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ADB:Georg Friedrich (Fürst von Waldeck-Pyrmont)

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Artikel „Georg Friedrich, Fürst von Waldeck, Graf von Pyrmont und Culemborg“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 701–709, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_Friedrich_(F%C3%BCrst_von_Waldeck-Pyrmont)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:59 Uhr UTC)
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Band 8 (1878), S. 701–709 (Quelle).
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Georg Friedrich, erster Fürst von Waldeck, Graf von Pyrmont und Culemborg, ward am 31. Januar 1620 geboren als zweiter Sohn des [702] Grafen Wolrads IV. von Waldeck-Pyrmont und der Gräfin Anna von Baden-Durlach. Letztere stammte mütterlicherseits aus dem niederländischen Geschlecht Pallandt, dem die Grafschaft Culemborg gehörte, welche darum nachher der Waldeck’schen Grafenfamilie anheimfiel. In seiner Jugend machte er in seinem armen Ländchen die Greuel und das Elend des dreißigjährigen Krieges mit, was seiner Erziehung öfter zum Nachtheil gereichte; es bot ihm aber Gelegenheit, schon als Kind mit Beschwerden und Mühen kämpfen zu lernen. 1639 von seinem Vater nach Paris gebracht, um seine Cavaliersbildung zu vollenden, trat er nach dessen bald eingetretenem Tod 1641 als Freiwilliger mit zwei seiner Brüder in den Dienst der Generalstaaten. Der Feldzug von 1642 trug ihm zur Belohnung seiner Tapferkeit eine Reitercompagnie ein und dazu schloß er eine vortheilhafte Heirath mit Elisabeth Charlotte, Tochter des staatischen Feldmarschalls Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg. Drei Jahre später, 1645, ward er durch den Tod seines Bruders Philipp Theodor das Haupt seiner Familie, zugleich der Vormund seiner minorennen Neffen. Als solcher nahm er auch die Administration der Grafschaft Culemborg in die Hand, was zu vielen neuen Beziehungen mit den Niederlanden führte, wie die Ordnung der Verhältnisse seines Hauses in Norddeutschland ihn die persönliche Bekanntschaft mit dem nachherigen König Karl Gustav von Schweden machen ließ. Diese Beziehungen zu der antiösterreichischen Partei in Europa und namentlich jene zu dem oranischen Hause veranlaßten 1651 den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, als der jülich’sche Krieg wieder auszubrechen drohte, ihm die Stelle eines Generalmajors anzubieten. Als jedoch der Friede geschlossen wurde, bevor der Krieg recht angefangen, verließ er diesen Dienst wieder, aber nur um bald nachher einen neuen Ruf nach Berlin zu erhalten. Mit dem Rang eines Geheimen Raths und Generallieutenants trat er jetzt 1652 in den brandenburgischen Dienst. Der Kurfürst übertrug ihm bald die wichtigsten Geschäfte in der Militär- und Finanzverwaltung, theilweise auch die auswärtigen Angelegenheiten und ließ zuletzt seinem Einfluß auch in der großen Politik freien Lauf. G. F. half eifrig an der vom Kurfürsten unternommenen Umgestaltung der Verwaltung, welche jedoch zunächst wegen des Widerstandes der Landstände aufgegeben werden mußte. Bessere Erfolge erzielte er in der großen Politik. Zwar hatte der Kurfürst schon den früher von Burgsdorf vertretenen Anschluß an Oesterreich aufgegeben, doch sein Gesandter in Regensburg, der fähige Blumenthal, hatte noch so viel Einfluß, daß er ein selbständiges Auftreten gegen Oesterreich verhinderte. Das ward jetzt anders. Seit Waldeck in der Regierung die hervorragende Stellung eingenommen, welche er nicht allein seiner hohen Geburt und seiner Verwandtschaft mit dem Kurfürsten, sondern auch seinen Fähigkeiten verdankte, versuchte der Kurfürst sich an die Spitze der deutschen Protestanten zu stellen und war die Macht des Kaisers im Reichstag, welche auf der Ergebenheit des Kurfürstencollegiums beruhte, gebrochen. 1653 reichte Waldeck beim Kurfürsten eine merkwürdige Denkschrift ein; in derselben war der Entwurf einer neuen Union aller deutscher Protestanten, außer der Pfalz und Kursachsen enthalten, welche unter Führung Brandenburgs in erster Reihe gegen Oesterreich, in der zweiten gegen den Einfluß, welchen Schweden und Frankreich auf die Protestanten seit dem Krieg übten, gerichtet war. Im großen Ganzen zeichnete er den Weg vor, welcher später durch Preußen eingeschlagen ward. Der jetzt zwischen Polen und Schweden ausbrechende Krieg, in welchen der Kurfürst von Brandenburg als Besitzer Preußens verwickelt ward, vereitelte eine weitere Ausbildung dieser neuen Politik, deren einzige Frucht die Lösung der hemmenden Verbindung mit Oesterreich war. G. F. übernahm jetzt die Führung der in Preußen zusammengezogenen Truppen und suchte vergebens die [703] Aufrechterhaltung der Neutralität gegen Schweden durchzusetzen. Er wußte noch nicht, in welchen seltsamen Wendungen der Kurfürst sich gefiel, der im Januar 1656 im Königsberger Tractat den Schwedenkönig als Lehnsherrn anerkannte, – die erste Niederlage, die G. F. am Hofe erlitten. Doch gewann er bald seinen Einfluß wieder, als er den Tractat von Marienburg durchzusetzen wußte, und damit die Abtretung von Posen und Kalisch seiten Schwedens gegen eine Offensiv- und Defensivallianz gegen Polen erkaufte. Im Felde wenig glücklich, hatte er einen schweren Stand den übrigen kurfürstlichen Generälen und Staatsmännern gegenüber, die er durch seinen über alle Hindernisse hinwegstürmenden Eifer, seine rücksichtslose Art, auch die ältesten Diener des Staats zu behandeln, tief verletzt hatte, während sie zugleich in ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen waren. Seine Stellung am Hofe ward mehr und mehr untergraben, nur die Kurfürstin und die schwedische Allianz, die er jetzt wieder seinen Plänen gegen Oesterreich dienstbar zu machen suchte, hielten ihn. Als jedoch der Krieg des Schwedenkönigs gegen Dänemark 1656 zu einer völligen Umgestaltung der Dinge führte und der Kurfürst, der jetzt Pommern zu gewinnen hoffte, der Allianz gegen Schweden beitrat, konnte G. F., der sich gegen diesen jähen Parteiwechsel ernstlich sträubte, nicht länger in Brandenburg verbleiben. Es war ihm damals noch nicht klar, daß die alte Anschauung, in der er noch befangen, die Welt theile sich in eine katholisch-habsburgische und eine protestantische Partei, nicht mehr galt. Seinem Standpunkt getreu, verließ er 1658 den Dienst des Kurfürsten und trat in denjenigen Schwedens, jedoch zu spät, um noch einen glänzenden Antheil am Kriege nehmen zu können, der 1660 mit dem Tod Karls X. ein Ende nahm. Er hatte nur auf den Inseln und den jütischen Küsten den kleinen Krieg zu führen gehabt, und ward von den jetzt die Regierung leitenden Reichsräthen als ein überzähliger General gezwungen, seinen Abschied zu nehmen. Vergebens suchte er eine seinem Rang und Neigungen entsprechende Stelle in Frankreich und England. Namentlich die Weigerung Ludwig’s, der ihn mit einem Geldgeschenke heimschickte, wie sein Biograph Rauchbar sagt, „weil er ein allzu patriotisches Gemüth an ihm verspürte“, scheint ihn gekränkt zu haben. Zugleich vielleicht hat sie ihm auch die Augen geöffnet über den politischen Zustand, wenigstens von jetzt an kam er zu der Erkenntniß, die Gefahr, daß Deutschland seine Freiheit und Unabhängigkeit einbüßen werde, drohe nicht mehr von Oesterreich her, noch weniger von dem ganz ohnmächtigen Spanien, sondern von Frankreich. Es war eben die Zeit, in welcher der damalige Rheinbund in höchster Blüthe stand und französische Truppen die Ordnung herstellten, als im Reich ein französischer Alliirter gekränkt ward. Ein Mann von Waldeck’s Erfahrung und Einsicht mußte zugeben, daß es jetzt nicht wie vor dem westfälischen Frieden religiös politische, sondern rein politische Motive waren, die die Welt bewegten. Ohne sich je Oesterreich anzuschließen, dessen beschränkte Hauspolitik von ihm immer bekämpft ward, richtete er von jetzt an seine Politik gegen Frankreich. Indessen war er durch den Tod seines Neffen Heinrich Volrad statt Administrator der Herr von dessen Gütern geworden und jetzt Besitzer dreier souveräner Grafschaften, die sich aber alle in sehr ungeordnetem Zustande befanden. Die Politik ließ aber nicht zu, daß er sich damit viel beschäftigte. Als 1664 der Türkenkrieg ausbrach, ward ihm die Stelle eines Feldmarschalllieutenants der Reichsarmee übertragen, und als solcher nahm er an der Schlacht bei St. Gotthard Theil. Wie gewöhnlich hielt er ein Tagebuch über die militärischen Ereignisse, mit Bemerkungen über die Kriegführung angefüllt, welche bezeugen, wie ernsthaft er den Krieg studirte und zugleich, wie elend die deutschen Feldherren, namentlich die der Reichsarmee denselben zu führen verstanden. G. F. trat jetzt in ein sehr vertrauliches Verhältniß zu Montecuccoli [704] und dem Herzog von Lothringen. Nach dem Frieden von Vasvár trat er 1665 in Dienst des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg-Celle und leitete die Belagerung der Stadt Braunschweig, welche dem braunschweigischen Fürstenhause sich nicht unterwerfen wollte, sondern eine reichsstädtische Stellung beanspruchte. Die Lüneburger Fürsten, nach dem Brandenburger die bedeutendste Macht Norddeutschlands, im Besitz zahlreicher, geschulter Truppen, waren von Franzosen und Holländern umworben, deren Wetteifer sichtbar ward und nach dem Devolutionskrieg und der Triple-Allianz in Feindseligkeit umschlug. Obgleich eng mit der oranischen Partei verbunden, trat G. F. auch mit De Witt und dem damals herrschenden Regenten in sehr vertraute Beziehungen und schloß eine Defensiv-Allianz der Lüneburger Fürsten mit der Republik. Auch näherte er sich wieder dem Kurfürsten von Brandenburg, in dem er noch immer den berufenen Führer der deutschen Protestanten erkannte, namentlich als die katholischen sich dem Protectorat Frankreichs unterwarfen. Von dieser Zeit (1668) findet man ihn überall, wo es gilt, dem französischen Einfluß entgegenzuwirken. Doch scheint er auch von den für reichsständische Freiheit schwärmenden kleinen Fürsten als ein Vorkämpfer angesehen worden zu sein; mit den Fürstenbergen, den treuen Sklaven der französischen Politik, blieb er in persönlich freundschaftlichen Beziehungen, obgleich ihn die französischen Gesandten in Deutschland öffentlich als den erbitterten Gegner von Ludwig XIV. bezeichneten. Als der Krieg zwischen Frankreich und Holland eine Gewißheit ward, war Niemand, den kaiserlichen Gesandten Lisola etwa ausgenommen, thätiger als er, in Deutschland zu agitiren für ein Zusammengehen der Deutschen mit Spanien und Holland. Die Allianz Brandenburgs und der Republik ward von niemanden eifriger unterstützt. Seine bekannte Gesinnung, sein Ruf als Militär und seine Verwandtschaft mit dem nassauischen Hause sind es wol gewesen, welche Wilhelm III. von Oranien, gleich nachdem er die Würden seines Vaters bekommen, veranlaßten, ihm die Stelle eines Feldmarschalls und militärischen Berathers anzubieten. G. F. zweifelte keinen Augenblick, dieselbe anzunehmen und legte September 1672 den Eid in die Hände seines neuen Gönners in dessen Hauptquartier zu Bodegraven an der holländischen Utrechter Grenze ab. Mit gewohntem Eifer und mehr als gewohntem Erfolg widmete G. F. sich seiner neuen Aufgabe. Von dem erfahrenen und geschulten Fachmann unterstützt, gelang es Wilhelm, die niederländische Armee nicht allein an Zahl, sondern auch an Gehalt bedeutend zu erhöhen. Die nicht glänzenden, doch soliden Eigenschaften Waldeck’s, der namentlich dem Dienst, der Uebung, der Organisation, der Intendantur und Verwaltung der Armee, insbesondere auch dem geregelten Verpflegungs- und Sanitätswesen seine Sorge widmete, kamen auf einem Terrain, wo es keine Gelegenheit zu einer brillanten Kriegführung gab, zu ihrem Recht, und allgemein war die Anerkennung seiner Verdienste bei der Reorganisation des Heeres und der Vertheidigung, wie auch der Art und Weise, mit der er, als er 1673 das Oberkommando in Holland bei Abwesenheit Wilhelms erhielt, mit den Staaten und deren Behörden sich zurecht fand. Mit Wilhelm trat er bald in ein intimes Verhältniß, das namentlich in der Gemeinschaft von politischen Ideen, doch auch in einer beiderseitigen Anerkennung wurzelte. Der reizbare Charakter Waldeck’s und die etwas schroffe Art Wilhelms drohten dann und wann dieses Einvernehmen zu stören, doch als Wilhelm seinen treuen Gefährten recht erkannt hatte, wußte er ihn mit einer Rücksicht und Zärtlichkeit zu behandeln die bei dem öfters kalt gescholtenen Manne Wunder heißen mag. Sie theilten von jetzt an Gutes und Böses. Bei Seneffe, 1674, ward Waldeck schwer verwundet und darum verhindert, anders als von seinem Krankenbette herab freilich vergebliche Rathschläge für die Weiterführung des Feldzugs zu ertheilen. [705] Das nächste Jahr reiste er als Gesandter nach Wien, um ein besseres Einvernehmen der Alliirten bezüglich des Feldzugsplans zu Stande zu bringen, was den gewöhnlichen Gesandten und Residenten der Staaten, Heemskerk und Hamel Bruyning, nicht gelungen. Doch am Wiener Hof konnte man noch nicht den Argwohn gegen den alten Gegner überwinden. Im Ganzen benutzte er jetzt seinen nicht geringen Einfluß in Norddeutschland zum Nutzen der Allianz, die aber immer mehr gelockert und immer unfähiger ward, den Franzosen zu widerstehen. Namentlich das J. 1676 zeigte dieses und brachte G. F. mancherlei Verdruß. Zuerst führte seine Weigerung, eine Schlacht gutzuheißen, als der Prinz im Mai Bouchain zu entsetzen suchte, zu einer Verstimmung zwischen ihnen, welche bei Waldeck noch lange nachklang, und dann ward ihm die unlösbare Aufgabe zu Theil, mit einem kleinen Armeekorps die Belagerung von Mastricht gegen den Marschall Schomberg zu decken. Ueberhaupt war er unzufrieden mit der damaligen Kriegsführung und kam es namentlich mit den wenig an Thaten – doch um so mehr an Worten und Prätensionen reichen spanischen Generalen zu fortwährenden Conflicten. Seine Gesundheit fing an sich zu verschlechtern, sein Geist, durch allerlei Verdruß, Mißgeschick und häusliches Unglück (er verlor 1678 seinen einzigen noch lebenden Sohn und einen sehr geschätzten Schwiegersohn) heimgesucht, verlor an Elasticität und Energie. Zwar nahm er einen hervorragenden Antheil an den Schlachten von Mont-Cassel und St. Dénis, 1677 und 78, doch auch hier ward er meistens nicht vom Glück begünstigt, während die sehr engen Beziehungen mit Wilhelm, der große Einfluß, den er hatte, ihm den Neid vieler Höflinge, den Haß vieler Regenten eintrug. Denn seinem Ehrgeiz, seinem Streben, sich im Felde unentbehrlich zu machen, ward die Hartnäckigkeit, womit der Prinz sich dem Nymweger Frieden widersetzte, von vielen zugeschrieben; er war in dem viele Besorgnisse erweckenden Handel, um den geldern’schen Herzogstitel demselben anzubieten, verflochten und galt überhaupt als der Führer einer der Freiheit gefährlichen Militärpartei. Freilich unterließ er nicht, theils durch Unterhandlungen an fremden Höfen und das Aufgebot seines ganzen persönlichen Einflusses, Wilhelm zu unterstützen, theils denselben durch Flugschriften zu vertheidigen, wol der erste deutsche Fürst der je Pamphletist gewesen. Nach dem Frieden in seine Grafschaft Waldeck zurückgekehrt, wo er meist den Winter, wenn er nicht im Felde oder im Haag verweilen mußte, zubrachte, um sich zu erholen und seine sehr zerrütteten Verhältnisse zu ordnen, feuerte ihn das Elend, das sein armes Land von den freien Quartieren der armirten Fürsten, namentlich der Münsterischen, erlitt (er war seit vielen Jahren persönlich mit seinem mächtigen Nachbar Bernhard v. Galen, dem Haupt der Katholischen in Norddeutschland und Feind Hollands, zerfallen) zu neuer Thätigkeit an. Er plante eine Union der kleinen Reichsstände zu bewaffnetem Widerstand gegen dieses Unwesen; merkwürdiger Weise war es der Bischof von Straßburg, der Fürstenberger, der ihn auf den Gedanken gebracht, der sich in dieser Union, einen neuen Sonderbund, ein neues Werkzeug für Frankreich gegen Kaiser und Reich ersah, während G. F. im Gegentheil daraus eine Waffe gegen Frankreich schmiedete. Den Einfluß desselben geschickt benutzend, gelang es ihm im September 1679 zwischen den Fürsten und Grafen der Wetterau, der Eifel und des Westerwalds ein Bündniß zu Stande zu bringen, das als die „Union der vorderen Reichskreise“ bekannt ist. Ein Directorium, dem eine von sämmtlichen Unirten gestellte kleine Armee nebst Landwehr und Kriegsschatz gehorchte, sollte die Interessen der Unirten vertreten und namentlich verhindern, daß in dem Gebiet derselben freie Quartiere von den sogenannten „armirten Fürsten“ (die Truppen unterhielten zur Vermiethung an den Höchstbietenden) [706] genommen würden. Der Anschluß Kurkölns, das jedoch bald wieder austrat, wie mehrere unter Fürstenberg’s Einfluß stehenden kleine Reichsstände, und namentlich Hessen-Kassels, verliehen der Union bald ein gewisses Ansehen. Der Landgraf Karl von Hessen-Kassel, ein sehr deutschgesinnter Fürst und eifriger Freund Waldeck’s ward, als er eine Offensiv- und Defensivallianz mit der Union geschlossen, das ostensible Haupt des Bundes, dessen Seele jedoch Waldeck blieb. Nachher traten noch Hessen-Darmstadt, Nassau und mehrere kleinere Fürsten bei, zwei Jahre später der Bischof von Bamberg und Würzburg und der fränkische Kreis. Er war damals schon eine Macht im Reich geworden, welche bestimmt gegen Frankreich gekehrt war, der aber von der beschränkten Politik Oesterreichs ungern geduldet ward, welche denselben als gefährlich für Kaiser und Reich ansah. Die Verfassung des Bundes wollte Waldeck der Reichsarmee anpassen, über deren Reorganisation er mehrere Denkschriften hinterlassen und namentlich durch seinen Freund, den Bischof von Bamberg-Würzburg, dem Reichstag vorlegen ließ. So lange er namentlich an der Errichtung und Verstärkung der Union arbeitete, ließ Wilhelm von Oranien ihm die freie Hand, dann als die Zeit gekommen war, aus derselben den Grundstein eines deutschen Bündnisses gegen Frankreich zu machen, sowie aus dem Associationstractat den eines europäischen, nahm er die Oberleitung in die Hand, jedoch so, daß Waldeck’s Action eine völlig selbständige blieb, nur daß beide Männer so viel wie möglich ihre Maßregeln vereinbarten und damit die Schritte des einen in Deutschland nicht die des anderen in Holland und Schweden, England und Spanien gegenüber nicht durchkreuzten. Es war die Zeit der Reunionen, als Ludwig XIV., auf einseitige Auslegung des Nymweger Friedens und des Lehnrechtes sich stützend, fortwährend sowol in Belgien, als in Deutschland zu neuen Annexionen schritt, bei jedem Widerstand Gewalt brauchend, was er als Nothwehr entschuldigte und mit frivolen Redensarten und sehr ernsthaften Drohungen den Reichstag, sowol wie Spanien und den Kaiser hinhaltend, während er den heftig entbrannten Streit zwischen Wilhelm und Amsterdam benutzte, um die Republik im Schach zu halten. Wie bekannt stand ihm damals der große Kurfürst auf’s Eifrigste bei. Der Zweck Wilhelms und Waldecks war, eine Partei des Widerstandes zu organisiren und Ludwig durch kräftige Haltung in die Schranken zurückzuweisen, was, hofften sie, bei einiger Einigkeit auch ohne Krieg gelingen würde. Dagegen riethen Brandenburg, Amsterdam und die Französischgesinnten im Reich zum Nachgeben und beschuldigten sie, Europa aus persönlichem Ehrgeiz und Haß gegen Frankreich aufs neue in einen aussichtslosen Krieg zu stürzen. Es ist hier nicht möglich, ein Bild zu geben von Waldeck’s mannigfaltiger Thätigkeit in den Jahren 1681–83. Es gelang ihm nach unsäglicher Mühe, auch den argwöhnischen und fast unzugänglichen Kaiserhof und den größten Theil der deutschen Fürsten, außer den rheinischen, Kursachsen und Brandenburg zu einer gewissen Uebereinstimmung zu bringen, und im J. 1682 den größten Triumph seines Lebens zu feiern, indem er den Laxenburger Receß zu Stande brachte, eine Defensiv-Allianz zur Erhaltung der Unverletzbarkeit des Reiches zwischen dem Kaiser, Kurbaiern, dem bairischen, oberhessischen und fränkischen Kreise, die sich zur Stellung zweier Armeen am Rhein verpflichteten, wozu er eine dritte von den lüneburger und sonstigen norddeutschen Reichsständen zu fügen hoffte. Er war jetzt eine persona gratissima beim Kaiser geworden und der Fürstentitel sollte ihn belohnen, der keinen Sohn hatte, um sein Geschlecht fortzupflanzen. Derselbe kam darum nach seinem Tode an die andere Linie des Waldeckischen Grafenhauses. Noch immer war G. F. mit der Ausführung der Stipulationen des Laxenburger, oder, wie die Welt damals und namentlich die heftig klagenden Berliner Diplomaten sagten, Waldeckischen Recesses, beschäftigt, als der Türkenkrieg [707] des J. 1683 sein Werk über den Haufen stieß. Alle Kräfte mußten gegen Osten gesendet, der Westen entblößt werden. Waldeck selbst führte die Truppen der Allianz dem Kaiser zu Hülfe und nahm an deren Spitze und als militärischer Berather des Herzogs von Lothringen und der Kurfürsten von Sachsen und Baiern, der Führer der deutsch-österreichischen Armee, einen ehrenvollen Antheil am Entsatz von Wien durch den Polenkönig und die verbündeten Deutschen. Die von ihm hinterlassene Beschreibung der Schlacht zeigt, wie wenig die gewöhnliche Behauptung begründet ist, als wäre dies nur das Werk Johann Sobieski’s gewesen. Waldeck’s Werk in Deutschland war jedoch zerstört. Trotz allen verzweifelten Anstrengungen Wilhelms und Waldeck’s gelang es weder in Deutschland, noch in Holland eine Intervention zu Wege zu bringen, als Ludwig Luxemburg belagern ließ und so die Verbindung zwischen Belgien und Deutschland abschnitt. Im Gegentheil bei dem im Spätjahr 1684 geschlossenen zwanzigjährigen Waffenstillstand ward ihm der factische Besitz seiner widerrechtlichen Eroberungen zuerkannt. Nur die Hoffnung auf spätere Zeiten blieb der Actionspartei und ihren Häuptern Wilhelm und Waldeck. Freilich diese kamen eher als jemand erwartete. Der Tod Karls II. von England, der den Lauf der englischen Revolution beschleunigte, das unerwartete Glück des Kaisers im Türkenkrieg, die Mißhandlung der französischen Protestanten, welche im Widerruf des Edicts von Nantes gipfelten, die nachmalige Umkehr des großen Kurfürsten und die Versöhnung der Parteien in Holland bewirkten einen gänzlichen Umschwung der Dinge. Waldeck konnte bald seine Action wiederaufnehmen und, nachdem er 1685 als zweiter Befehlshaber unter dem Herzog von Lothringen und dem Kurfürsten von Baiern den Türkenfeldzug in Ungarn mitgemacht, neue Pläne zur Verwirklichung des alten Ziels schmieden. In engem Einverständniß mit Wilhelm, der jetzt durch seinen Diplomat Ekhard auch persönlich wirken ließ, half er 1686 den berühmten Augsburger Receß zu Wege bringen, der eigentlich nur eine Erweiterung des Laxenburgers war. Dieses Bündniß genügte damals Ludwig von neuen Ausschreitungen zurückzuhalten, ohne daß die in Folge desselben unter Waldeck’s Befehl aufgestellte Armee ins Feld zu rücken brauchte. Während der achtziger Jahre war Waldeck’s Stellung in Holland eine sehr unsichere gewesen, die Amsterdamer Regenten und ihre Freunde suchten den europäischen Störenfried, wie man ihn wol nannte, aus dem staatischen Dienst zu verdrängen. Jedoch Wilhelm hielt unerschütterlich Stand. Bevor er den aus dem Dienst lasse, müsse man ihn selbst wegjagen, sagte er. Jetzt trat er mit vielen früheren Gegnern in ein besseres Verständniß und seine Stimme hatte wieder Einfluß in der Republik. Mit den Rathspensionären Fagel, Bentinck und Dykveld, gehörte er zu den wenigen Eingeweihten in Wilhelms Pläne in Bezug auf England. Er arbeitete eifrig mit am Abschluß der erst streng geheim gehaltenen Unterhandlungen mit Brandenburg, den lüneburger Fürsten und mit Hessen, welche der Republik die nach England abgehenden Truppen ersetzen und eine deutsche Hülfsarmee an den Rhein bringen sollten. Ebenso war er es, welcher die allergeheimsten Unterhandlungen Wilhelms führte, um den Wiener Hof zur Gutheißung des allen dort gehegten Principien widerstreitenden Unternehmens zu zwingen. Der hessenkassel’sche Minister v. Görtz war unter seiner Oberleitung mit dieser schwierigen Mission, die fast von Niemand geahnt ward, beauftragt. Und als endlich Wilhelm nach England aufbrach, ließ er G. F. das Oberkommando über sämmtliche Truppen der Republik, nicht als Feldmarschall, sondern als stellvertretender Generalcapitän, der das Recht der Patente, der Ausgabe der Befehle zum Garnisonwechsel, auch innerhalb der Provinzen, hatte, freilich zum großen Verdruß des Staatsraths, der obersten Unionsbehörde der Republik, der auch das Kriegswesen unterstellt war, welcher dieses [708] Recht in Abwesenheit des Generalcapitäns für sich in Anspruch nahm. Für Waldeck, der seine Rechte mit einiger Schroffheit wahrte, eine Quelle von unendlichem Verdruß, ohne welche aber seine Gewalt völlig illusorisch geblieben wäre. An der Spitze der wenig zahlreichen niederländischen Armee, deren Kern in England war, und einer Anzahl alliirter, meist deutscher Truppen, leitete G. F. jetzt im Einverständniß mit dem Kurfürsten Friedrich von Brandenburg und dem spanischen Generalgouverneur Gastañaga, einem Granden, dessen Unfähigkeit nur von seinem Stolz übertroffen ward, so gut es eben ging, die Vertheidigung des Niederrheines und Belgiens, 1689 gegen den unfähigen Humières nicht ohne Erfolg; derselbe ward bei Walcourt aufs Haupt geschlagen und gewann nirgends Terrain, ohne daß jedoch Waldeck, dessen Hang zur methodischen Kriegsführung, dessen Abscheu vor allen Wagnissen durch sein Alter, seine Kränklichkeit und das niederdrückende Gefühl seiner Verantwortlichkeit an der Spitze einer innerlich schwachen Armee, welche die einzige übrige des Staats war, mehr als verdoppelt wurde, irgend etwas unternahm. Doch im nächsten Jahr, 1690, führte gleich der Anfang des Feldzugs zur blutigen Schlacht bei Fleurus, in welcher er vom Marschall Luxemburg gänzlich geschlagen ward. Die Art und Weise aber, wie er alle sonstigen Verluste, außer dem von Charleroi, zu verhindern wußte, beweist, daß er den Spott und Tadel nicht verdiente, welchen die Zeitgenossen auf ihn häuften. Aber es ist nicht zu leugnen, Waldeck hatte niemals Glück im Felde. Die beiden nächsten Jahre trat er wieder in seine frühere Stelle zurück, die staatische Armee unter Wilhelm zu commandiren und deren Generalstabschef zu sein. Aber seine Tage waren gezählt. Kurz nach der blutigen Schlacht bei Steenkerke, welche Wilhelm August 1692 gegen Luxemburg verlor, ward er durch seine überhand nehmende Krankheit (er litt schon viele Jahre am Podagra und damit verwandten Qualen) gezwungen, die Armee zu verlassen und in Ems Linderung zu suchen. Dann reiste er noch nach seiner Residenz Arolsen, wo er meistens den Winter zubrachte, aber hier verschied er am 19. November 1692, fast 73 Jahr alt. Seine Gemahlin überlebte ihn, wie mehrere Töchter. Doch der Fürstentitel und seine sämmtlichen deutschen Besitzungen fielen seinem Vetter anheim, weil er keine männlichen Nachkommen hinterließ. G. F. ist unter den deutschen Fürsten des 17. Jahrhunderts eine scharf abstechende Persönlichkeit. Für Holland nur als Militär von Bedeutung, während er seine staatsmännische Fähigkeit seinem Vaterlande allein widmete, war er einer der ersten, der in der Führung Brandenburgs das einzig zutreffende Mittel erkannte, Deutschland aus seinem politischen Elend herauszuheben, einer der ersten, der an einer Verbesserung der Reichsverfassung, namentlich durch Reorganisation des Reichsheerwesens gearbeitet hat. Er that dieses mit einer Energie, welche namentlich Staunen erregt, wenn man in seinen Briefen seinen leicht erregbaren und niedergeschlagenen Charakter kennen lernt. Ein guter General, doch kein Feldherr im höheren Sinne, in erster Linie Staatsmann und Patriot. Außer Wilhelm von Oranien hat Frankreich, als es Deutschland im 17. Jahrhundert zu unterjochen suchte, keinen heftigeren und unermüdlicheren Gegner gefunden. Seine Thätigkeit war beispiellos, die Masse seiner hinterlassenen Denkschriften, Journale, Correspondenzen, von welchen noch viele, namentlich aus seinen letzten Jahren von 1685 an verloren gegangen oder noch in Archiven versteckt liegen, ist enorm. Die unerschütterliche Freundschaft eines Mannes wie Wilhelm III. legt ein hohes Zeugniß seines Werthes ab, der namentlich seine Redlichkeit und Treue, seine Consequenz in seinem Vorhaben, dem Betragen der englischen Staatsmänner entgegenzustellen pflegte, und der ihn aufrichtig betrauerte, wie ein u. a. von Ranke, Engl. Geschichte, mitgetheilter Brief an Heinsius zeigt. Mit Leib und Seele seiner Aufgabe hingegeben, war er mitten im Chaos des 17. Jahrhunderts [709] ein aufrichtiger Patriot, ein echt deutscher Staatsmann, wie die deutschen Fürstenthümer damals keinen aufzuweisen haben; vielleicht kein großer Mann, doch einer, den das deutsche Volk hoch halten sollte, weil er nach dem großen Kurfürsten vielleicht der beste war, den Deutschland damals hatte.

Seine von seinem Geheimrath Joh. Georg v. Rauchbar zu einer Lebensgeschichte ausgearbeiteten Journale sind als Leben und Thaten des Fürsten Georg Friedrich von Waldeck von Dr. Curtze und Hahn 1867–72 in Arolsen erschienen. Es fehlen nur die nie ganz ausgearbeiteten Jahre 1688–89. Ueber sein Wirken in Brandenburg: Georg Friedrich von Waldeck, ein preußischer Staatsmann im 17. Jahrhundert, Berlin 1867, von Prof. Erdmannsdörffer. Ueber sein Zusammenwirken mit Wilhelm von Oranien: Wilhelm III. von Oranien und Georg Friedrich von Waldeck, Haag 1873, vom Verfasser dieses Artikels, in welchem Buche der Briefwechsel beider Männer die Hauptsache ist. Auch Droysen, Preußische Politik, III. 3, gibt mancherlei Aufschlüsse über den früher ganz vergessenen Mann und seine Thätigkeit zum Besten Deutschlands und Preußens.