Zum Inhalt springen

ADB:Pius II.

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pius II.“ von Adolf Bachmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 206–219, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pius_II.&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 12:16 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 26 (1888), S. 206–219 (Quelle).
Pius II. bei Wikisource
Pius II. in der Wikipedia
Pius II. in Wikidata
GND-Nummer 118594702
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|206|219|Pius II.|Adolf Bachmann|ADB:Pius II.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118594702}}    

Pius II., Papst (Enea Silvio de’ Piccolomini), ältester Sohn des Silvio de’ P. und der Vittoria de Forteguerra, geboren am 18. October 1405 in Corsignano bei Siena, wohin sich dieser gänzlich verarmte Zweig des alten sanesischen Adelsgeschlechtes der P. zurückgezogen. Dem hochbegabten, lernbegierigen und lebensfreudigen Jüngling, der den ersten Unterricht vom Vater empfangen hatte, ermöglichte nur die Unterstützung seiner Verwandten den Besuch der Hochschule zu Siena. Aber die hier wirkenden Lehrer, der Jurist Mariano de’ Sozzini etwa allein ausgenommen, boten Enea wenig Anregung; ihn lockten das Studium und Vorbild der altclassischen Dichter, Denker und Gelehrten, der neu erwachende Humanismus mit unwiderstehlicher Gewalt; sie führten ihn nach Florenz zu den Füßen Francesco Filelfos, dem er in zweijähriger Lernzeit die Künste gewandter, formvollendeter Stilistik und wohlgesetzter und berechneter Rede ablauschte.

Leider war der Humanismus jener Tage für seine Jünger, wenn man von wenigen hervorragenden und glücklichen absieht, ein brotloser Beruf, Enea selbst blutarm. Von den Verwandten gedrängt, wurde er Jurist, hörte – nicht ohne Nutzen für seine spätere Laufbahn – Civilisten und Canonisten, aber doch nur Männer der alten Schule und Lehrweise, so daß der ganze Gegensatz zwischen seinen Neigungen und juristischem Wissen ihm zum Bewußtsein kam, ja ihn mit Abneigung und Mißachtung gegen solchen Beruf erfüllte. Immerhin fand er so sein Fortkommen: der im Zwiespalte mit P. Eugen IV. über Siena nach Basel ziehende Bischof von Fermo, Cardinal Domenico da Capranica, nahm Enea als Secretär in seine Dienste. So kam er nach gefahrvoller Seefahrt, von Piombino nach Genua, und beschwerlicher Gebirgsreise gegen das Frühjahr 1432 in die Concilsstadt, auf den Schauplatz, wo man die Lösung der welthistorischen Fragen des 15. Jahrhunderts, nicht etwa bloß die Beilegung des böhmischen Kirchenstreites, die Beseitigung des Schisma im Oriente, die Reform der Kirche, betrieb und erwartete. Denn zugleich mit umfassender, gesetzgeberischer und diplomatischer Thätigkeit, ja, – weil ja die Theorie so leicht der Praxis vorauskommt und es der menschlichen Natur eignet, je höher sie strebt, um so schärfer fremde Säumniß zu verurtheilen –, in stärkerem Maße noch beschäftigten die großen principiellen Fragen nach dem Ursprung und Umfang der conciliaren Gewalt und ihr Verhältniß zu der Auctorität des päpstlichen Stuhles [207] die versammelten Väter: die französisch-deutsche Concilstheorie des 14. und 15. Jahrhunderts, bisher wiederholt praktisch geübt und auch vom Papste ertragen, sollte und mußte eben auch die dogmatische Prüfung in letzter Instanz erfahren, um darnach sei es Theil zu werden des kirchlichen Lehrsystems, sei es zu verschwinden. Weder nach Alter und Erfahrung noch nach äußerem Rang, weder aus sittlichem Bedürfniß noch zufolge gesellschaftlicher Pflicht konnte und mochte Enea Silvio, der junge Secretär, zunächst in Basel irgend welche Rolle spielen neben der Menge der hervorragenden und leitenden Männer; ebensowenig trat er persönlich in den Streit der Meinungen. Er fand Gefallen wie an allem äußerem Gepränge, so an dem buntbewegten Leben der Concilsstadt, er traf fröhliche Genossen, gleich ihm bereit, dem Weine und der Liebe zu huldigen, er suchte begeisterte Jünger des Humanismus, mit denen er Anregung und Bewunderung tauschte, er hatte hinlängliche Arbeit in seinem Amte, das ihn ernährte. Auch nicht einmal zu seinem Herrn schuf sich aber Enea ein feineres Verhältniß, obwohl sein Benehmen sicher geschmeidig war und Capranica wol darnach angethan schien. Freilich dauerte dieser erste Herrendienst nur kurze Zeit. Bald, 1432/3, trat Enea aus unbekannter Ursache und unter uns unbekannten Bedingungen in die Canzlei des Bischofs von Freising über, arbeitete dann 1432–1435 als Secretär für den Bischof von Novara, jenen charakterlosen geheimen Agenten des Mailänder Herzogs (Filippo Maria Visconti) beim Concil, und hatte während ihres längeren Aufenthaltes in Italien nach allem auch Antheil an des Bischofs Versuch, sich in Florenz der Person des Papstes Eugen zu bemächtigen, ein Versuch, der, mißglückt, den Novaresen und seine ganze Familie in die höchste Gefahr brachte (April 1435). Noch in Florenz fand Enea einen neuen Herrn, den als Legaten Eugens nach Basel reisenden Cardinal Albergata, einen der ausgezeichnetsten Prälaten seiner Zeit. Albergata hatte, ehe er in Basel verweilte, um mit Julian Cesarini sich in den Vorsitz beim Concil zu theilen, noch erst im Auftrage des Papstes bei den Friedensverhandlungen zwischen König Karl VII. von Frankreich und Herzog Philipp dem Guten von Burgund zu interveniren und verfügte sich deshalb (Juni 1435) den Rhein hinab mit seiner Kanzlei und Familie, Enea Silvio darunter, nach den Niederlanden, wo wirklich in Arras am 21. Sept. ein dauernder Friede erreicht wurde. Dabei hatte offenbar Enea Gelegenheit gefunden, seine Eignung zu diplomatischer Thätigkeit besonders zu erweisen; ihm wurde deshalb von dem Cardinal der ehrenvolle Auftrag zu Theil, nach Schottland zu gehen und durch die Heranziehung dieses Reiches zu den in Arras befriedeten Mächten England zu isoliren und damit gleichfalls zur Ruhe zu nöthigen. Auf abenteuer- und beschwerdereicher Fahrt, von der ihm zwei dauernde Erinnerungen blieben, die Gicht und ein Sohn, löste Enea Silvio glücklich die ihm gestellte Aufgabe. Doch blieb diese Probe politischen Wirkens ohne äußeren Gewinn; ja Enea löste sogar, im Frühjahr 1436 zu Albergata nach Basel zurückgekehrt, das Dienstverhältniß auch zu diesem, als den Cardinal wichtige Geschäfte nach Italien riefen, wohin P. nicht folgen mochte. Er trat vielmehr als Scriptor in den directen Dienst der Kirchenversammlung, an deren Schicksalen er nun in verschiedener Stellung, als Abbreviator und Oberabbreviator, dann, selbst Mitglied des Concils wenn auch ohne Empfang irgend welcher geistlichen Weihen geworden, als Beisitzer und mehrmaliger Präsident der Glaubensdeputation, sowie als einer der Duodecimvirn, denen die wichtige Entscheidung über die Zulassung zur Mitgliedschaft beim Concile zustand, sieben Jahre hindurch den unmittelbarsten Antheil gewann. Die Fragen, welche in jenen Tagen die Basler Versammlung beschäftigten, die Meinungsverschiedenheiten, die sich bezüglich seiner Zusammensetzung und Auctorität selbst geltend machten, waren bedeutend genug. Nicht bloß über die Cardinalfrage [208] nach der Superiorität des ökumenischen Concils über den Papst in Glaubenssachen, sondern auch darüber, ob die Concilien als organische hierarchische Institutionen anzusehen seien, ob auch dem Cleriker von niedererm als bischöflichen Range, ob auch dem gelehrten Laien Sitz und Stimme in der Versammlung zukomme, dann über eine ganze Menge minderer Streitpunkte, die sich aus dem Gegensatze der in Basel vertretenen kirchlichen und wissenschaftlichen, politischen und nationalen Richtungen ergaben, mußte in jenen Leuften die Entscheidung fallen. Wie haben wir uns das Verhältniß Enea Silvio’s zu all dem vorzustellen? Wol war er ungleich welterfahrener, geschäftsgewandter, besser empfohlen als 1432, als er zum ersten Male den Boden der Concilsstadt betrat, jetzt zurückgekehrt; sogar zu sittlicher Einkehr in sich selbst hatte ihn ernste Lebensgefahr während seiner schottischen Reise gebracht. Aber im Grunde genommen war Enea der Alte nach Gesinnung und Thun. Er trat den großen Kirchenfragen nur in so weit nahe, als sie Bedeutung hatten für seine persönlichen Zwecke: aber er suchte die Bekanntschaft und Gunst der Parteihäupter, weil dies Ansehen verlieh und ihn gesellschaftlich und materiell vorwärts brachte; und selbst wenn er, als es galt, einen geschickten Ort für die Ausgleichsverhandlungen mit den Griechen zu finden, mit allen Mitteln seiner Rednergabe für Pavia eintrat, so geschah es, um dem Herzoge von Mailand zu Gefallen zu sein, und war sein Herz nicht für Pavia und nicht für Avignon. Nicht Ueberzeugung und Grundsätze, sondern wesentlich äußere Motive bestimmten seine Parteinahme; er war, soweit die Mittel es gestatteten, der lockere Vogel wie zuvor, der leichtlebige Schöngeist, dem das Studium der Alten das erste Vergnügen, ihnen nachzuahmen und nachzukommen der höchste Stolz war, derart, daß selbst seine politische Thätigkeit eine gewisse Beziehung darauf erhielt und bewahrte, indem sie zu einem Mittel ward, seinen poetischen und litterarischen Erzeugnissen einen weiteren Kreis angesehener Bewunderer zu sichern. Trotzdem kam der junge Sanese voran und gewann er einflußreiche Gönner und Freunde in allen Parteilagern; wußte er doch seine Farblosigkeit klug zu verbergen, mit seiner Berechnung zu schmeicheln, seinen Fleiß, seine Kenntnisse, seine Redefertigkeit und stilistische Gewandheit zu rechter Zeit zur Geltung zu bringen.

Aber die Zeiten wurden schwerer. Wie das so oft zu geschehen pflegt: bei verhältnißmäßig geringfügigem Anlasse gedieh der principielle Gegensatz zwischen der römischen und der basler Partei, nachdem er, lange unklar, noch kurz vorher selbst bei wichtigen Dingen durch Entgegenkommen von beiden Seiten überbrückbar erschienen, zu offenem Bruche, und nun machte sich die lange verhaltene Bitterkeit in einem mit unerhörter Heftigkeit geführten Kampfe Luft. Auf die einander widersprechenden Decrete der Parteien vom 7. Mai 1437 bezüglich des Ortes des neuen Concils hin bestätigte Papst Eugen unverweilt das Decret seiner Partei, wurde dann von ihm das Basler Concil für aufgelöst erklärt und ein neues nach Ferrara angesagt. Dagegen citirten die Väter in Basel den Papst, sein Verhalten zu rechtfertigen, am 21. Juli 1437, und begann auch wirklich das Contumacialverfahren, das am 28. Januar 1438 zur Suspension und am 25. Juni dieses Jahres zur Absetzung Eugens führte, worauf der ältere Herzog von Savoyen – nach längerem Zögern freilich, am 5. November 1439 zum Papst gewählt wurde (Felix V.). Die beiden Päpste und das Concil setzten das ganze Arsenal der kirchlichen Kampfmittel gegen einander in Bewegung. Stieg die Erbitterung in Rom und Basel ins maßlose, so gab es daneben bald keinen Raum mehr für Neutrale und kam nur der entschieden vorwärts, welcher der Leidenschaft, die alles beherrschte, den energischesten Ausdruck gab. Während Cesarini, Cusa, Parentucelli (der spätere Nicolaus V.), so viele andere auf die Seite Eugens traten, entschied sich Enea Silvio für das Concil. Hat ihn [209] wenigstens jetzt die Ueberzeugung und innere Neigung geleitet? Er selbst suchte es später in seinen „Retractionen“ anders darzustellen. Gewiß liegen hier die Motive nicht völlig klar. Wol hatte sich Eugens IV. Stellung, mit den Zeiten des ersten Conflictes verglichen, ungeheuer gebessert, sein Anhang wuchs täglich, sein Concil in Ferrara, dann in Bologna gewann vielfach und namentlich in der Griechensache den Baslern den Vorrang ab. Aber auch Felix V. und die Concilsgemeinde waren noch stark und einflußreich, der Endausgang keineswegs sicher. An der römischen Curie erwartete Enea aufs neue ein mühsames Vorwärtsstreben neben vielen gleichtüchtigen und besser protegirten, noch konnte ihr seine Parteinahme nicht als Gewinn erscheinen; hier in Basel fußte er bereits auf gewissen Erfolgen und half ihm wol in Kampfestagen ein muthiges Wagen voran. Gewiß trugen auch die persönlichen Beziehungen zu den leitenden Männern und sein Verhältniß zu seinen humanistischen Freunden, „der Basler Akademie“, dazu bei, ihn festzuhalten. In klarer Erfassung der Verhältnisse war Enea Silvio in den nachfolgenden Jahren einer der entschiedensten Oppositionsmänner des Concils. Und nicht bloß in den Deputationen und Sitzungen, bei diplomatischen Verhandlungen und Legationen bewies er dies. Er war es, der in den drei Büchern der Commentarien über das Basler Concil die Entthronung Eugens IV. zu rechtfertigen unternahm (noch 1438), und nach der Wahl Felix V., der ihn zu seinem Secretär ernannte, jene (14) Dialoge verfaßte, in welchen den Concilsvätern und vielleicht ihm selbst nochmals die völlige Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens nachgewiesen werden sollte. Es ist demnach doch nicht leere Prahlerei, wenn Enea erzählt, daß er in Rom für einen der gefährlichsten Gegner der eugenianischen Sache gegolten habe.

Natürlich hatte der P. auch Antheil an den Bemühungen der Basler, die christlichen Nationen zur Obedienz Felix V. hinzuführen. So kam er im Juni 1442 in einer Concilsgesandtschaft zu dem Reichstage nach Frankfurt und bei dieser Gelegenheit in Berührung mit dem Bischofe Silvester von Chiemsee und dem Erzbischofe Jacob von Trier. Von ihnen empfohlen, gewann er des römischen Königs, Friedrich IV. (III.) Gunst, der ihn am 27. Juli zum Dichter krönte, zum Eintritte in die Reichskanzlei aufforderte. Dies that er unter dem Vorbehalte der Zustimmung Felix V. noch in Frankfurt; es war der Wendepunkt im Leben Enea’s, ein Verhängniß für den Gang der deutschen Kirchenpolitik gerade im wichtigen Momente. Als nämlich die kirchliche Reformbewegung übertönt ward von dem häßlichen Kampfgetöse, das von Basel und Rom ausging, gingen die großen Nationen des mittleren und westlichen Europa’s daran, sich dabei gegen Schaden zu bewahren und vor allem die Früchte der bisherigen Kirchenbesserung für sich in Sicherheit zu bringen. So erhoben die Franzosen nach eingehender Berathung in Bourges die Reformdecrete mit einigen Abänderungen zum Reichsgesetze (7. Juni 1438), und verbanden sich am 17. März 1438 die deutschen Kurfürsten zunächst zur Beobachtung einer neutralen Haltung zwischen Eugen und dem Concil, worauf (den 26. März 1439) auch der deutsche Reichstag die Reformdecrete der zwei Kirchenversammlungen, an denen aber gleichfalls einiges modificirt ward, als für alle Stände verbindlich erklärte. Wol kamen, so schien es, die Deutschen mit ihrer Neutralität den Franzosen um einen Schritt voran, da letztere nicht aufhörten, an der Obedienz Eugens IV., so entschieden er auch die Bestätigung ihrer pragmatischen Sanction verweigerte, festzuhalten, während sich die Kurfürsten die Parteinahme und damit ihren und der Nation Vortheil vorbehielten. Aber weder die Fürsten noch die Städte, nicht Kaiser, nicht Reichstag traten der Neutralität bei, und als sie, von den Gründern selbst im Stiche gelassen, hinfällig ward, und es sich um die [210] Bedingungen der Obedienz gegen Rom handelte, da wußte die schlaue Curie in die Verhandlungen darüber auch solche über die Reformdecrete hineinzuziehen und sie schließlich der Nation dem Wesen nach wieder zu entwinden, während sich die gallicanische Kirche ihrer Freiheiten bis zur freiwilligen Verzichtleistung Ludwigs XI. erfreute. Das Werkzeug Roms war dabei aber – der gewesene rüstige Kämpfer für die Basler Sache – unser Enea Silvio. Der Umschwung kam freilich nicht unvermittelt. Die Aussichten der Basler standen schlecht in Italien, seitdem Eugen den Frieden und die Anerkennung von Neapel und Mailand erreicht hatte, ohne die Obedienz der Republiken, die ihn bisher gestützt, zu verlieren, sie standen kaum hoffnungsreicher als jene Roms anderswo. Hier war ein schlimmes Ende zu besorgen. Und besonders auf die materiellen Dinge wirkte in Basel die äußere Sachlage zurück; wie hatte sich Enea bemüht und ereifert und nun, gingen die Sachen so fort, mochte demnächst statt Ehre und Ueberfluß der Mangel sich einfinden. Das ließ ihn leichten Herzens in des Kaisers Dienst treten, wo ihm freilich keine der Erfahrungen eines Anfängers erspart blieben, auch der Unterschied des Klimas und äußeren Lebens zwischen Wiener Neustadt und Italien und Basel außerordentlich bitter war. Aber er war nun wenigstens aus den gefährlichen kirchlichen Streitigkeiten heraus, und sein Geschick und Fleiß, sein Können und seine Klugheit halfen weiter. Bald ist Enea der erste Gehilfe, ja der Freund und Vertraute des Leiters der Reichskanzlei, des vielvermögenden Kaspar Schlick von Lazan. Auch materiell bessert sich seine Lage, und wenn er auch nicht aufhört, über die Rohheit der Nordleute zu klagen, er selbst war es, der den Samen des Humanismus ausstreute und ihm Jünger und Freunde zu sichern verstand. Eben jetzt wurde „Euryalus und Lucretia“ gedichtet, ein Zeichen übermüthiger Sinnesfreudigkeit; seine Widmungen an Herzog Sigismund von Tirol verrathen sein Streben nach Fürstengunst, der er ein Canonicat in Tirol und die Pfarre Aspach in Oberösterreich verdankte, während andere Pfründenjagden mißglücken. Jetzt endlich auch empfing Enea, der es leicht hatte, keusch zu sein, die niederen Weihen. Da erwuchs für ihn mit der entscheidenden Wendung in der kirchlichen Politik des Kaisers unvermuthet die Gelegenheit zu hochwichtiger staatsmännischer Thätigkeit. Ohne die Neutralität formell anzuerkennen, hatte sich Friedrich III. doch wie so viele, denen dies bequem war, auf ihren Boden gestellt und sich bemüht, den kirchlichen Streit auf einer neuen, dritten Kirchenversammlung, also wieder auf conciliarem Wege beizulegen. Aber seine und des Reiches Bemühungen in Rom und Basel, deren Einberufung zu erreichen, blieben erfolglos. Da, im März 1443, trat Kurfürst Jacob von Trier in Lausanne in geheime Verhandlungen mit Felix V.; durch das stärkste Band, die Aussicht auf reichen Gewinn festgehalten, zog er Erzbischof Dietrich von Köln nach sich, spann er bald auch die Fäden zwischen dem Hause Savoyen und Kursachsen und Kurpfalz – das Curcollegium, außer dem schwachen Dietrich von Mainz kam nur noch Friedrich von Brandenburg in Betracht – war so im vollen Abschwenken nach Basel begriffen. Sehr bald hatte der Kaiser Kunde davon, durch Jacob von Trier selbst, der, Friedrich III. weit unterschätzend, ihn selbst in dieser Sache zu führen hoffte, um so seinen Verdiensten für Felix V. die Krone aufzusetzen. Klar und scharf erfaßte da der Kaiser, von Schlick und auch schon dessen Intimus, dem P., berathen, die Ziele seiner Politik, mit bewunderungswürdiger Klugheit und Consequenz wurden sie verfolgt. Enea hatte, sowie er denn nichts vergaß und nichts halb that, beim Eintritte in des Kaisers Dienst nicht blos die Neutralität zu seinem Standpunkte gemacht, sondern ihr auch noch besonders in dem „Pentalogus de rebus ecclesiae et imperii“ das Wort gesprochen. Daneben blieb er aber im Verkehr mit den bedeutendsten Männern beider Parteien, dort Cesarini und Carvajal, hier [211] D’Allemand und Segobia; seine litterarischen Beschäftigungen, bald auch sein Einfluß bei Hofe, der nicht unbemerkt blieb, sicherten ihm selben. Nun, während die Basler Partei im Curcollegium ihren Seitenweg ging, hielten sich der Kaiser und seine Rathgeber zunächst auf der vollen Höhe der Neutralität; nochmals wurde mit der Forderung eines europäischen Fürstencongresses, dann der Berufung eines dritten Concils der gute Wille bekundet, in der Neutralität zu einer Entscheidung in dem großen Kirchenstreite zu gelangen; beides mißglückte wol, sehr erwünscht stellten die Ablehnungsschreiben der meisten Fürsten dem Kaiser das Beispiel ihrer Obedienz gegen Rom vor die Augen. Auch der Nürnberger (Herbst 1444) Reichstag sprach dann die Verlängerung der Neutralität nur noch auf ein Jahr aus, während welcher Frist das dritte Concil zu Stande gebracht werden sollte. Da dafür die felicianische Partei sich zu entschiedenem Vorangehen anschickte, zögerte auch der Kaiser nicht länger. Wollten die Kurfürsten die Neutralität aufgeben, die sie selbst gegründet, wollten sie für die Obedienz gegen Basel hohen Gewinn erlangen, so sollte die Neutralität auch ihn, der sie formell nie angenommen, nicht hindern, seine Obedienz in Rom zu verwerthen; dann mochte offenbar werden, ob man lieber mit ihm, dem Oberhaupte, als mit Gliedern des Reiches auch über dessen Gehorsam pactire und ihm den entsprechenden Preis zahle. Daß auch noch andere Momente einwirkten, der Freisinger Stiftskrieg, der den Kanzler Schlick zwang, die Gnade Eugens IV. zu suchen und ihn zum Gegner der Neutralität machte, die Haltung des Herzogs von Savoyen in dem Toggenburger Erbstreite, ist bekannt. Enea war schon in Nürnberg einer der Vertreter des Kaisers in der Glaubensdeputation gewesen, zum ersten Male „in den Geschäften des Reiches öffentlich und in bedeutender Weise thätig“. Er wurde jetzt die rechte Hand des Kaisers in dem Handel über die deutsche Neutralität und Obedienz. Besaß er ein Herz für die kirchlichen Zustände und Bedürfnisse der deutschen Nation? Keineswegs; freilich, auch der Kaiser und die Fürsten des Reiches verrathen nichts dergleichen. Hatte er sich zur Sorge um das Wohl der gesammten Kirche, deren Einheit durch die deutsche Obedienz gefördert wurde, emporgearbeitet? Kaum! Wol war Enea, wie es stets bei alternden Lebemännern der Fall, ernster geworden; er sah vieles mit anderen Augen an, manche Erinnerung drückte ihn; bei der reuigen Rückkehr zum festgeschlossenen Dogmengebäude des alten papalen Systems ließ ihn ein aufrichtiges Bedürfniß zurückgreifen auf Anschauungen, an denen gemessen ihm selbst sein Baseler Treiben als Verirrung erschien. Aber eigentlich geht er doch als der aufstrebende Staatsmann, der in den politischen Errungenschaften für seinen Herrn die Stufen für das eigene Aufsteigen erkennt, jetzt (Ende 1444) nach Rom, mit der ostensiblen Aufgabe, die Beschlüsse des Nürnberger Tages dem Papste zu unterbreiten, in der geheimen Mission, die Verhandlungen zwischen Rom und Wiener-Neustadt über die deutsche Neutralität und Obedienz in Gang zu bringen. Wie leicht mochte Enea, der in Siena nach langer Abwesenheit Vater und Verwandte wiedersah, sich über deren Warnung hinwegsetzen, die Höhle des römischen Löwen zu betreten (Anfang 1445)! Er wußte, daß ihm seine Sendung goldene Brücken bauen werde, und hat sich in seiner Rechnung nicht getäuscht. Mit Freude wurden die Anträge des Kaisers gehört und die unverweilte Sendung von Legaten an ihn zugesagt; Enea, dessen Bedeutung für den Bund mit dem Kaiser die scharfsichtige Curie wol erkannte, der selbst klug als reuiger Bekehrter auftrat, wurde mit offenen Armen empfangen und völlig für Eugen gewonnen; man urtheilte richtig, daß der kluge und vielvermögende Mann mit doppeltem Eifer daran sein werde, seine Haltung in Basel vergessen zu machen; schon zeigte man ihm auch directen Lohn. Nur die starre Weigerung Eugens IV., in die Berufung [212] eines neuen Concils zu willigen, verbitterte Enea den Abzug von Rom (1. April 1445): er kannte des Kaisers scheue, friedfertige Art. Wenn nun die Fürsten wirklich entschieden auf die Seite von Basel traten, würde er es wagen, den Pact mit Eugen zu schließen und damit den tiefen Riß durch die Einheit des Reiches zum offenen Conflicte zu erweitern?

Doch die Dinge gingen ihren Weg. In Wiener-Neustadt begannen mit dem bald nach dem heimkehrenden E. anlangenden Legaten, dem Bischofe von Bologna, Thomas Parentucelli, und dem Auditor der Rota, Joh. Carvajal, die geheimen Verhandlungen. Wie ermüdete, erbitterte, demüthigte des Kaisers nimmermüde Lust zu fordern und schreckliche Zähigkeit im Festhalten eigenen Vortheils die Gesandten des Papstes! Aber im Spätherbste war man dennoch einig, was Friedrich III. für die Obedienz in den österreichischen Erblanden – das ward besonders verhandelt – sofort zu gewähren sei. Schon auch hatte man in Rom eine vorläufige Formel für das, was er jetzt und in Hinkunft erreichen sollte, wenn die Obedienz auch des deutschen Königs und Reiches Thatsache geworden. Carvajal selbst erstattete in Rom Bericht, worauf der Papst unverweilt vollzog, was für die österreichische Obedienz zugesagt war. Und nun sorgte die Curie, kühn und rücksichtslos, selbst dafür, daß der neue königliche Bruder voranmußte auf der betretenen Bahn: am 9. Februar 1446 sprach Eugen IV. die Absetzung der Erzbischöfe von Köln und Trier aus und vollzog sofort die Ernennung neuer Inhaber der erledigten Sitze, die nach ihren Verbindungen wohl in der Lage zu sein schienen, die überwiesenen Kurstühle auch in der That in Besitz zu nehmen. Wie ein betäubender Donnerschlag wirkte diese Kunde im Reiche und am kaiserlichen Hofe! Nun zwang schon die Pflicht der Selbsterhaltung die abgesetzten Kurfürsten, sich entweder direct zu Felix V. zu bekennen, um mit seiner und der Basler Hilfe sich zu behaupten Rom zum Trotze, – das mußte auch den Kaiser nöthigen, nun seinem Pacte mit Papst Eugen entsprechend offen Partei zu nehmen, – oder auf die weitere Opposition zu verzichten und die Gnade Roms zu suchen, was auch den Kaiser der schweren Sorge vor offenem Zwiespalt mit den Fürsten anläßlich seiner Kirchenpolitik überheben mußte. Thatsächlich geht von nun an Friedrich III., auf den überdies die Legaten mit Mahnungen und Rathschlägen, Enea Silvio mit seiner Staatsschrift „De ortu et auctoritate Romani imperii“, eine Verherrlichung der Theorie von der absoluten Gewalt des Inhabers der Reichskrone, einzuwirken suchten, mit der Curie Hand in Hand. Und Rom täuschte sich auch nicht bezüglich dessen, was weiter geschah. Zwar zeigten die Abgesetzten maßlose Erbitterung, aber sich mit ihren Freunden offen und völlig für Felix V. zu erklären, wagten sie dennoch nicht. Sie suchten vielmehr Deckung hinter der kurfürstlichen Vereinigung, die doch nur zu haben war, wenn man Maßregeln vorschlug, welche auch die nicht felicianischen Mitglieder des Collegiums, Mainz und Brandenburg, annehmen konnten. So gipfelten die Beschlüsse des Kurtages vom 21. März, in so schroffer Form sie auch gefaßt waren, doch in dem Erbieten noch mehr gegen Rom als gegen Basel, gegen entsprechende Vergünstigungen für die deutsche Nation von der Neutralität lassen zu wollen; – natürlich wurde von Eugen IV. auch die Wiedereinsetzung des von Köln und Trier gefordert –; so erkannte ferner das Kurfürstencollegium doch auch die Mitwirkung des Kaisers beim kirchlichen Friedenswerke für nothwendig an und wurde Friedrich III. eingeladen, an den Verhandlungen theilzunehmen. Und der Kaiser, weit entfernt, sich von Beschlüssen, die ohne ihn gefaßt waren, verpflichtet zu fühlen, gewann damit die treffliche Handhabe, mit allen Mitteln für die Verständigung zu arbeiten und zu versuchen, wie er, ohne sich formell von seinen Fürsten zu trennen, doch die Anerkennung der römischen Obedienz von Seiten des Reiches herbeiführe und [213] den bedungenen reichen Lohn erlange. Sieht schon aus diesen Grundsätzen der kaiserlichen Politik überall der P. heraus, so war es auch wesentlich seiner Schlauheit und rastlosen Thätigkeit überlassen, in Rom, wohin er als Gesandter des Kaisers zugleich mit den Boten der Kurfürsten zog, für deren Verwirklichung persönlich einzutreten (Juni, August 1446). Er hat seine Legation, von dem Standpunkte seines Herrn aus betrachtet, glänzend geführt. Ihm vor allem war es zuzuschreiben, daß die Curie, durch keine Herausforderung, namentlich Gregor Heimburgs, beirrt, den Intentionen des Kaisers, zu friedlicher Vereinbarung zu kommen, mit ungewöhnlicher Mäßigung Rechnung trug; und er, der nun endlich die Priesterweihe und damit die Aussicht auf höhere kirchliche Würden empfing, hatte dann auf dem September-Reichstage in Frankfurt 1446 die schwierige Aufgabe zu lösen, neben den Legaten die halben Antworten und Zusagen Eugens IV. mit den berechtigten Forderungen der deutschen Nation in Einklang zu bringen. In der That war es E., der nach scharfem Gezänk einen plötzlichen völligen Umschwung zu Gunsten Roms herbeiführte, indem er durch Bestechung der kurmainzischen Räthe und Umarbeitung der deutschen Forderungen in eine Form, die Rom annehmen konnte und Dietrich von Mainz noch gelten ließ, diesen auf die päpstlich-kaiserliche Seite zog, ihn und die ganze Reihe kaiserlich und römisch gesinnter Reichsstände durch den Vertrag vom 5. October geradezu verpflichtete, gegen die Genehmigung der so gefaßten Artikel hin in die römische Obedienz zu treten. Was noch im deutschen Kirchenstreite nachfolgte, war eine fortgesetzte Reihe von Siegen Roms und Niederlagen des Reiches. An allem hatte der P. den hervorragendsten Antheil. Die kurfürstliche Opposition, jetzt noch weniger als vordem zum äußersten entschlossen, fügte sich soweit, daß auch sie an der neuen Botschaft nach Rom sich betheiligte. Die Basler Boten, noch eben hoffnungsreich, verließen tiefentmuthigt den Reichstag. In Rom fand man sich durch die Haltung des Kaisers und das Bündniß vom 5. October bereits so sehr ermuthigt, daß die Mehrheit des Cardinalcollegiums auch die Zustimmung zu den Punkten Enea’s, aus denen doch dieser „alles Gift herausgedrückt“ hatte, verweigerte; die Deutschen ließen sich neue Verhandlung und mit ihr neue Herabminderung ihrer Forderungen wie Clauseln bei dem Zugestandenen gefallen, worauf denn endlich die Einigung zu Stande kam. In den Bullen vom 5. und 7. Februar gewährte der Papst der deutschen Nation eine Anzahl Sonderrechte, wurden die Kurfürsten von Köln und Trier restituirt, die deutschen Kirchenverhältnisse geordnet. Am selben Tage leisteten mit Enea, der im Namen des Kaisers sprach, die Boten der Verbündeten vom 5. October dem todkranken Papste die Obedienz. Die Sendung eines Legaten ins Reich, um über die in dem Reichstagsbeschlusse vom 26. März 1439 versprochene Entschädigung für die aufzulassenden Annaten zu verhandeln, ward zugesagt. Es war der weitblickende Carvajal, dem dieser Auftrag zu Theil wurde. Er vereinbarte mit dem Kaiser daß sogenannte Wiener Concordat vom 17. Februar 1448, welches, da sich die Ersatzfrage außerordentlich schwierig erwies, die Annaten dem Wesen nach bestehen ließ und nur Erleichterungen derselben und Abstellung der so zahlreichen Mißbräuche brachte oder richtiger versprach. Man ließ es sich im Reiche, wenn auch zum Theile spät und widerwillig, ebenso gefallen, wie schon am 12. Juli 1447 ein Convent der eugenianischen Fürsten zu Aschaffenburg sich mit den Bullen vom 5. und 7. Februar zufrieden erklärt, worauf der Kaiser durch das Patent vom 21. Aug. sich offen im Namen des Reiches dafür aussprach und auch die dissentirenden Fürsten, darunter Dietrich von Köln und der Pfalzgraf von Enea Silvio in persönlicher Mission, zur Obedienz gegen den Nachfolger Eugens IV. (Nicolaus V. = Thomas Parentucelli) bewogen wurden. Schon war auch für Enea Silvio nach so langer erfolgreichster Mühewaltung für seinen Herrn und Rom die Zeit der [214] Ernte gekommen. Als am 6. April 1447 Nicolo d’Aldegardi, Bischof von Triest, starb, da präsentirte der Kaiser Enea zum Nachfolger; aber noch ehe die Präsentation anlangte, hatte Papst Nicolaus Enea’s Ernennung vollzogen. Anderweitige Anerkennung blieb nicht aus; freilich auch nicht der Haß und die Verachtung nicht blos so mancher der alten Freunde in Basel, sondern auch von Männern, die ohne persönlichen Antheil an diesen Dingen doch in dem Benehmen des P. den scharfen Gegensatz zwischen „Einst“ und „Jetzt“ erkannten. In der Zeit sind die sogenannten „Retractionen“ entstanden, in denen Enea die innere Folgerichtigkeit seines Thuns, auch wo der Schein gegen ihn zeuge, zu erweisen sucht oder offen seine ehemalige Haltung als menschliche Verirrung beklagt. Gehindert haben ihn derlei bittere Erlebnisse nicht an weiteren Erfolgen und weiterem Bemühen in gleicher Richtung. Zum erstenmale selbständig in weltlichen Dingen thätig führte der Elect von Triest nach dem Tode des letzten Visconti († 13. August 1447) in zweimaliger Mission (October-November 1447, Sommer 1449) die Verhandlung mit den Mailändern über ihren Eintritt in ein directes Schutzverhältniß zu dem Kaiser. Es war nicht seine Schuld, daß die in mehreren Momenten ziemlich aussichtsvolle Sache schließlich dennoch mißrieth. Enea hatte den nächsten Antheil an jenen ersten Berathungtn über den Römerzug Kaiser Friedrichs III. 1447, so wie er, der seit 1444/45 die ungarisch-böhmischen Dinge und den künftigen Herrscher beider Reiche, den nachgeborenen Ladislaus sorgsam beachtete, zu gleicher Zeit den Versuch machte, seinen bischöflichen Pflichten direct zu entsprechen. Deshalb konnte der Sturz seines Gönners Schlick, der bald darauf starb (16. Juli 1449), Enea’s Stellung zwar erschüttern aber nicht entwurzeln; er gewann eben nur Muße, wenigstens einige Zeit sich nach Triest zurückzuziehen. Alsdann, weil die Dinge im Reiche wie in den ladislav’schen Landen sich friedlicher anließen, der Kaiser den Plan seiner Krönung in Rom und zugleich seine Vermählung mit Leonor von Portugal ernstlich ins Auge faßte, da fand sich für die Verhandlungen mit den italienischen Staaten und um als frei persönlicher Vertreter die Heirathsberedungen am befreundeten Hofe König Alfonsos von Neapel zu pflegen, kein geschickterer Botschafter als der welterfahrene redegewandte Bischof von Triest, dessen treue Ergebenheit ebenso außer Zweifel stand, wie seine zahlreichen Verbindungen und sein ehrgeiziges Emporstreben für und gegen ihn sprachen. Im November 1449 ging Enea nach Italien voraus, in seiner jetzigen Eigenschaft nicht weniger am Platze als zuvor in der schwierigen Kirchensache, in Venedig, Ferrara, Bologna, Florenz, Siena, Rom, Neapel glänzend als Redner und Gelehrter, wie als Staatsmann und Dichter, dem Papste in Rom willig zur Hand, als es galt, der Forderung nach einem Concil in Frankreich mit der gleichen (fingirten?) Bitte des Kaisers um ein solches im Reiche zu begegnen, hier wie überall allein (1450) und an der Seite des Kaisers (1452) glücklich in dem, was er unternahm, geradezu Friedrichs III. vornehmster diplomatischer Berather. Das Bisthum seiner Vaterstadt Siena und damit der reichsfürstliche Stand, Sitz und Stimme in dem kaiserlichen Rathe waren der Lohn für solche Verdienste. Dazwischen finden wir Enea in Böhmen, erst auf dem Landtage zu Beneschau, wo er die Mission hatte, die auf die Auslieferung ihres jungen Königs dringenden Stände im Namen des kaiserlichen Vormundes zu weiterer Geduld zu mahnen – damals gewann er in persönlicher Beredung mit dem Gubernator Georg Podiebrad jene persönlichen Eindrücke von diesem merkwürdigen Mann, die dann, als Georg König, er selbst Papst geworden, wesentlich seine böhmische Kirchenpolitik bestimmten (Juli 1451); dann weilte er in Tabor, wo er, natürlich nutzlos, mit den Priestern disputirte, in Budweis, Krummau. Als apostolischer Legat für Deutschland mit dem Kaiserpaare aus Italien heimgekehrt, blieb Enea nicht minder des Kaisers [215] einflußreicher Rath auch in allen nichtkirchlichen Angelegenheiten, namentlich bei den Auseinandersetzungen mit den Oesterreichern, Böhmen und Ungarn in Wien (December 1452 bis Frühjahr 1453) nach der erzwungenen Auslieferung König Ladislaus, sowie in den Verhandlungen behufs endgültiger Beilegung zwischen deutschen Fürsten und Städten in Sachen des eben erst geführten Städtekrieges. Aber der Lohn, den er für solche Geschäftigkeit erwartete, für den sich seit den Tagen der Kaiserkrönung auch Friedrich III. bemühte, der Cardinalshut, ward Enea nicht zu Theil. Erst die gewaltige Bewegung, die nach dem Falle von Constantinopel (31. Mai 1453) durch Europa ging, brachte ihm als Frucht rastlosester Bemühungen die ersehnte Würde. Hier endlich trieben Enea mehr noch als Eigennutz und Ehrgeiz die Ueberzeugung von der ungeheuren Gefahr, mit der die anwachsende Osmanenmacht das christliche Abendland bedrohte, der wahre lebendige Eifer, zugleich für das Interesse der europäischen christlichen Cultur thätig zu sein. Es begannen für P. zur Zeit, als er vorzeitig alt und grau, auch von Gicht und Steinschmerzen vielfach heimgesucht und materiell keineswegs glänzend situirt, da der Kaiser überall karg war und die Einkünfte aus Siena mehr den armen Verwandten als Enea zu Gute kamen, um einen Urlaub angesucht hatte, mit der Agitation für einen allgemeinen Türkenzug der christlichen Völker und Fürsten neue Mühen, aber auch neue Aussichten auf Erfolge. Auf den Fürstencongressen und Reichstagen zu Regensburg (Mai 1454), Frankfurt (October, November 1454) und Wiener Neustadt (März, April 1455) glänzte der Bischof von Siena nicht nur als Vertreter des Kaisers und gewandter Redner und Diplomat, sondern er durfte auch von sich sagen, daß es ihm völlig ernst war um die Sache, für die er eintrat und daß er das unter den gegebenen Umständen mögliche leistete. Erzielt wurde freilich auf allen diesen Tagen nichts und der Cardinalshut, den er bei allem wahren Eifer doch niemals aus den Augen ließ, wollte sich trotz directer und indirecter Mahnung an maßgebender Stelle nicht zeigen. Dazu verhalfen ihm auch nicht die Anstrengungen, die er seit 1454 machte, um die Rückführung der böhmischen Utraquisten zur völligen Union mit der römischen Kirche zu erreichen und die Verdienste, die er sich gewiß auch um die Vereitelung jener ersten Pläne einer römischen Königswahl neben und gegen den Kaiser (1454, 1455) erwarb. Nicolaus V., der dem Kaiser versprochen hatte, bei der ersten Cardinalpromotion den Bischof von Siena zu berücksichtigen, starb, ehe er überhaupt zu einer Ernennung kam. Darum und des Aufenthaltes im rauheren Norden überdrüssig, blieb Enea, von dem Kaiser an der Spitze der Obedienzgesellschaft zu dem neuen Papste Calixtus III. (Rodrigo Borgia) gesandt, (Mai 1455) in Rom zurück, nach wie vor bestrebt, dem Kaiser zu dienen, erste Autorität in allen Angelegenheiten der deutschen Kirche, stets bedacht, gefördert von Friedrich III., König Ladislaus von Böhmen, König Alfonso von Neapel und unterstützt durch den gemeinsamen Eifer für den Türkenkrieg bei Calixt seine Erhebung zu betreiben. Trotzdem bei der ersten Nomination (20. Febr. 1456) übergangen, erreichte er schließlich aus geringfügigem Anlasse, was ihm so lange für die größten Verdienste um die Curie versagt worden war. Als Enea wegen eines Streites zwischen Siena und dem Condottiere Piccinino bei dessen Patron Alfonso von Neapel weilend, nicht bloß seiner Vaterstadt den Frieden gewann, sondern auch glänzende Verheißungen des Königs bezüglich des Türkenkrieges an die Curie heimbrachte, da wurde er am 18. December 1456 von dem hocherfreuten Papste endlich ernannt. Nun Cardinalpriester von Santa-Sabina blieb er doch kraft päpstlicher Dispens auch Bischof von Siena.

Auch im Purpur vergaß Enea die Mittel und Wege nicht, durch die er emporgekommen war. Obgleich er klug sich den herrschenden Borgias anschloß, wußte er doch auch die übrigen Mitglieder des hl. Collegiums, jeden in der [216] Weise, die sich aus Charakter und Neigungen ergab, zu gewinnen und in der Freundschaft zu erhalten; der Cardinal P. hatte unter seinen Genossen keinen Feind. Leider erstreckte sich diese Erinnerung auch auf seine Thätigkeit in den Gängen der deutschen Kirchenbewegung. Nicht daß er die päpstliche Correspondenz mit dem Kaiser, dem Könige von Ungarn und dem bei ihm weilenden Cardinal von S. Angelo (Juan Carvajal), und den deutschen Prälaten führte, auch nicht, daß er namentlich aus deutschen Pfründen sich sein Cardinalat dotiren ließ war dabei die Hauptsache: ersteres konnte ja in keine erfahrenere Hand gelegt werden, und wenn die Deutschen schon einmal in fremde Taschen zahlen mußten, so kam es nicht so sehr darauf an, ob es eine italienische oder etwa spanische war. Aber verhängnißvoll war, daß der Cardinal den kirchlich-reformatorischen Anläufen, welche nach kurzer Ruhepause Deutschland in den Jahren 1452–1457 sah, ebenso entschieden entgegentrat, wie zuvor 1444 bis 1448, wobei seine reiche Erfahrung, die Erinnerung an die Ueberwindung weit größerer Gefahren schwer ins Gewicht fielen. Denn verdienten auch die Männer, welche an der Spitze der Bewegung standen, Jacob von Trier und Dietrich von Mainz, ihre Niederlage vollends – den Papst zu bedrängen, damit er „mehr Acht und Auge habe auf die Obersten der Nation und denen ungebeten gebe, denen er jetzt, so sie bitten versagt“, der nackte Egoismus also war ihr Zweck –, daß der „deutsche“ Cardinal so gar kein Gefühl besaß für die wirklich schweren Schäden der deutschen Kirche, die sich sehr wol getrennt von den Personalien behandeln ließen, daß er auch im Purpur diese Dinge vom politischen und nicht vom seelenhirtlichen Standpunkte ansah, muß ihm mit Recht vorgeworfen werden; der Nation und der Kirche erwuchs daraus uneinbringlicher Nachtheil. So bleiben die Generalreservation auf deutsche Pfründer bis zu einem Jahreseinkommen von 2000 Ducaten, die er erlangte und verwertete, und seine Schreiben vom 31. August und 30. September 1457, in welchen er die bestehenden kirchlichen Ordnungen im Reiche in Schutz nahm, die Hauptpunkte seiner Deutschland berührenden Thätigkeit. Neben dieser und vielfach anderer Beschäftigung blieb dem Cardinal endlich die erwünschte Muße für seine humanistischen Neigungen: sein Rang, seine Mittel, seine Zeit und Kraft, die freilich leider im Vergehen war, all seine weitreichenden Verbindungen sind in ihren Dienst gestellt. Als Redner und Statistiker, als Historiker und Philosoph, als Gelehrter und Dichter hat Enea P. vor allem in den Jahren des Cardinalats seinen Ruhm begründet. Er weilte eben in Viterbo, wo er seine böhmische Geschichte redigirte, seine römische Geschichte schrieb, in stillem Behagen „die Summe seines bisherigen Lebens zog“, als die Kunde kam vom Tode Papst Calixt III. († 6. August 1458), die ihn zum Conclave nach Rom rief. Am 19. August war er selbst Papst, nach heftigem Kampfe zwischen anderen Candidaten gern erkohren; am 3. September folgte die feierliche Krönung. Er nannte sich (wohl in Erinnerung an das vergilianische Attribut des Troers Aeneas) Pius (II.).

Noch mehr wie bisher müssen wir uns im Folgenden auf die auf Deutschland bezügliche Thätigkeit des neuen Papstes beschränken. Hatte Pius II. auf vielfach gewundenem Wege sein Emporkommen gefunden: einmal Träger der dreifachen Krone hat er, soweit es ihm nach Charakteranlage, Bildung und Vergangenheit nur möglich war, seinen Beruf in ganzer Höhe zu erfassen sich bemüht und gestrebt, losgelöst von persönlicher Neigung und Meinung, was er an Zeit und Kraft noch besaß, nach seiner besten Einsicht der ihm anvertrauten Kirche zu widmen. Von den Tagen seiner Erhebung angefangen (am 13. October wurde der Beschluß gefaßt, den Mantuaner Congreß einzuberufen) bis zur Stunde seines Todes hat er mit rastlosem Eifer den gemeinsamen Zug des christlichen Abendlandes betrieben, ohne doch wesentliches zu erreichen. Aber sowie [217] er hier büßen mußte für so manche Schuld seiner Vorgänger, so waren die herben Erfahrungen gerade auf dem alten Felde seiner Thätigkeit, waren die bitteren Fehden mit deutschen Prälaten und Fürsten und dem Böhmenkönige Georg zum guten Theile Ergebniß eigensten Verschuldens. Was er als Bischof und Cardinal geübt, wirkte eben in den Tagen seines Papates nach. Er, der sich die reichste Erfahrung in den deutschen Dingen zutraute, hat hier die schwersten Fehler gemacht, weil er, durch momentane und zufällige Erfolge verleitet, sich nicht gewöhnt hatte, hinter den äußeren Thatsachen die wirkenden Ideen zu erkennen. Schon gleich der Mantuaner Congreß hat dies gezeigt. Wie schwer hielt es für ihn, obwohl er selbst zu rechter Zeit am Platze war, eine nur halbwegs angemessene Vertretung der deutschen Fürsten, den Kaiser nicht ausgenommen, zu erreichen, wie hart ging es bei der Verhandlung mit ihnen her, und als dann doch endlich gewisse Zusagen gemacht worden waren, so sah der Papst auch deren Erfüllung wieder noch an die Beschlüsse zweier Reichstage, zu Regensburg und Wien, geknüpft (1460), auf denen dann doch schließlich wieder alles verweigert wurde! Alles wie auf den Reichstagen überhaupt, über deren Verlauf und Unfruchtbarkeit P. einst selbst gespottet! Und sowie vor sechs Jahren die Fürsten die eigene Lässigkeit und Schuld beschönigt hatten, indem sie den Kaiser für die Zustände im Reiche, die ihnen jede Leistung für den Türkenzug verböten, verantwortlich machten, so erwuchs auch jetzt auf ähnlichem Boden eine neue oppositionelle Bewegung gegen das Oberhaupt der Kirche, dem man sich in der Türkensache versagt hatte. Sie fand reichliche Nahrung in den Conflicten, die zwischen dem ersten Prälaten des Reiches, dem Erzbischofe Diether (von Isenburg) von Mainz und dem Papste, dann zwischen diesem und dem Herzoge Sigmund von Oesterreich-Tirol immer heftiger entbrannten. Während aber in diesen beiden Fehden (sie werden hier nicht näher erörtert mit Rücksicht auf A. D. B. V, 164–170, Art. „Diether von Isenburg“, und IV, 655–662, Art. „Cusanus“, zu dem aber die biographische Skizze Herzog Sigismunds von Oesterreich-Tirol die nöthigen Ergänzungen zu bringen haben wird) die Curie bei aller moralischen Schädigung wenigstens eines formellen Sieges sich rühmen konnte, mußte der Papst erleben, daß der Streit mit dem utraquistischen Böhmen je länger desto weitere Kreise zog, und fiel das Ende seiner Tage, so schien es, geradezu mit dem Wiederausbruch der Hussitenkriege zusammen.

Nach dem Tode des Habsburgers Ladislaus († 23. Nov. 1457) war es dem verdienten Gubernator des Königreichs Böhmen durch eine keineswegs regelrechte Wahl gelungen, sich zum Herrscher seines Heimathlandes aufzuschwingen (2. März 1458). Er wußte dabei nicht bloß die katholischen Herren und Städte Böhmens durch die Verheißung völliger Duldung, ja ausgiebigen Schutzes für ihre Confession zu gewinnen, sondern erreichte vor der in altkatholischer Weise vollzogenen Krönung auch die Gunst der Kirche, indem er im geheimen selbst zum Katholicismus übertrat und sich eidlich verpflichtete, den rückhaltlosen Wiedereintritt der Utraquisten in die Liturgie der Kirche, die Aufgebung der Compactaten, durchzuführen. Darauf hin erkannte nicht blos Calixtus III. – offenbar von dem Cardinal P. berathen – und dieser selbst, als er Papst geworden war, den nationalen König an, sondern die Curie unterstützte ihn auch nachdrücklich bei seinen Bemühungen, die Anerkennung der katholischen Nebenländer Böhmems zu finden, namentlich bei der Aussöhnung mit dem mächtigen Breslau (Januar 1460). Aber sie wartete umsonst, daß der König sich offen als Katholik bekenne und die Union durchführe. Die Gesandtschaft, welche der König im Frühjahr 1462 in Rom hatte, überbrachte vielmehr statt der Aufgebung der Compactaten – der König hatte sich bei einem Versuche, Ostern 1461, überzeugt, daß er [218] Unmögliches versprochen hatte und seine offene Lossagung vom Kelche ihm die schwersten Conflicte, sehr wahrscheinlich die Krone kosten würde – die Bitte, der Papst möge, um den kirchlichen Frieden in Böhmen zwischen Katholiken und Utraquisten dauernd zu machen, die religiöse Stellung der letzteren durch die Bestätigung der Compactaten legitimiren. Statt nun die Bitten des Königs, von ihm nicht Unmögliches zu begehren, zu würdigen und sich mit seinen anderweitigen Erbietungen dafür – sie waren freilich zum Theile windig – zu begnügen, hielt Pius II. noch jetzt an seiner seit 1451 gehegten Ueberzeugung fest, die Union mit den Utraquisten sei durchführbar und der König im Stande, sie zu vollbringen, wenn er nur ernstlich für die Erfüllung seiner Krönungszusagen eintrete, wobei ihn ja die Curie mit allen Kräften unterstützen würde. Um dem Könige ja jeden Zweifel und Ausweg zu nehmen, sprach deshalb Pius II. in feierlichem Consistorium die Aufhebung der Compactaten aus (31. März 1462), und indem er einen Legaten, den bisherigen Procurator des Königs in Rom, Fantinus de Valle, nach Böhmen sandte, stellte er den König vor die Wahl, sich zu unterwerfen – das war der Krieg mit den Utraquisten –, oder zu trotzen: dann beschwor er als Meineidiger den Kampf mit Rom herauf. Daß P. damit mit dem schuldigen Könige ein unschuldiges Land in die Verheerungen eines Krieges riß, bewog den hl. Vater nicht zur Milde. Der König erklärte sich für sein utraquistisches Volk, und indem er sich bemühte, die eigenen Lande in Ruhe zu halten, womöglich auch seine katholischen Unterthanen zu sich herüberzuziehen, was freilich mißlang, und seine Stellung im Reiche Böhmen zu stärken, begann er ungesäumt den diplomatischen Kampf mit der Curie, welcher es ihr thatsächlich unmöglich machte, trotz der wachsenden Erbitterung des hl. Vaters gegen den Hussitenkönig von ihren Strafmitteln Gebrauch zu machen. Denn in dem Kaiser und einer Anzahl deutscher Fürsten gewann der König, wenn auch sein großer Plan eines europäischen Fürstenbundes, der ihm eventuell auch gegen Rom Deckung leihen sollte, versagte, aufrichtige Bündner und Fürsprecher. Namentlich aber war es die Rücksicht auf den an die Hülfe des Böhmen gewiesenen Kaiser, dem jener auch aus seiner von den Wienern belagerten Burg half, was Pius II. zu stets neuem Zögern und neuer Verhandlung vermochte. Erst als alle Aussicht auf friedliche Verständigung, darauf, daß der König seine gegebenen Zusagen je erfüllen werde, verschwunden war, anderseits diesem ebenso in dem unzufriedenen böhmischen Herrenstande Gegner erwuchsen, wie er seinerseits, das im Schutze des Papstes befindliche Breslau feindlich bedrohte, da schritt Pius II., ungern und widerwillig – es lag darin das Eingeständniß langen Irrthums und der Keim zu gewaltigen Kämpfen, für welche die Kirche keineswegs die Mittel bereit hatte – zur Citation des wortbrüchigen Königs im Consistorium vom 16. Juni 1464. Andern Tags erhob er sich, persönlich an dem Zuge gegen die Türken theilzunehmen. Da traf ihn, während er die Flotte der Venezianer in Ancona erwarte, im Angesicht derselben der Tod, am 14. August 1464. Die Citationsbulle gegen den Böhmenkönig blieb unausgefertigt.

Pius’ II. Wesen und Charakter erhellt aus dem Vorhergehenden. War er, wie er so oft genannt wird, Apostat? Wohl stand er erst auf der Seite der Basler und ward dann der entschiedene Verfechter der Principien Eugens IV.; die Basler mochten ihn wol als Apostaten ansehen. Bezeichnet aber Apostasie den Wechsel der Ueberzeugungen oder richtiger die Verleugnung seiner besseren Meinung andern Anschauungen gegenüber wegen äußerer Vortheile, dann verdient Enea P. so wenig, ja weniger noch als etwa Julian Cesarini in solcher Weise gebrandmarkt zu werden. Legte Julian, ein warmer Freund der Reform, sie schmerzerfüllt zur Seite, als er die Maßnahmen des Concils nicht mehr vor sich zu rechtfertigen wußte und stellte er sich dann rückhaltlos in die Dienste Roms, [219] so trieb der junge lebenslustige blutarme Sanese erst steuerlos im Gewoge der Meinungen, jener klug huldigend, die ihm Brod und Aussichten gab, um erst in späteren Jahren die Principien des römischen Hofes zu den eigenen zu machen und ihnen sein ganzes Können zu widmen. „Er war“ – des Dichters Wort auf ihn angewendet – „ein Kämpfer, denn er war ein Mensch.“

Vgl. G. Voigt, Enea Silvio de’ Piccolomini als Papst Pius der Zweite und sein Zeitalter. 3 Bde. Berlin 1856–1863; der trefflichen Forschung entspricht aber nicht die Höhe des Gesammturtheils Voigts. – L. Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance I (bis zur Wahl Pius II.), Freiburg 1886, hat unsere bezügliche Kenntniß wenig gefördert. – Für die Periode von 1452–1464: A. Bachmann, die ersten Versuche einer römischen Königswahl unter Friedrich III., Forsch. zur deutsch. Gesch. XVII. 1877. – A. Bachmann, Ein Jahr böhmischer Geschichte, Arch. f. österr. Gesch. LIV. – G. Voigt, Georg von Böhmen, der Hussitenkönig. Histor. Zeitschr. V (Neue Folge, 1861). – A. Bachmann, deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. und Max I., I, Leipzig 1884. – Die für die Zeiten der Neutralität (1438–1447) gebrachten neuen Anschauungen nach einer demnächst zur Veröffentlichung gelangenden größeren Abhandlung des Verf.