mit der „Heerschau der Königin Elisabeth über ihre englische Armada (1588)“ blieb sachgemäß in dem engbegrenzten Niveau eines ceremoniellen Kostümstücks befangen. Inzwischen zeichnete P. viele Holzschnitt-Illustrationen zu Shakespeare, insbesondere zu „Othello“ und „Romeo und Julia“, zur Stuttgarter Prachtausgabe von Schiller’s „Gedichten“ und malte allerlei, oft sehr harmlose Genrebilder, z. B. Kinder, die dem Bildniß ihrer Mutter einen Schnurrbart anmalen; „Egmont und Klärchen“, einen „Ritter beim Juwelier“ (als Neuauflage von „Goldschmieds Töchterlein“), Karl V. in San Yuste, die „Wiedergenesung“, „Liebling in Gefahr“ (eine junge Dame schützt ihr Kätzchen vor einem Hund), Bruder Kellermeister vor einem Stückfaß eingeschlafen à la Grützner, aber auch den Grafen Eberhard von Württemberg vor der Leiche seines Sohnes, die komische Scene „Nach der Sitzung“ mit den im Weinkeller sich restaurirenden Rathsherren (gest. von Fleischmann; vgl. Lützow’s Zeitschr. 1868 III, 76) und einen derselben Zopfzeit angehörigen „Stadtarzt“. Infolge einer italienischen Reise brachte P. eine „Mutter mit ihrem Kind“ und die „Predigt eines Mönches am Fischmarkt in Rom“, wobei P. mit Lenbach’s „Titusbogen“ rivalisirte. Nachdem der Künstler durch weitere Reisen nach Paris und Wien sich erfrischt hatte, entwarf P. die lebenswahren Culturscenen für das Rathhaus zu Landsberg: das „Bürgertanzfest“, wobei Herzog Ernst 1873 wacker mithielt (Nr. 51 „Ueber Land und Meer“ 1886, 55, 1093) und die „Spitalbesichtigung durch Ludwig den Brandenburger“; zwei andere Bilder hatte Eduard Schwoiser (geb. 18. März 1820 zu Brüsau in Mähren, † 3. September 1902 zu München) gemalt. Für König Ludwig II. schuf P. einen Cyklus für das Schloß Neuschwanstein mit Episoden aus dem „Wartburgkrieg“, wobei namentlich die phantastischen Scenen mit dem unheimlichen Zauberer Klingsor in origineller Weise gelangen. Ein lebensgroßes Porträt König Ludwig II. in Feldmarschallsuniform lieferte P. für den Sitzungssaal der Landtagsabgeordneten (1876). – Dann trat P., welcher unter der steigenden Popularität seines celebren Bruders Karl Piloty vielfach zurückstand, demselben aber in unverbrüchlicher Treue völlig congenial ergeben blieb, von der Oeffentlichkeit zurück, ohne jedoch Pinsel und Palette ruhen zu lassen, da Ferdinand P. bei der malerischen Ausschmückung der königlichen Bauwerke in Linderhof und Herrenchiemsee (nebenbei auch mit einem Oelbild „Das Urtheil Salomo’s“) vielfach in Anspruch genommen [64] wurde. Gegen drohende Kränklichkeit stärkte er sich in der freien Natur als unermüdlicher Nimrod. – Ferdinand P. (er starb am 21. December 1895 zu München) war Inhaber der Ludwigs-Medaille für Kunst und Wissenschaft, Ehrenmitglied verschiedener Akademien, mit dem Titel und Rang eines köngl. Professors. – In früherer Zeit übte er auch das Erbe seines Vaters, die Lithographie, und zeichnete mehrere Bilder z. B. nach Gegenbauer (Graf Eberhard der Rauschebart) und Philipp Foltz (Cid Campeador) auf Stein. – Eine große Zahl seiner besten Compositionen wurde von Schultheiß, Fleischmann, J. L. Appold u. A. in Stahlstich und Holzschnitt oder durch Hanfstängl und Jos. Albert in Photographie vervielfältigt und volksthümlich gemacht. Nicht so naturwüchsig und erfrischend wie viele Andere, mehr mit dem Verstand schaffend, imponirte dieser Maler doch durch den Respect vor der Kunst, durch die Strenge und Gewissenhaftigkeit, die er auf seine Arbeiten verwendete.
Piloty: Ferdinand P., Historien- und Genremaler, geboren am 9. October 1828 zu München, als der jüngere Sohn des gleichnamigen berühmten- Vgl. Nagler, Monogrammisten, 1860, II, 854 (Nr. 2348). – Spruner, Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums, 1868, S. 562. – F. Pecht, Gesch. der Münchener Kunst, 1888, S. 253. – Nr. 355. d. Allgem. Zeitung v. 23. December 1895. – Kunstvereins-Bericht für 1895, S. 84. – Fr. v. Bötticher 1898, II, 276. – Louise v. Kobell, König Ludwig II. und die Kunst, 1896.