Zum Inhalt springen

ADB:Pfizer, Gustav

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pfizer, Gustav“ von Hermann Fischer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 47–49, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfizer,_Gustav&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 53 (1907), S. 47–49 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gustav Pfizer in der Wikipedia
Gustav Pfizer in Wikidata
GND-Nummer 118973630
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|47|49|Pfizer, Gustav|Hermann Fischer|ADB:Pfizer, Gustav}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118973630}}    

Pfizer: Gustav Pf., Dichter, 1807–1890. – Pf. wurde am 29. Juli 1807 in Stuttgart geboren, als Sohn des Obertribunaldirectors, als jüngerer Bruder des Politikers Paul P. (s. A. D. B. XXV, 668–677). Er besuchte von 1813 an das Stuttgarter Gymnasium, 1821–1825 das niedere theologische Seminar Blaubeuren, 1825–1830 das Stift in Tübingen. Er gehörte der durch eine große Zahl bedeutender Talente, vor allem durch Vischer und Strauß, berühmt gewordenen „Geniepromotion“ an. Von 1830 an war er Vicar in Stuttgart, von 1832 an Repetent am Tübinger Stift. Nach einer halbjährigen italienischen Reise im J. 1834 nahm er seinen bleibenden Aufenthalt in Stuttgart als Schriftsteller. Er hat 1836/37 die „Blätter zur Kunde der Litteratur des Auslandes“, längere Zeit hindurch den poetischen Theil des „Morgenblatts“ redigirt und manchem jungen Talent mit entgegenkommendem Wohlwollen den Weg in die litterarische Oeffentlichkeit gebahnt. Am 11. Juli 1836 ertheilte ihm die philosophische Facultät Tübingen für sein Buch über Luther (s. u.) den Doctorgrad. 1846 wurde Pf. zum Professor am Stuttgarter Gymnasium ernannt, an dessen oberen Classen er deutsche Sprache und Litteratur, Religion, Geschichte und philosophische Propädeutik vortrug. In der Revolutionszeit war er einer der Führer des Vaterländischen Vereins und wurde 1849 als Abgeordneter für das Amt Stuttgart in die erste verfassungberathende Versammlung Württembergs gewählt. Zu Ende 1872 trat er in den Ruhestand und ist am 19. Juli 1890 infolge eines Schlaganfalls in Stuttgart gestorben.

Strauß hat in seinem Buch über Christian Märklin eine vortreffliche Schilderung des Jünglings Pf. als einer „feinen, im besten Sinne vornehmen Natur“ gegeben: „Leicht … ergriff er die Gegenstände des Lernens, aber er verarbeitete sie tiefer und war darum leicht mit dem darstellenden Worte minder flink bei der Hand, das aber dafür um so gewählter und bezeichnender ausfiel … von dem nicht immer feinen Treiben der Mehrheit sich reinlich und ironisch zurückziehend, nur einem gewählten Kreise von Fähigern und Gebildetern … die Schätze seines Innern erschließend“. Die Charakteristik paßt auch auf Pfizer’s spätere Jahre. Hochgewachsen, von edler Haltung und Geberde, machte er sofort den Eindruck des Bedeutenden und Gewählten. Es konnten sich auch nur Wenige rühmen, ihm näher gekommen zu sein; diese aber hielten treu an ihm fest. Auch seine Thätigkeit als Lehrer war dem [48] entsprechend. Die besten Schüler haben ihn verstanden und geschätzt; die Menge hat den Weg zu ihm nicht gefunden. In den Jahren des Alters hat er sich von der Oeffentlichkeit immer mehr zurückgezogen und außer seinen Kindern kaum mit irgend Jemand Verkehr gehabt. – Pf. war eine entschieden philosophische Natur; wenn er auch als Schriftsteller nur einmal, in dem Gymnasialprogramm von 1852 „Die philosophische Propädeutik auf den Gymnasien“, sich mit Philosophie zu schaffen gemacht hat, so geht doch ein speculativer Grundzug auch durch seine anderen Werke. Diese sind theils historisch, theils poetisch. Obwol Pf. eine sehr entschiedene politische Gesinnung hatte und neben seinem Bruder Paul zu den Hauptvertretern der preußischen Hegemonie und des gemäßigten Liberalismus in seiner Heimath zählte, hat er, abgesehen von Zeitungsartikeln, nur in dem kritischen Jahre 1849 sich in politischen Flugschriften vernehmen lassen: „Die deutsche Einheit und der Preußenhaß“ und „Weder jetzt das Direktorium, noch das Habsburgische Kaiserthum später!“ Von seinen historischen Werken sind zwei für die Jugend bestimmt, die „Geschichte Alexanders des Großen“ 1846 und die „Geschichte der Griechen“ 1847; beide haben in unserer Heimath gar manchem Knaben den Weg zur Kenntniß und Bewunderung des griechischen Alterthums gebahnt. Strenger wissenschaftlich war „Martin Luthers Leben“, schon 1836 erschienen; bis auf Köstlin’s Werk herab war es wol die geschätzteste Biographie des Reformators. Von 1837 bis 1840 ließ Pf. eine Auswahl aus Luther’s Werken nachfolgen. – In der Litteraturgeschichte hat sich Pf. nur gelegentlich versucht; neben den Charakteristiken Shakespeare’s und Schiller’s, welche 1838 und 1839 von einer Stuttgarter Firma den Vervielfältigungen von Roubillac’s Shakespeare- und Thorwaldsen’s Schiller-Statue beigegeben wurden, ist zu nennen: „Uhland und Rückert. Ein kritischer Versuch“ 1837. Das Schriftchen unternimmt es, ohne Bevorzugung des einen oder des andern Uhland als den objectiveren, epischeren, Rückert als den subjectiveren, lyrischeren Dichter neben einander zu stellen. – Von Pfizer’s eifriger Beschäftigung mit andern Dichtern zeugen die Uebersetzungen, die er in den dreißiger und vierziger Jahren gemacht hat: aus älterer deutscher Poesie die des Nibelungenliedes 1842, die durch die bildlichen Beigaben von Schnorr und Neureuther besonders große Verbreitung gefunden hat; vor allem aber aus dem Englischen. Von 1835–1840 erschien die Uebersetzung von Byron’s Dichtungen. Mit seinem Freunde Friedrich Notter zusammen hat Pf. von 1883 an Bulwer’s Werke (mehrere Auflagen), 1840–1846 die Romane von G. P. R. James, allein 1839 „Cheveley“ von Lady Lytton-Bulwer übertragen. – Bei weitem am wichtigsten aber sind Pfizer’s eigene poetische Erzeugnisse. Schon 1831 gab er mit seinem Bruder Paul und mit Hermann Hauff zusammen „Fünfzehn politische Gedichte“ heraus, im selben Jahr eine eigene Sammlung „Gedichte“, der 1835 „Gedichte. Neue Sammlung“ folgten; ferner 1840 „Dichtungen epischer und episch-lyrischer Gattung“, 1844 „Der Welsche und der Deutsche. Aeneas Sylvius Piccolomini und Gregor von Heimburg“, ein Romanzenkranz im Versmaß von Uhland’s Bertran de Born; Gelegenheitspublikationen waren: „Worte der Erinnerung an den 25. Juni 1530“ (1830) und „Gedenkblatt auf den 1. April 1875“; 1876 erschienen „Gereimte Räthsel aus dem deutschen Reich“ und 1891 aus dem Nachlaß weitere „Gereimte Räthsel“. Pf. hat seine erste Gedichtsammlung Uhland gewidmet. Es war das, abgesehen von seiner allgemeinen Hochschätzung Uhland’s, noch durch einen besondern Pietätsgrund motivirt: Pf. hatte sich 1830 an Uhland’s „Stilisticum“ betheiligt und zwar zu Uhland’s großer Befriedigung. Leider hatte jene Widmung nun auch den Erfolg, daß Pf. sich in das allgemeine Verdammungsurtheil [49] Goethe’s über Uhland’s Schule eingeschlossen finden mußte. Dieser Schule – wenn es je eine solche gegeben hat – gehörte Pf. seiner litterarischen Persönlichkeit nach gar nicht einmal an. Es ist nichts in ihm, was gerade an Uhland besonders anzuschließen wäre. Von den älteren Schwaben ist es nur Gustav Schwab, an den er etwa erinnern kann, und auch dieser in der Seite seines Wesens, die sich von Uhland entfernt; Pf. ist aber, mit Schwab verglichen, gewiß der bedeutendere, jedenfalls der tiefere und eigenthümlichere Dichter. Wenn man ihn mit einem andern vergleichen kann, so ist es am meisten Platen. Die vornehme Persönlichkeit haben beide gemein, beide sind einsame Menschen, beide in erster Linie durch den hohen Bildungsgehalt und den Reichthum an edlen Gedanken in ihrer Poesie charakterisirt. Platen ist der formgewandtere; Pf. ringt öfters mit dem Ausdruck, neben Stellen von ganz erhabener Schönheit stehen andere, die nicht gelingen wollen; an Reichthum der Ideen steht er hinter Platen nicht zurück. Noch mehr Verwandtschaft hat er mit seinem Landsmann, Freund und Mitarbeiter Notter, den er aber an Fülle und an Schönheit seiner Poesie entschieden überragt. Beiden ist zu einer großen, edeln Anschauung und Auffassung der Welt, zu einem Drang nach bedeutendem Gegenstand und bedeutender Form eine Schwerblütigkeit, eine oft bis zur Härte gehende Schwerfälligkeit mitgegeben gewesen, die sie nicht zu der Geltung hat gelangen lassen, die leichtere Geister öfters leicht erreicht haben.

Schwäbische Kronik 1887, S. 1394; 1890, S. 1431 (Von Otto Elben). – Württembergische Landeszeitung 1887, Nr. 174 (von mir). – Ambros Mayr, Der schwäbische Dichterbund, S. 199 ff. – Holland, Zu Uhlands Gedächtnis;, S. 29–31.