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Sprüche der Väter

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Titel: Sprüche der Väter
Untertitel:
aus: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel S. 1058–1083, S. 1330–1332
Herausgeber: Paul Rießler
Auflage:
Entstehungsdatum: 2./3. Jahrhundert n. Chr.
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Dr. B. Filser
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Erscheinungsort: Augsburg
Übersetzer: Paul Rießler
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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54. Sprüche der Väter


1. Kapitel
1
Moses empfing das Gesetz vom Sinai

und überlieferte es Josue
und Josue den Ältesten und diese den Propheten
und diese den Männern der großen Synagoge.
Diese sprachen drei Dinge aus:
Seid vorsichtig im Urteil!
Nehmt viele Schüler an!
Macht einen Zaun um das Gesetz!

2
Simon, der Gerechte

war einer der letzten Männer der großen Synagoge;
er sprach:
Auf drei Dingen beruht die Welt:
Auf dem Gesetz,
auf dem Gottesdienst
und auf Liebeserweisungen.

3
Antigonus aus Soko, Simons des Gerechten Schüler,

pflegte zu sagen:
Seid nicht wie die Knechte,
die dem Herrn nur in der Absicht auf Belohnung dienen!
Seid vielmehr Knechte,
die dem Herrn dienen ohne Absicht auf Belohnung!
Und die Furcht vor dem Himmel sei bei euch!

4
Jose, des Joezer Sohn, aus Sereda,

und Jose, des Jochanan Sohn, aus Jerusalem,
waren Schüler des vorigen.
Jose, des Joezer Sohn, aus Sereda sagte:
Dein Haus sei ein Sammelplatz der Weisen!
Bestäube dich mit dem Staub ihrer Füße
und schlürfe voll Durst ihre Worte!

5
Jose, des Jochanan Sohn, aus Jerusalem sprach:

Dein Haus sei der Straße geöffnet,
damit Arme deine Hausgenossen seien!
Sprich nicht viel mit dem Weib! –
Gilt dies schon vom eigenen Weib,
dann um so mehr vom Weib des Nächsten.

Demgemäß sagen die Weisen:
Wer mit dem Weib viel redet,
fügt sich selber Schaden zu,
vernachlässigt das Gesetzesstudium
und gewinnt schließlich die Hölle. –

6
Josue, des Perachja Sohn,

und Mattai, der Arbelite, waren Schüler der vorigen.
Josue, des Perachja Sohn, sprach:
Verschaffe dir einen Lehrer!
Erwirb dir einen Freund!
Beurteile alle Menschen nach der guten Seite!

7
Mattai, der Arbelite, sprach:

Entferne dich von einem bösen Nachbar!
Geselle dich nicht zu einem Gottlosen!
Gib den Gedanken an Vergeltung nicht auf!

8
Juda, des Tabai Sohn,

und Simon, des Schetach Sohn, waren Schüler der vorigen.
Juda, Tabais Sohn, sagte:
Handle nicht wie die Sachwalter,
die die Richter zu beeinflussen suchen!
Stehen die Kläger vor dir,
so seien sie in deinen Augen wie Schuldige,
die keinen Freispruch erhielten
und die, die vor deinem Angesicht weggeführt werden,
seien in deinen Augen wie Unschuldige,
die einen Freispruch empfingen!

9
Simon, des Schetach Sohn, sagte:

Untersuche genau die Zeugen!
Sei aber vorsichtig mit deinen Fragen,
damit sie nicht daraus Unwahrheiten lernen!

10
Schemaja und Abtalion waren Schüler der vorigen.

Schemaja sprach:
Liebe die Arbeit!
Hasse die hohe Stellung!
Mach dich nicht mit der Obrigkeit zu vertraut!

11
Abtalion sprach:

Ihr Weisen, seid vorsichtig in euren Lehren!
Ihr möchtet euch sonst eine Schuld zuziehen,
die Gefangenschaft bringt
und dann an einen Ort mit schlechtem Wasser verbannt werden,
woselbst die euch nachfolgenden Schüler dann trinken und sterben müßten.
So würde, wie daraus hervorgeht,
des Himmels Name entweiht werden.

12
Hillel und Schammai waren die Schüler der vorigen.

Hillel sagte:
Sei den Schülern Aarons ähnlich!
Liebe den Frieden!
Strebe nach Eintracht!

Liebe die Geschöpfe!
Lehre sie das Gesetz!

13
Derselbe pflegte zu sagen:

Wer den Ruhm vergrößern will, verliert ihn.
Wer nicht zufügt, nimmt ab.
Wer nicht lernt, ist des Todes schuldig.
Wer die Krone ausnützt, geht zugrunde.

14
Ferner pflegte er zu sagen:

Wenn ich nicht für mich bin,
wer ist dann für mich?
Wenn ich aber für mich bin,
was bin ich?
Und wenn nicht jetzt wann dann?

15
Schammai pflegte zu sagen:

Gib deinem Gesetzesstudium einen festen Rahmen!
Sprich wenig!
Tu viel!
Empfang alle Menschen freundlich!

16
Rabban Gamaliel sprach:

Verschaff dir einen Lehrer,
so erhebst du dich aus dem Zweifel!
Verzehnte nicht nach Gutdünken!

17
Sein Sohn Simon pflegte zu sagen:

Ich wuchs unter den Weisen auf mein Leben lang
und fand nichts Besseres für den Menschen, als Schweigen.
Nicht das Forschen ist die Hauptsache,
sondern das Tun.
Wer viel spricht,
schleppt Sünde herbei.

18
Rabban Simon, Gamaliels Sohn, sprach:

Auf drei Dingen beruht die Weltordnung:
Auf Recht, Wahrheit und Frieden;
die Schrift (Zach 8, 16) sagt:
„Richtet nach Recht, Wahrheit und in Frieden!“


2. Kapitel
1
Rabbi fragte:

Welches ist der rechte Weg, den ein Mensch wählen soll?
Was immer eine Ehre ist für den, der es tut,
und eine Ehre für ihn in den Augen der Leute.
Halt gewissenhaft das leichte wie das schwere Gebot!
Du weißt nicht,
welche Vergeltung der Erfüllung der Gebote zukommt.
Schätze den Verlust durch ein Gebot gegen seinen Gewinn ab
und den Gewinn der Übertretung gegen den Verlust!
Merk auf drei Dinge
und du fällst nicht in Sünde!

Beherzige, was über dir ist!
Ein sehendes Auge, ein hörendes Ohr
und ein Verzeichnis aller deiner Werke.

2
Rabban Gamaliel, der Sohn des Rabbi Juda, des Fürsten, sprach:

Lieblich ist es,
das Gesetzesstudium mit weltlicher Beschäftigung zu verbinden;
denn das Streben nach beiden läßt das Sündigen vergessen.
Aber nur Studium ohne andere Beschäftigung
nimmt sicher ein Ende
und zieht Sünde nach sich.
Alle, die an der Gemeinde arbeiten,
müssen sich mit ihr abgeben, nach dem Willen des Himmels;
denn das Verdienst ihrer Ahnen hilft ihr
und deren Gerechtigkeit dauert fort.
Was aber euch betrifft,
so rechne ich euch es als Verdienst an,
sagt Gott,
als hättet ihr es vollbracht.

3
Seid vorsichtig mit Großen!

Sie sind gegen die Menschen nur aus Eigennutz herablassend.
Sie stellen sich freundlich,
wenn sich ein Vorteil für sie zeigt,
helfen aber niemanden,
kommt er in Not.

4
Ferner sprach er:

Tue Seinen Willen, als sei es dein Wille,
damit Er deinen Willen nach Seinem Willen erfülle!
Brich deinen Willen vor Seinem Willen,
damit Er den Willen anderer vor deinem Willen breche!

5
Hillel sprach:

Trenn dich nicht von der Gemeinde!
Trau dir selber nicht bis zu deinem Todestag!
Richte deinen Nächsten nicht,
bevor du dich in seine Lage versetztest!
Sag nicht von einem Ausspruch, den man nicht verstehen kann,
man könne ihn schließlich doch noch verstehen!
Und sag nicht:
Wenn ich Muße habe, will ich ihn studieren!
Vielleicht fehlt dir die Zeit dazu.

6
Er pflegte auch zu sagen:

Der Ungebildete scheut keine Sünde,
und der Unwissende ist nicht fromm.
Der Schüchterne lernt nichts,
und der Aufbrausende lehrt nichts.
Wer viel Handel treibt,
wird nicht weise.
An einem Ort, wo es an Männern fehlt,
bemühe dich, ein Mann zu sein!

7
Er sah auch einst einen Schädel, der auf dem Wasser schwamm:

da sprach er ihn an:
Weil du jemanden ertränktest,
ertränkte man dich:
aber auch die, die dich ertränkten,
wird man ertränken.

8
Derselbe sagte:

Viel Fleisch, viel Gewürm!
Viele Güter, viel Sorgen!
Viele Mägde, viel Unzucht!
Viele Knechte viel Untreue!
Viel Weiber, viel Zauberei!
Viel Gesetzesstudium, viel Leben!
Viel Weisheit, viel Schule!
Viel Almosen, viel Heil!
Wer einen guten Leumund besitzt,
besitzt ein wirkliches Gut.
Wer die Worte des Gesetzes erwirbt,
erwirbt das Leben in der zukünftigen Welt.

9
Rabban Jochanan, des Zakkai Sohn,

war ein Schüler Hillels und Schammais;
er pflegte zu sagen:
Hast du deine Pflicht erfüllt,
so rühm dich dessen nicht!
Denn dazu bist du geschaffen.

10
Rabban Jochanan, Zakkais Sohn, hatte fünf Schüler:

Rabbi Eliezer, Hyrkans Sohn, Rabbi Josue, Chananjas Sohn,
Rabbi Jose, den Priester, Rabbi Simon, Natanaels Sohn
und Rabbi Eleazar, den Sohn des Arak.
Er bestimmte ihr Lob also:
Rabbi Eliezer, Hyrkans Sohn, ist eine ausgekalkte Zisterne.
Von Rabbi Josue, Chananjas Sohn, sagte er: Heil seiner Mutter!
Von Jose, dem Priester: Er ist ein Frommer.
Von Simon, Natanaels Sohn: Er fürchtet die Sünde.
Von Eleazar, Araks Sohn:
Er ist eine Quelle, die immer stärker sprudelt.

11
Er pflegte zu sagen:

Lägen alle Weisen Israels in der einen Wagschale
und Eliezer, Hyrkans Sohn, in der andern,
so würde er alle aufwiegen.

12
Abba Saul sagte in seinem Namen:

Lägen alle Weisen Israels in der einen Wagschale
und wäre selbst Eleazar, Hyrkans Sohn, dabei,
und läge Eleazar, Araks Sohn, in der andern,
dann würde er sie alle aufwiegen.

13
Er sprach zu ihnen:

Geht hin und seht,
welches der beste Weg ist,

daß sich ihn ein Mensch erwähle!
Da sprach Rabbi Eliezer:
Ein freundlich Auge.
Rabbi Josue sagte:
Ein guter Freund.
Rabbi Jose sagte:
Ein guter Nachbar.
Rabbi Simon sagte:
Wer auf die Zukunft schaut.
Rabbi Eleazar sagte:
Ein gutes Herz.
Da sprach er zu ihnen:
Ich finde Eleazars, des Araksohnes, Worte besser als eure;
denn in seinen Worten sind eure mitenthalten.

14
Ferner sprach er zu ihnen:

Geht hin und seht zu,
welches der schlimme Weg ist,
daß ihn der Mensch meide!
Da sprach Rabbi Eliezer:
Ein schlimmes Auge.
Rabbi Josue sprach:
Ein schlimmer Freund.
Rabbi Jose sagte:
Ein böser Nachbar.
Rabbi Simon sprach:
Wer borgt und nicht zurückgibt –.
Es ist gleich, ob ich von Menschen borge
oder von Gott (gepriesen sei er!).
Die Schrift (Ps 37, 21) sagt:
„Der Gottlose borgt, gibt aber nicht zurück;
der Gerechte ist gütig und schenkt her.“ –
Rabbi Eleazar sagte:
Ein böses Herz.
Da sprach er zu ihnen:
Ich ziehe Eleazars, des Araksohnes, Worte den eurigen vor:
denn in seinen Worten sind eure mitenthalten.

15
Sie stellten je drei Grundsätze auf.

Rabbi Eliezer sagte:
Die Ehre deines Freundes sei dir so lieb wie die deine!
Sei nicht zum Zorn geneigt!
Bekehr dich einen Tag vor deinem Tod!
Wärm dich am Feuer der Weisen;
aber hüte dich vor ihren Kohlen,
daß du nicht verbrennst!
Denn ihr Biß ist wie der eines Fuchses;
ihr Stich wie der eines Skorpions;
ihr Zischen wie das einer Schlange
und all ihre Worte sind feurige Kohlen

16
Rabbi Josue sprach:

Ein schlimmes Auge, schlimme Leidenschaft
und Menschenhaß schaffen den Menschen aus der Welt.

17
Rabbi Jose sagte:

Deines Nächsten Gut sei dir so lieb wie das deinige!
Bereite dich zum Erlernen des Gesetzes vor!
Es fällt dir nicht als Erbe zu.
Alle deine Handlungen sollen im Namen des Himmels geschehen!

18
Rabbi Simon sprach:

Beobachte genau das Lesen des „Gebetes“ und der anderen Gebete!
Wenn du betest,
so betrachte dein Gebet nicht als bloße Formsache;
es sei vielmehr inniges Flehen vor dem Gott!
Die Schrift (Joel 2, 13) sagt:
„Er ist gnädig und barmherzig,
langmütig und von großer Huld.“
Sei nicht in deinen eigenen Augen gottlos!

19
Rabbi Eleazar sagte:

Sei aufmerksam beim Lernen,
damit du dem Freidenker erwidern kannst!
Bedenke, um wessen Sache du dich bemühst
und wer dein Meister ist,
der dir den Lohn für deine Arbeit gibt!

20
Rabbi Tarphon sagte:

Der Tag ist kurz,
die Arbeit viel,
die Arbeiter träge
und der Lohn hoch
und der Meister drängt.

21
Derselbe sagte auch:

Du bist zwar nicht verpflichtet,
die Arbeit zu vollenden;
aber es steht dir auch nicht frei,
sie zu unterbrechen.
Beschäftigst du dich viel mit dem Gesetz,
so gibt man dir reichen Lohn.
Zuverlässig ist dein Meister;
er bezahlt dir den Lohn deiner Arbeit.
Aber wisse!
Der Lohn der Frommen findet sich in der Zukunft.


3. Kapitel
1
Akabja, Mahalaleels Sohn, sagte:

Merk auf drei Dinge
und du fällst nicht in Sünde!
Beherzige, woher du kommst,
wohin du gehst

und wem du Rechenschaft geben mußt!
Woher kamst du?
Von einer übelriechenden Flüssigkeit.
Wohin gehst du?
An den Ort des Staubes und Gewürmes.
Wem mußt du Rechenschaft ablegen?
Dem König, dem König der Könige. Gelobt sei er!

2
Rabbi Chanina, der Priestervorsteher, sagte:

Bet für das Wohl der Obrigkeit!
Gäb’s keine Furcht vor ihr,
so verschlänge einer den andern.

3
Rabbi Chanina, Teradions Sohn, sagte:

Sitzen zwei beisammen
und reden sie nicht über das Gesetz,
dann ist es wahrlich ein Zusammensitzen von Spöttern.
Es heißt in der Schrift (Ps 1, 1, 2):
„In der Versammlung der Spötter sitzt er nicht.“
Aber sitzen zwei beisammen
und befassen sich mit dem Gesetz,
dann ist die Gottesgnadengegenwart bei ihnen.
Es heißt in der Schrift (Mal 3, 16):
„Dann sagen die Gottesfürchtigen zueinander:
Gott hört und vernimmt es.“

4
Ich finde hier nur Zweierlei.

Sitzt einer da und forscht im Gesetz,
rechnet ihm dies der Heilige an.
Es heißt ja (Klagel. 3, 28):
„Er sitzt einsam da und schweigt;
denn Er legt’s ihm auf.“

5
Rabbi Simon sprach:

Wenn drei, die an Einem Tische sitzen,
nicht von dem Inhalt des Gesetzes reden,
dann ist es, als ob sie von Totenopfern äßen.
Es heißt ja (Is 28, 8):
„Alle Tische sind ja voll von Gespei und Unflat ohne Gott.“
Aber, wenn drei, die an Einem Tische essen,
über den Gesetzesinhalt reden,
dann ist es, als ob sie vom Tische Gottes äßen.
Es heißt (Ez 41, 22):
„Er sprach zu mir:
Das ist der Tisch, der vor dem Herrn steht.“

6
Rabbi Chanina, Chakinais Sohn, sprach:

Wer bei Nacht aufsteht,
wer allein reist
und wer sein Herz zum Eitlen wendet,
ist schuld an seinem Untergang.

7
Rabbi Nechunja, des Hakkana Sohn, sprach:

Jedem, der das Joch des Gesetzes trägt

nehmen sie das Joch des Königtums
und das Joch der weltlichen Sorgen.
Wer sich vom Joch des Gesetzes losmacht,
muß das Joch des Königtums
und der weltlichen Sorgen tragen.

8
Rabbi Chalaphta aus Kephar Chananja sagte:

Bei zehn, die dasitzen und sich mit dem Gesetz beschäftigen,
ist mitten darin die Gottesgnadengegenwart.
Es heißt ja (Ps 82, 1):
„Gott steht in der Versammlung der Götter.“
Aber auch von fünf heißt es (Ps 82, 1):
„Inmitten von Göttern richtet er.“
Aber auch von drei heißt es (Am 9, 6):
„Er gründete auf Erden sein Gewölbe.“
Aber auch von zwei heißt es (Mal 3, 16):
„Dann sprechen die Gottesfürchtigen zueinander:
Gott hört und vernimmt es.“
Aber auch von Einem heißt es (Ex 20, 24):
„Überall, wo ich meinen Namen preisen lasse,
komme ich zu dir und segne dich.“

9
Rabbi Eleazar, Judas Sohn aus Bartota, sprach:

Gib ihm von dem Seinigen!
Denn du und das Deinige ist sein.
So sagte Er auch durch David (1 Chr 29, 14):
„Von dir kommt alles
und aus deiner Hand geben wir es dir.“

10
Rabbi Jakob sagte:

Wer spazierengeht und das Gesetz wiederholt,
aber das Studium unterbricht und sagt:
„Wie schön ist dieser Baum!
Wie schön dieses Feld!“
dem rechnet man es an,
als hätte er seine Seele befleckt.

11
Rabbi Dostai, des Rabbi Jannai Sohn,

sagte im Namen des Rabbi Meir:
Wer etwas von seinem Studium vergißt,
dem rechnet man es an,
als hätte er seine Seele befleckt.
Es heißt ja (Dt 4, 9):
„Nun hüte dich und bewahre recht deine Seele,
damit du nichts von dem, was deine Augen sahen, vergissest!“
Es wäre möglich, daß es auch gilt,
wenn ihm sein Studium zu schwer war.
Aber es liegt eine Lehre in der Schriftstelle (Dt 4, 9):
„Daß sie nicht aus deinem Herzen weichen, solange du lebst.“
Folglich verschuldet er sich nicht,
als bis er sich hinsetzt und sie aus seinem Sinne schwinden läßt.

12
Rabbi Chanina, Dosas Sohn, sagt:

Jeder, dessen Sündenfurcht der Wissenschaft vorangeht,
besitzt eine dauerhafte Wissenschaft,
und keiner, dessen Wissenschaft der Sündenfurcht vorangeht,
hat eine dauerhafte Wissenschaft.

13
Derselbe sagte auch:

Wessen Werke mehr sind als sein Wissen,
dessen Wissen hat Bestand.
Wessen Wissen aber seine Werke übertrifft,
dessen Wissen hat keinen Bestand.

14
Derselbe sagte auch:

Wer den Geist der Mitmenschen erfreut,
an dem hat auch der Geist Gottes seine Freude;
wer aber den Geist der Mitmenschen nicht erfreut,
an dem hat auch Gottes Geist keine Freude.

15
Rabbi Dosa, des Harkinas Sohn, sprach:

Morgenschlaf,
Mittagswein,
Kindergeschwätz
und Sitzen in den Versammlungshäusern der Unwissenden
bringen den Menschen aus der Welt.

16
Rabbi Eleazar aus Modein sagte:

Wer das Heilige entheiligt,
die Festtage verachtet,
seinen Nächsten öffentlich beschämt,
den Bund unseres Vaters Abraham bricht
und das Gesetz frech behandelt,
hätte er auch gute Werke getan,
der hat keinen Teil an der künftigen Welt.

17
Rabbi Ismael sagte:

Sei dienstfertig
und nachgiebig bei erzwungenem Dienst
und empfang alle Menschen mit Freude!

18
Rabbi Akiba sagte:

Lachen und Leichtsinn führen zur Unzucht.
Derselbe sagte:
Die Überlieferung ist ein Zaun um das Gesetz;
die Gelübde sind ein Zaun um die Enthaltsamkeit;
der Zaun um die Weisheit ist Schweigsamkeit.

19
Derselbe sprach:

Liebe ward dem Menschen zuteil,
weil er nach dem Bild erschaffen ward.
Größere Liebe ward ihm dadurch zuteil,
daß er wußte, er sei nach dem Bild erschaffen.
Es heißt ja (Gen 9, 6):
„Nach dem Bilde Gottes machte er den Menschen.“
Liebe empfing Israel,
weil sie Kinder Gottes genannt wurden.
Noch größere Liebe ward ihn dadurch zuteil,

daß sie wußten, sie hießen Gottes Kinder.
Es heißt ja (Dt 14, 1):
„Kinder seid ihr dem Herrn, eurem Gott.“
Liebe empfing Israel dadurch,
daß Er ihnen ein Geschenk gab,
wodurch die Welt erschaffen ward.
Noch größere Liebe ward dadurch ihnen zuteil,
daß sie wußten,
Er habe ihnen ein Geschenk gegeben,
wodurch die Welt erschaffen ward.
Es heißt ja (Spr 4, 3):
„Ich gab euch eine gute Lehre;
verlasset nicht mein Gesetz!“
Alles ist vorhergesehen;
doch ist Freiheit gegeben.
Nach Güte wird die Welt gerichtet
und nicht nach der Menge der Werke.

20
Derselbe sagte:

Alles ist auf Borg gegeben,
und das Netz ist über alle Lebenden ausgebreitet.
Der Kramladen steht offen,
der Krämer verlauft auf Kredit,
die Schreibtafel ist geöffnet,
und die Hand schreibt auf;
wer borgen will, kommt und borgt.
Die Schuld eintreiben, gehen beständig, täglich, umher
und fordern von den Leuten die Schuld ein,
bald mit, bald ohne ihr Wissen.
Zu allem haben sie ihren Grund.
Das Gericht ist aber ein gerechtes Gericht.
Alle sind ja zur Mahlzeit bestimmt.

21
Rabbi Eleazar, Azarjas Sohn, sagte:

Wo kein Gesetz ist,
da ist keine gute Sitte;
wo keine gute Sitte,
da ist kein Gesetz.
Wo keine Weisheit,
da ist keine Furcht;
wo keine Furcht,
da ist keine Weisheit.
Wo kein Wissen,
da ist kein Verstand;
wo kein Verstand,
da ist auch kein Wissen.
Wo kein Mehl ist,
da ist kein Gesetz;
wo kein Gesetz,
da ist kein Mehl.

22
Derselbe pflegte zu sagen:

Wem gleicht der,
dessen Weisheit größer ist als seine Werke?
Einem Baum mit vielen Zweigen,
aber wenig Wurzeln;
kommt ein Sturm,
so entwurzelt er ihn und wirft ihn um.
Wem aber gleicht der,
dessen Werke mehr sind als seine Weisheit?
Einem Baum mit wenig Zweigen,
aber viel Wurzeln.
Kommen selbst alle Stürme der Welt und stoßen auf ihn,
sie können ihn nicht von seinem Platze rücken.

23
Rabbi Eleazar Chisma sagte:

„Nester“ und „Reinigungen“ sind wesentliche Satzungen.
Astronomie und Geometrie sind der Nachtisch für die Weisheit.


4. Kapitel
1
Zomas Sohn sagte:

Wer ist ein Weiser?
Der von allen Menschen lernt;
denn es heißt (Ps 119, 99):
„Durch alle meine Lehrer ward ich klug.“
Wer ist ein Held?
Der seine Leidenschaften besiegt;
denn es heißt (Spr 16, 32):
„Der Langmütige ist tapferer als der Held,
und der Sieger über seine Leidenschaft stärker
als der Städteeroberer.“
Wer ist reich?
Der sich mit seinem Teil begnügt;
denn es heißt (Ps 128,2):
„Issest du von deiner Hände Arbeit, heil dir!
Dir geht es gut.“
Glücklich bist du in dieser Welt,
und wohl ist dir in der künftigen.
Wer ist geehrt?
Der die Menschheit ehrt;
denn es heißt (1 Sam 2, 30):
„Die mich ehren, ehre ich,
und die mich verachten, werden verachtet.“

2
Des Azzai Lohn sagte:

Befolg auch ein leichtes Gebot
und flieh die Sünde!
Die eine Gebotserfüllung zieht die andere nach sich
und die eine Sünde die andere.

Der Lohn für die Gebotserfüllung ist weitere Gebotserfüllung,
und der Lohn der Sünde ist weitere Sünde.

3
Derselbe sagte:

Verachte keinen Menschen
und halt nichts für unmöglich!
Denn jeder Mensch hat seine Zeit
und jedes Ding seine Stelle.

4
Rabbi Levitas aus Jabne sagte:

Sei sehr demütig!
Der Menschen Erwartung ist ja das Gewürm.

5
Rabbi Jochanan, Berokas Sohn, sagte:

Wer des Himmels Namen insgeheim verunehrt,
dem wird es öffentlich vergolten,
sei es aus Irrtum oder aus Vermessenheit geschehen.

6
Rabbi Ismael, sein Sohn, sagte:

Wer lernt in der Absicht, zu lehren,
dem gibt man die Macht, zu lernen zu lehren.
Wer aber lernt in der Absicht, es auszuüben,
dem gibt man die Macht,
zu lernen, zu lehren und auszuüben.

7
Rabbi Sadok sagte:

Mach nicht aus ihnen eine Krone, um damit zu glänzen,
noch einen Tisch, um davon zu essen!
Schon Hillel sagte:
„Wer die Krone ausnützt, geht zugrunde.“
Folglich, wer die Gesetzesworte ausnützt,
trägt sein Leben aus dieser Welt fort.

8
Rabbi Jose sagte:

Wer das Gesetz ehrt,
dem erweisen auch die Mitmenschen Ehre.
Wer das Gesetz geringschätzt,
den schätzen auch die Menschen gering.

9
Rabbi Ismael, sein Sohn, sagte:

Wer sich vom Streit fernhält,
der entfernt von sich Feindschaft, Beraubung und Meineid.
Wer aber auf das Belehren stolz ist,
der ist töricht, gottlos und aufgeblasen.

10
Derselbe sagte:

Richt nicht allein!
Denn es gibt nur Einen Alleinrichter.
Sag auch nicht zu den Genossen:
„Nehmt meine Meinungen an!“
Denn sie sind dazu berechtigt, nicht du.

11
Rabbi Jonatan sprach:

Wer das Gesetz in Armut erfüllt,
erfüllt es schließlich in Reichtum.
Wer das Gesetz im Reichtum mißachtet,
mißachtet es auch in der Armut.

12
Rabbi Meir sagte:

Gib dir weniger Mühe mit weltlicher Arbeit
als mit dem Gesetze!
Sei demütig bei allen Menschen!
Bist du nachlässig im Gesetzesstudium,
dann stellen sich viele störende Dinge dir entgegen.
Gibst du dir aber mit dem Gesetzesstudium Mühe,
dann ist Er bereit, dir einen reichen Lohn zu geben.

13
Rabbi Eliezer, Jakobs Sohn, sprach:

Wer ein einziges Gebot erfüllt,
erwirbt sich Einen Fürsprecher.
Wer Eine Sünde begeht,
erwirbt sich Einen Ankläger.
Buße und gute Werke sind ein Schild gegen die Strafe.

14
Rabbi Jochanan, der Schuster, sagte:

Jede Gemeinde, die im Namen des Himmels entsteht,
hat schließlich Bestand;
entsteht sie aber nicht in des Himmels Namen,
dann hat sie schließlich keinen Bestand mehr.

15
Rabbi Eleazar sagte:

Die Ehre deines Schülers sei dir so lieb
wie die Ehre deines Freundes,
und die Ehre deines Freundes so lieb
wie die Ehrfurcht vor deinem Lehrer,
und die Ehrfurcht vor deinem Lehrer so teuer
wie die Ehrfurcht vor dem Himmel.

16
Rabbi Juda sagte:

Sei gewissenhaft beim Unterricht!
Denn ein Versehen beim Unterricht kann viel Unheil stiften.

17
Rabbi Simeon sagte:

Es gibt drei Kronen:
Die Krone des Gesetzes,
die Krone des Priestertums
und die Krone des Königtums;
aber die Krone des guten Namens übertrifft sie alle.

18
Rabbi Nehorai sagte:

Geh dem Gesetze nach!
Glaub nicht, daß es dir nachgeht,
oder daß deine Freunde es dir aufbewahren!
Verlaß dich nicht auf deinen Verstand!

19
Rabbi Jannai sagte:

Wir können weder das ruhige Glück der Gottlosen
noch die Leiden der Gerechten erklären.

20
Rabbi Matja, des Charasch Sohn, sagte:

Komm allen Menschen mit dem Gruß zuvor!
Sei lieber der Schweif des Löwen
als der Kopf der Füchse!

21
Rabbi Jakob sagte:

Diese Welt ist gleichsam der Vorhof der künftigen Welt.
Bereite dich im Vorhof darauf vor,
daß du in den Speisesaal eintreten kannst!

22
Derselbe sprach:

Besser eine Stunde in Buße und guten Werken auf dieser Welt
als alles Leben in der künftigen Welt.
Besser eine Stunde der Erquickung in der künftigen Welt
als alles Leben in dieser Welt.

23
Rabbi Simon, Eleazars Sohn, sagte:

Such deinen Freund nicht in der Stunde seines Zornes zu besänftigen!
Tröste ihn nicht, wenn sein Toter vor ihm liegt!
Frag ihn nicht, wenn er sein Gelübde erfüllt!
Wünsche ihn nicht in der Stunde seiner Erniedrigung zu sehen!

24
Samuel, der Kleine, sagte:

Fällt dein Feind, dann freu dich nicht!
Strauchelt er, sei nicht fröhlich!
Es könnte dem Herrn, der es sieht, mißfallen
und er dann seinen Zorn von ihm wenden.

25
Elischa, des Abuja Sohn, sagte:

Wem gleicht, wer in der Jugend lernt?
Der Tinte, auf frisches Papier geschrieben.
Wem gleicht, wer erst im Alter lernt?
Der Tinte, ans radiertes Papier geschrieben.

26
Rabbi Jose, Judas Sohn, aus Kephar Habbabli, sagte:

Wem gleicht, wer von Jungen lernt?
Dem, der unreife Trauben ißt
und davon Wein aus der Kelter trinkt.
Wem gleicht, wer von Alten lernt?
Dem, der reife Trauben ißt
und alten Wein trinkt.

27
Rabbi sagte:

Merk nicht auf den Krug,
sondern auf seinen Inhalt!
Es gibt neue Krüge voll alten Weins
und alte, worin nicht einmal neuer Wein ist.

28
Rabbi Eleazar, der Gummihändler, sagte:

Neid, Wollust und Ehrgeiz
bringen den Menschen aus der Welt.

29
Derselbe sagte:

Die Geborenen sind dazu da, daß sie sterben,
die Gestorbenen, daß sie wieder lebend werden,
diese Lebenden, daß sie gerichtet werden.
Man soll erkennen, wissen und erfahren,
daß Gott der Bildner, der Schöpfer, der allwissende Richter,
Zeuge, Kläger und zukünftiger Richter ist!
Vor seinem Angesicht gibt es weder Unrecht noch Vergessen
noch Ansehen der Person noch Bestechung.
Alles ist ja sein.

Wisse, daß alles in Rechnung kommt!
Traue deiner Meinung nicht,
als gäbe es im Grab eine Zufluchtsstätte!
Ohne dein Zutun wurdest du gebildet,
ohne dein Zutun geboren;
ohne dein Zutun lebst du;
ohne dein Zutun stirbst du;
ohne dein Zutun mußt du Rechenschaft ablegen
dem König der Könige der Könige dem Heiligen.
Gelobt sei er!


5. Kapitel: Anhänge
1
Durch zehn Aussprüche ward die Welt geschaffen.

Was wird damit gelehrt?
Konnte sie nicht durch Einen Ausspruch geschaffen werden?
Es geschah,
um die Gottlosen zur Rechenschaft zu ziehen,
weil sie die durch zehn Aussprüche geschaffene Welt verderben,
und um den Frommen reichen Lohn zu geben,
weil sie die durch zehn Aussprüche geschaffene Welt erhalten.

2
Zehn Geschlechter sind es von Adam bis Noe,

damit man Seine Langmut erkenne;
denn alle Geschlechter erzürnten ihn,
bis er über sie die Sintflut brachte.

3
Zehn Geschlechter sind es von Noe bis Abraham,

damit man seine Langmut erkenne.
Denn alle Geschlechter erzürnten ihn,
bis unser Vater Abraham kam
und den ganzen Lohn empfing.

4
Durch zehn Versuchungen ward unser Vater Abraham versucht;

aber er bestand ihn allen,
damit man erkenne,
wie groß unseres Vaters Abraham Liebe war.

5
Zehn Wunder geschahen für unsere Väter in Ägypten

und zehn am Meer.

6
Zehn Plagen brachte der Heilige über die Ägypter in Ägypten

und zehn am Meer.

7
Mit zehn Versuchungen versuchten unsere Väter Gott in der Wüste;

denn es heißt (Nu 14, 22):
„Sie versuchten mich schon zehnmal
und hörten nicht auf meine Stimme.“

8
Zehn Wunder geschahen für unsere Väter zur Zeit des Tempels:

Kein Weib hatte eine Fehlgeburt durch den Geruch des heiligen Fleisches.
Nie roch das heilige Fleisch übel.
Wie stieß dem Hohenpriester um Versöhnungstag ein nächtlicher Unfall zu[.]
Nie sah man eine Fliege im Schlachthaus.
Nie fand sich etwas Fehlerhaftes an der Erstlingsgarbe,

den zwei Broten und den Schaubroten.
Nie löschten Regengüsse den Holzstoß aus.
Nie überwältigte der Wind die Rauchsäule.
Zusammengedrängt stand das Volk da;
doch hatte es Platz zum Hinknieen.
Nie verletzte eine Schlange oder ein Skorpion jemand in Jerusalem.
Nie sagte jemand zum andern:
Mir ist es in Jerusalem zu enge,
als daß ich da übernachtete.

9
Zehn Dinge wurden im Zwielicht erschaffen.

Der Schlund der Erde,
die Mündung des Brunnens,
der Mund der Eselin Bileams
der Regenbogen,
das Manna,
der Stab des Moses,
der Wurm,
die Schreibung,
die Schrift
und die Tafeln.
Einige fügen hinzu:
Die bösen Geister,
Mosis Grab
und unseres Vaters Abraham Widder.
Andere fügen hinzu:
Die Zange, womit die andern gemacht wurden.

10
Sieben Dinge kennzeichnen den Ungebildeten

und sieben den Weisen:
Der Weise spricht nicht vor dem, der ihn an Weisheit übertrifft;
er fällt einem andern nicht in die Rede;
er antwortet nicht voreilig;
er fragt bestimmt
und antwortet entsprechend;
er spricht über das Erste zuerst
und über das Letzte zuletzt.
Von dem, was er nicht versteht, sagt er:
„Ich verstehe es nicht“:
er bekennt die Wahrheit.
Das Gegenteil bezeichnet den Ungebildeten.

11
Sieben verschiedene Strafen kommen in die Welt

wegen sieben verschiedener Sünden:
Verzehntet ein Teil darin, der andere nicht,
dann entsteht Hungersnot aus Dürre,
so daß ein Teil darbt und der andere schwelgt.
Beschließt man, gar nicht zu verzehnten,
dann entsteht Hungersnot aus Aufruhr und aus Dürre.
Gibt man nicht den Opferkuchen,
dann entsteht eine alles hinraffende Hungersnot,

Pest kommt in die Welt,
wenn gesetzlich todeswürdige Verbrechen
nicht dem Gerichtshof überliefert werden,
und wegen der Früchte des siebten Jahres.
Das Schwert kommt in die Welt[,]
wenn das Recht gebeugt und unterdrückt
und das Gesetz nicht richtig erklärt wird.
Wilde Tiere kommen in die Welt,
wegen der Meineide und der Gotteslästerungen.
Wegführung in Gefangenschaft entsteht
wegen Götzendienstes, Blutschande, Mordtaten
und Nichtbeachtung des Sabbatjahres.

12
In vier Zeiten nimmt die Pest überhand,

im vierten und siebten Jahr,
am Schluß des siebten Jahres und des jährlichen Festes.
Im vierten Jahr
wegen des vorenthaltenen Armenzehnten des dritten Jahres,
im siebten wegen dieses Zehnten vom sechsten Jahr,
am Schluß des siebten Jahres
wegen der Früchte des siebten Jahres
und am Schluß des jährlichen Festes
wegen Vorenthaltung anderer Armengaben.

13
Es gibt vier Klassen von Menschen:

Die eine spricht:
„Das Meinige ist mein und das Deinige ist dein.“
Das ist die gewöhnliche Klasse.
Andere rechnen auch die Bewohner Sodomas zu dieser Klasse.
Die Klasse der Unwissenden sagt:
„Das Meinige ist dein und das Deinige ist mein.“
Die Klasse der Frommen sagt:
„Das Meinige ist dein und das Deinige ist dein.“
Die Klasse der Gottlosen sagt:
„Das Deinige ist mein und das Meinige ist mein.“

14
Viererlei Gemütsarten gibt es:

Leicht zu erzürnen und leicht zu begütigen.
Dieser Verlust gleicht sich durch den Gewinn aus.
Schwer zu erzürnen und schwer zu begütigen.
Dieser Gewinn hebt den Verlust auf.
Schwer zu erzürnen und leicht zu begütigen.
Dies ist die Eigenart der Frommen.
Leicht zu erzürnen und schwer zu begütigen.
Dies ist die Eigenschaft des Gottlosen.

15
Viererlei Eigenschaften nimmt man an den Schülern wahr:

Schnell auffassen und schnell vergessen.
Dieser Verlust gleicht sich durch den Gewinn aus.
Schwer auffassen und schwer vergessen.
Dieser Gewinn hebt den Verlust auf.
Schnell auffassen und schwer vergessen

ist die Eigenschaft der Weisen.
Schwer auffassen und schnell vergessen
ist ein böses Geschick.

16
Vier Eigenschaften des Almosengebens gibt es:

Einer gibt gerne,
aber will nicht, daß andere geben;
dieser ist auf andere neidig.
Ein anderer will, daß andere geben,
er selbst aber gibt nichts;
der ist gegen sich selbst feindselig.
Wer aber selbst gibt
und will, daß auch andere geben,
der ist ein Frommer[.]
Wer nichts gibt
und auch nicht will, daß andere geben,
der ist ein Gottloser.

17
Viererlei Eigenschaften eignen den Besuchern der öffentlichen Schulen:

Der eine geht hinein, tut aber nicht danach.
Dieser hat das Verdienst, hineingegangen zu sein.
Ein anderer tut es, geht aber nicht hinein.
Dieser hat das Verdienst des Werkes.
Wer aber hineingeht und danach tut,
der ist ein Frommer.
Wer nicht hineingeht und nicht danach tut,
der ist ein Gottloser.

18
Viererlei Eigenschaften zeigen sich bei denen,

die vor den Weisen sitzen:
Sie sind Schwamm, Trichter, Seiher und Sieb.
Dem Schwamme gleicht, wer alles einsaugt,
dem Trichter, wer auf der einen Seite einnimmt
und auf der andern Seite durchläßt,
dem Seiher, wer den Wein durchlaufen läßt
und die Hefe zurückbehält,
dem Sieb, wer das Staubmehl durchläßt
und das Kraftmehl zurückbehält.

19
Jede Liebe, die von einem sinnlichen Gegenstand abhängt,

hört mit ihm auf.
Hängt sie aber nicht davon ab,
dann hört sie niemals auf.
Welche Liebe ist an einen sinnlichen Gegenstand geknüpft?
Die Liebe Amnons und Tamars.
Welche Liebe klebte an keinem sinnlichen Gegenstand?
Die Liebe Davids und Jonatans.

20
Jeder Streit, der in des Himmels Namen geführt wird,

hat Berechtigung;
der aber nicht im Namen des Himmels geführt wird,
hat sie nicht.
Welcher Streit ward in des Himmels Namen geführt?

Der Streit des Hillel und des Schammai.
Welcher ward nicht so geführt?
Der Streit der Rotte Korachs und seines Anhangs.

21
Wer viele zur Tugend führt,

über den hat die Sünde keine Gewalt.
Wer viele zum Laster führt,
der bekommt keine Gelegenheit, Buße zu tun.
Moses war tugendhaft und führte viele zur Tugend,
und so ward ihm die Tugend vieler zugerechnet.
Es heißt ja (Dt 33, 21):
„Er übte des Herrn Gerechtigkeit aus,
und seine Rechte führte er in Israel ein.“
Jeroboam war lasterhaft
und verführte viele zum Laster;
deshalb wird ihm auch das Laster der vielen angerechnet.
Es heißt ja (1 Kg 15, 30):
„Wegen Jeroboams Laster, die er beging,

22
und weil er Israel zur Sünde verführte.“

Wer folgende drei Eigenschaften hat,
gehört zu den Schülern unseres Vaters Abraham;
wer die andern drei besitzt,
gehört zu den Schülern des gottlosen Bileam.
Freundliches Auge, demütiger Sinn und genügsames Gemüt
eignen den Schülern unseres Vaters Abraham.
Böses Auge, stolzer Geist und hochfahrendes Gemüt
eignen den Schülern des gottlosen Bileam.
Was ist der Unterschied zwischen den Schülern unseres Vaters Abraham
und denen des gottlosen Bileam?
Des gottlosen Bileam Schüler fahren zur Hölle;
denn es heißt (Ps 55, 24):
„Du, Gott, stößest sie in die Grube des Verderbens;
Männer des Blutes und des Truges
dürfen nicht die Hälfte ihrer Lebenszeit erreichen.“
Dagegen erben die Schüler unseres Vaters Abraham das Paradies
und die kommende Welt;
denn es heißt (Spr 8, 21):
„Die mich lieben, sollen Ewiges erben,
und ihre Scheunen fülle ich an.“

23
Juda, Temas Sohn, sagte:

Sei stark wie ein Panther,
leicht wie ein Adler,
schnell wie ein Hirsch,
mutig wie ein Löwe,
den Willen deines Vaters im Himmel zu erfüllen! –

24
Derselbe sagte auch:

Der Freche gehört in die Hölle,
der Sittsame ins Paradies.
Möge es dir, Herr, unser und unserer Väter Gott, gefallen,

deine Stadt in unsern Tagen wieder aufzubauen,
und gib uns unser Teil an deinem Gesetz,
und zwar den Tätern deines Willens!
Derselbe sagte:
Mit fünf Jahren soll man die Heilige Schrift lesen,
mit zehn die Mischna,
mit dreizehn die Gebote erfüllen,
mit fünfzehn den Talmud studieren,
mit achtzehn heiraten.
Mit zwanzig Jahren ist man verantwortlich;
mit dreißig erhält man die Vollkraft,
mit vierzig den Verstand,
mit fünfzig die Gabe des Rates;
mit sechzig beginnt das Alter;
mit siebzig wird man ein Greis;
mit achtzig erreicht man das hohe Alter;
mit neunzig ist man abgelebt.
Der Hundertjährige ist gleichsam tot,
schon hinübergegangen und der Welt entflohen.

25
Bagbags Sohn sagte:

Kehr und wende sie um
und lies darin!
Denn es ist der Inbegriff von allem.
Werde alt und grau dabei
und weiche nie davon!
Denn außer ihr gibt es für dich keine Tugend.

26
Der Sohn des Hehe sagte:

Nach der Mühe der Lohn!


6. Kapitel
1
Die Weisen lehrten in der Sprache der Mischna.

Gepriesen sei Er,
der sie und ihre Lehren ausgewählt hat!
Rabbi Meir sagte:
Wer sich mit dem Gesetz um seinetwillen beschäftigt,
der erlangt vieles
und nicht nur dies, sondern er ist auch der ganzen Welt wert.
Er heißt Freund und Geliebter.
Er liebt Gott und die Menschen.
Er erfreut Gott und die Menschen.
Dies kleidet ihn in Demut und Furcht
und macht ihn fähig,
gerecht, fromm, gerade und aufrichtig zu sein,
und entfernt ihn von der Sünde
und führt ihn zur Tugend.
Und man erhält von ihm Rat, Hilfe, Einsicht und Kraft.

Es heißt ja (Spr 8, 14):
„Mir eignet Rat und Hilfe, Einsicht und Stärke.“
Es verleiht ihm auch königliche Würde und Herrschaft,
Ergründung des Rechts
und Enthüllung der Geheimnisse des Gesetzes.
Er wird dadurch zu einem nie versiegenden Quell
und einem immer stärker fließenden Strom;
er ist bescheiden, geduldig und verzeiht Beleidigungen.
Es macht ihn größer und erhabener als alle Geschöpfe.

2
Rabbi Josue, Levis Sohn, sprach:

Täglich geht eine Tochterstimme vom Berg Horeb aus,
ruft und spricht:
„Wehe dem Menschengeschlecht wegen der Verachtung des Gesetzes!“
Wer sich nicht mit dem Gesetz befaßt, wird verworfen.
Es heißt ja (Spr 11, 22):
„Ein goldener Ring in der Nase eines Schweins
ist ein schönes Weib ohne Sitte.“
Ferner heißt es (Ex 32, 16):
„Die Tafeln sind ein Werk Gottes,
und die Schrift ist Gottesschrift, auf die Tafeln eingegraben.“
Lies aber nicht Charut (eingegraben),
sondern Cherut (Freiheit)!
Es heißt ja (Nu 21, 19):
„Von Mattana bis Nachaliel
und von Nachaliel bis Bamot“
(d. i. vom Geschenk zum Gotteserbe und von da zu den Höhen).

3
Wer von seinem Nächsten ein Kapitel oder einen Abschnitt,

einen Satz oder ein Wort
oder auch nur einen Buchstaben lernt,
muß ihm Ehrerbietung erweisen.
So finden wir ein Beispiel an Israels König David,
der von Achitophel nur zwei Worte lernte,
und dennoch nannte er ihn
seinen Lehrer, seinen Freund und seinen Vertrauten.
Es heißt ja (Ps 55, 14):
„Aber du, Mensch, den ich mir gleich achte,
mein Freund und mein Vertrauter.“
Sind es nur einige Worte,
so läßt sich vom Kleinern aufs Größere schließen.
Wenn Israels König David nur zwei Worte von Achitophel lernte
und ihn dennoch seinen Freund und Vertrauten nannte,
um so mehr wird der,
der von seinem Nächsten ein Kapitel oder einen Abschnitt
oder einen Satz oder ein Wort
oder auch nur einen Buchstaben lernte,

diesen ehren müssen.
Ehre kommt aber bloß vom Gesetz;
es heißt ja (Spr 3, 35; 28, 10):
„Ehre erben die Weisen,
und die Frommen erben Gutes.“
Gutes aber kommt bloß vom Gesetz;
es heißt ja (Spr 4, 2):
„Ich gab euch eine gute Lehre:
verlasset mein Gesetz nicht!“

4
Dies ist der Weg zum Gesetz:

„Iß Brot mit Salz!
Trink Wasser abgemessen!“ (Ez 4, 11)
Schlaf auf der Erde!
Leb kümmerlich!
Aber beschäftige dich mit dem Gesetz!
Tust du so,
dann „Heil dir! Dir geht es gut“ (Ps 128, 2).
Heil dir in dieser Welt,
und gut geht’s dir in der künftigen.

5
Streb nicht für dich nach Ruhm!

Laß dich nicht nach Ehre gelüsten!
Tu mehr, als du gelernt hast!
Begehr nicht nach Speise der Könige!
Deine Speise ist jener vorzuziehen
und dein Diadem dem ihrigen.
Zuverlässig ist der Meister deines Werkes;
er bezahlt dir den Lohn deiner Arbeit.

6
Größer ist das Gesetz

als Priestertum und Königtum.
Das Königtum hat dreißig Vorzüge
und das Priestertum vierundzwanzig;
das Gesetz aber fordert achtundvierzig Tugenden:
Lernen, Hören, Wiederholen,
Scharfsinn, Einsicht, Ehrerbietung,
Ehrfurcht, Demut, Freudigkeit,
Reinheit, Dienst der Weisen, Unterredung mit Freunden,
Disputieren mit Schülern, eifriges Sitzen bei Bibel und Mischna,
wenig Geschäfte,
wenig weltlicher Verkehr, wenig Schlaf,
wenig Sprechen, wenig Vergnügen,
wenig Scherz, wenig irdische Angelegenheiten,
Langmut, ein gutes Herz,
Zutrauen zu den Weisen, Annahme der Strafen.
Er muß ferner seinen Platz wissen,
mit seinem Anteil zufrieden sein,
einen Zaun um seine Worte machen,
sich nichts Gutes als Verdienst anrechnen,
beliebt sein, Gott lieben,

ferner die Mitmenschen, das Almosengeben,
die Geradheit und die Rügen.
Dann muß er sich der Ehrenstellen enthalten,
darf auf sein Wissen nicht stolz sein
und sich nicht über die Gelehrsamkeit erfreuen.
Er soll seines Nächsten Joch tragen helfen
und ihn von der guten Seite beurteilen,
und seinen Sinn auf sein Studium richten.
Er soll fragen und antworten können,
andern zuhören und dadurch zunehmen,
lernen zum Zweck des Lehrens
und lernen zum Zweck der Ausübung.
Er soll selbst seinen Lehrer weiser machen
und das Gehörte überdenken
und die Urheber der Aussprüche nennen.
Du hast gelernt:
Jeder, der einen Ausspruch mit dem Namen seiner Urheber vorträgt,
bringt der Welt Erlösung.
Es heißt ja (Esth 2, 22):
„Und Esther sagte es dem König in Mordekais Namen.“

7
Groß ist das Gesetz.

Es gibt seinem Befolger Leben in dieser und der künftigen Welt.
Es heißt ja (Spr 4, 22):
„Sie sind Leben für die, die sie finden,
und bringen ihrem ganzen Leibe Heilung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 8):
„Heilung ist für deinen Leib und für deine Glieder Erquickung.“
Ferner heißt es (Spr 3, 18):
„Sie ist ein Lebensbaum für alle, die sie ergreifen,
und selig sind, die sie erfassen.“
Ferner (Spr 1, 19):
„Sie ist deinem Haupt eine kostbare Zier
und deinem Hals ein Schmuck.“
Ferner (Spr 4, 9):
„Sie verleiht deinem Haupt einen herrlichen Kranz
und ziert dich mit strahlender Krone.“
Ferner (Spr 3, 16):
„Langes Leben ist in ihrer Rechten
und in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“
Endlich (Spr 3, 2):
„Viele Lebenstage und Jahre fügt sie dir hinzu.“

8
Rabbi Simeon, Menasjas Sohn,

sagte im Namen des Rabbi Simeon, des Jochaisohnes:
Schönheit, Macht, Reichtum, Ehre, Weisheit,
Alter, graues Haar und Kinder zieren die Gerechten
und somit auch die Welt.
Es heißt ja (Spr 16, 31):

„Eine ehrenvolle Krone sind graue Haare;
sie wird auf dem Weg der Gerechtigkeit gefunden.“
Ferner (Spr 20, 29):
„Der Jünglinge Ruhm ist ihre Stärke,
der Greise Schmuck das graue Haar.“
Ferner (Spr 17, 6):
„Der Alten Krone sind Kindeskinder
und der Kinder Ruhm sind ihre Väter.“
Ferner (Js 24, 23):
„Der Mond errötet und die Sonne schämt sich,
wenn der Heerscharen Herr auf dem Sionsberg und in Jerusalem
vor seinen Ältesten in Herrlichkeit regiert.“

9
Rabbi Simon, Menasjas Sohn, sagte:

Diese sieben Eigenschaften,
die die Weisen den Gerechten zuerkennen,
gingen insgesamt am Rabbi und seinen Kindern in Erfüllung.

10
Rabbi Jose, Kismas Sohn, sagte:

Ich machte einst eine Reise;
da begegnete mir ein Mann, der mich grüßte.
Als ich den Gruß erwiderte, fragte er mich:
Rabbi, woher bist du?
Ich sagte: Aus einer großen Stadt mit Weisen und Schriftgelehrten.
Da sprach er zu mir: Rabbi!
Wärest du gewillt, bei uns zu weilen?
Ich gäbe dir tausendmal tausend Denare,
Gold, Edelsteine und Perlen.
Ich sprach zu ihm:
Mein Sohn!
Gäbst du mir auch eine ganze Welt voll Silber, Gold,
Edelsteine und Perlen,
so will ich doch nur an der Stätte des Gesetzes wohnen.
Denn wenn der Mensch stirbt,
dann begleiten ihn weder Silber, noch Gold,
noch Edelsteine, noch Perlen,
sondern nur das Gesetz und die guten Werke.
Es heißt ja (Spr 6, 22):
„Wenn du gehst, so begleitet sie dich;
wenn du liegst, bewacht sie dich;
wenn du erwachst, spricht sie mit dir.“
Das will sagen:
Wenn du gehst, so begleitet sie dich in diese Welt;
wenn du liegst, bewacht sie dich im Grab;
wenn du erwachst,
spricht sie mit dir in der künftigen Welt.
So heißt’s im Buch der Psalmen (119, 72) Davids, des Königs von Israel:
„Besser ist mir deines Bruders Lehre
als Tausende von Gold und Silber.“
Es heißt auch (Agg 2, 8):

„Mein ist das Silber und das Gold;
ein Spruch des Herrn der Heerscharen.“

11
Fünferlei Besitztümer erwarb sich der Heilige in seiner Welt:

Das Gesetz, Himmel und Erde,
Abraham, Israel und den Tempel.
Woher weißt du dies vom Gesetz?
Es steht geschrieben (Spr 8, 22):
„Der Herr erwarb mich am Anfang seines Weges,
als erster seiner Werke vorlängst.“
Woher weißt du dies von Himmel und Erde?
Es steht geschrieben (Js 66, 1):
„So spricht der Herr:
Der Himmel ist mein Thron und die Erde meiner Füße Schemel.
Wo ist das Haus, das ihr mir bauen könntet,
und wo die Stätte meiner Ruhe?“
Ferner (Ps 104, 24):
„Wie groß sind deine Werke, Herr!
Sie alle schufest du mit Weisheit;
die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.“
Woher weißt du es von Abraham?
Es steht geschrieben (Gen. 14, 19):
„Und er segnete ihn und sprach:
Gesegnet seist du, Abraham,
vom höchsten Gott, der Himmel und Erde erworben hat!“
Woher weißt du es von Israel?
Es steht geschrieben (Ex 15, 16):
„Bis dein Volk, Herr, hindurchzieht,
bis hindurchzieht das Volk, das du dir erwarbest.“
Ferner (Ps 16, 3):
„An den heiligen Sachen im Lande,
an ihnen und den Edlen habe ich mein ganzes Wohlgefallen.“
Woher weißt du es vom Tempel?
Es steht geschrieben (Ex 15, 17):
„Der Sitz, den du dir, Herr, zu deiner Wohnung hergerichtet,
das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereiteten.“
Endlich (Ps 78, 54):
„Er brachte sie ins Gebiet seines Heiligtums,
zu diesem Berg, den sich seine Rechte erworben hatte.“

12
Alles, was der Heilige in seiner Welt erschuf,

erschuf er allein zu seiner Ehre.
Es heißt ja (Js 43, 7):
„Jeden, der meinen Namen trägt,
schuf, bildete und machte ich zu meiner Ehre.“
Endlich heißt es (Ex 15, 18):
„Der Herr ist König für immer und ewig.“



Erläuterungen

[1330]
54. Zu den Sprüchen der Väter

Die „Sprüche der Väter“ Pirke Aboth sind eine Sammlung sittlicher und religiöser Grundsätze; sie gehört zu den 63 Abhandlungen der Mischna, des jüdischen Corpus juris. Die Sprüche selber stammen aus der Zeit des dritten vorchristlichen bis dritten nachchristlichen Jahrhunderts. Der Sammler oder Herausgeber war Rabbi Juda, der Heilige, gest. 219 n. Chr. Die Sammlung ist nicht nach Materien geordnet, und eine chronologische Folge zeigt sich nur im ersten und auch noch im zweiten Kapitel. Das sechste gehört nicht zum ursprünglichen Bestand. (R. H. Charles, Apocr. and Pseud. II 1910 686 ff, H. Strack, Sprüche der Väter 3 A. 1901 IA Mischna 4, 9 Abot 1827).

  • 1: 1 „Die Ältesten“ sind die von Moses ausgewählten Gehilfen (Ex 18, 25). Die „große Synagoge“ bezeichnet die älteren Schriftgelehrten, die im Geist des Esdras (Neh 9, 10) das Gesetz weiter bildeten. Ein ständiges Kollegium scheint aber nicht existiert zu haben. „Zaun“ sind die Vorsichtsmaßregeln gegen Gesetzesübertretung. 2 Simon ist entweder der Hohepriester 310–291 v. Chr. oder sein Enkel 219–199 (Jos. Ant. XII 2, 5; 4, 10). „Gottesdienst“ hier Tempeldienst. 3 Antigonus, Lehrer des Sadok, des Gründers der Sadduzäer. „Himmel“ = Gott. 4 Von hier ab folgen die Lehrer paarweise (im Talmud Zugot „Paare“ genannt). Jose war wohl unter den Sechzig, die von Alkimus 162 v. Chr. getötet wurden (1 Mak 7, 16). „Staub der Füße“ der Schüler sitzt zu den Füßen des Lehrers s. Apg. 22, 3. 5 „Weib“ hier Hausfrau: s. Joh 4, 27. Die 2. Hälfte ist alter Kommentar hiezu. 6 Perachja soll nach einer talmud. Tradition der Lehrer Jesu gewesen sein. Arbela war in Galiläa bei Tiberias, heute Irbid. 7 Vielleicht auf die Verfolgung der Pharisäer durch Johannes Hyrkan gemünzt. 8 Simon, ein Schwager des Königs Janäus 106–76 v. Chr., stellte den verlorenen Einfluß der Pharisäer wieder her. 10 Dieses Paar sind wohl Sameas und Pollion (bei Jos Ant. XV 1, 1) um 60 v. Chr. 11 Die „Weisen“ sind die Lehrer, Rabbis. „Schlechtes Wasser“ irrige Gesetzesauslegung. 12 Um 30 v. Chr. Die „Geschöpfe“ die Heiden. 13 „zufügt“ Neues seinem Wissen. „Krone“ der Gesetzeskenntnis. 14 Selbstvertrauen und Gewandtheit. Die Gelegenheit kommt nicht wieder. 16 Enkel Hillels, Lehrer des hl. Paulus (Apg. 5, 34). Rabban bedeutet das Haupt des Hillelhauses. 17 Der Vers ist verstellt, gehört vor V. 16. Simon ist Hillels Sohn und Gamaliels Vater.
  • 2: 1 Rabbi ist Juda der Fürst, Simons Sohn und Enkel Gamaliels II. Des Menschen Taten sollen vor Gott und den Menschen ehrbar sein. Vergeltung besteht in irgendeinem Zeichen der göttlichen Billigung. „Verlust“ und „Gewinn“ der göttlichen Billigung. 2 Gamaliel III um 250 n. Chr. 8 Vergeltung. 9 Jochanan starb c. 80 n. Chr. Er sammelte das Judenvolk nach Jerusalems Fall 70 n. Chr. und brachte das Gesetzesstudium wieder auf. 10 Eliezer starb vor 116 n. Chr. Josue war ein Tempelsänger um 130 n. Chr. Die Mutter brachte ihn schon in der Wiege zur Synagoge, daß er sich möglichst bald an die Anhörung der Gesetzesworte gewöhne. 11 Jochanan. Abba Saul korrigiert das falsche Zitat richtig, wie V. 12 und 13 zeigen. 12 Er = Jochanan. Ein gutes Herz ist die Quelle aller guten Gefühle und Handlungen. 13 Ein späterer Zusatz. 17 Das Schma (Dt 6, 4–9; 11, 13–21 Num 15, 37–41) soll morgens und abends gebetet werden. 18 Epikuräer. 19 Ein Priester, der um 117 n. Chr. starb, kaum identisch mit Justins Tryphon.[1331]
  • 3: 1 Akabia war wohl Zeitgenosse Gamaliels I. 2 Er lebte vor 70 n. Chr. Vielleicht warnt er hier vor feindlicher Gesinnung gegen Rom, wie sie 68 n. Chr. ausbrach. 3 Er wurde 135 n. Chr. hingerichtet. „Gnadengegenwart“ s. Num 35, 34 Mt 18, 20 Apok 21, 3 „Zelt Gottes“. 5 Er lebte 100–170 n. Chr., ein Schüler R. Akibas. „Ohne Gott“, das Wort „kein Platz oder Ort“ Is 28, 8 wird hier als Gottesname aufgefaßt. 6 Er entrann der hadrian. Verfolgung im Jahre 135 n. Chr. 7 Er lebte lange im ersten vorchristl. Jahrhundert. Kana = der „Eiferer“ (Luk 6, 15 Mt 10, 4). „Joch“ Sinnbild des Gehorsams (Mt 11, 30) „Sie“ die himmlischen Geister; „Joch des Königtums“ politische Bedrückung durch Steuern. 8 Um 150 n. Chr. 9 Zeitgenosse Akibas um 100 n. Chr., berühmt durch Mildtätigkeit. 10 Um 150 n. Chr. Dt 4, 9. 11 Um 180 n. Chr., griech. Dositheus. 12 Im ersten vorchristl. Jahrhundert. 13 „Werke“ die praktische Anwendung des Gesetzes. 15 Er lebte von 10–90 n. Chr. „Kinder““, die in Gegenwart ihrer Eltern still sein sollen. 16 Hauptstütze Barkochbas bei seinem Aufstand 135 n. Chr. Er lebte von 50–135 n. Chr. Er wendet sich hier gegen Sektierer und falsche Brüder. 17 Er lebte von 60 bis 135 n. Chr. 18 Er lebte von 50–135 n. Chr., wo er hingerichtet wurde. „Überlieferung des Alten“ s. Mk. 7, 3. 19 Das Geschenk ist das Gesetz. 20 Die Vergeltung kommt, wenn auch langsam. „Die Schuldeintreiber“ sind die Leiden und Züchtigungen von seiten Gottes. „Mahlzeit“ die künftige Welt. Jeder, der seine Schuld bezahlt hat, ist im Paradies willkommen. 21 Er lebte von 50–130 n. Chr. 23 Er lebte um 100 n. Chr. s. Lev 5, 1–10. Luk 2, 24.
  • 4: 1 Schüler des R. Akiba gegen Ende des 1. nachchristlichen Jahrhunderts; er war ein Theosoph. 2 Der Genosse des Vorigen; sie waren Richter in Jabne. 4 Zeitgenosse des Azzai. 5 Er lebte um 100 n. Chr., „Himmel“ Gott. 6 Er lebte von 150–200 n. Chr. „lernt“ das Gesetz. 7 Er lebte von 50–100 n. Chr. „aus ihnen“ den Gesetzesworten. 8 Er lebte von 110–180 n. Chr., ein Schüler Akibas. 9 Von 160–220 n. Chr. 10 „berechtigt“ durch ihre Majorität. 12 Der berühmteste Schüler Akibas. 13 Auch ein Schüler Akibas. 14 Ebenso s. Apg. 5, 38 f Mt 18, 19. 15 Ebenso. 17 s. 3, 5. 18 Akibas Schüler. 19 um 200–250 n. Chr. 20 Im 2. nachchristl. Jahrhundert. 21 s. 3, 10. 23 Ende des 2. nachchristl. Jahrhunderts. 24 im ersten nachchristl. Jahrhundert, er starb um 80 n. Chr. „Klein“ weist auf seine Demut. 25 von 90–160 n. Chr. Er war Theosoph. „Tinte“ hier für Buchstaben; „radiertes Papier“ Palimpsest. 26 um 180–220 n. Chr. in Galiläa. 27 s. 2, 1. 28 um 180–220 n. Chr. Vielleicht war dieser der Sammler des ganzen Werkes. Der lange Spruch sollte wohl den Schluß des Buches bilden. „Zuflucht“ vor Gottes Gericht.
  • 5: 1 Die zehn Worte sind die zehn Befehle Gen 1, 1 ff. Durch die zehnmalige Wiederholung sollte der Wert der Welt betont werden. 2 s. 2 Petr 3, 5 ff. 8 Als schlechtes Zeichen galt es, wenn der Rauch herabgedrückt wurde. Jos. B. J. VI 9, 3 spricht von 2 565 000 Ostergästen. 9 „Schlund“ bei der Rotte Korachs Num 16, 32, Brunnen s. Num 21, 16 ff. Der „Wurm“, der das Härteste zernagte, im Dienste Mosis und Salomos. 11 Aus Lev 26, 14 ff Ex 23, 11. 12 Laubhüttenfest. 13 Sodom s. Ez 16, 49. 20 s. 1, 12. 22 Bileam spielt vielleicht verdeckt auf Christus an. 22 „Die Hälfte der Lebenszeit“; wurde Bileam nur 33 Jahre, wie Christus, alt? 23 um 150 n. Chr. Ursprünglich schloß hier das Buch. „Vater im Himmel“ vorchristlich. 25 Ein Schüler Hillels. „es“ das Gesetz.
  • 6: 1 Dies Kapitel ist ein Anhang und heißt gewöhnlich „Kapitel des R. Meir“ oder „Erwerbung des Gesetzes“.[1332] Die „Weisen“ sind Talmudlehrer. „Er“ Gott, der die Weissagung, den Propheten, nach dem Talmud, nahm und sie den Weisen, d. i. den Rabbinen, gab. Meir lebte in der Mitte des 2.Jahrhunderts. „Es kleidet“ das Gesetz „ihn“. 2 um die Mitte des 3.Jahrhunderts. „Tochterstimme“ Joh 12, 28 f. Die Rabbinen hielten sie für eine geringe Art der Inspiration. „Horeb“ als Sitz der göttlichen Autorität. 3 „lernt“ aus dem Gesetz. 8 Um die Mitte des 2. Jahrhunderts. 9 ebenso. 10 um 180–220 n. Chr. 10 Die „große Stadt“ mag Uscha sein.