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ADB:Logau, Friedrich von

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Artikel „Logau, Friedrich v.“ von Gustav Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 107–110, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Logau,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:48 Uhr UTC)
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Logau: Friedrich v. L. wurde im Januar 1605 zu Brockut bei Nimptsch in Schlesien geboren. Wenig über ein Jahr alt verlor er seinen Vater; seine Mutter vermählte sich nach einigen Jahren zum zweiten Male mit Herrn v. Hohberg, und L. bezog am 13. October 1614 das Gymnasium zu Brieg, das damals unter der Leitung Melchiors Laubanus, eines hochgefeierten Gelehrten, stand. Freundliche Gönner fand er zu gleicher Zeit an dem Herzog Johann Christian und seiner Gemahlin Dorothea Sibylle, die noch heut in Schlesien unter dem Namen „der lieben Dorel“ bekannt ist. Beide nahmen sich des verwaisten Knaben an und verfolgten mit inniger Freude die reiche Entwickelung seiner Geistes- und Herzensgaben; denn „der kleine Junker war gar gelehrig, lernte alles fast spielend und machte schon in einem Alter von zehn Jahren allerlei Reimlein, so oft nicht übel ausgefallen.“ 1625 verließ er das Gymnasium, dessen erster Klasse er sieben Jahre angehört hatte und widmete sich dem Studium der Jurisprudenz, freilich wol mehr der „Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb“; seine Familie nämlich war verarmt, sein väterliches Gut Brockut tief verschuldet und so blieb ihm nichts übrig, als sich für die Stellung eines Beamten im Dienste des Herzogs, seines Gönners, vorzubereiten. In der That [108] finden wir ihn, als Herzog Johann Christian von Brieg 1639 gestorben war und seine drei Söhne Georg, Christian und Ludwig in seltener brüderlicher Eintracht die Regierung des Landes verwalteten, unter den Kanzleiräthen des Letztgenannten; das noch vorhandene, vom 29. September 1644 datirte Bestallungsdecret rühmt an ihm „die gutten qualiteten, angeborene Tugendt vnd auffrichtigkeit, damit er von Gott begnadet“ sei; die jährliche Besoldung betrug 306 Reichsthaler Schles. nebst freier Wohnung und ausreichendem Brennholz. Schon vorher hatte er nach kurzer, überaus glücklicher Ehe die Geliebte seiner Jugend verloren, und selbst die Zeit vermochte diese Wunde nicht völlig zu heilen; im J. 1643 vermählte er sich zum zweiten Male mit Helene v. Knobelsdorf; allein diese Ehe, der ein Sohn und vier Töchter entstammten, muß keine besonders beneidenswerthe gewesen sein, wenn man sich die, nur einem geplagten Ehemann entschlüpften Stoßseufzer, wie sie sich so zahlreich in seinen Gedichten finden, vergegenwärtigt. Doch auch abgesehen hiervon enthält das Bild von den letzten Lebensjahren des Dichters viele traurige Züge. Durch den langen, verheerenden Krieg ist auch er fast völlig verarmt; sein väterliches Erbe Brockut ist durch die Plünderungen der Schweden und der Kaiserlichen verwüstet, niedergetreten und auf Jahre hinaus ertragsunfähig geworden; eine Feuersbrunst verzehrt den Rest seiner Habe, neue Schulden kommen zu den alten hinzu, schmerzhafte körperliche Leiden suchen ihn heim und haben vorzeitig sein Haar gebleicht: und so erklärt sich denn zur Genüge die mit den Jahren immer mehr hervortretende Sehnsucht nach dem Tode. Doch noch bevor dieser Wunsch in Erfüllung ging, sollte er Brieg, in welchem er den größten Theil seines Lebens zugebracht, verlassen. Als nämlich Herzog Georg Rudolf, der Oheim der fürstlichen Brüder, am 14. Januar 1653 kinderlos gestorben war und die Herzogthümer Liegnitz und Wohlau seinen Neffen als Erbe hinterlassen hatte, schien der nunmehrige Besitz dreier Herzogthümer gewissermaßen von selbst die drei Brüder zur Theilung aufzufordern. Am 3. Juni 1654 entschied das Loos, und da dem Gönner Logau’s, Herzog Ludwig, Liegnitz zugefallen war, so siedelte der Dichter, der nun zum Regierungsrath ernannt worden war und dem „über vorige Besoldung und Deputat noch ein Nachsatz von zwey Hundert Thalern schlesischer Wehrunge gegönnt und gegeben worden“, mit ihm nach Liegnitz über; doch schon ein Jahr darauf starb er daselbst am 24. Juli 1655 im Alter von 50 Jahren und 26 Wochen, nachdem er noch selbst die vollständige Ausgabe seiner Dichtungen, chronologisch geordnet, herausgegeben hatte. – L. ist eine der edelsten Erscheinungen, welche uns die Litteratur- und Culturgeschichte des 17. Jahrhunderts aufbewahrt hat, und je tiefer die sittliche Verkommenheit seines Zeitalters gesunken ist, je unaufhaltsamer sich der Verfall in Sitte, Religion und Leben offenbart, desto höher muß der Werth seiner einsamen Tugend angeschlagen werden. Die Liebenswürdigkeit seiner persönlichen Erscheinung spricht sich vor allen Dingen in einer Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit aus, die nicht nach den stolzen Höhen irdischer Herrlichkeit begehrt, auf denen man so leicht sein eignes Selbst verliert; daher die Zufriedenheit, welche ihn stets mit der Dürftigkeit seiner äußeren Verhältnisse aussöhnt. Mäßig und einfach in seinen Bedürfnissen, würzt Arbeitsamkeit und Hunger ihm sein prunkloses Mahl, das weder „des Bäckers Kunst noch des Krämers Leckerbissen“ kostbar bereitet hat, und darum sehnt er sich auch so oft nach den idyllischen Freuden des Landlebens, wo er, fern von dem geräuschvollen Treiben des Hofes und der Stadt, die einfachen Gaben der Natur genießen und dabei des allgemeinen Elends vergessen darf. Seiner juristischen Laufbahn wie dem Leben am Hofe abhold, geißelt er bald mit Laune und Humor, bald mit Witz und Ironie, öfter aber noch von Abscheu und Unwillen erfüllt, das widerwärtige Schauspiel, das die niedrige Gesinnung des größten [109] Theils seiner Umgebung ihm täglich bot, und das den sittlichen Verfall seiner Zeit nicht schonungsloser enthüllen konnte. Das Haschen nach Fürstengunst, die charakterlose, kriechende Demuth und schamlose Schmeichelei, das Jagen nach Amt und Auszeichnung, die Bestechlichkeit der Richter und Hofbeamten, ihr Neid gegen die Begünstigten, die Heuchelei, die sich im Gewande der Tugend brüstet, die offenbare Ehrlosigkeit, die sich zu verhüllen verschmäht und sich zu schämen verlernt hat: das ist der Stoff, den er in hundertfältiger Variation und mit der Indignation eines reinen Gemüths behandelt. Zwar selbst durchdrungen von der Bedeutung seiner adligen Geburt, ist ihm andererseits nur der Adel der Gesinnung das wesentliche Merkmal des ächten Adels, und darum schwingt er, angesichts der damals überhand nehmenden Unsitte sich ein Adelsdiplom zu kaufen, unbarmherzig die Geißel seines oft drastischen Spottes über die Bauern, die nun Grafen und Edelleute, über die Landsknechte, die nun Landesherren geworden. Daß er sich dadurch zahlreiche Feinde zuzog, daß neidische Kritiker ihm den Rath gaben, doch lieber das corpus juris fleißiger zur Hand zu nehmen als Verse zu schmieden, kann ihn in seinen Grundsätzen nicht irre machen; vereinsamt geht er seinen Pfad, aber die Höhe, zu welcher seine sittliche Kraft sich erhebt, umflicht seine Stirn mit einem unverwelklicheren Kranz als der Lorbeer, der ihm als Dichter gebührt. L. ist eine ächt religiöse Natur und offenbart gerade in dieser Beziehung eine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, durch welche seine hierher gehörenden Gedichte den besten Produkten seiner Zeit gleichgestellt werden, sei es daß er in kindlichem Gottvertrauen seine Hoffnung auf den Herrn setzt, dessen Güte auch ihm den vollen Becher reicht, sei es daß er voll Ergebung ihm die Führung durchs Leben anheimstellt, oder sei es daß seine Seele sich zum Gebet erhebt, das bald in schlichten Worten, bald in begeistertem Hymnus dem Born seines dankerfüllten Herzens entströmt. Seine Frömmigkeit fordert aber auch lebendige Bethätigung in der Liebe zum Nächsten, die mit der herzlosen Selbstsucht, welche in dem langen Kriege erbarmungslos alle Stände ergriffen hatte, in einem um so wohlthuenderen Gegensatze steht. Bei der würdigen Einfachheit seiner praktischen Moral: Liebe Gott über alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst, als der Hauptsumme aller Gebote, widert ihn jeder heuchlerische Lippendienst, jede pietistische Scheinheiligkeit an; Protestant aus innerster Ueberzeugung, beansprucht er auch für sich das Recht der freien Meinung im Widerspruch mit der Orthodoxie seiner Zeit, welche das junge, frische Leben der Reformation in starrem Buchstabenglauben ertödtet hatte. Völlig verhaßt aber ist ihm alles theologische Schulgezänk, alle Verketzerungs- und Verfolgungssucht: über dem engeren Kreise der Confession steht ihm der weitere des Christenthums; „denn die Kirche im Gewissen“, wie er sie nennt, ist älter als alle Secten und Bekenntnisse. L. ist endlich Patriot im besten Sinne des Worts. Freilich kann sich seine Liebe zum Vaterlande nicht in stolzem Selbstgefühl kundgeben; was hätte damals auch dazu berechtigt? aber in bitteren Klagen trauert er über Deutschlands Schmach, über die verschwundene Herrlichkeit des alten Reichs, über seines Volkes verloren gegangene Tugenden: Biederkeit und Treue. Deutschlands Herrlichkeit und Größe ist in seinen politischen und sittlichen Niederlagen untergegangen, seine edle, kraftvolle Sprache verdorben und entstellt durch die armseligen, bunten Lappen fremder Zungen. Wol ist Deutschland blutarm geworden, so klagt er schmerzlich, darum geht es so geflickt. Die ehrbare, heimische Kleidertracht hat der französischen Mode weichen müssen, und mit ihr sind auch französische Scham- und Zuchtlosigkeit eingezogen; „denn wandelt sichs von außen, wandelt sichs auch innen.“ Und so war L. nicht blos „ein gelehrter Poet, der die Welt nur aus seinen Büchern kennt; er kannte vielmehr das Leben, die Gebrechen, Bedürfnisse und Leiden seines Vaterlandes und fühlte den Drang in sich, [110] mehr seiner Zeit zu nützen als in ihr zu glänzen“. Die erste Sammlung von Logau’s Sinngedichten erschien 1638 zu Breslau unter dem Titel „Zwey Hundert teutscher Reimensprüche Salomons v. Golaw“, und ist heut außerordeutlich selten; die zweite, umfangreichere kurz vor des Dichters Tode im Jahre 1654: „Salomons v. Golaw deutscher Sinngedichte drei Tausend“, genau chronologisch geordnet, wie der Unterzeichnete bald entdeckte, so daß für die Zeitbestimmungen in dem Leben des Dichters mancher sichere Anhalt gewonnen wurde. Endlich fand der Unterzeichnete noch eine dritte, bis dahin unbekannte Sammlung auf der Stadtbibliothek zu Breslau unter dem Titel: „Anna Sophie“, gewidmet der Gemahlin seines herzoglichen Gönners Ludwig IV. von Brieg. Immerhin bleibt es daher auffallend, daß L. so bald nach seinem Tode verschollen und vergessen war. Noch 1648 war er in den damals hochangesehenen Palmenorden unter dem Ordensnamen „Der Verkleinernde“ aufgenommen worden, wenn wir auch annehmen, daß diese Auszeichnung mehr dem herzoglichen Rath als dem Dichter gegolten hatte; aber schon am Ende des 17. Jahrhunderts ist er selbst den gelehrtesten Bücherkennern kaum noch dem Namen nach bekannt. Lessing’s Verdienst ist es, des Verschollenen zuerst wieder gedacht zu haben, indem er im 36. und 43. seiner Litteraturbriefe den Werth des Dichters klar und treffend kennzeichnete und im Verein mit Ramler 1759 eine Auswahl seiner Sinngedichte in 12 Büchern erscheinen ließ; freilich ist die Art der Behandlung eine so eigenmächtige und willkürliche, daß ein großer Theil der Epigramme kaum noch als Logau’sche angesehen werden können; völlig unversucht aber blieb bis in unsere Zeit eine Darstellung seiner Lebensgeschichte, die zum ersten Mal der Unterzeichnete nach dem in Archiven und Bibliotheken aufgefundenen und verwertheten Material unternahm und in zwei Ausgaben veröffentlichte; die erste erschien in der von Goedeke und Tittmann besorgten Sammlung von Dichtern des 17. Jahrhunderts (Leipzig bei Brockhaus 1870); die zweite größere und vollständige Sammlung aller Logau’schen Gedichte in den Publikationen des Literarischen Vereins zu Stuttgart 1872.