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ADB:Holland, Wilhelm

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Artikel „Holland, Wilhelm“ von Rudolf Krauß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 448–450, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holland,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:21 Uhr UTC)
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Holland: Wilhelm Ludwig H., Germanist und Romanist, geboren am 11. August 1822 zu Stuttgart, † am 23. August 1891 zu Tübingen. Der Sohn eines württembergischen Beamten, verbrachte er die Jugend- und Schuljahre in seiner Vaterstadt, studirte in Tübingen und Berlin germanische und romanische Philologie und ließ sich, nachdem er noch ein Jahr zu seiner weiteren Ausbildung in Paris geweilt hatte, 1847 als Privatdocent an der heimathlichen Universität nieder, wo er, später zum außerordentlichen Professor vorrückend, bis an sein Ende über germanische und romanische Philologie und [449] Litteratur Vorlesungen hielt. Ohne je verheirathet zu sein, führte er ein einsames und stilles Gelehrtenleben; mancherlei bis zu Wunderlichkeiten gesteigerte Eigenthümlichkeiten seines Wesens gaben den Anlaß, daß zahlreiche Anekdoten und Legenden über ihn im Schwung waren. In den Tübinger akademischen Kreisen fühlte er sich nicht recht behaglich. Doch verbanden ihn mit Ludwig Uhland wie mit seinem Fachgenossen Adalbert Keller enge Freundschaftsbande. Seine Beziehungen zu Uhland, dessen alten Schreibtisch er ererbte und in höchsten Ehren hielt, wurden sein Stolz und sein Glück, und wenn er auf den heimgegangenen Freund zu reden kam, ging ihm das Herz auf und floß ihm der Mund über. Sonst legte er auf seine Verbindungen mit fremden Gelehrten den Hauptwerth. In der That fand H. gerade im Ausland reiche Anerkennung, die auch darin sich ausdrückte, daß ihn zahlreiche gelehrte Gesellschaften zu ihrem ordentlichen oder correspondirenden Mitglied ernannten.

Holland’s wissenschaftliche Arbeiten tragen alle den Stempel gründlichster Fachkenntniß, unermüdlichsten Fleißes und einer bis zur übertriebenen Peinlichkeit gesteigerten Sorgfalt. Er gehörte zu den zahlreichen deutschen Gelehrten, welche sich in der Genauigkeit gar nicht genug thun können, niemals zum Abschluß gelangen und deshalb keine ihren Fähigkeiten entsprechenden fertigen Werke der Nachwelt hinterlassen. Was H. geleistet hat, bezieht sich in der Hauptsache auf – allerdings sehr werthvolle – Ausgaben fremder Geisteserzeugnisse. Auf dem Gebiete der romanischen Litteratur beschäftigte er sich namentlich mit dem altfranzösischen Dichter Crestien von Troies, dem er (Tübingen 1854) eine eingehende „litteraturgeschichtliche Untersuchung“ widmete, Und dessen Epos „Li Romans dou Chevalier au Lyon“ er (Hannover, 1862) herausgab. Daran reihen sich mehrere kleine, zum Theil in Gemeinschaft mit Adalbert Keller veröffentlichte Arbeiten aus dem Bereiche der romanischen Philologie. In der Germanistik knüpft sich Holland’s Thätigkeit in erster Linie an den 1839 von Stuttgarter Gelehrten begründeten Litterarischen Verein, der erst zu rechter Blüte gelangte, als der Sitz von Stuttgart nach Tübingen verlegt wurde und A. Keller die Präsidentschaft übernahm. Nach seinem Tod 1883 trat H., vorher Ausschußmitglied, an die Spitze des Vereins, für dessen Bibliothek er die folgenden Publicationen besorgte: Nr. 21, Meister Altswert (1850), Nr. 36, Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig (1855), Nr. 56, Das Buch der Beispiele der alten Weisen (1860), Nr. 88, 107, 122, 132, 144 und 157, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, 2.–7. Sammlung (1867–1881; die erste Sammlung – Nr. 6 – hatte Wolfgang Menzel 1843 herausgegeben). Von den sonstigen Arbeiten H. seien nur noch seine Neuausgabe des Goethe’schen Faust-Fragments von 1790 (Freiburg i. B. u. Tübingen, 1882) und seine besonders werthvollen Leistungen für Uhland hervorgehoben. Er war es, der im Bunde mit A. Keller und Fr. Pfeiffer „Uhland’s Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage“ (Stuttgart 1865–73) in acht Bänden herausgab, der nach des Dichters Tod sich seiner Gedichte annahm und von der 47. Auflage an ihre Edition besorgte, sie auf Grund der Handschriften, Einzeldrucke und alten Ausgaben revidirte, bereicherte, im „Inhalt“ jedes Stück mit dem Jahr seines Ursprungs versah, später eine besondere „Uebersicht der Gedichte nach ihrer Entstehung“ hinzuthat. H. war es ferner, der lange Jahre, unter Benützung des Uhlandschen Nachlasses, Erläuterungen und Textvergleichungen zu einer großen kritischen und commentirten Ausgabe in rastloser Arbeit sammelte, ohne je mit dem Werke zu Stande zu kommen. Das von ihm zusammengetragene Material verwahrt jetzt die Tübinger Universitätsbibliothek; Julius Hartmann und [450] Erich Schmidt haben für ihre zweibändige kritische Ausgabe der Uhland’schen Gedichte (Stuttgart 1898) daraus geschöpft. H. selbst hat wenigstens noch eine kleinere Schrift zum Abschluß gelangen lassen: „Zu Ludwig Uhland’s Gedächtniß. Mittheilungen aus seiner akademischen Lehrthätigkeit“ (Leipzig 1886). In den letzten Lebensjahren war seine litterarische Thätigkeit durch körperliche Leiden stark gehemmt.

Zeitungsnekrologe, namentlich in der Tübinger Chronik vom 23. August 1891 (Nr. 196), in der Schwäbischen Kronik vom 24. August 1891 (Nr. 198, Abendblatt), in der Nationalzeitung vom 25. August 1891 (Nr. 491), im Staatsanzeiger für Württemberg vom 1. September 1891 (Nr. 202).