Volkstümliches aus dem Elsass I
1 Der gedeckte Markstein
Auf dem Kühberge, oberhalb des Dorfes Hub bei Dagsburg, befindet sich ein hoher Stein „der gedeckte Markstein“ von den [31] Umwonern genannt. Auf im ist eingemeisselt: „St. Martinsstein 1727“. Man erzält folgendes: Der Wald gehörte früher biß zu dem Steine dem bei Zabern gelegenen Kloster Maursmünster. In der Revolution stürzten die Bauern disen Grenzstein um – deckten in –. Der Wald gieng dadurch dem Kloster verloren und fiel der Gemeinde zu, da der Grenzstein nicht aufzufinden war. – Der Stein wurde vor einigen Jaren wider aufgerichtet durch den Oberförster von Zabern.
2 Die Gespensterwise bei Hub
Ein Mann aus der Hub konnte, wenn er nach Dagsburg gieng, nie eine Wise überschreiten. Er fülte sich dann immer wie von unsichtbaren Händen ergriffen, gestossen und von dem Pfade abgedrängt. Als bei widerholten Versuchen sich diß immer widerholt hatte, ließ er sich von zwei kräftigen Leuten unter die Arme nemen und wollte so den Uebergang erzwingen. Aber auch so gelang es nicht. Er wurde aus den Armen der Männer gerissen, übel gestossen und vom Wege abgedrängt. Von nun an machte er den weiten Umweg auf der Strasse wenn er nach Dagsburg wanderte.
3 Gespenster auf dem Martellberge
Auf dem Martellberge, westlich von Dagsburg, soll sich in stillen Nächten ein Heer zeigen, das musicierend durch die Lüfte zieht. – Auf dem Berge finden sich noch zalreiche Spuren einer alten Ansidelung.
4 Der Gespensterfelsen bei Soldatental
In der Nähe des Weiler Soldatental bei Albreschweiler ligt ein Felsen, der „Gespensterfelsen“ genannt wird. An seinem Fusse entspringt eine ser kalte Quelle, der heilkräftige Wirkung zugeschriben wird. Alle siben Jare öffnet sich der Felsen und eine Schar weisgekleideter Jungfrauen wandelt singend aus im hervor und steigt zu der Quelle hinab. Dort waschen sich die Jungfrauen und treten dann laut klagend in den Felsen zurück, der sich hinter inen wider schliesst.
5 Die Jungfrau von Lützelburg
Auf dem Lützelburger Schlosse soll sich alle siben Jare und wenn, was in der lezten Zeit oft geschah, der Besizer wechselte, eine Jungfrau zeigen, die langsam das Schloss umwandelt. Ire Gestalt gleicht einem Wagenbaume, doch ist der Kopf deutlich zu unterscheiden. Die ganze Gestalt stralt wie ein Feuer und verbreitet weithin einen hellen Schein. Einen Pfennig könnte man auf dem Boden unterscheiden. – Der Holzhauer, der mir diß erzälte, versicherte ernst, dise Erscheinung selbst gesehen zu haben, im Frühjare des Jares 1870.
6 Der „sac de pierre“
Nicht weit vom Donon, einem hohen Berge der Vogesen, auf dem Gebirgszuge, der die Täler der weissen und roten [32] Saar trennt, auf der Maloote, stet ein Stein, fast cylindrisch geformt. Er heisst bei den Umwonenden sac de pierre oder sac de marché. Man erzält, dass zu alter Zeit dort järlich ein grosser Markt abgehalten wurde. Der Stein diente dann als Mass für die Höhe und Umfang der Getreidesäcke. Der Kauf wurde abgeschlossen, indem man sich über den Stein die Hand reichte. Diß wurde für heiliger als ein Schwur gehalten und wehe dem, der den Vertrag brach. In demselben Jare traf in sicher ein schweres Unglück.
7 Die Zigeuner im Zinzeltale
Die Zigeuner hielten sich früher vil in der Gegend von Pfalzburg auf. Das Zinzeltal mit seinen Verzweigungen war ir Lieblingsaufenthalt und jeden Sommer lebten dort Zigeunerfamilien in den zalreichen Hölen und Grotten. So mancher Name wie Heidenkopf u. s. w. mag von disen Heiden herrüren. So zeigt man noch jezt im Haspeltale rechts wenn man vom Oberhofe nach Gutebrunnen get, Hölungen, die jeden Sommer von Zigeunern bewont wurden.
8 Büchelberg
Früher hiess das Dörfchen Büchelberg bei Pfalzburg ganz allgemein „Quatre Voleurs“. Die Einwoner wurden vil damit geneckt. Der Ursprung dises Spottes soll gewesen sein, dass in den ersten Нäusеrn des Ortes sich Zigeuner eingenistet hatten, die von dort aus mit Unterstüzung einer eingeborenen Familie, deren Mitglider später sämtlich auf die Galeere kamen, weite Raubzüge und unzälige Diebstäle verübten.
9 Die Diebsschelle
Beim Einflusse des Fischbächel in die Zinzel ligt auf dem westlichen Ufer des Fischbächel ein Berg mit Felsen und Hölungen. Der Berg heisst im Munde der Umwonenden „Diebsschelle“. In alter Zeit sollen in den Hölungen gewaltige Räuber gehaust haben. Ueber den Weg hatten sie Schnüre gezogen, an denen Schellen befestigt waren. Zogen Leute der Strasse nach und berürten zufällig die Schnüre, so wurden die Räuber durch das Getön allarmiert, überfielen die Wanderer und raubten sie aus.
10 Forsthaus Oberhof
Das Forsthaus Oberhof im Zinzeltal ist übel verrufen, als Aufenthaltsort böser Geister. Früher als das Tal abwärts noch kein Farweg war und das Holz geflösst wurde, diente das Forsthaus als Stallung und einer der Holzhauer muste Nachts darin schlafen. Einem, der jezt noch als 80järiger Mann in Hattmatt lebt, fiel es auf, dass jedesmal um Mitternacht die Pferde gewaltig lärmten. Einst entschloss er sich der Ursache nachzuspüren und stand auf um nachzusehen. Da erblickte er in der Ecke seines Gelasses einen [33] mächtigen Haufen glühender Kolen, der aber sofort als er herzhaft darauf loß schrit, verschwand. Dem Knechte graute es und er wagte nicht zu den lärmenden Pferden hinabzusteigen.
11 Die weisse Jungfrau von Hüneburg
Auf der Hüneburg, einer eine Stunde westlich von Neuweiler gelegenen Burgruine, sollen grosse Schäze verborgen sein. Oft siht man vom Kazenberge aus an den Trümmern der Burg eine Jungfrau lustwandeln, deren weisser Schleier weithin leuchtet. Ir Lieblingsaufenthalt ist ein Brunnen unterhalb einer mächtigen alten Linde. –
Dorthin fürte sie einst ein junges Mädchen aus Neuweiler, dаs in der Nähe Vih hütete. Sie zeigte ir in der Hölung des Gesteins, aus der die Quelle hervorbricht eine grosse Kiste von Gold. Auf der Kiste lag eine feurige Schlange, die den Schlüssel im Maule hielt. Bittend wis die Jungfrau darauf hin. Dem Mädchen jedoch graute und sie lief eilends davon.
Auch ein Holzhauer wurde durch die Jungfrau dahin gefürt. Aber auch er konnte seine Furcht nicht bezwingen und auch er floh. Da seufzte die Jungfrau laut und klagte: „Wehe mir, jezt ist die Erlösung noch weit! Nach 50 Jaren wird der Wald hier gefällt werden. Dann wird ein Holzhauer einen Apfel verzeren, aus dessen einem Kerne ein statlicher Baum erwachsen wird. Gefällt wird aus seinem Holze eine Wige gezimmert werden. Das erste Kind, das darin ruht wird mich erlösen.“
12 Die Steinbütte
Oberhalb Reinhardsmünster bei Zabern, in der Nähe des Forsthauses Schäferplaz, ligt ein merkwürdiger Fels. Sorgfältig bearbeitet bildet er einen grossen Bottich. Von disem Felsen, der die Steinbütte genannt wird, erzält man, dass einst ein Abt von Maursmünster denselben bearbeiten liess für sein Kloster. Als derselbe fertig war und zu Tale gebracht werden sollte, vermochte man auf keine Weise die ungeheure Last zu bewältigen. Vergeblich bot der Abt jedem, der es vollbrächte sovil Silbergeld, als nötig wäre den Weg biß zum Kloster zu bedecken. –
Nach einer anderen Erzälung soll ein Mönch in sträflicher Liebe zu einer Nonne entbrannt sein. Zur Strafe wurde er von dem Abte verurteilt, den Felsen in mühsamer, langer Arbeit auszuhölen.
13 Der Brotschgeist
Auf dem Brotschberge, südlich von Zabern, finden sich noch Spuren alter Befestigungen und an der Südseite unterhalb des mächtigen Brotschfelsen eine kleine Hölung. In derselben haust der Brotschgeist, der sich oftmals den Leuten zeigt, denselben jedoch [34] nie etwas zu Leide tut. – Wie in Reinhardsmünster erzält wird, soll dort einst ein gewalttätiger Richter gehaust haben, der vil Unrecht tat. Nach seinem Tode wurde er unter dem Felsen des Brotschberges begraben, fand aber keine Ruhe.
14 Drei-Königs-Lied. (Gesungen in Benfeld Unter-Elsass von herumziehenden Jungen aus dem Lebertal)
Wir kommen daher aus aller Gefar,
Wir wünschen euch allen glückselig’s Neujar!
Glückselige Neujar ist eine fröhliche Zeit,
Sowie es Gott [Vater] vom Himmel herabsait (sagt)
Wir heiligen drei Könige aus Morgenland
Wir reichen einander die göttliche Hand
Wir gehen mit einander vor Herodes Haus
Herodes schaut zum Fenster hinaus.
Herodes sprach mit falschem Sinn:
„Ir lieben drei Weisen, wo wollet ir hin?“
„Wir wollen wir wollen nach Bethlehem
Wo Christus der Herr geboren soll sein!“
Herodes sprach mit falschem Bedacht:
„Warum ist denn der mittlere König so schwarz?“
„Der Schwarze, der Schwarze ist wol bekannt,
Es ist der König aus Morenland!“
Wir gehen mit einander den Berg hinauf.
Der Stern, der Stern stand über dem Haus;
Wir gehen mit einander den Stall hinein,
Wir fanden das Kindlein im Krippelein.
Wir fanden das Kindlein nackt und bloss
Und Maria hat es auf dem Schoss.
Und Joseph zog sein Hemdelein aus
Maria machte drei Windelein daraus.
Der Stern, der Stern soll herummer gen
Wir müssen bei Tage noch weiter gen. –
15 Hausinschriften aus dem Ober-Elsass
Ach Gott helf mir erwerben
Christlich zu leben und seelig zu sterben
Wann ich hab christlich gelebt und seelig gestorben
So hab ich genugsam auf Erden erworben.
Andreas Weingang bin ich genannt
Jesus Christus ist mein Heiland
Gott behüte uns vor Feuer und Brant
dem Jesuskinde auf zunemendem Monde.
Das Haus stehet in Gottes Hand
Es ist dem Diewolt Muorbach wol bekannt.
Gott allein die Ehr
Sonst keinem mehr
Die Menschen bauen sich
Oft Haeuser und Palaeste
Und sind doch auf der Welt
Nur Pilgrim und nur Gäste
Die durch dies Jammerthal
Gen Himmel sollen gahn
Wer fragt nach Haus und Hof
Auf dieser schnöden Erde
Wenn ich nur dermaleinst
Ein Himmels-Burger werde
Anna Maria Kempf
1860.
O Mensch о Mensch Bedenck Dein End
denn Du wisse dass Du sterben musst Ja ich lebe
und ich weiss nicht wie lang ich muss sterben und
weiss nicht Wann ich fahr und weiss nicht wo
hin mich wundertst dass ich so freudig bin
In der Kirche Andächtig bei grossen Herren
Vorsichtig auf der Gasse Züchtig Ueber Tisch Mässig
zu Haus Freundlich Wer diese fünf Stück
hält Gott und Menschen wohl gefällt
Bedenk dein letztes End bescher uns alle
Ales steht In Gott
es handt zu Dem
Beren bin ich
genant.
о welt о welt wie sauer ist dein gelt
wer wonung suocht uf diser
welt dem wirt belont in ewigkeit
Hanns Heinrich
Sohn Maria
Magtali Makoppin
Anno 1663.
Als man zalt nach Chri. geburt 1574 galt
ein fuoder kellerwins alhie 82 gulden.
Da man hat gezalt nach Christus uns
ers selich mancher geburt 1544 jar
Hat ein fůder keller win
gollten 50 gulden hie das is war
Hemo Bulla
Reno |
viert | |
Kellerwein 132 R |
Zu ehren got de almecht
ige vnd ieglicher uebueng
cristlicher lieb ist bewege
worde ein ersame buergersch
afft allhie zue buewe vnd stifft
en disser der armen luett hvss
welches zue ewigen zuetten vn
verhindtert erhalten sol wer
den anno 1542.
Daneben:
In dem jahr MDCCXXXIV
ist dieses spital auf den
vralten platz gantz
neue gehauen worden.
Dieses Haus
ist auf Kosten allhiesiger
Burgerschaft zu einer allgemeinen
Schul wiederum neu auferbaut wor
den im Jahr MDCCLI
Eh ver
acht als
gemacht.
1626.
Ich bavw vir mich
sih du fir dich. 1330.
Ludwig Scher
er Baretmach
er von Bisans.
Burger zu Col
mar MDXXXVII
Le non de dieu soit benit
des ceste hevre et a iamais.
aimons |
dieu par |
Wie erschröcklich ist dis
ort es ist hier nichts anders dann
Gottes Haus und die Porte des Himmels
Als Christus die handler aus dem Tempel
getrieben sprach er mein Haus ist ein
Bethaus ihr aber machts zur mörd
er grub und
schwetzhaus.
Georg Grave zv Wirtemberg
vnd zv Mumppell-Gart
Die stund brings end.
(Wappen, zerstört).
1540.
Das wort Gottes
plipt ewig
1(7)39.
Allhie in gottes namen stehe ich
Jeremias Lichtenaer bavet mich.
Von Rappoltzweiler gebyrdich.
Mit gottes hilf vnd beistantt
Gott behied mich vor Feyer vnd brandt
Vor allem vnglick vnd Schandt.
16. 13.
In gottes namen ward angefangen ich
Conrad Ortlieb hat erbawen mich
mit hilf gottes und seinen werckleutten
an mir hat er selbs duon arbeiten
hat mich dise dofel selbs gehauwen
den baw mag jeder wol beschaven
wan er wer zuo hestlich oder zuo schlecht
wan du bavst so machs jedem recht
er ist gemacht nach meines sins gestalt
ich weis das er nit jedem gefalt.
15 74.
C. O.
Daneben ein Bild, wie der Tod einen Ritter fasst und auf einen Sarg deutet, dabei die Verse:
o. dot. du |
inem. brach. |
16 Sprüche in Wirtsstuben
Der wilde Mann
Willkommen bist mein lieber Gast
Wenn du Geld im Beutel hast
Hast du kein’s so bleib nur aus
Sonst wird der Wilde wild im Haus
Mit Geld wird der Wilde zahm
Er wird so gut wie ’s beste Lamm
Für’s Geld giebt’s Wein, der gut wird munden
Er verschafft dir heitere fröhliche Stunden
Doch sagt nicht das Heute oder Morgen
Der Wilde dir den Wein soll borgen
Dies gab dem Wilden gar viel Sorgen.
Werther Gast beim guten Wilden
Trinkt du den Wein den guten, wilden
Darum kommt alle zu ihm her
Aus allen Landen über Kreuz und Quer
Von Norden, Süd, Ost und Westen
Er bringt Euch Wein vom aller besten
Bin ich französisch oder deutsch
Darum du dich nicht scheust
Bleib ich doch der Wilde.
Auf dem Schilde
Nur bitt ich und ermahne Euch
Seid so gut und zalet gleich.
Es ist nicht möglich
aufzuschreiben.
Wir wollen gute
Freunde bleiben
Meine Herren
und Gäste ich bitt euch seyd
so gut und
zalet gleich.
Das Glas trinkt aus
bis auf den Grund
Dies erhalt euch in der
That gesund
Und lasst ihrs öfters wieder
füllen
Verschwinden euch des Trutzes
seine Grillen.
Willkommen zu jeder Zeit, ihr lieben gäst und brüder
Mein dienst ist euch bereit kommt her und setzt euch nieder
Seyd Fröhlich trinkt mit lust, so Viel euch mag belieben
Doch Forchtet euch Vor Gott, den müsst ihr nicht betrüben
Mit Spotten Possen Schärz, mit Fluchen und mit Schwören
Wie mancher bey dem wein bier kafee thut hören
Wer seinen Witz, Verstand Und Sinnen will Versaufen
Der geh, ich werd ohn ihn Mein getränk schon verkaufen
Bey gott kann, wie bekannt, kein Frevel straflos bleiben
So wohl an dem ders leid als denen die es Treiben
Ja selbst dem Christenthum, ist es grad zuwider
Ach hütet euch davor, ihr liebe gäst und brüder
Da wein bier und kafee bei dieser theuren welt
Wie die Erfahrung lehrt euch kostet so viel Geld
Drum trinkt ein Jeder so, damit er nicht darf borgen
Dann borgen macht dem Wirth wie auch dem gast viel Sorgen
Wie mancher ist dadurch um all sein Sach gekommen
Und hat auch vor der Zeit die Armuth zugenommen
Ich bit wer dieses liest der les es mit bedacht
So wird er Selbst gestehen Das es ist gut gemacht.
Solche Gäste hab ich gern
Die stets friedsam diskuriren
Essen trinken, zahlen gern
Und dann friedlich abmarchiren
Ihnen wünsch ich Fried und Glück
Kehren sie zu mir zurück.
STRASSBURG IE | KARL MÜNDEL |
Anmerkungen (Wikisource)
Die Sagen finden sich auch als Einzeltexte unter:
- Sagen aus dem Dagsburger Lande
- Aus dem Zinzeltale
- Aus der Umgebung von Zabern