Zum Inhalt springen

ADB:Johann Christian

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Johann Christian, Herzog von Brieg“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 189–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Christian&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Johannes V. Turzo
Band 14 (1881), S. 189–200 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Christian (Brieg) in der Wikipedia
Johann Christian in Wikidata
GND-Nummer 121047156
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|14|189|200|Johann Christian, Herzog von Brieg|Carl Krebs|ADB:Johann Christian}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=121047156}}    

Johann Christian, Herzog von Brieg, geb. zu Ohlau am 28. August 1591, † am 25. December 1639, war der zweite Sohn des Herzogs Joachim Friedrich[WS 1] und der Prinzessin Anna Maria von Anhalt, einer Schwester des bekannten Unionspolitikers Christian von Anhalt-Bernburg. Er wurde zuerst unter Vormundschaft der Mutter, dann unter Leitung des Herzogs Karl von Münsterberg-Oels erzogen[WS 2], lebte eine Zeit lang am Hofe seiner Tante, der verwittweten Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg in Crossen und besuchte dann unter Führung seines Hofmeisters Adam v. Stange die Universität Straßburg. Darauf bereiste er verschiedene protestantische Fürstenhöfe des westlichen Deutschlands, hielt sich längere Zeit in Frankreich auf und kehrte 1609 zur Uebernahme der Regierung seines Fürstenthums nach Brieg zurück. Ende des folgenden Jahres vermählte er sich mit seiner Base Dorothea Sibylla von Brandenburg; bei der im März 1611 zunächst provisorisch erfolgten Theilung des väterlichen Erbes zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder Georg Rudolf erhielt er die Städte Brieg, Ohlau, Strehlen, Nimptsch, Kreuzburg und Pitschen mit den dazu gehörigen Aemtern und Dörfern, das sogenannte Amt Teichhaus und die Herrschaften Ketzerndorf und Köln. Der Ritschener Wald zwischen Ohlau und Brieg verblieb beiden Brüdern zur Ausübung der Jagd gemeinschaftlich. Als Rudolf II. in den Zwistigkeiten mit seinem Bruder Matthias für den April 1611 einen Generallandtag nach Prag berief, trat der 20jährige J. Chr. an die Spitze der von den schlesischen Fürsten dazu abgeordneten Personen und verhinderte mit großem Geschick die vom Kaiser geplante Spaltung zwischen Böhmen und den incorporirten Ländern. Trotz seiner Jugend brachte er es übers Herz, mannigfachen Nutzen für sich und Schlesien zu Gunsten der neuen Lehre und der alten Gemeinschaft mit Böhmen in die Schanze zu schlagen. Er stimmte zwar der Wahl des Matthias zum böhmischen Könige zu, forderte und erlangte aber Namens der Fürsten und Stände Schlesiens vor der Krönung einen Revers [190] darüber, daß Matthias alle Privilegien in Landes- und Profansachen, ferner die Union der Schlesier mit Böhmen bestätigen solle. Im Spätsommer 1611 erschien der neue böhmische König in Schlesien, um die Huldigung der Stände entgegenzunehmen. J. Chr. empfing ihn am 15. September an der Spitze seiner Ritterschaft in Liegnitz und nahm drei Tage darauf bei dem Einzuge des prunkliebenden Matthias in Breslau mit einem Gefolge von 690 Pferden theil. Aus einer gleichzeitigen Flugschrift erfahren wir, daß Matthias in Breslau den Versuch machte, die in Prag zugesagte Bestätigung der schlesischen Privilegien dadurch zu umgehen, daß er den altersschwachen Oberlandeshauptmann Karl von Oels durch Todesandrohungen zur bedingungslosen Huldigung zu bewegen suchte. J. Chr. und der Markgraf von Jägerndorf hätten damals „mit kräftigen Worten und mit dem Feuereifer der Jugend“ den Versuch des Kaisers vereitelt. Nach diesen geräuschvollen Wochen verlebte der Herzog eine Anzahl von Jahren in landesväterlicher Fürsorge für seine Unterthanen und in behaglichem Familienglücke an der Seite seiner von ihm über alles geliebten Gemahlin. Manche kleine Züge aus dieser Zeit beweisen uns, wie ernst und gewissenhaft J. Chr. sein fürstliches Amt auffaßte, sie verrathen leider aber auch, daß sein Leben – wie das fast aller übrigen deutschen Fürsten jener Tage – in engen Grenzen dahinfloß, daß es ohne große Ziele, ohne nennenswerthen Inhalt und daher wenig vorbereitend für die Stürme der kommenden Zeiten war. Wie kleinlich erscheint uns diese Regententhätigkeit, wenn wir hören, daß der Herzog den Bauern in den Dörfern um Strehlen befiehlt, den Brandschutt dieser Stadt abzufahren, wenn er sein Mißfallen darüber ausdrückt, daß „ein Steller“ auf einem Teiche des Fürstenthums einen Schwan geschossen, oder wenn er gar in einem langen Schreiben an den Brieger Rath die Durchprügelung eines ungezogenen Primaners vom Gymnasium verfügt! Der Herzog empfing ferner und erwiderte Besuche verschiedener fürstlicher Persönlichkeiten. 1610 war er z. B. in Jägerndorf bei der Hochzeit des Markgrafen Johann Georg mit Eva Christina von Württemberg[WS 3]. Es wird erzählt, daß er ein leidenschaftlicher Jäger, namentlich ein Freund von Schweinsjagden war, daß er sich an manchem Preisschießen für Büchse und Armbrust betheiligte. Nie artete indeß am Brieger Hofe die Freude am Leben in jenen grobsinnlichen Genuß aus, den wir am Anfange des 17. Jahrhunderts an vielen anderen deutschen Fürstenhöfen beobachten. Die eigene maßvolle Natur Johann Christians und das im besten Sinne ächt weibliche Wesen seiner Gemahlin ließen jene Vergnügungen des Tages vielmehr mit allerlei geistigen Genüssen abwechseln. Wir finden damals in der Umgebung Johann Christians eine ganze Reihe tüchtiger, auch über Schlesiens Grenzen hinaus rühmlichst bekannt gewordener Männer: Melchior und Heinrich v. Senitz, Peter und Adam v. Sebottendorf, Andreas Lange von Langenau, Johann Theodor von Tschesch, den bekannten Caspar Dornavius von Dornau, den Geschichtschreiber und Rector des Gymnasiums Jacob Schickfuß, dessen Nachfolger Laubanus u. A. Der Dichter Friedrich v. Logau aus Brockut bei Nimptsch besuchte in den Jahren 1614–25 das Brieger Gymnasium und wurde als Waise am fürstlichen Hofe erzogen. Auch für Malerei und Baukunst zeigte der Herzog Interesse, er betrieb das Zustandekommen einer Buchdruckerei, einer zweiten Apotheke und anderer gemeinnütziger Institute. Was Johann Christians Stellung zu den kirchlichen Fragen der Zeit betrifft, so ist zu bemerken, daß er schon 1604 in Berlin auf das reformirte Bekenntniß und den Heidelberger Katechismus confirmirt worden war. Im J. 1614 trat der Brieger Hof fast gleichzeitig mit dem verwandten Kurfürsten von Brandenburg ganz zur reformirten Lehre über, doch wurde das Abendmahl mit Brotbrechen erst am 25. December 1619 vom Herzoge, seiner Gemahlin und seiner Schwester Marie Sophie gefeiert. So sehr sich J. Chr. [191] auch bemühte, die über diesen Schritt erbitterten lutherischen Geistlichen seines Landes durch entgegenkommendes Verhalten zu versöhnen, so waren alle seine dahin abzielenden Maßregeln doch ohne Erfolg und die reformirte Confession blieb nur auf den Hof und dessen nächste Umgebung beschränkt. Welch tief religiöser Charakter J. Chr. war, geht aus seinem im August 1627 erschienenen „die Verbesserung des zerfallenen Christenthums“ betreffenden Ausschreiben hervor. Es sollte allen christlichen Regenten, Herrschaften, Predigern, Schullehrern, Eltern und Hausvätern als nützliche Vorschrift dienen und gab die innerste Herzensmeinung Johann Christians über praktisches Christenthum im Hause wieder; er habe, heißt es darin, sich schuldig erachtet, wenigstens für genügenden Unterricht in Gottes Wort zu sorgen. – Wie schon aus dem oben Erzählten hervorgeht, begann der Regierungsantritt des Herzogs in ernster Zeit, die den jungen Fürsten rasch in ihren Strudel zog und seine Erfahrung auf politischem Gebiete reifen ließ. Nach dem Tode des katholischen Herzogs Adam Wenzel von Teschen ernannte Kaiser Matthias im August 1617 J. Chr., den augenblicklich ältesten aller schlesischen Fürsten, in Prag zum Oberlandeshauptmann. Zunächst provisorisch, obwol die Stände lieber seine endgültige Bestallung gesehen hätten, da er „ein Fürst sei, den Gott der Allmächtige mit vielen Gaben begnadet“. Der bald darauf ausbrechende große Krieg machte sich auch in Schlesien fühlbar, wo die glaubenseifrige Haltung des Bischofs Karl von Neiße, eines Bruders des künftigen Kaisers, den protestantischen Ständen Anlaß zu manchen Klagen gab. Im August 1618 begab sich J. Chr. an der Spitze einer Gesandtschaft von 170 Personen auf kaiserlichen Befehl nach Wien; am 16. August überreichte er Matthias in feierlicher Audienz die Beschwerden der Schlesier über nicht weniger als 233 Punkte. Aber alles, was kaiserlicherseits darauf erfolgte, war die endgültige Uebertragung der Hauptmannschaft (30. August) an den Herzog. Obwol ein derartiger kaiserlicher Gunstbeweis bei der Charakteranlage Johann Christians ihn gewiß nicht zum Verräther an seiner Ueberzeugung machen konnte, so fühlte er sich durch seine amtliche Stellung doch vielfach gebunden und eingeengt. Am 3. September hatte er Wien verlassen, am 10. war er wohlbehalten wieder in Brieg angelangt. In eben diesen Tagen war nun der Markgraf von Jägerndorf, Oberbefehlshaber der mittlerweile geworbenen schlesischen Truppen, mit 3000 Mann, der Hälfte derselben, zwei Meilen weit über die schlesische Grenze in die Grafschaft Glatz vorgerückt, um den immer dringender werdenden Bitten der böhmischen Directoren um Hülfe gerecht zu werden. Letztere hatten schon Ende Mai, also unmittelbar nach dem Fenstersturze, unter Berufung auf die Convention vom 25. Juni 1609 Absendung der stipulirten Hülfstruppen durch die Schlesier verlangt. In Glatz war dem Markgrafen das Eigenmächtige seines Handelns und die Verantwortlichkeit seines Schrittes plötzlich schwer auf die Seele gefallen; er machte Halt und bat J. Chr. um Verhaltungsmaßregeln, um Billigung seines Thuns. Aber eine solche Zustimmung würde unserem Herzoge damals vielleicht als grobe Undankbarkeit erschienen sein; er befahl dem Markgrafen über die Grenze zurückzugehen, „da es zu diesem Fortzuge der Genehmigung der gesammten Stände bedürfe, auch erst gewisse Verhandlungen über Verwendung der Truppen vorausgehen müßten.“ Diese Entscheidung trug dem Herzoge von protestantischer Seite die lebhafteste Mißbilligung ein. Der Kurfürst von der Pfalz und Fürst Christian von Anhalt äußerten sie ihm in verschiedenen Schreiben ganz unverhohlen, und die böhmischen Stände waren begreiflicherweise aufs äußerste bestürzt. Colonna v. Fels schrieb unterm 20. September aus dem Lager bei Kuttenberg: Gott erwecke dem das Gewissen, der zu dieser Säumniß Ursache und Veranlassung gegeben! Als die Stände am 12. October die Absendung jener Truppen nach Böhmen doch noch beschlossen, verwandten sie die böhmischen [192] Generäle den Verträgen von 1609 zuwider sofort außerhalb ihres Landes bei einem Einfalle in Niederösterreich, so daß J. Chr. auf eine Beschwerde des Kaisers die Schuld der Schlesier an einem offensiven Vorgehen gegen ihn nur in sehr gewundenen Worten ablehnen konnte. Nach dem Tode des Matthias äußerte König Ferdinand gegen J. Chr. ein ganz besonderes Vertrauen und versicherte ihn seiner königlichen Gnade und Dankbarkeit; die schlesischen Stände schrieben damals an Ferdinand, sie hätten J. Chr. ersucht, sein Amt als Oberlandeshauptmann einstweilen weiter zu führen. Es ist hier nicht am Orte näher auf den Verlauf der politischen Ereignisse in Schlesien einzugehen. Nur so viel sei erwähnt, daß J. Chr. 1619 unter die 20 Defensoren des Landes gewählt wurde, und daß er an der Ausarbeitung der geheimen Instruction für die Wahl Friedrichs V. in Prag gewiß nicht unbetheiligt war. Im Februar 1620 erschien der neue König zur Entgegennahme der Huldigung in Schlesien; am 22. nahm er sein Nachtquartier im herzoglichen Schlosse zu Ohlau und am folgenden Tage begrüßte ihn J. Chr. an der Spitze der schlesischen Fürsten und Stände bei schneidender Kälte in der Nähe von Tschansch bei Breslau. Vier Tage später leisteten ihm die evangelischen Fürsten auf der Burg den Huldigungseid. Bei der protestantischen Strömung im Lande wurde der Herzog in seiner Stellung als Oberlandeshauptmann vielfach zu Zwangsmaßregeln gegen die katholischen Stände genöthigt, so z. B. 1620 gegen den „tergiversirenden“ Abt von Leubus, auf dessen zwei im Brieger Fürstenthum gelegene Güter ein Zwangsanlehen aufgenommen wurde. Um seine Unparteilichkeit nach allen Richtungen hin zu beweisen, erließ er in demselben Jahre ein Edict wider die den Reformirten feindlichen, zanksüchtigen lutherischen Geistlichen. Gegen Ende October 1620 kamen sieben nicht bezahlte Fähnlein der entlassenen Bautzener Garnison nach Breslau, lagerten sich vor der Stadt auf dem Anger in Gabitz, Neudorf und Lehmgruben und verlangten in stürmischer Weise Bezahlung und Abdankung. Zu fernerem Dienste verstanden sie sich erst, als der Herzog fünf Fahnen Fußvolk und sieben Cornet Reiter mit sechs Geschützen gegen sie vorrücken ließ. Trotz derartiger Vorgänge scheint ihm die ungünstige Kriegslage lange verborgen geblieben zu sein. Um die Mitte des J. 1620, als das Verderben schon in drohendem Anzuge war, spottet er noch über die Kriegsrüstungen des Kurfürsten von Sachsen: Es scheine, als ob dieser Lust habe „ein Thätlein zu wagen“. Erst in der Octoberversammlung der Stände erpreßt ihm die Noth des Augenblicks die offene Erklärung, „daß man bisher die Conföderationshülfen sehr spät fortgesendet und dem Gemeinwesen länger vorenthalten habe, als es verantwortlich gewesen.“ Mit Ernst und Nachdruck hielt er ihnen Gefahr und Pflicht vor Augen, obwol es ihm auch jetzt noch nicht gelang, den gewohnten ständischen Schlendrian zu überwinden. Deshalb „begann das resumirende Oberamtsvotum mit einer derben, ja heftigen Scheltrede“. In den Beschlüssen der Stände zeige sich die alte Nachlässigkeit; man wisse fast nicht, was man dazu sagen solle. Es sei eine Verletzung der Vasallenpflicht, wenn so viele fürstliche Häuser und die ansehnliche Ritterschaft Schlesiens sich dem Könige zuliebe in solchem Nothfalle nicht etwas angreifen wollten; man meine es eben nicht überall gut mit König und Vaterland. Obwol das Oberamt seiner Zeit davor gewarnt, habe man doch das Lied höher angefangen, als man es hinauszusingen vermöchte. Die in nicht geringer Zahl vorhandenen elenden Leute, die der Fleischtöpfe Aegyptens nicht vergessen könnten und die öffentlichen Angelegenheiten nach ihren Privatneigungen und Vortheilen zu beurtheilen pflegten, möchten sich hüten und ihren Huldigungseid wol in Acht nehmen. Es verdient bemerkt zu werden, daß diese männlichen Worte Johann Christians doch mehr einer augenblicklichen Aufwallung als tieferer Erregung entstammten, denn der Herzog stimmte schließlich selbst gewissen [193] Beschränkungen seiner Vorlage durch die Stände zu. Erst die Niederlage am weißen Berge öffnete ihm vollends die Augen. Er war zuerst so bestürzt, daß er dem flüchtigen Winterkönige die Bitte entgegensandte, in Glatz Halt zu machen, ja ihm selbst dahin entgegenreiste, um jenen vor dem Betreten der anticalvinisch gesinnten Stadt Breslau zu warnen. Bald fand er jedoch das alte Selbstvertrauen wieder. Noch im December formuliren die sicher in erster Linie von J. Chr. beeinflußten Fürsten eine Reihe von Vorschlägen radikalster Art. Sie sind der Meinung, daß trotz der Niederlage von Prag und des Verlustes von Mähren weiter gekämpft werden müsse und verlangen dazu die Einziehung des Bisthums Neiße, die Verwendung der Einkünfte aller Stifter und Klöster zum Besten des Landes, Absetzung der katholischen Rathsherren in Neiße, Sequestration des Herzogthums Teschen und der Herrschaften Pleß und Wartenberg, Aechtung des Burggrafen von Dohna, Auferlegung hoher Steuern für das gesammte Land u. A. Das waren Forderungen, denen selbst der eigene Bruder Johann Christians, Georg Rudolf von Liegnitz, nur mit halber Seele und die übrigen Fürsten augenscheinlich in noch geringerem Maße zustimmten. Nur J. Chr. blieb fest. „Seinem Fürsten ernst und standhaft die angelobte Treue zu halten, erschien diesem gewissenhaften Herzoge von Brieg als höchster Ehrenpunkt“, bemerkt der gewiegteste Kenner schlesischer Geschichte für diesen Zeitraum. Indeß bei dem Mangel an Thatkraft, den der „armselige Wicht“ Friedrich V. bewies und bei der wachsenden Muthlosigkeit im Lande blieben des Herzogs Anstrengungen fruchtlos. Wohl versuchte er dem Angebote der Friedensvermittelung Kursachsens bei der ständischen Januarversammlung von 1621 noch einmal mit einer kräftigen Verwahrung gegen die jetzt lauter werdenden Aeußerungen entgegenzutreten, als ob das ganze Verhältniß zu König Friedrich und der Conföderation nur ein leeres Spiel gewesen sei. Ob man denn auf nichts geschworen? Die Treue gegen den König höre da noch nicht auf, wo dessen Schutz zu Ende sei; dagegen spräche der Eid auf Treue nach höchstem Vermögen und mit Einsetzung von Gut und Blut. Noch habe Niemand zu diesem Zwecke ein Pferd gesattelt. Mit Bitterkeit gedachte der Fürst weiter des Leichtsinns, mit dem die Stände in die Verhandlungen mit Sachsen eingetreten waren, ohne ihm in seiner verantwortlichen Stellung als Oberlandeshauptmann einen besonderen Schutz auszubedingen und schloß seine hochbedeutsame Rede mit der Versicherung, daß, möchten die anderen Fürsten thun, was sie für recht hielten, er für seine Person sich vor Unterzeichnung des Vertrages mit Johann Georg von Sachsen erst Entlassung aus seinen Verpflichtungen durch König Friedrich ausbedinge. In der That, auch wenn wir sonst nichts von J. Chr. wüßten, dieses eine Manneswort mußte ihm für alle Zeiten einen Ehrenplatz unter den Fürsten Schlesiens sichern! Während dieser Verhandlungen schien man am kursächsischen Hofe wenig Verständiß für den Adel der Gesinnung zu haben, der sich in Johann Christians Treue für den allerdings calvinischen Friedrich V. kundgab. Der Präsident Caspar v. Schönberg bemerkte einmal ziemlich geringschätzig, die Ehre des Brieger Herzogs würde doch kaum von einer anderen Beschaffenheit sein, als die der übrigen schlesischen Fürsten, die ihr Gewissen ja auch nicht hintansetzten. Er fügte bedeutsam hinzu, daß man am Wiener Hofe in Bezug auf die Person des Herzogs ziemlich schwarz sähe. Die letztere Aeußerung war wohlbegründet. Der flüchtige, am Hofe seines Schwagers in Warschau lebende Bischof von Neiße und vor Allem der Burggraf Hannibal von Dohna hatten es in Wien an Verdächtigungen gegen den Herzog nicht fehlen lassen. Dohna nennt in einem Schreiben an den Kaiser J. Chr. ausdrücklich als einen der fünf schlesischen Rädelsführer, denen unter keinen Umständen Verzeihung werden dürfe, und Ferdinand II. erscheint nur als Sprachrohr für diese bösen Einflüsterungen, wenn er dem Kurfürsten von Sachsen mit [194] verstecktem Hinweis auch auf J. Chr. in jenen Tagen schreibt: Wir haben gründliche Nachrichten, wie betrüglicher, gefährlicher und bedrohlicher Weise solche Haupträdelsführer mit denjenigen umgegangen, so ihre Erbpflicht etwas mehr erwogen, und wie sie dieselben mit Betrug und gewaltsamen Drohungen unter ihr Joch gebracht, auch noch zum Theil darunter halten. Schon am 27. December 1620 hatte der Herzog seine Gemahlin nach Liegnitz gesandt, am 3. Januar 1621 folgte er ihr dahin nach, um im Falle der Noth die brandenburgische Grenze schneller erreichen zu können. Immer der kaiserlichen Acht gewärtig, die ja schon vernichtend auf das Haupt eines schlesischen Fürsten gefallen war, sandte der Herzog seine Familie am 23. Februar nach Frankfurt a./O. Bald darauf wurde ihm bei Abschluß des Dresdener Accordes auf sein Ansuchen eine Frist von sechs Wochen zur persönlichen Unterwerfung gestellt; erfolge sie während dieser Zeit nicht, so sollten dem Kaiser die weiteren Verfügungen vorbehalten bleiben. Worin diese bestanden hätten, ist leicht zu errathen; bestürmte doch Dohna den Kaiser auch nach dem Accorde mit Aufforderungen zu nachträglicher Aechtung Johann Christians: gelte doch jener nicht für Reformirte! Der Herzog sah die Unmöglichkeit ein, den Kampf gegen das mächtige Kaiserhaus allein weiter zu führen und fügte sich schließlich; durch Patent des Kurfürsten vom 21. März wurde er aller Punkte des Accords, namentlich des Pardons, theilhaftig erklärt. Kurz vorher, am 2. März, hatte er den schlesischen Ständen in einem Schreiben „sein Herz ausgeschüttet“. Unter Hinweisung auf die ihm drohende Gefahr schrieb er ihnen, daß er dem Lande unter solchen Umständen mit seiner Anwesenheit wenig nützen könne und sich deshalb zu den Seinigen in die Mark Brandenburg begeben wolle. Würde er erst gleich den anderen Ständen seiner Person versichert sein, so sei er bereit, dem Vaterlande wie bisher als treuer Patriot zu dienen. Eine Stelle des Accordes, daß der Pardon das Oberamt nur angehe, „wie er solches bisher getragen“, wurde von ihm als deutlicher Wink zur Niederlegung seines Amtes betrachtet; er gab deshalb im März seine Würde in die Hände des Kaisers zurück und ließ sich durch keine Bitten der Stände zur Aenderung seines Entschlusses bewegen: Mitte April 1621 reiste er zu seiner Gemahlin nach Frankfurt a./O. Mit welchen Gefühlen des Hasses gegen den Kaiserhof er damals die Heimath verließ, beweisen zwei um jene Zeit geschriebene und erst neuerdings bekannt gewordene Briefe von ihm an König Friedrich V. (Gindely, 30jähriger Krieg IV, 247): Er stellt darin dem Pfalzgrafen die Wiederaufrichtung seiner Herrschaft in Schlesien in sichere Aussicht, falls eine geringe Truppenmacht sich den im Lande verhaßten Bedrückern entgegenwerfen würde. In Frankfurt a./O. verweilte der Herzog bis zum 8. November, um welche Zeit Johann Georg von Sachsen zur Abnahme des neuen Huldigungseides für Ferdinand II. in Schlesien erschienen war. Auch J. Chr. leistete den Handschlag in der Breslauer Burg zugleich mit den übrigen Fürsten des Landes. Er mußte auch nach der Rückkehr in die Heimath noch manche bittere Stunde wegen der geführten Oberlandeshauptmannschaft durchkosten. Hatten schon früher hochgestellte und ihm nahestehende Persönlichkeiten aus seinem eigenen Fürstenthum ganz laut auf den Straßen Briegs Schmähreden wie die gegen ihn ausstoßen können: Er habe mit Recht im Accorde schimpflich um Verzeihung bitten müssen, denn er habe es mit König Friedrich von Böhmen nicht ehrlich gemeint, so erbitterte ihn noch mehr das 1623 durch einen Dr. Schieferdecker in Schweidnitz verbreitete Gerücht, daß er dem Bischof von Halberstadt zur Continuirung des Kriegswesens 300 Mark Goldes übermacht habe. Von 1623 an folgen nun einige Jahre verhältnißmäßiger Ruhe im Leben des Herzogs, die er ächt landesväterlich der Fürsorge für seine Unterthanen widmete; er feiert in Brieg das 50jährige Jubiläum des Gymnasiums und überweist dieser Anstalt eine namhafte [195] Summe, er unterstützt seine Beamten während der Zeit, wo alle Geldwerthe den ungeheuersten Schwankungen ausgesetzt waren, er publicirt eine neue Mühl-, ferner eine Gesindeordnung, die als musterhaft später vom Oberamte für die ganze Provinz bekannt gemacht wird. Am 19. März 1625 wurde das alte friedliche, mit manchen Festlichkeiten abwechselnde Hofleben durch den Tod der noch nicht 35 Jahre zählenden Herzogin grausam unterbrochen. Sie war dem Fürsten eine treue, hingebende Gattin, ihren Kindern eine sorgende Mutter gewesen und nahm die Trauer und Verehrung des gesammten Landes mit in die Gruft. Des Herzogs Schmerz war tief und aufrichtig, und Martin Opitz trifft das Richtige, wenn er in seinem Leichengedichte die Herzogin, „die Perle von Brandenburg, die Königin der Frauen, den Spiegel aller Zucht“, als „Licht und Hoffnung des Lebens“ für J. Chr. bezeichnet. Dem im rüstigsten Mannesalter stehenden Herzoge war Familiengemeinschaft Bedürfniß geworden; er vermählte sich daher am 13. September 1626 aufs neue mit Anna Hedwig v. Sitsch, der jugendlichen, „durch Schönheit ausgezeichneten“ Tochter des bischöflichen Rathes und Hofmarschalls Friedrich v. Sitsch. Bei dem Kindersegen der ersten Ehe fürchtete der Herzog, daß das Fürstenthum nicht im Stande sein werde, den Unterhalt für die standesgemäße Erziehung auch der Kinder zweiter Ehe zu tragen und kam daher persönlich bei Ferdinand II. darum ein, daß seine Gemahlin und die Nachkommen der neuen Verbindung zwar in den Freiherrenstand erhoben, aber von den Lehn- und Erbrechten des Fürstenthums ausgeschlossen wurden. J. Chr. sollte seines neuen Eheglücks nicht lange froh werden. Der Zug Mansfeld’s und der Einmarsch der Waldstein’schen Armee in Schlesien brachte nicht allein die unmittelbaren Schrecken des Krieges in das Land, sondern stellte auch die Fortexistenz des Brieger Herzogthums in Frage. In einer Flugschrift von 1634 wird ein Bruchstück aus einem Schreiben Waldstein’s an den Burggrafen von Dohna mitgetheilt; ersterer findet darin Dohna’s „consilium wegen des Herzogs von Brieg doch allzu crudel, quia nullum violentum durabile.“ Worin Dohna’s Rath bestanden haben mag, ist bei dem Hasse des eifrig katholischen Kammerpräsidenten gegen unseren Herzog unschwer zu errathen. Die kostspieligen kaiserlichen Einquartierungen wären noch zu ertragen gewesen, aber es folgten die gewaltsamen Bekehrungsversuche der Liechtenstein’schen Seligmacher und damit in Verbindung die Versuche des Abtes von Leubus, aus seinen im Brieger Herzogthum belegenen Dörfern die lutherischen Geistlichen zu verjagen, die Rückforderung des ehemaligen Strehlener Nonnenklosters mit seinen Einkünften durch den Kaiser und das Verlangen, eine kaiserliche Garnison in Brieg aufzunehmen. Vergebens suchte der Herzog durch theure Festungsbauten, durch Werbung einer Garnison dem Einwande über die geringe Sicherheit seiner Residenz zuvorzukommen. Mochte sein Haß gegen das Haus Oesterreich wachsen, sein stolzer Sinn schwand; er verstand sich dazu, bei der Krönung der Gemahlin und des Nachfolgers Ferdinands II. im November 1627 in Prag aufzuwarten und reiste endlich, als die Bemühungen seiner vorausgeschickten Räthe ohne Erfolg blieben, 1629 persönlich nach Wien. Obwol er dort mit einem am kaiserlichen Hofe fast unbekannten Freimuthe auftrat und Ferdinand II. an den Majestätsbrief und den Dresdener Accord zu erinnern wagte, so setzte er es doch durch, daß er nur eine kaiserliche Freicompagnie in Brieg aufzunehmen brauchte; sie wird dem Kaiser geschworen haben, stand aber im Solde des Herzogs. Damit schien sich auch ein besseres Verhältniß zwischen J. Chr. und dem kaiserlichen Hofe anbahnen zu wollen. Wie ein Brief des sächsischen Kurfürsten vom J. 1629 beweist, war damals am Dresdener Hofe das Gerücht verbreitet, der Kaiser habe dem Herzoge nach dem freiwilligen Rücktritte Georg Rudolfs von Liegnitz aufs neue die Oberlandeshauptmannschaft übertragen; Johann Georg wünscht ihm schon in [196] herzlichen Worten Glück dazu. Und im Juni 1631 dankt ihm Ferdinand II. in einem sehr gnädigen Handschreiben für seine Haltung auf dem letzten Fürstentage und verleiht dem Herzoge die Auszeichnung des Prädikats „Dero Liebden“. Die durch Gustav Adolfs Erscheinen bewirkte Veränderung der Kriegslage spielte den Krieg im Herbst 1632 wieder nach Schlesien, und so sehr J. Chr. den von Freund und Feind gleich eifrig gestellten Zumuthungen um Aufnahme einer Garnison in seine Residenz widerstrebte, so wurde er doch am 16. Januar 1633 durch die in überlegener Anzahl Vorbereitungen zum Sturme auf die Stadt treffenden Sachsen gezwungen, eine Besatzung von 600 Mann aufzunehmen. Dadurch verlor er die kaiserliche Gunst aufs neue und Sachsen, Brandenburger, Schweden und Kaiserliche plünderten und verwüsteten nun abwechselnd sein Fürstenthum in schrecklicher Weise. Ein Trost in diesen trüben Tagen mochte für J. Chr. das schöne Verhältniß sein, in dem er mit seinem Bruder Georg Rudolf lebte; auch in rein politischen Dingen unternahm keiner von ihnen etwas Wichtigeres, ohne den Rath des anderen einzuholen. Sie schienen wieder gut machen zu wollen, was Jahrhunderte alter Groll zwischen beiden Fürstenhäusern gesündigt hatte. In welch’ freundbrüderlicher Weise sie zusammenhielten, lassen verschiedene Mittheilungen erkennen: Im Juli 1633 schwankt Georg Rudolf, ob er einer vom Grafen Thurn aus Schweidnitz an ihn ergangenen Aufforderung nachgeben und wegen Abschlusses eines Bündnisses an den Fürsten Rakoczy von Siebenbürgen schreiben soll; J. Chr. lehnte das Ansinnen rund ab. In gleicher Weise räth er zur Vorsicht, als ihm der Liegnitzer Herzog die Erneuerung der alten Erbverbrüderung mit Brandenburg vorschlägt; er will diesen Schritt verschoben sehen, bis man wisse, wohin die Kriegsereignisse hinauslaufen würden. Letztere fingen damals eben an, ihn wieder mehr zu fesseln. Am 9. August 1633 war es der Beredtsamkeit des kursächsischen Generals v. Arnim endlich gelungen, einen Theil der schlesischen Fürsten und Stände zu einem Bündnißvertrage mit Sachsen und Brandenburg zu bewegen; unter ihnen befand sich auch J. Chr. Sie nahmen den durch den Dresdener Accord gewährleisteten sächsischen Schutz an, „unbeschadet der Pflicht, womit das Land dem Kaiser verbunden sei“. Gleichzeitig suchen die Herzöge auch Fühlung mit den Schweden zu gewinnen; sie senden mehrere ihrer Räthe zu dem schwedischen Reichskanzler nach Frankfurt a./M. und geben ihnen für jenen eine besondere Deklaration über ihr Verhältniß zum Hause Oesterreich mit: „Wir insonderheit vor anderen sind aus mancherlei Gründen am königlichen Hofe übelangesehen und werden mit unseren armen Unterthanen fast muthwillig ruinieret“. Der Pestgefahr halber (es starben 1633 in Brieg 3439 Personen) verlegte J. Chr. sein Hoflager am 18. August nach Wohlau und kurz darauf nach Herrnstadt. Durch den Sieg seines Schwagers Schafgotsch bei Steinau über die Schweden (11. October) erschreckt, floh der um seine persönliche Sicherheit besorgte Herzog den folgenden Tag mit seinem Bruder Georg Rudolf nach Polnisch-Lissa und acht Tage später nach Thorn, wo sie am 23. ankamen und mit Erlaubniß des Königs von Polen in einem gemietheten Hause ihre Wohnung nahmen. Anfangs December schlug Oxenstierna den beiden Fürsten eine Zusammenkunft in Brandenburg vor und wollte ihnen 100 Pferde als Bedeckung entgegensenden. Es ist ungewiß, ob sie die Einladung angenommen, denn obwol die Herzöge einen Theil ihrer Räthe um sich hatten, so schwankten sie doch bis zum ersten Drittel des Jahres 1634, ob sie sich mehr den Sachsen oder den Schweden zuneigen sollten. Erst die Ermordung Waldsteins brachte die antikaiserliche Gesinnung Johann Christians wieder zum vollen Ausdruck. Im März schlägt er von Thorn aus dem Breslauer Rathe und dem Herzoge von Oels vor, das Bündniß mit Sachsen von August 1633 unter Anpassung auf die schlesischen [197] Verhältnisse nach dem Heilbronner Convente zu reguliren. Als jene dies mit dem Hinweise ablehnten, es käme für sie nur auf Wahrung der im Majestätsbriefe und dem Dresdener Accorde dem Lande erworbenen Rechte an, schrieb der Herzog am 17. April noch entschiedener nach Breslau: Der Rath möchte die Schweden unter Duval, welche Geld und Soldaten zur Bildung eines kleinen Streifcorps verlangt hatten, unterstützen und befürwortet die Beschlagnahme der kaiserlichen Einkünfte und die Verwendung derselben zum besten des gemeinen Wesens, auch sollten alle kaiserlichgesinnten, ungetreuen und dem gemeinen Lande hochschädlichen Patrioten aus der Stadt entfernt werden. Man sähe ja, wohin die Intention des Kaisers ginge, nämlich auf Reformation der Religion und Abolirung aller Privilegien, „bei welchem bösen Willen, da wir nicht allen Respekt bei Seite setzen, wir schwerlich zu unserem Intent kommen werden“. Arnims glänzender Sieg bei Lindenbusch über die Kaiserlichen unter Colloredo (13. Mai) machte den schlesischen Fürsten Muth. Karl Friedrich von Oels berief die evangelischen Stände zum 27. Juni nach Breslau und lud auch die Herzöge von Brieg und Liegnitz dazu ein. J. Chr. war bereit, doch wurde er gerade damals, wie er seinem Landeshauptmann Melchior v. Senitz nach Brieg berichtet, in Thorn sehr von Krankheit gepeinigt. Als man ihn zum Oberhaupte des Conventes wählte, sagte er unterm 22. Juli sein Erscheinen für den August zu. Vorher stellte er die Bedingung, daß Ohlau und Jeltsch von den Kaiserlichen befreit würden, da er sonst seinen Unterhalt in Brieg nicht sicher beziehen könne, und daß man endlich den Eintritt Schlesiens in den Heilbronner Bund energischer betreibe. Am 28. Juli brach der Herzog von Thorn auf, war am 10. August in Küstrin, von wo er den Kurfürsten von Brandenburg durch Lewin v. Knesebeck um Mittheilung über den Verlauf des Frankfurter Convents ersuchte und wohnte am 28. August der ersten Sitzung der evangelischen Fürsten und Stände Schlesiens in Breslau bei. Wie sehr man sein Wiedererscheinen auf der politischen Arena in Wien fürchtete, bewies das damals dort umlaufende Gerücht, der Herzog wolle sich zum unabhängigen Oberhaupte Schlesiens aufwerfen. Auf Johann Christians Vorschlag sandten die Stände am 30. September eine 6½ Bogen umfassende Druckschrift an den Kaiser, worin sie ihre Klagen freimüthig aussprachen und ihr eigenmächtiges Vorgehen (Wiederausprägung von Münzen, Aufstellung eines eigenen kleinen Truppencorps u. a.) mit der Abwesenheit des Oberlandeshauptmanns Heinrich Wenzel von Bernstadt zu rechtfertigen suchten. Der unglückliche Ausgang der Nördlinger Schlacht vernichtete auch diese letzte Hoffnung der Schlesier. Vergebens schickte J. Chr. Mitte September seinen ältesten Sohn Georg nach Dresden ab; der Kurfürst von Sachsen schloß den Separatfrieden von Pirna mit dem Kaiser, ohne die Schlesier mit hineinzuziehen, so daß deren politische Selbständigkeit nur unter den schwersten Opfern erkauft werden konnte. Ferdinand II. schrieb damals (29. Jan. 1635) an das Oberamt: Unter dem Namen evangelischer Stände hätten sich etliche schlesische Fürsten böser und fremder Anschläge eigenmächtig unterfangen. Keinem unter diesen Fürsten fiel die vom Kaiser geforderte „völlige und unbedingte submissio“ schwerer als J. Chr., „in dem sich damals überhaupt das meiste Gefühl von Selbständigkeit und die größte Oppositionslust offenbarte“. Zweierlei erregte ihm vor allem Bedenken; einmal, daß er erklären sollte, gegen den Kaiser wider Ehre und Gewissen gehandelt zu haben, und dann die Frage, ob er wol der Gnade des Kaisers trauen dürfe. Er forderte darüber ein Gutachten seiner Brieger Regierungsräthe Senitz und Leuschner ein. Sie beruhigten ihn mit der Verweisung auf sein gutes Gewissen und der gewiß sehr auffälligen Versicherung, daß man noch kein Beispiel von Wortbruch durch das deutsch-österreichische Kaiserhaus kenne. [198] Dringend riethen sie zur Unterwerfung um des Fürstenthums willen, das ohnehin zum Unterhalt der fürstlichen Familie fast nichts mehr aufzubringen vermöge. Darauf richtete der Herzog endlich unter dem 4. September ein eigenes Unterwerfungsschreiben an den Kaiser, worin er aber noch immer nicht die vorgeschriebenen Worte gebrauchte; namentlich erregte er durch den Vorbehalt „soviel er immer Ehre und Gewissens halber würde thun können“, die Unzufriedenheit der zur Regelung der schlesischen Verhältnisse eingesetzten kaiserlichen Kommission, die ihm sein Schreiben deshalb auch wieder zurückschickte. Nun erst, am 20. September, sandte er ein genügendes Schreiben ein, worauf Ferdinand II. von Ebersdorf aus unterm 3. October in gnädiger Weise antwortete. Bei der Beschaffenheit der schlechten Wege und seines üblen Körperzustandes halber (er litt am Stein) konnte der Herzog der für den 24. October angesetzten Vorladung zum Handgelöbniß nicht nachkommen; er entschuldigte sich mit der weiten Reise und ließ den Handschlag durch seinen Sohn Georg in Breslau leisten. Die kaiserlichen Truppen behandelten sein Land jetzt nicht viel anders, wie als feindliches Gebiet, und da auch die bisherige sächsische Besatzung vor ihrem Abzuge übel genug hauste, so hatte das Fürstenthum an Durchmärschen, Einquartirungen, Erpressungen unsägliche Leiden auszustehen. Ein Oberstwachtmeister des Feldhoferschen Regiments legte 1637 bei einem Ochsenmarkte in Brieg, zu dem 13000 Stück Vieh zusammengetrieben waren, einen Zoll von 7½ Kreuzern pro Stück auf, erhob von jedem die Oder passirenden Schiffe zwei Gulden und außer der gewöhnlichen Abgabe noch einen Brückenzoll von 18 schlesischen Groschen, was alles einen persönlichen Gewinn von mehr als 10000 Gulden ergab. Die Brutalität einzelner Generäle ging so weit, daß selbst der Kaiser zuweilen einschritt, einmal z. B. den Feldzeugmeister Johann Anselm Truchseß, Grafen von Merzenhausen, in Brieg verhaften und nach Wien bringen ließ. J. Chr. brauchte diese Gräuel wenigstens nicht mehr mit eigenen Augen zu schauen. Mißmuthig und verbittert über den unglücklichen Verlauf der politischen Dinge, war er schon um Weihnachten von Breslau nach Brieg gegangen; hier ließ er seine beiden ältesten Söhne mit Melchior v. Senitz an der Spitze der Regierung zurück und reiste bald nach Neujahr 1635 „aus unvermeidlicher Noth wegen seiner Familie“ über Pommern zu seiner Gemahlin nach Thorn, das er am 13. Januar erreichte. In seiner Begleitung befand sich der Dichter Martin Opitz von Boberfeld, den die fürstlichen Brüder schon 1625 zu ihrem Rathe ernannt hatten. J. Chr. hatte, wie es scheint, früher nichts von ihm wissen wollen; im April 1633 nahm er ihn, vielleicht durch Opitz’ Freund Nüßler bewogen, in seine Dienste. Opitz mußte dem Herzoge aus Breslau über die Vorgänge des Tages nach Thorn berichten, wurde auch zu Gesandtschaften, z. B. an Oxenstierna und den schwedischen General Baner verwandt. Bei seiner Abreise nach Thorn entließ ihn J. Chr. aus seinen Diensten, doch folgte ihm Opitz in die Ferne und brachte die Zeit vom Sommer 1635 bis Juni 1636 in Thorn bei dem Herzoge zu. Im letztgenannten Monate entschloß sich J. Chr., seinen Wohnsitz von Thorn nach Osterode in Preußen zu verlegen, welches Amt er vom Kurfürsten von Brandenburg in Pfandbesitz genommen hatte. Die Uebersiedelung fand am 4. October statt. Der brandenburgische Hauptmann von Osterode, Karl von der Oelschnitz, trat mit 500 Thlrn. jährlicher Besoldung in Johann Christians Dienste und räumte ihm das Schloß ein. Allein der Hauptmann fand nicht nur sein Gehalt zu gering bemessen, er war auch durch das Aufgeben seiner lange innegehabten Wohnung erbittert; aus beiden Ursachen entspann sich zwischen ihm und dem Herzoge ein kleiner Krieg, der für J. Chr. die Quelle unendlichen Aergers wurde. Es waren sorgenschwere Jahre, die er in Preußen zubrachte. Zwar erlebte er das Glück, seine [199] 1620 geborene Tochter Sibylla Margaretha im August 1637 mit dem Grafen Gerhard von Dönhof, polnischem Starosten von Berent und Filehne, zu verheirathen. Auch führte er einen Hofstaat von mehr als 50 Personen, einmal verlangt er von seinem Sohne in Brieg sogar einen tüchtigen Vogelsteller auf Lerchen und Finken nach Osterode. Selbst in der Verwaltung seines Fürstenthums scheint er nach wie vor den Ausschlag zu geben; er bekümmert sich um alle möglichen Angelegenheiten, intercedirt bei verschiedenen, zum Theil recht niedrig stehenden militärischen Persönlichkeiten wegen Einquartierung im Fürstenthum, fordert Berichte über Anstellung von Beamten ein, ja trifft sogar Anordnungen über die Umwechselung von Lehrerwohnungen im Gymnasium. Aber das alles geschah wol meist nur, um den Schein zu wahren, in Wahrheit sah es traurig genug für ihn aus. Er mußte seinen Unterhalt mit Posten von tausend zu tausend Thalern bestreiten, die ihm aus seinem erschöpften Fürstenthume mit Mühe zugeschickt wurden. In fast allen Briefen an seinen Sohn Georg in Brieg finden sich Klagen und Bitten um Geld, das er auch „antecipando“ verlangt. „Unsere und der Unsrigen Lebensmittel manquieren und werden schwer“, heißt es in einem Schreiben, „unser Mangel ist niemals größer als itzo gewesen“. In einem anderen frägt er an, ob nicht der Odermüller auf der deutschen Seite, der gewiß vermögend sei, 600 Thaler vorschießen könne. In einem dritten beklagt er sich, daß man in Brieg auch dem geringsten Amtsdiener ein sattsames Auskommen ansetze und auf seinen Unterhalt, dessen Quoten ihm niemals zu rechter Zeit zukämen, so genau vorsinne. Es klingt beinahe wie Hohn über sich selbst, wenn er gegen den bekannten Nicolaus Henel einmal brieflich äußert, jener möge nicht denken, daß bei ihm ein aureum saeculum herrsche. Im Februar 1639 schrieb er seinem Sohne, daß er gewillt sei, die Rückkehr nach Brieg anzutreten. Allein die eigene Körperschwäche und die Krankheit seiner Gemahlin, sowie vielerlei Kummer anderer Art drängte diesen Gedanken bald wieder in den Hintergrund. Ob mit Recht oder nicht – das ist jetzt schwer zu entscheiden –, es kam ihm vor, als vergäße man in Brieg die ihm schuldige Achtung. Ist ähnliches nicht eine Klage fast aller an des Herrschens Süßigkeit gewöhnter Naturen, sobald sie dauernd in der Fremde weilen? Im Januar 1639 schreibt er gereizt nach Hause: So wundert uns zum höchsten, daß die Kanzellisten unser wohlbedachtes Rescriptum und die darin gethane Verordnung so höhnisch und spöttisch zu tractiren sich zu Sinne kommen lassen. Wieder drei Monate später heißt es: Nun will uns nit wenig zu Gemüth steigen und kränken, daß angezogene Kanzellisten wider ihre Pflichten und zu unserer Verkleinerung bis dato keine schuldige Satisfaction gegeben. Sein Sohn Georg solle sie persönlich vorfordern und verhören, ob sie seinen Anordnungen Ordre pariren wollten oder nicht. Viel tiefer mußte ihn jedoch bald darauf das Betragen des brandenburgischen Hauptmanns in Osterode verletzen. Dieser hatte schon 1637 durch die kurfürstliche Regierung in Königsberg einen Verweis wegen unehrerbietiger Aeußerungen gegen den Herzog erhalten. Jetzt, im Mai 1639, kam der lang verhaltene Groll gegen die schlesischen Eindringlinge bei ihm zum offenen Ausbruch. Obwol über 60 Jahre alt und sonst als nüchterner Mann bekannt, ließ er sich hinreißen, mehrfach spät in der Nacht trunken aus der Stadt nach dem Osteroder Schlosse heimzukehren und durch Versuche, das Schloßportal gewaltsam mit einer Axt zu öffnen, die Nachtruhe des Herzogs und der Seinigen zu stören. J. Chr. ließ ihm sein Gebahren ernstlich durch seinen Rath v. Schweinitz verweisen; es hatte dies nur zur Folge, daß von der Oelschnitz seinen Ueberfall die nächste Nacht wiederholte und dabei die Worte ausstieß: der Herzog möge sich immer über ihn beklagen, er wolle auch nach Königsberg berichten; bis Michaelis müßten die schlesischen Hunde [200] aus dem Schlosse heraus, und dann wolle er alle seine alten Losamenter wieder haben. Mitten unter diesen kleinlichen und für einen edlen Charakter so unwürdigen Scenen traf den Herzog der herbste Schlag. Am 16. Juli 1639 verschied sanft im Alter von nur 28 Jahren seine zweite, seit längerer Zeit kränkelnde Gemahlin, die ihm sieben Kinder geboren und Leid und Freud’ des Exils treulich mit ihm getheilt hatte. Einsam senkte er sie am 5. October fern der Heimath in die Gruft. Die Söhne erster Ehe hatten zwar „mit wenig Rossen und Personen“ zum Begräbniß nach Osterode kommen wollen, blieben schließlich aber in Brieg, „da es bei der Kammer an Zehrungskosten fehlte“. Von nun an gleicht Johann Christians Leben einem langsam verlöschenden Lichte, die letzte Freude seines Daseins ist von ihm gewichen, und der Tod, sonst von vielen gefürchtet, ist ihm Wohlthat und Erlösung. Er sollte nicht lange auf ihn warten. Schon am 25. December 1639, früh um 8 Uhr, folgte er nach kurzer Krankheit im 49. Lebensjahre seinen vorausgegangenen Lieben in die ewige Heimath nach. – Einfach und maßvoll, eine edle, wahrhaft vornehme und ritterliche Natur, die ihre Theilnahme auch den geistigen Strömungen des Tages zuwandte, ragt J. Chr. weit über viele andere deutsche Fürsten jener Zeit empor. Das Unglück seines Lebens war, daß seine Regententhätigkeit in eine harte Zeit fiel, die auch von rauherem Stoffe geformte Persönlichkeiten mitleidslos zerrieb, und daß das von ihm und anderen kleineren protestantischen Regenten Deutschlands vertretene mittelalterlich-ständische Princip der mit unerbittlicher Gewalt herandrängenden monarchischen Strömung zum Opfer fiel. Was er aber auch in politischer Hinsicht gefehlt haben mag, er handelte in dem Glauben, das Rechte zu thun und hat persönlich schwer dafür büßen müssen. Rein menschlich betrachtet, zeigt Johann Christians Charakter eine Fülle trefflicher Eigenschaften: Er war ein zärtlicher Gatte, ein gewissenhafter Vater, ein treuer Freund, uneigennützig, wohlwollend, gerecht, immer geneigt, den Armen nach Maßgabe seiner Kraft zu helfen, selbst in seinen späteren bedrängten Verhältnissen. Martin Opitz preist seinen Hof als ehrbar, frei von Angeberei, geschmückt mit den Zierden des Adels und der Bürgerschaft; der Fürst sei von seinen Unterthanen nicht nur geachtet, sondern wahrhaft geliebt worden. Und eine alte Chronik schreibt über ihn: Er habe sich damit rühmen können, daß, so lange er das Regiment geführt, keiner von seinen Unterthanen einen Trauermantel nöthig gehabt, so lieb wäre er denselben gewesen und so löblich hätte er ihnen fürgestanden.

Schönwälder, Piasten zum Briege III. Glawnig, Brieger Wochenblatt von 1790. Schück, Johann Christian. Verschiedene zerstreute Aufsätze in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Palm Acta publica und das Breslauer Staatsarchiv.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. ein Sohn des Herzogs Georg II.
  2. Enkel des Herzogs Karl I. von Münsterberg
  3. Tochter des Herzogs Friedrich I.